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bookloving
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Munich

Bewertungen

Insgesamt 79 Bewertungen
Bewertung vom 20.10.2025
Tierisch viel los!
Moser-Gattringer, Evelyn

Tierisch viel los!


ausgezeichnet

*Inspirierender Ratgeber für ein kleines Wildtierparadies im Garten*
Mit „Tierisch viel los“  hat Evelyn Moser-Gattringer ein höchst informatives und motivierendes Sachbuch vorgelegt, das alle Naturbegeisterten dazu einlädt, ihren Garten, Balkon oder jeden noch so kleine Fleckchen Grün in ein naturnahes Paradies und eine lebendige Zuflucht für heimische Wildtiere zu verwandeln. Die Autorin hat in ihr wundervoll gestaltetes Werk nicht nur ihr biologisches Fachwissen mit einfließen lassen, sondern auch ihre langjährige Praxiserfahrung und ihre fundierten Kenntnisse über die vielfältigen Bedürfnisse von Wildtieren. Als Gründerin der Wildtierhilfe Wien und Leiterin von Österreichs erstem Wildtierkrankenhaus hat sie sich über ein Jahrzehnt um verletzte Tiere gekümmert, sie gesund gepflegt und wieder ausgewildert. Diese tiefe Verbundenheit mit der Natur durchzieht das ganze Buch und macht ihre Tipps und Projekte äußerst glaubwürdig und alltagstauglich. Beim Lesen spürt man ihre Begeisterung und ihre aufrichtige Liebe zu Flora und Fauna auf jeder Seite.
Sehr eindrucksvoll macht die Autorin in ihrer Einleitung deutlich, wie wichtig Artenschutz, Biodiversität und funktionierende Ökosysteme für Mensch und Natur sind. Sterilen Rasenflächen und öden Steingärten sagt sie den Kampf an und ruft dazu auf, sich dem Artenschutz vor der eigenen Haustür zu widmen. Nach dem Motto „Jeder Quadratmeter zählt“ zeigt sie, dass Naturnähe keiner Perfektion bedarf, sondern vor allem der Bereitschaft einen wildtierfreundlichen Garten zu gestalten und so einen Lebensraum für Vögel, Insekten, Amphibien und kleine Säugetiere zu schaffen. Mit einfachen Veränderungen und leicht umsetzbaren Maßnahmen wie etwa dem Anpflanzen heimischer Pflanzen, Anlegen kleiner Wasserstellen oder Anbringen von Nistmöglichkeiten, lässt sich auch auf kleiner Fläche Großes bewirken.

Im tierischen Gartenjahr der Autorin gibt es tatsächlich immer was zu tun und entsprechend findet sich im Buch eine saisonale Gliederung. Moser-Gattringer führt durch das gesamte Gartenjahr und erklärt, welche kleinen und großen Projekte sich im Frühling, Sommer, Herbst und Winter anbieten. Geschickt verbindet sie dabei viele wissenswerte ökologische Informationen mit praktischen Handlungsvorschlägen, wie beispielsweise dem richtigen Zeitpunkt für den Heckenschnitt, das Belassen verblühter Stauden im Winter oder die ideale Pflege eines Vogelhäuschens.
Äußerst hilfreich sind auch die Hinweise zur Pflanzenwahl, denn statt exotischer oder invasiver Arten ist es sinnvoll sich auf heimische Pflanzen zu konzentrieren, die sich optimal in das heimische Ökosystem einfügen und wildtierfreundlich sind. Anschaulich erläutert die Autorin neben ihrem optimalen Standort auch ihre Funktion als Nahrungsquelle, Schutzraum und Bestäubungsmagnet und zeigt nachvollziehbar auf, wie Flora und Fauna voneinander abhängen.
Die Projektideen sind kreativ, klar strukturiert und praxisnah gestaltet, sodass sie auch für Anfänger ohne Vorkenntnisse und mit wenig Aufwand leicht umsetzbar sind. Dank durchdachter Materiallisten, verständlicher Schritt-für-Schritt-Anleitungen und hilfreicher Zusatztipps kann dabei im Grunde nichts schiefgehen. Ob nun Blühwiese für Schmetterlinge, Wildbienenhotel, Igelunterschlupf oder Futterstelle für Wintergäste – die Bandbreite an Ideen ist beeindruckend und macht Lust, gleich loszulegen. Zusätzlich vermitteln Steckbriefe und Infokästen spannendes Wissen über heimische Tierarten, Pflanzen und ökologische Zusammenhänge. Neben vielen hilfreichen Tipps wie diversen Upcycling-Ideen gibt es wichtige Handreichungen wie beispielsweise zur Hilfe für verletzte Wildtieren, der Entschärfung von Gefahrenstellen oder den richtigen Materialien.
Das sehr abwechslungsreich gestaltete Buch ist eine wahre Augenweide und überzeugt durch ein ansprechendes, liebevoll gestaltetes Layout und ein harmonisch abgestimmtes Farbkonzept, das immer wieder zum Blättern und Schmökern einlädt. Ein besonderer Blickfang sind die beeindruckenden Naturfotografien und stimmungsvollen Momentaufnahmen von Zoe Opratko sowie die wundervoll detailreichen Illustrationen von Ruth Veres. Sie veranschaulichen hervorragend die vorgestellten Projekte und fangen die Atmosphäre eines lebendigen Gartens perfekt ein.
Hervorzuheben ist auch der ansprechende, motivierende Schreibstil der Autorin. Mit ihrer ansteckenden Begeisterung gelingt es ihr, uns für komplexe ökologische Themen zu sensibilisieren und uns zu ermutigen, selbst aktiv zu werden und eigene Ideen umzusetzen – mit Freude, Neugier und Gelassenheit statt Perfektionsanspruch.

FAZIT
Ein wunderschön gestalteter, praxisnaher und inspirierender Ratgeber, der Natur- und Artenschutz greifbar macht - mit Fachwissen, Leidenschaft und vielen kreativen Ideen macht es Mut, im eigenen Umfeld etwas zu verändern, die Natur wieder ein Stück näher an sich heranzulassen und ein Paradies für Wildtiere zu schaffen.
Ein rundum gelungener, sehr empfehlenswerter Gartenratgeber für alle Jahreszeiten!

Bewertung vom 20.10.2025
Mein Mikrobiom-Masterplan (eBook, ePUB)
Michalsen, Andreas

Mein Mikrobiom-Masterplan (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

*Ein motivierender Masterplan für mehr Vitalität und Gesundheit*
In seinem neuen Buch „Mein Mikrobiom-Masterplan: Das Power-Programm für einen gesunden Darm – für mehr Energie und ein starkes Immunsystem“ widmet sich Prof. Dr. Andreas Michalsen, Internist sowie Experte für Ernährungs- und Fastenmedizin, mit dem Mikrobiom des Darms einem der aktuell spannendsten Themen der modernen Medizin. Zunehmend belegen Forschungsergebnisse, dass Billionen nützlicher Mikroorganismen in unserem Verdauungssystem maßgeblich über Gesundheit, Immunsystem, Gewicht, Psyche und Leistungsfähigkeit mitentscheiden – also rundum für unser gesamtes Wohlbefinden eine wichtige Rolle spielen.
Prof. Dr. Andreas Michalsen und seinem Team gelingt es hervorragend, dieses hochkomplexe Thema auf anschauliche, unterhaltsame und auch für medizinische Laien verständliche Weise aufzubereiten.
Im fundierten Theorieteil beschreibt er das Mikrobiom als fein abgestimmtes, lebendiges Ökosystem, das nur dann optimal funktioniert, wenn das Gleichgewicht zwischen „guten und schlechten“ Bakterien gewahrt bleibt. Um eine stabile Darmflora aufzubauen, braucht der Körper vor allem eine ausgewogene Ernährung. Schritt für Schritt führt der Autor durch die wesentlichen Grundlagen einer darmfreundlichen Lebensweise, die ballaststoffreicher Kost über ausreichende Flüssigkeitsaufnahme und regelmäßiger Bewegung bis hin zu Stressabbau und erholsamen Schlaf reicht. Dabei gelingt ihm eine überzeugende Verbindung zwischen medizinischer Fachkompetenz und alltagstauglichem Gesundheitswissen.
Außerdem erklärt Michalsen sehr eindrücklich, wie stille Entzündungen entstehen und warum sie an der Entwicklung vieler sogenannter Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf- und Autoimmunerkrankungen eine zentrale Rolle spielen.
Mit seinem angenehmen, motivierenden Schreibstil versteht er es komplizierte Zusammenhängen auch wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse verständlich darzustellen. Die hilfreichen, praxisorientierten Empfehlungen machen Lust darauf, das Erlernte gleich umzusetzen und auszuprobieren. Die Kapitel sind übersichtlich gegliedert, und zahlreiche Infokästen, Tabellen und anschauliche Grafiken erleichtern den schnellen Überblick.
Nach der Präsentation der TOP-Lebensmittel sowie der Sieben Goldenen Regeln für ein Gesundes Mikrobiom, schließt Michalsen seine theoretische Einführung mit dem Konzept seines Masterplans ab, der unser Mikrobiom durch Änderung unserer Ernährungsgewohnheiten mit leckeren, alltagstauglichen Gerichten auf gesund programmieren soll. Die Empfehlungen lassen sich ohne aufwändige Vorbereitungen oder kostspielige Superfoods problemlos in den Alltag integrieren.
Am Ende des Buches finden sich zwei detaillierte Wochenpläne für eine Mikrobiom-Kur, die zeigen, wie eine ausgewogene und mikrobiomfreundliche Ernährung konkret aussehen kann.
Nachdem die wichtigsten wissenswerten Basics vermittelt wurden, geht’s nun endlich zum eigentlichen Rezeptteil über.
Die vorgestellten, mehr als 70 leckeren Rezepte für Frühstück, Mittag- und Abendessen überzeugen durch Vielfalt und unkomplizierte Zubereitung. Sie liefern reichlich Ballaststoffe, wertvolle Pro- und Präbiotika sowie antioxidative Nährstoffe, also alles, was die „kleinen Helfer“ im Darm zum Gedeihen brauchen, und unsere Darmgesundheit fördert. Alle Rezepte sind reich an Gemüse und beinhalten Milchprodukte, wohingegen Eier, Fleisch oder Fisch ganz fehlen.
Die Gerichte sind so konzipiert, dass man die von Ernährungswissenschaftlern empfohlenen 30 bis 35 Gramm Ballaststoffe pro Tag problemlos erreicht.
Die Rezeptvielfalt reicht von bewährten Klassikern wie Porridge und Müsli-Variationen, Ofengemüse und Curry über Bratlinge und Pasta bis zu einigen kreativen Salatideen und feinen Gemüsesuppen.
Dank übersichtlicher Gestaltung und appetitanregender Food-Fotos der farbenfrohen Gerichte findet man sich rasch zurecht. Die Zubereitung wird verständlich Schritt für Schritt beschrieben, so dass man keine Probleme beim Nachkochen hat. Zu jedem Rezept gibt es eine übersichtliche Zutatenliste für 2 Personen sowie Angaben zu Kalorienzahl, Nährwerten und zu Zubereitungs- bzw Garzeit. Ein zusätzlicher Infokasten mit dem Titel Gesundheitstipp liefert wertvolle Hinweise zu möglichen Variationen oder Alternativen – ideal für alle, die experimentierfreudig sind oder Zutaten an persönliche Vorlieben anpassen möchten..
Abgerundet wird das Buch durch ein umfangreiches alphabetisches Sach- und Rezeptregister, das das Auffinden einzelner Begriffe oder Gerichte erleichtert.
FAZIT
Ein rundum gelungenes Gesundheits- und Kochbuch mit konkreten Handlungsanleitungen - informativ, verständlich und praxisnah zugleich!
Es vermittelt eindrücklich und wissenschaftlich fundiert, dass ein gesunder Darm der Schlüssel zu Vitalität und Wohlbefinden ist und inspiriert zu bewusster Ernährung, die auch den „kleinen Helfern“ im Darm etwas Gutes tut.

Bewertung vom 12.10.2025
Die Farbe des Schattens (eBook, ePUB)
Tägder, Susanne

Die Farbe des Schattens (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

*Schatten der Wende – Ein fesselnder Kriminalroman*
Nach ihrem vielbeachteten Debütroman „Das Schweigen des Wassers“ legt Susanne Tägder mit „Die Farbe des Schattens“ eine ebenso fesselnde wie atmosphärisch dichte Fortsetzung ihrer Krimi-Reihe vor. Im Mittelpunkt steht erneut der ehemalige Hamburger Kriminalhauptkommissar Arno Groth, der nach Jahren im Westen in seine ostdeutsche Heimatstadt Wechtershagen zurückgekehrt ist und einen komplexen Mordfall lösen muss.
Tägders eindrucksvolle Darstellung der Ambivalenzen einer Gesellschaft inmitten des Umbruchs und sozialen Spannungen der Nachwendezeit machen den Roman nicht nur zu einem packenden Kriminalfall, sondern auch zu einem nachdenklich stimmenden und authentischen Gesellschaftsporträt.
Wenige Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung verschwindet Anfang 1992 in der tristen Plattenbausiedlung Mönkeberg der elfjährige Matti Beck auf dem Weg zum Einkaufen spurlos. Trotz einer großangelegten Suchaktion tappen die Ermittler lange im Dunkeln. Durch Zufall stößt Hauptkommissar Arno Groth auf eine Verbindung zu einem ungelösten Mordfall aus der DDR-Zeit, der einst von seinem früheren, wegen Stasi-Verdachts suspendierten Kollegen Gerstacker bearbeitet wurde. Mit der neu gegründeten Einsatzgruppe „Nachtschatten“ beginnt Groths Team, hinter die Fassade des Mönkebergviertels zu blicken und entdeckt dunkle Geheimnisse, die die schwelenden Ängste und Abgründe der Wendezeit eindrücklich offenlegen.
Mit ihrem eindringlichen, fesselnden Schreibstil und der atmosphärisch dichten Darstellung der schwierigen sozialen Verhältnisse, zerrütteten Familienbeziehungen und menschlichen Schicksale gelingt es Tägder hervorragend, eine subtile Spannung aufzubauen und uns immer tiefer in das aus wechselnden Perspektiven geschilderte Geschehen zu ziehen. Unweigerlich beginnt man mit Groth und seinem Team mitzufiebern, verfolgt aufmerksam die kleinen Ermittlungserfolge und beginnt eigene Spekulationen über Tat und mögliche Hintergründe des Kriminalfalls anzustellen.
Sehr facettenreich und authentisch fängt die Autorin nicht nur die besondere Atmosphäre der Nachwende-Ära im Osten ein, die geprägt ist von einer allgegenwärtigen Mischung aus Unsicherheit, Misstrauen, Perspektivlosigkeit und Zukunftsangst, sondern auch die Zerrissenheit einer Gesellschaft, die nach Jahrzehnten der Teilung allmählich wieder zusammenfinden muss.
Tägder überzeugt sowohl durch die psychologische Tiefe, mit der sie ihre Figuren zeichnet, als auch durch die geschickte Einbettung ihrer Handlung in den historischen Kontext der Nachwendezeit. Mit feinem Gespür für individuelle Traumata und die kollektiven Verletzungen einer im Umbruch befindlichen Gesellschaft macht sie deutlich, wie eng persönliche Schicksale und gesellschaftliche Entwicklungen miteinander verwoben sind.
Ein besonderes Highlight des Krimis sind die facettenreich und glaubwürdig gezeichneten Charaktere, die mit all ihren Stärken und Schwächen sehr lebensnah wirken. Insbesondere Groth überzeugt als sensible und sympathische Hauptfigur, die trotz ihrer professionellen Kompetenz immer wieder von Zweifeln, persönlichen Traumata und Versagensängsten geprägt ist – nicht zuletzt durch den enormen öffentlichen Druck, den Fall möglichst schnell zu lösen. Beeindruckend ist Groths behutsamer Ermittlungsstil sowie sein einfühlsamer und respektvoller Umgang mit Kollegen und Zeugen.
Auf der verzweifelten Suche nach Gerechtigkeit gelingt es Groth und seinem Team zunehmend, der allgegenwärtigen Atmosphäre von Orientierungslosigkeit, Gewalt und Rechtlosigkeit entgegenzutreten. Dabei durchdringen sie nach und nach die Mauer aus Schweigen, Misstrauen und Verdrängung, die das Umfeld des Falls zu umgeben scheint. Die Autorin gewährt uns tiefgehende Einblicke nicht nur in die äußeren Verhältnisse, sondern auch in das Innenleben, die Verletzlichkeiten und inneren Dämonen ihrer Figuren.
Sehr gelungen ist auch die alleinerziehende Taxifahrerin Ina Paul, die selbst verfolgt von den Schatten ihrer Vergangenheit ist, und als Nebenfigur schließlich einen wesentlichen Betrag zur Aufklärung des Falls liefert.
Durch geschickt gesetzte Perspektivwechsel und überraschende Wendungen baut die Autorin eine subtile, beständig anziehende Spannung auf. Das sich zunehmend verdichtende Geschehen gipfelt schließlich in einem packenden Finale. Die Auflösung des Falls überzeugt durch ihre Glaubwürdigkeit und regt zum Nachdenken über Fragen von Schuld, Wahrheit und Selbstbetrug an. Besonders eindrucksvoll zeigt die Geschichte, wie eng Verbrechen, die Schatten der Vergangenheit und gesellschaftliche Umbrüche oft miteinander verknüpft sind.

FAZIT
Ein tiefgründiger und psychologisch vielschichtiger Kriminalroman zur Nachwendezeit!
Eine überzeugende, sehr nachdenklich stimmende Fortsetzung der Krimi-Reihe - mit lebensnahen Figuren und facettenreichem Gesellschaftsporträt der Nachwende-Ära.
Empfehlenswert für alle, die neben der Spannung auch Tiefgang und historisches Flair mögen.

Bewertung vom 12.10.2025
Schattengrünes Tal
Hauff, Kristina

Schattengrünes Tal


ausgezeichnet

*Ein faszinierendes Kammerspiel*
Mit „Schattengrünes Tal“ beweist Kristina Hauff erneut ihr Gespür für fesselnde Spannungsromane, in denen sie eindrucksvoll die Tiefen und Abgründe menschlicher Beziehungen schonungslos ausleuchtet und verborgene Lebenslügen ans Licht bringt.
Diesmal führt Hauff ihre Leser in die stille Abgeschiedenheit des Schwarzwalds. Im Mittelpunkt steht ein kleiner, idyllischer Ferienort in einem unberührten Tal, der auf den ersten Blick Ruhe und heile Welt verspricht. Doch hinter den friedlichen Kleinstadt-Fassaden schlummern schwelende Konflikte und zwischenmenschliche Dramen, die schon bald das fragile Beziehungsgleichgewicht der Protagonisten bedrohen.
Hauff erzählt die Geschichte aus wechselnden Perspektiven und lässt uns allmählich immer tiefer in das Innenleben und komplexe Geflecht der Figuren eintauchen, das nach und nach feine Risse bekommt. Im Zentrum steht das Ehepaar Lisa und Simon, dessen Alltag von festgefahrenen Routinen, unausgesprochenen Erwartungen und latenten Frustrationen bestimmt wird. Lisas Vater, ein eigensinniger Familienpatriarch, führt ein in die Jahre gekommenes Landhotel und setzt selbstverständlich auf die selbstlose Mithilfe seiner pflichtbewussten, hilfsbereiten Tochter. Während seine demente Ehefrau Rose im Pflegeheim lebt, unterhält eine geheime Beziehung zu Margret, seiner langjährigen Mitarbeiterin und rechten Hand im Hotel. Mit dem Auftauchen der mysteriösen Daniela als Gast im Hotel beginnt Lisas Leben zunehmend aus den Fugen zu geraten. Mit ihrem charmanten Auftreten versteht es Daniela rasch sich in Lisas Privatleben zu drängten.
Von Beginn an gelingt es Hauff, durch ihren intensiven Schreibstil und die bildstarken, atmosphärischen Beschreibungen einen starken Sog zu erzeugen, dem man sich kaum entziehen kann.
Vom ersten Kapitel an entfaltet sich eine latente Spannung und ein Gefühl drohenden Unheils, die einen subtilen, anhaltenden Spannungsbogen aufbauen. Durch den ruhigen, unaufgeregten Erzählstil entfaltet die Geschichte ihre Wirkung weniger durch äußere Ereignisse, sondern vielmehr durch die sorgsam verborgenen Geheimnisse und die sich unterschwellig zuspitzenden psychologischen Dramen.
Gekonnt inszeniert die Autorin ein sehr atmosphärisches und feinabgestimmtes zwischenmenschliches Kammerspiel, das mit wachsender Eindringlichkeit unter die Haut geht.
Gebannt verfolgt man, wie alte Wunden und aufgestaute Konflikte aufbrechen, Misstrauen und rivalisierende Gefühle geschürt werden und sich zunehmend entladen. Die nahende Katastrophe zeichnet sich mit stetig anschwellender Intensität ab und wird immer greifbarer.

Hauff zeichnet ihre facettenreichen Charaktere mit beeindruckender psychologischer Tiefe und Ambivalenz. Sie überzeugt mit glaubwürdigen, vielschichtigen Charakterstudien. Anschaulich arbeitet sie die Ängste und Sehnsüchte aber auch Schuldgefühle, Missgunst oder unerfüllte Hoffnungen ihrer Figuren heraus, so dass sie authentisch und nahbar wirken.
Mit bemerkenswertem Feingefühl schildert Hauff, wie Lisa durch Danielas Selbstinszenierung, Manipulationen und Machtspiele immer mehr an ihre Grenzen und in eine emotionale Ausnahmesituation gerät. Die zerstörerische Dynamik zwischen Lisa und der zur manipulativen Daniela, deren wahre Motive lange im Dunkeln bleiben, ist vielschichtig herausgearbeitet. Besonders Lisa mit ihren Verwundbarkeiten und ihrer persönliche Entwicklung bleibt als authentische Protagonistin im Gedächtnis.
Sehr gelungen sind auch die detailreichen, anschaulichen Beschreibungen der stimmungsvollen Kulissen, vor denen sich das Drama im Kleinen entfaltet. Die eindrucksvollen Naturbeschreibungen mit ihrer zerbrechlichen Schönheit und die eindringlich geschilderten Wetterphänomene verleihen dem Roman zusätzliche Dichte. Die beklemmende, intensive Atmosphäre spiegelt auf eindringliche Weise die zunehmend angespannte Grundstimmung wider.
Auch wenn das Finale etwas konstruiert und unrealistisch erscheint, schmälert dies kaum die Sogwirkung des Romans – ein psychologisch fein gewobenes Drama voller Zwischentöne und atmosphärischer Tiefe, das lange nachwirkt.

FAZIT
Ein fesselnder Spannungsroman über Schuld, Verdrängung und die Zerbrechlichkeit menschlicher Beziehungen – vielschichtig, atmosphärisch dicht und mit psychologischer Finesse erzählt.

Bewertung vom 12.10.2025
Ja, nein, vielleicht
Knecht, Doris

Ja, nein, vielleicht


sehr gut

*Ein feinfühliges Frauenporträt*
In ihrem aktuellen Roman „Ja, nein, vielleicht“ widmet sich die österreichische Autorin Doris Knecht erneut dem Leben ihrer namenlos bleibenden Protagonistin – einer geschiedenen, alleinerziehenden Mutter in ihren späten Fünfzigern, die sich nach dem Auszug ihrer Kinder in einem neuen Lebensabschnitt als alleinstehende „empty nester“ wiederfindet. Mit großer Authentizität und feinem Gespür für Zwischentöne schildert die Autorin den Prozess des Neuanfangs im Leben einer Frau, die sich mit ungeahnten Freiräumen konfrontiert sieht. Für die Protagonistin beginnt eine Zeit ohne die gewohnten Verpflichtungen, die nach außen hin von Ruhe und Gelassenheit geprägt scheint, in der sich jedoch neue Perspektiven, Chancen und vor allem persönliche Freiheit eröffnen. Zwischen Wehmut, inneren Zweifeln und vorsichtiger Zuversicht sucht sie nach einem neuen Selbstverständnis. Doch ihre neu gewonnene Unabhängigkeit wird schon bald durch unerwartete Ereignisse auf die Probe gestellt. So sieht sie sich gezwungen, sich nicht nur der komplexen Familiendynamik und grundlegenden Fragen zu ihrer Zukunft auseinanderzusetzen, sondern auch mit dem unausweichlichen Folgen des Älterwerdens und der eigenen Vergänglichkeit.
Der Roman entfaltet sich in kurzen, fragmentarischen Episoden, die das vielschichtige Leben der Ich-Erzählerin eindringlich erfahrbar machen. Die Protagonistin trägt dabei unverkennbar gewisse Züge der Autorin selbst.
Wir begleiten sie durch ihren Alltag, nehmen Anteil an ihren Erinnerungen und erleben ihr oft chaotisches Innenleben hautnah mit. Mit feinem Humor und einer ordentlichen Portion Selbstironie gewährt sie schonungslos Einblicke in ihre Selbstzweifel, Fehler, Verletzlichkeiten und Widersprüchlichkeiten. Die überraschende Begegnung mit Friedrich, einer alten Liebe, stellt die Protagonistin zudem vor die Frage, ob sie ihre Unabhängigkeit für eine neue Beziehung aufs Spiel setzen möchte. Während ihrer Suche nach Klarheit und neuen Gewissheiten gewinnt die komplex angelegte Protagonistin wertvolle Erkenntnisse über sich selbst, ihre veränderten Bedürfnisse und das Älterwerden. Knecht versteht es hervorragend, essentielle Lebensfragen in kleinen Alltagsbeobachtungen widerzuspiegeln und die Vielschichtigkeit weiblicher Selbstbestimmung im späteren Lebensabschnitt auszuloten.
Der Roman lebt somit weniger von unerwarteten Wendungen, sondern überzeugt durch feinsinnige, nuancierte Betrachtungen des Alltagslebens und regt nachhaltig zum Nachdenken über das eigene Leben an.

FAZIT
Ein feinfühliger und tiefgründiger Roman über das Loslassen, die Suche nach Selbstbestimmung und die Chancen des Neuanfangs – leise, humorvoll und voller lebensnaher Beobachtungen. Ein authentisches, facettenreiches Porträt einer Frau, die sich zwischen Vergangenheit und Zukunft, Bindung und Freiheit neu ausrichtet.

Bewertung vom 12.10.2025
Der Krabbenfischer
Wood, Benjamin

Der Krabbenfischer


ausgezeichnet

*Der Klang der Stille – Ein äußerst feinsinniger Roman*
Der neue Roman Der Krabbenfischer von Benjamin Wood ist eine eindrucksvolle, nur rund 170 Seiten umfassende Erzählung, die mit ihrer leisen Melancholie und dichten Atmosphäre von der ersten Seite an zu fesseln weiß. Gekonnt entführt uns Wood in die 1960er Jahre und den kleinen Küstenort Longferry, und lässt uns das raue, von den Naturgewalten geprägte Meeresklima und die karge, nebelverhangene Landschaft der Nordwestküste Englands unmittelbar spüren.
Im Mittelpunkt der an zwei aufeinanderfolgenden Tagen spielenden Geschichte steht der junge Krabbenfischer Thomas Flett, der sich Tag für Tag dem Rhythmus der Gezeiten folgend durch den schlickigen, einsamen Küstenstreifen kämpft und seine kräftezehrende, oft trostlose Arbeit verrichtet. Seine kleine, von Traditionen und familiärer Verantwortung geprägte Welt hält viele Entbehrungen und nur wenig glückliche Momente für ihn bereit.
Die Begegnung mit dem amerikanischen Regisseur Edgar reißt Thomas kurzzeitig aus seiner eintönigen Alltagsroutine heraus. Edgars verlockendes, zugleich aber auch eigenartiges Angebot, seine Vision einer perfekten Verfilmung vor Ort umzusetzen, bringt Thomas zum Innehalten und lässt ihn heimlich von Veränderung, Freiheit und einem besseren, selbstbestimmten Leben träumen. Während sich zwischen den beiden eine zarte Freundschaft entwickelt, beginnt Thomas, sich seinen unerfüllten Sehnsüchten zu stellen; sei es der Traum von eigener Gitarrenmusik oder der Wunsch, endlich den Mut aufzubringen, sich Joan, der Schwester seines Freundes, zu nähern.
Mit seinem prägnanten, einfühlsamen Schreibstil und zahlreichen poetisch ausdrucksstarken Bildern gelingt es Wood hervorragend, Thomas’ Alltag facettenreich und lebendig vor unserem inneren Auge entstehen zu lassen Mit viel Feingefühl zeichnet er das Gefühlsleben des Protagonisten, wobei stets viel Unausgesprochenes zwischen den Zeilen schwingt. Ob die herbe Schönheit des nebligen Wattenmeers, das mühsame Krabbenfischen mit Pferd und Wagen, die Kälte und Einsamkeit oder auch Thomas vorsichtiger Optimismus – Wood versteht es hervorragend, Landschaft und Natur ebenso eindringlich zu schildern wie Thomas Welt authentisch, ungeschönt und ohne jede Sentimentalität, einzufangen. Gekonnt zeichnet er das vielschichtige Porträt eines jungen Mannes, der im Spannungsfeld von Loyalität, Ohnmacht, Resignation und stiller Auflehnung seinem Traum von Selbstverwirklichung, ausgedrückt durch die eigene Musik, ein bisschen näher näherkommt.
Auf eindrucksvolle Weise setzt er der bedrückenden Trostlosigkeit und melancholischen Grundstimmung immer wieder einen Hauch von Hoffnung entgegen und hebt die leise Wirkkraft bescheidener Lebensziele und den sanften Zauber persönlicher Träume hervor. Behutsam verwebt er zudem faszinierende Elemente des magischen Realismus in die berührende Erzählung und verleiht ihr dadurch eine ganz eigene, betörende Magie.

FAZIT
Eine leise und einfühlsame Erzählung, die als berührende Momentaufnahme das Leben eines jungen Mannes portraitiert – bildgewaltig, psychologisch vielschichtig und atmosphärisch dicht erzählt. Ein nuancenreiches und intensives Leseerlebnis, das lange nachhallt und zum Nachdenken anregt.

Bewertung vom 06.10.2025
Knäckeblut / Mörderisches Småland Bd.3
Berenz, Björn

Knäckeblut / Mörderisches Småland Bd.3


gut

*Charmanter schwedischer Hygge-Krimi mit kleineren Schwächen*

„Knäckeblut“ von Björn Berenz ist bereits der dritte Band seiner in Schweden angesiedelten Hygge-Krimireihe rund um den schwedischen Kommissar Lars und die resolute deutsche Buchhändlerin und Hobbydetektivin Ina, die ihren Lebensmittelpunkt ins idyllische Småland auf den idyllischen Tingsmålahof verlegt hat.
Mit seinem lebendigen, humorvollen Erzählstil und stimmungsvollen Landschaftsbeschreibungen versteht es Berenz, das winterliche Småland in all seiner verschneiten Pracht lebendig werden lassen und eine idyllische Atmosphäre zu schaffen, die zum Wohlfühlen einlädt. So gelingt es mühelos, in die hyggelige Stimmung dieses Wohlfühlkrimis einzutauchen.
Mit einem charmanten Augenzwinkern bedient Berenz in seinem Schwedenkrimi alle gängigen Klischees, die man als Deutscher über Schweden so im Kopf hat. Besonders gelungen sind hierbei auch die kleinen „Schwedisch für Anfänger“-Einschübe, die humorvoll schwedische Sprachkenntnisse vermitteln und geschickt das Schweden-Flair unterstreichen.
Der packende, beklemmende Prolog wirft gleich von Beginn an einen dunklen Schatten über die friedliche Szenerie. Die unheilvolle Vorahnung hängt schwer über der malerischen Landschaft und erzeugt gekonnt ein spannungsvolles Wechselspiel zwischen der behaglichen Winteridylle und dem drohenden düsteren Ereignis, dessen Eintreten zunächst zeitlich unbestimmt bleibt.
Mitten im sonst so ruhigen Treiben des Kunsthandwerkermarkts sorgt das rätselhafte, spurlose Verschwinden des jungen Glasbläsers für Aufregung. Zusätzlich erregen anonyme Drohbriefe, die verschiedene Umweltvergehen anklagen, weiteres Aufsehen. Als passionierte Krimileserin und versierte Hobbyermittlerin fühlt sich Ina natürlich herausgefordert, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen; insbesondere da ihr Schwiegersohn in spe, Kommissar Lars, die Ermittlungen nur halbherzig vorantreibt und sichtlich von privaten Problemen eingenommen ist.
Inas Ermittlungen ziehen sich jedoch in die Länge, und ihre beharrliche Einmischung wird von der örtlichen Polizei eher mit Missmut betrachtet. Trotz Inas unermüdlichen und mitunter unbequemen Engagements vergeht viel Zeit, bevor das bewährte Ermittlerduo letztlich gemeinsam tätig wird und die entscheidenden Spuren entdeckt.
Der vielversprechende Kriminalfall entfaltet sich leider nur sehr zäh, da immer wieder private Verstrickungen der Figuren in den Vordergrund treten und die eigentlichen Ermittlungen in den Hintergrund rücken. Dies beeinträchtigt den kontinuierlichen Spannungsbogen erheblich, wodurch der Krimi an Dynamik verliert und die angestrebte fesselnde Atmosphäre nur bedingt zustande kommt. Zusätzlich trüben logische Brüche und Inkonsistenzen im Handlungsverlauf etwas das Lesevergnügen.
Dieser Wohlfühlkrimi überzeugt vor allem durch seinen lebendigen Humor, spritzigen Wortwitz und flotte Dialoge, die für eine herrlich unterhaltsame Dynamik sorgen. Zudem lockert eine gehörige Portion Situationskomik das Geschehen immer wieder angenehm auf.
Berenz gelingt es besonders, seine Charaktere lebendig und facettenreich zu zeichnen, wodurch sie mit ihren Eigenheiten, Geheimnissen und Hintergründen für viel Abwechslung sorgen. Im Mittelpunkt steht die energische und etwas eigensinnige Ina, deren gelegentlich überhebliche Art und impulsiver Aktionismus nicht immer Sympathien weckt. Gerade diese Ecken und Kanten machen es jedoch spannend und unterhaltsam, ihre oft unkonventionellen Ermittlungen zu verfolgen. Einzig bei einigen der skurrilen Nebenfiguren vermisst man etwas mehr Präsenz in der Handlung, da diese durchaus mehr Potenzial für eine tiefgründigere Rolle gehabt hätten.
Es macht aber großen Spaß, eigene Theorien über Täter und Motive zu entwickeln, die durch überraschende Wendungen stets wieder überdacht werden müssen. Nach zahlreichen falschen Fährten und einer dramatischen Zuspitzung überrascht uns Berenz am Ende mit einem gelungenen Plottwist und einem packenden Finale, in dem die verschiedenen Handlungsstränge schließlich zu einer stimmigen und überraschenden Auflösung zusammengeführt werden.

FAZIT
Unterhaltsamer Wohlfühlkrimi, der mit seinem humorvollen Erzählstil und hyggeliger Atmosphäre punktet. Wer über nur mäßige Spannung sowie einige Ungereimtheiten und Logikschwächen hinwegsehen kann, findet dennoch einen kurzweiligen Cosy Crime vor der winterlichen Kulisse Smålands.

Bewertung vom 05.10.2025
Peggy Guggenheim
Horncastle, Mona

Peggy Guggenheim


ausgezeichnet

*Jenseits des Mythos - Beeindruckende Biografie*
Mona Horncastle ist mit ihrer faszinierenden Biografie „Peggy Guggenheim – Freigeist, Mäzenin, Femme fatale“ ein facettenreiches Porträt eine der schillerndsten und vielleicht auch widersprüchlichsten Persönlichkeiten der Kunstwelt des 20. Jahrhunderts gelungen. Mit ihrem prägnanten, lebendigen Erzählstil nimmt sie uns mit auf eine fesselnde Entdeckungsreise, die nicht nur bemerkenswerten Aspekte der berühmten Kunstförderin, sondern auch ihre inneren Brüche sichtbar macht.
Ihre Biografie über Peggy Guggenheim bietet einen tiefgründigen und erfreulich vorurteilsfreien Einblick in das Leben und die außergewöhnlichen Leistungen der berühmten Mäzenin, Kunstsammlerin und Förderin moderner Kunst und präsentiert uns vor allem den Menschen hinter dem Mythos. Zum Vorschein kommt eine beeindruckende Frau sowie eine visionäre und couragierte Kämpferin für die Kunst, die zeitlebens mit Humor, Ironie und beeindruckender Selbstreflexion gegen Vorurteile und Klischees ankämpfte.

Bewusst verzichtet die Autorin die Darstellung von Peggys skandalisiertem Privatleben und oberflächlichen Klatschgeschichten über ihre zahlreichen Affären mit berühmten Persönlichkeiten, sondern konzentriert sich auf eine nuancierte Betrachtung ihrer vielschichtigen Persönlichkeit und ihres Lebenswerks. Besonders eindrucksvoll gelingt Horncastle der Balanceakt zwischen dem glamourösen Image der Kosmopolitin und den psychologischen Abgründen hinter der Fassade – ihren wechselvollen Liebesbeziehungen, seelischer Krisen und den oft widersprüchlichen Entscheidungen ihres Lebens. Berührend beschreibt Horncastle auch die zerrissenen familiären Beziehungen, insbesondere Peggys komplizierte Rolle als Mutter, ohne jedoch von ihrem Hauptanliegen abzuschweifen. Gerade in diesem Spannungsfeld zwischen ihrer Verletzlichkeit und ihres mutigen Engagements für die Moderne Kunst zeigt sich die faszinierende Komplexität dieser Frau.
orncastle widmet sich insbesondere auch der Frage, wie Guggenheims Lebensleistung losgelöst von Geschlechterklischees beurteilt würde. Sie macht eindrucksvoll deutlich, dass viele Anfeindungen und Vorurteile gegenüber Peggy auf ihr Frausein und ihre Rolle in einer männlich dominierten Kunstwelt zurückzuführen sind. Anschaulich porträtiert sie Peggy als emanzipierte Frau, die sich gegen die vorherrschenden Zwänge ihrer Epoche durchsetzte und unbeirrbar ihren Weg ging. Die Autorin legt großen Wert auf eine wissenschaftlich fundierte Einbindung der Biografie in die komplexen kulturhistorischen und gesellschaftlichen Kontexte der jeweiligen Epoche, insbesondere der Umbrüche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Gekonnt lässt sie dabei Peggys Leben in verschiedenen Episoden lebendig werden. So folgen wir ihren Spuren von den privilegierten Ursprüngen in der New Yorker Guggenheim-Dynastie über die ersten Schritten als junge Frau in der kosmopolitischen Pariser Avantgarde der 1920er Jahre. Zudem erfahren wir über ihren mutigen Einsatz als Fluchthelferin zur Rettung vieler Künstler und ihrer Werke vor dem Zugriff den Nazis. ihrer prägenden Rolle als Förderin und Impulsgeberin moderner Kunst in New York sowie schließlich dem Aufbau ihres kulturellen Vermächtnisses mit ihrem Museum in Venedig. Eindrucksvoll arbeitet Horncastle auch weniger bekannte Aspekte heraus. So unterstützte Guggenheim nicht nur avantgardistische Kunstschaffenden wie Marcel Duchamp, Max Ernst oder Jackson Pollock sondern förderte auch Künstlerinnen wie Leonora Carrington. Ihr außergewöhnliches Gespür für innovative Strömungen und ihre Risikobereitschaft prägten die moderne Kunst maßgeblich.

Mit beeindruckender Faktenfülle, zahlreichen Briefzitaten und einer Vielzahl präzise eingebundener Namen gelingt Mona Horncastle eine außergewöhnlich dichte Dokumentation von Peggy Guggenheims facettenreichem Leben und Wirken. Ihre umfassende, packend erzählte Biografie weckt Neugier auf weitere Entdeckungen rund um diese widersprüchliche und inspirierende Frau, die verletzlich und couragiert, visionär wie exzentrisch war – und deren kompromissloses Engagement die Kunstwelt auch heute noch enorm inspirierend ist.

FAZIT
Eine rundum gelungene Biografie mit einem differenzierten, eindrucksvollen Porträt von Peggy Guggenheim als faszinierende komplexe Persönlichkeit und außergewöhnliche Kunstmäzenin.
Eine anregende und bereichernde Lektüre für alle, die sich für Kunst, Kulturgeschichte und besonders für die Rolle starker Frauen in der Modernen Kunst interessieren.

Bewertung vom 05.10.2025
Im Leben nebenan (MP3-Download)
Sauer, Anne

Im Leben nebenan (MP3-Download)


sehr gut

*Ein vielversprechendes Debüt*
Anne Sauers Debütroman „Im Leben nebenan“ entfaltet ein faszinierendes, vielschichtiges Gedankenexperiment über die Kraft unterschiedlicher Lebensentwürfe und deren Einfluss auf unser persönliches Glück und Selbstverständnis. Eindrucksvoll beleuchtet sie das bedeutsame Thema Mutterschaft und Selbstbestimmung sowie die verschiedenen Facetten des Frauseins in einer Gesellschaft, die immer noch klare und teilweise widersprüchliche Erwartungen an Frauen stellt.
Im Mittelpunkt steht die 30-jährige Toni, die in einer langjährigen Beziehung lebt und ein scheinbar erfülltes Großstadtleben führt – wäre da nicht der fortwährende Schatten eines unerfüllten Kinderwunsches, der ihren Alltag zunehmend trübt. Eines Morgens findet sie sich jedoch nicht mehr in ihrer gewohnten Realität wieder, sondern im „Leben nebenan“ in einer anderen Version ihrer selbst. Als Antonia lebt sie in ihrem Heimatdorf, ist mit ihrer Jugendliebe Adam verheiratet und Mutter eines Neugeborenen - jedoch ohne Erinnerung an ihr früheres Leben.
Sauer erzählt in parallelen, sich abwechselnden Handlungssträngen von Toni und ihrer alternativen Lebensversion Antonia, lässt uns schrittweise in zwei Welten eintauchen und schafft so atmosphärisch dichte Einblicke in die vielfältigen Herausforderungen beider Lebensrealitäten. Dabei gelingt ihr eine differenzierte und glaubwürdige Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, Krisen, Wünschen und Zwängen von Mutterschaft und Kinderlosigkeit, traditionellen Rollenbildern und modernen Partnerschaften – stets frei von Verklärung oder Überdramatisierung. Dabei rückt der Roman zugleich universelle Fragen nach Identität, Entscheidungsfreiheit und Selbstakzeptanz in den Fokus. Durch die gelungene Gegenüberstellung von zwei Lebensentwürfen ohne eine Wertung wird die Kluft zwischen dem realen und dem möglichen Leben zum Spiegel, in dem Wunsch und Wirklichkeit, Herausforderungen und schöne Momente auf eindrückliche Weise miteinander konkurrieren.
Die Autorin hat mit Toni und Antonia zwei glaubwürdige und, lebensnahe Charakteren geschaffen.
Sauer gelingt es hervorragend, die inneren Konflikte und ambivalenten Emotionen der Protagonistinnen lebendig werden zu lassen. Indem sie uns tief in die Gedankenwelt der beiden Frauen eintauchen lässt, macht sie ihren Alltag im Spannungsfeld von Erschöpfung, Überforderung und tiefer Verunsicherung sehr nachvollziehbar. So erhalten wir bewegende und tiefgründige Einblicke in weibliche Lebenswirklichkeiten.
Mit Feingefühl erkundet Sauer außerdem den oft unterschwelligen Druck gesellschaftlicher Normen und wirft behutsam die Frage auf, wie sehr sich persönliches Glück von den Vorstellungen anderer unterscheiden kann.
ZUM HÖRBUCH
Die Hörbuchfassung wird gelesen von Sprecherin und Schauspielerin Chantal Busse. Durch ihre klare, junge und einfühlsame Stimme gelingt es ihr, die vielschichtigen Nuancen der Protagonistinnen und ihre inneren Konflikte lebendig und glaubwürdig zu transportieren. Jede Figur erhält durch die einfühlsame Interpretation eine authentische Persönlichkeit, indem sie ihre Emotionen, Erinnerungen und Verletzlichkeiten fein herausgearbeitet werden.
Dank der dynamischen, abwechslungsreichen Vortragsweise versteht es Busse, die unterschiedlichen Perspektiven klar voneinander abzugrenzen und die Geschichte besonders intensiv erlebbar zu machen.
Insgesamt bietet diese Hörbuchfassung aber eine sehr gelungene, atmosphärische Umsetzung, die sich durch die exzellente Sprecherleistung auszeichnet.
FAZIT
Ein vielschichtiger und berührender Debüt-Roman, der zum Nachdenken über die Komplexität von Lebensentscheidungen und die Vielschichtigkeit von Mutterschaft anregt und dazu ermuntert, das individuelle Glück jenseits gesellschaftlicher Schablonen zu suchen.

Bewertung vom 05.10.2025
Der Tote im Kamin
Meyrick, Denzil

Der Tote im Kamin


ausgezeichnet

Brillanter Auftakt mit viel britischem Flair
„Der Tote im Kamin“ von Denzil Meyrick ist ein atmosphärisch dichter, etwas skurriler Spannungsroman mit viel britischem Humor, der den gelungenen Auftakt zu einer historischen Krimi Reihe um den sympathischen Ermittler Inspector Frank Grasby bildet.
Gekonnt entführt uns Meyrick in das verschneite Winteridyll von Elderby, einem abgeschiedenen Dorf in den North York Moors, mitten im Dezember 1952.
Im Mittelpunkt steht Inspector Frank Grasby, der nach einem fatalen Missgeschick in das beschauliche Dörfchen Elderby strafversetzt wird, um dort eine Einbruchserie aufzuklären. Als dem Inspector bei seinen Befragungen zu einem Einbruchsversuch im adligen Herrensitz Holly House eine Leiche aus dem Kamin entgegenstürzt, muss Grasby schon am ersten Tag in einem komplexen Mordfall ermitteln. Doch schon bald erschüttert ein neues rätselhaftes Verbrechen den scheinbar friedlichen Alltag in Elderby. Mit einer weiteren unerwarteten Wendung verwandeln sich Grasbys Ermittlungen immer mehr in ein perfides Katz-und-Maus-Spiel, bei dem niemand mehr wirklich vertrauenswürdig erscheint.

Angelegt ist die Geschichte aus Grasbys retrospektiver Perspektive als „Memoiren eines Ermittlers“, in die bisweilen Polizeiberichte, Zeugenaussagen und Tagebucheinträge als neutrale Perspektiven eingeschoben sind.
Die klug konstruierte Handlung entfaltet sich zunächst in der verschneiten Winterkulisse der North York Moors und nimmt dann allmählich Fahrt auf. Die Spannung baut sich behutsam auf und wird von einem feinen Geflecht aus Verdächtigungen, Täuschungen, dunklen Dorfgeheimnissen und unheilvollen Verwicklungen getragen.
Meyrick gelingt es mit seinen eindrucksvollen Schilderungen hervorragend, ein überzeugendes und teils melancholisches Lokalkolorit einzufangen. Dabei werden nicht nur die unterschiedlichen Schauplätze und die winterliche Atmosphäre der North York Moors lebendig und fesselnd dargestellt, sondern auch das Setting der ländlichen Nachkriegsprovinz wird authentisch und atmosphärisch dicht geschildert. Darüber hinaus versteht er es, ein stimmiges Zeitkolorit sowie ein facettenreiches Gesellschaftsporträt zu zeichnen. Durch detailreiche Beschreibungen wird die eigentümlich angespannte Stimmung der frühen 1950er Jahre greifbar, wobei gesellschaftliche Konventionen, Vorurteile, Klassenbewusstsein, Nahrungsmittelrationierungen und die Sehnsucht nach Stabilität in präzisen Alltagsbeobachtungen und pointierten Darstellungen anschaulich vermittelt werden.
Beeindruckend ist zudem Meyricks Erzählstil, der den Zeitgeist der frühen 1950er Jahre gekonnt einfängt.
Besonders facettenreich und lebensnah ist Meyricks Figurenzeichnung, insbesondere die des vielschichtigen Protagonisten Inspector Frank Grasby. Der etwas unbeholfene, liebenswert-exzentrische Ermittler besticht trotz einiger Schwächen durch britisches Understatement, beeindruckende Entschlossenheit und seinen Charme. Seine Interaktionen mit den eigenwilligen Dorfbewohnern und Zusammenarbeit mit dem narkoleptischen Sergeant Bleaking und der attraktiven Praktikantin Deedee, einer amerikanischen Kriminologie-Studentin, sorgt für so manches humorvolle Missverständnis.
Daneben überzeugen auch die gut ausgearbeiteten, schillernden Nebenfiguren, die mit einer gehörigen Portion schrulligem Charme ausgestattet sind. Neben Grasbys kauziger Vermieterin Mrs. Gaunt und ihrem Raben sorgen auch seine Polizeikollegen sowie eine Vielzahl kurioser Dorfbewohner für humorvolle Momente und spritzige Situationskomik. Ein besonderes Highlight ist der ironische, schwarz-humorige Erzählstil, gepaart mit typisch britischem Understatement und witzigen Dialogen, die immer wieder für zahlreiche Momente zum Schmunzeln bieten.
Was zunächst als klassischer britischer Whodunnit vor nostalgischer Kulisse mit charmantem Cosy-Crime-Flair beginnt, entwickelt sich zunehmend zu einem wendungsreichen Agententhriller im Spannungsfeld des Kalten Krieges. Die Handlung gewinnt an Komplexität und Tiefe, während sich hinter den idyllischen Fassaden politische Intrigen und gefährliche Verschwörungen von weitreichender Dimension verbergen.
Der komplexe Kriminalfall rund um Inspector Frank Grasby lädt nicht nur zum Miträtseln ein, sondern hält dank zahlreicher raffinierter Wendungen den Spannungsbogen durchgängig hoch. Immer neue, verwirrende Enthüllungen führen uns geschickt an der Nase herum und halten uns bis zur letzten Seite in Atem, bis uns schließlich der Autor mit einer vollkommen unerwarteten, aber stimmigen Auflösung überrascht.
Ein wirklich besonderes Leseerlebnis, das Lust auf weitere Fälle mit Inspector Grasby macht.
FAZIT
Ein fesselnder, historischer Spannungsroman, der ein faszinierendes Gesellschaftspanorama der frühen 1950er Jahre zeichnet - voller britischem Witz, faszinierenden Charakteren verblüffenden Twists und stimmigem Zeitgeist.
Ein empfehlenswerter Lesegenuss für Freunde historischer Spannung!