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Benutzername: 
Anna
Wohnort: 
Franken

Bewertungen

Insgesamt 11 Bewertungen
12
Bewertung vom 16.07.2025
Der Krabbenfischer
Wood, Benjamin

Der Krabbenfischer


ausgezeichnet

Ein Buch für einen Tag oder eine schlaflose Nacht, denn einmal angefangen, wird man in die Geschichte hineingezogen wie in die Senklöcher im Treibsand von Longferry. Schon allein das Cover spiegelt die Stimmung des Buches wieder. Im Herzen ist der junge Thomas Musiker, aber er führt ein mühseliges Leben als Krabbenfischer, umgeben von Nebel. Trotzdem ist da auch Hoffnung: Hoffnung, am Wochenende im Pub zu singen. Hoffnung auf eine Verabredung mit der hübschen Joan. Und dann ist da ja noch Edgar, der amerikanische Regisseur, der ihm eine Statistenrolle in seinem Film verspricht. Aber was hat es mit ihm wirklich auf sich? Ich habe beim Lesen viel Warmherzigkeit für Thomas entwickelt. Der Gegensatz zwischen seiner tristen Realität als Krabbenfischer und der Lebendigkeit, die er empfindet, wenn er Musik macht, ist gut herausgearbeitet. Trotz seiner Zerrissenheit ist er ein aufrechter Kerl. Umso mehr wünscht man ihm, er möge seinen eigenen Weg gehen.. Ein Buch über Loyalität und Träume. Stimmungsvoll in seinen Naturbeschreibungen, reich an Empathie für seinen Helden. Große Empfehlung für alle, die tiefgründige Unterhaltung mögen!

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Bewertung vom 14.07.2025
Das Geschenk des Meeres
Kelly, Julia R.

Das Geschenk des Meeres


ausgezeichnet

Schottische Küste im Winter 1900. Traumatische Erinnerungen werden wach, als ein kleiner Junge am Strand von Skerry angeschwemmt wird. Die Lehrerin Dorothy erinnert sich an ihren eigenen Jungen, den sie einst an das Meer verlor. Nun wird sie gebeten, sich um das Kind zu kümmern. Sie stimmt zu, und damit rollt eine Welle ungeahnten Ausmaßes und mit großer emotionaler Wucht über die gesamte Dorfgemeinschaft.

Im Mittelpunkt dieses wundervollen Romans steht die Lehrerin Dorothy. Nach einer lieblosen Kindheit entwickelt sie eine steife und unterkühlte Persönlichkeit. Sie bleibt eine Außenseiterin im Dorfleben, und erstickt fast an ihrem selbst auferlegten Korsett. Einzig in Gegenwart des Fischers Joseph wird sie weich. Aber Dorothy ist ein Mensch, der sich selbst das Leben schwer macht.

Welches Geheimnis teilen Joseph und Dorothy? Und warum fällt es ihr so schwer, sich zu dieser Liebe zu bekennen?

Mit einer ausdrucksstarken poetischen Sprache beschreibt Julia R. Kelly das Leben in Skerry in all seiner Dramatik. Eine Schwere strömt aus diesem Buch, aber auch die Hoffnung auf Heilung. Dazu die raue Kulisse der schottischen Küste, der peitschende Wind, das tosende Meer. Die Wärme in den Häusern der Menschen.

Für mich ist „Das Geschenk des Meeres“ ein großer Roman über Verlust und die Schwierigkeit zu trauern, über Liebe, Geheimnisse und Intrigen. Ein Buchschatz, wie man ihn nur ganz selten findet. Sehr lesenswert!

Bewertung vom 05.07.2025
Die Erfindung der Sehnsucht
Diesbrock, Tom

Die Erfindung der Sehnsucht


ausgezeichnet

Mit über 70 Jahren will Lilli ein letztes Buch schreiben. Doch so sehr sie sich auch bemüht, es gelingt ihr nicht. Dabei blickt sie auf eine beispiellose Karriere als Schriftstellerin zurück. Nun verlässt sie ihre Hamburger Villa, um auf der kapverdischen Insel Sao Vicente neue Anregungen zu finden. Sie kommt bei der alleinerziehenden Isabell und ihrem 10-jährigem Sohn Luis unter. Schnell schließen Luis und Lilli Freundschaft – mit unerwarteten Folgen ...

Das Buch liest sich leicht und flüssig, vermittelt aber gleichzeitig eine große Tiefe. Das zentrale Thema ist „Sodade“. „Mit diesem Wort beschreiben die Menschen auf den Kapverden eine Form der Sehnsucht, die hier allgegenwärtig ist.“ Der kleine Luis sehnt sich nach seinem Papa- Seine Mutter Isabell sehnt sich nach einem Studium und einem Mann, auf den sie sich verlassen kann. Und Lilli? Sie hat ihre Sehnsucht aus dem Herzen geschnitten. Darin liegt ihr Drama.

Durch die sich entwickelnde – und ganz bezaubernd beschriebene - Nähe zu Luis und Isabell wagt sie es, sich an ihre Wurzeln zu erinnern. An eine Insel in der Nordsee, an Robben und Vögel, an ein Kinderglück – bis alles zerstört wurde ...

Was machen Traumata mit uns? Können wir ihnen entkommen, indem wir nur nach vorne sehen? Und können die Verhärtungen, die solche Traumata bewirken, wieder aufbrechen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich dieses Buch.

Sao Vicente als Kulisse ist wunderbar gewählt. Man spürt die Hitze, erfreut sich an den Menschen mit ihrer offenen Mentalität, ihrem Lächeln und ihrer Fähigkeit, Glück zu empfinden.

Warmherzig ist dieses Buch geschrieben und glaubwürdig. Eine feine Geschichte über einen Heilungsprozess. Eine, die Mut macht, bevölkert mit äußerst liebenswerten Figuren. Große Empfehlung!

Bewertung vom 25.06.2025
Die Geschichtensammlerin
Woods, Evie

Die Geschichtensammlerin


ausgezeichnet

Kopfkinotauglich kommt der neue Roman von Evie Woods daher. Auf zwei Zeitebenen entführt er uns in ein idyllisches irisches Dorf, in dem man gar nicht anders kann als sich wohlzufühlen. So geht es auch Anna, die 1911 mit ihrer Familie in einem Cottage dort wohnt. Und 100 Jahre später Sarah, die nach einer gescheiterten Ehe aus New York spontan dorthin fliegt und sich in eben jenem Cottage einmietet. Durch Zufall findet sie Annas Taebuch in einem Baum. So verknüpfen sich ihrer beider Leben.

Beide Frauen begegnen der Liebe. Aber es geht um so viel mehr. Beide haben schwere Verluste erlitten, und beide haben diese Verluste noch nicht verarbeitet. Können ihnen die Feen dabei helfen? Wer sind diese Feen überhaupt? Sind sie die Geister der Verstorbenen? Oder ein Spiegel unserer eigenen Seelen? Diese Fragen stellen sich Anna und Sarah, die ich am liebsten immer wieder in den Arm genommen hätte. Ich weiß nicht, wann mich Romanfiguren zuletzt so berührt haben?

Das Buch entwickelt von Anfang an eine Dynamik, der ich mich nicht entziehen konnte. Das liegt nicht nur an der nicht eine Sekunde langweilenden Handlung, sondern auch an Evie Woods Fähigkeit, lebendig zu schreiben. Sie ist die geborene Geschichtenerzählerin. Bis nachts um zwei habe ich mich in diesem Buch gesuhlt, und ich hätte noch ewig weiterlesen können.

Ein Schmöker mit Magie, Figuren, die einem ans Herz wachsen und einer Tiefe, die ich so nicht vermutet hatte. Großes Kino. Große Gefühle. Große – nein, megagroße Empfehlung!

Bewertung vom 11.06.2025
Der Maulwurf
Spörrle, Mark

Der Maulwurf


ausgezeichnet

Die Geschichte um Sascha, Anna und Tochter Marie, die ihren Traum vom Haus auf dem Land verwirklichen, und die dann von einem renitenten Maulwurf in Schach gehalten werden, besticht von Anfang an mit Sprachwitz und Situationskomik. Insbesondere Sascha ist ein origineller Held, Nichts, aber wirklich nichts lässt er aus, um der immer wieder neu entstehenden Maulwurfhügel Herr zu werden. Aber gegen die biologische Bestimmung des lieben Tierchens kommt er einfach nicht an...

Es macht Spaß diesen witzigen Roman zu lesen. Und meiner Meinung nach ist er wirklich gekonnt witzig geschrieben. Er erzeugt auch viele Bilder beim Lesen, als würden die Szenen an die Wand geworfen. Vieles ist überzogen, aber an diesen Stellen musste ich am lautesten lachen. Davon lebt das Buch, und es passt hier vortrefflich. Der Schluss hat mir nach all den Aufregungen, kleinen und großen Katastrophen sehr gut gefallen.

Wer sich köstlich amüsieren und die Welt für ein paar Stunden vergessen möchte, ist genau richtig. Megamäßige Empfehlung von mir für diesen originellen Roman.

Bewertung vom 29.01.2025
Die Farben der Revolution. Éléonore und Robespierre (eBook, ePUB)
Limbeck, Jeanette

Die Farben der Revolution. Éléonore und Robespierre (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Sehr eindrucksvoll beschreibt dieser Roman die Wirren und Intrigen der Französischen Revolution. Im Mittelpunkt stehen die junge Malerin Éléonore Duplay und der Freiheitskämpfer Maximilien Robespierre. Beide lernen sich im Jakobinerclub kennen, wo Eleonore nach einem Blutbad auf dem Marsfeld in Paris hin flüchtet. Damit nimmt eine ungewöhnliche Liebesgeschichte ihren Lauf.

Das Buch hat mich von Anfang an gepackt. Und das lag nicht nur an der ohne Kitsch beschriebenen Liaison zwischen Éléonore und Robespierre, sondern auch an der Fachkenntnis, mit der Jeanette Limbeck die historischen Geschehnisse beschreibt. So wünsche ich mir, dass Geschichte vermittelt wird. Spannend, faszinierend und unterhaltsam.

Eleonore Duplay wird als starke Persönlichkeit geschildert. Furchtlos setzt sich für die Rechte der Frauen ein und deren Anerkennung als Künstlerinnen. Der Roman ist aus ihrer Sicht geschrieben. Und so begleiten wir sie durch diese turbulenten Jahre und erleben ihre wachsende Liebe zu Robespierre hautnah mit.

Ein horizonterweiternder Roman, der keine Langeweile aufkommen lässt. Einer, der aufwühlt und Geschichte lebendig werden lässt. Sehr lesenswert!

Bewertung vom 25.01.2025
In der Kälte Alaskas
Stabenow, Dana

In der Kälte Alaskas


ausgezeichnet

In einem Nationalpark in Alaska wird seit sechs Wochen ein Ranger vermisst. Das FBI hat einen Ermittler beauftragt, nach ihm zu suchen. Doch der verschwindet ebenfalls. Was ist passiert? Die Staatsanwaltschaft von Anchorage wendet sich an die die Aleutin Kate Shugak. Sie ist mit der Gegend verwurzelt, kennt alle und jeden, will aber nach einem traumatischen Erlebnis bei ihrem letzten Fall, ihre Ruhe haben. Als sie sich schließlich doch breitschlagen lässt, muss sie feststellen, dass es so viele „Verdächtige wie Sand am Meer gibt“.

Ein Krimi, in dem es hoch hergeht. Das liegt vor allem am Personal, das es mit der Gesetzestreue nicht so genau nimmt, gerne einen über den Durst trinkt und, wenn nötig, seinen Standpunkt mit Fäusten verteidigt. Da bleibt die eine oder andere Kneipenschlägerei nicht aus.

Beim Lesen bekommt man einen Einblick in die Probleme der Menschen da oben in Alaska. Es gibt ein „Wir“ und die Welt da draußen, der die meisten misstrauisch gegenüberstehen. Die Autorin ist dort aufgewachsen und weiß, wovon sie schreibt. „Inside Alaska“ kam mir beim Lesen oft in den Sinn, denn das Buch zeigt wie die Bewohner leben und denken.

Köstlich sind die oft derben Dialoge, welche die Persönlichkeiten der Menschen widerspiegeln, aber gleichzeitig auch deren tiefe innere Bindung zueinander ausdrücken. Kate als Protagonistin hätte mit etwas mehr Tiefe ausgestattet werden dürfen, das ändert aber nichts an ihren Sympathiewerten.

Insgesamt ist „In der Kälte Alaskas“ ein flüssig zu lesender, bereichernder und bestens unterhaltender Winterkrimi, der einem auch das eine oder andere Schmunzeln entlockt.
Die ideale Lektüre für kalte Tage.

Bewertung vom 25.01.2025
Das Glaskind
Gregg, Stefanie

Das Glaskind


sehr gut

„Zwischen ihm und ihr floss ein steter ozeanblauer Fluss, der all seine Gefühle zu Maya übertrug.“ So beschreibt Stefanie Gregg das Verhältnis zwischen Maya und ihrem am Autismus-Spektrum leidenden Bruder. In dieser von Empathie geprägten Beziehung liegt aber auch das Problem. Denn niemand in der Familie findet so gut Zugang zu Tobi wie seine Schwester.

Die Eltern sind hoffnungslos überfordert mit einem Kind, das den Kopf gegen die Wand schlägt, wenn es nicht auf die Minute pünktlich um 7.00 Uhr sein Frühstück bekommt oder schreit, wenn es berührt wird. Klar, dass in dieser Familie die Nerven blank liegen.
Insbesondere die Mutter ist komplett überfordert. So ist es Maya, die immer wieder aufgefordert wird, sich um Tobi zu kümmern. Ihre eigenen Bedürfnisse werden von den Eltern nicht wahrgenommen und von ihr mit der Zeit verdrängt. So wird sie zum Glaskind. Sie wird nicht gesehen. Das geht so weit, dass Maya das Wort „Ich“ nicht mehr aussprechen kann. Nach dem Abitur geht zum Studieren nach Hamburg und wird Ärztin. Als die Mutter wegen eines Unfalls wochenlang ausfällt, kehrt sie zurück, um sich um Tobi zu kümmern. Alte Erinnerungen werden wach ...

„Das Glaskind“ geht unter die Haut. Sollte ich es mit einer Farbe beschreiben, würde ich „dunkelgrau“ wählen. Denn Lichtpunkte gibt es erst zum Schluss. Bis dahin lässt uns Stefanie Gregg keine Atempause. Zwar beschreibt sie sehr einfühlsam die Gefühlslage eines Glaskindes, aber die Schilderungen der Gegenwart und Vergangenheit greifen dabei immer wieder nahtlos ineinander über, was überfordernd wirkt und den Lesefluss erschwert. Erleichtert war ich, als sich zum Schluss erhellende Lösungen für Tobis und Mayas Zukunft fanden.
Trotz der Kritik ist es ein horizonterweiterndes Buch, das mein Mitgefühl für Glaskinder geweckt hat, die mit diesem Buch eine Stimme erhalten.

Bewertung vom 25.01.2025
Ein Schimmern am Berg / Commissario Grauner Bd.10
Koppelstätter, Lenz

Ein Schimmern am Berg / Commissario Grauner Bd.10


ausgezeichnet

Im Tunnel eines Marmorsteinbruchs wird die übel zugerichtete Leiche einer örtlichen Bildhauerin gefunden. Die Ermittlungen führen Commissario Grauner zum Besitzer der Miene. Der lebt schon lange im Streit mit seinem Widersacher Sonnwieser, dem größten Marillenbauer im Vinschgau. Haben die beiden Platzhirsche etwas zu verbergen? Und wer ist der Typ, der Gauners Mitarbeiter Saltapepe und Tappeiner während ihrer Hochzeitsreise in Las Vegas beschattet? Und wie hängt alles zusammen?

Ich habe auch diesen 10. Fall wieder ausgesprochen gerne gelesen.
Koppelstätters Sprache ist klar und kommt ohne Längen aus. Dadurch fällt es leicht, in den Fall hineinzufinden und dranzubleiben. Die Südtiroler Bauern werden genauso glaubhaft geschildert, wie der New Yorker Star Architekt. Und den Blick in Grauners Innerstes hab ich noch nie so deutlich empfunden, wie in diesem Fall, wo ihm Eheprobleme und ein altes Traumata zu schaffen machen.

Gut fand ich den Bogen, den der Fall nach Amerika schlägt. Durch die abwechselnden Perspektiven kam zusätzliche Spannung auf.

Sehr lesenswert!

Bewertung vom 23.01.2025
Im Schnee
Goerz, Tommie

Im Schnee


ausgezeichnet

Der Schorsch ist tot. Der alte Max blickt aus dem Fenster und denkt an seinen Freund seit Kindertagen. „Im Herbst hat sich der Schorsch dort noch seine Äpfel geholt, da konnte er sich schon kaum mehr bücken. Den Martini hat er geliebt, weil der so schön rund ist und saftig und sich bis Weihnachten hält.“

Max trauert. Und wir begleiten ihn dabei. Am Abend treffen sich die Alten im Dorf zur Totenwacht Der Weisels Paul und der Lehnerts Gustl, der Angermann und der alte Gobertn, alle kommen, um sich vom Max zu verabschieden. Geschichten von früher machen die Runde. Manchmal sitzen sie aber auch nur da und schweigen, weil das Schweigen für die Alten genauso dazugehört wie das Reden.
Tommie Görz hat einen unglaublich authentischen Roman geschrieben. Mit seiner einfachen Sprache trifft er genau den richtigen Ton und mich mitten ins Herz. Gut fand ich, dass auch das Schweigen über das, was nicht sein darf, thematisiert wird.

Die Geschichte ist durchgängig aus Max‘ Sicht erzählt. Der Totenwacht folgt am nächsten Tag die Beerdigung. Zum Schluss gibt es eine unerwartete Wendung, die richtig unter die Haut geht. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.

Ein ruhiger, authentischer Roman über Trauer und Freundschaft, über Verbundenheit und Schweigsamkeit. Sehr wertvoll!!!

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