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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Jule
Wohnort: 
München

Bewertungen

Insgesamt 205 Bewertungen
Bewertung vom 13.07.2025
Gesellschaftsspiel
Zwickau, Dora

Gesellschaftsspiel


gut

Dieses Buch fordert den Leser. Das meine ich keinesfalls negativ sondern im positiven Sinne. Ein Tech-Milliardär, eine Stadt im Osten Deutschlands, ein neues Modell des Zusammenlebens. Alles kinderleicht per App. Mitbestimmung auf Knopfdruck. Klingt verrückt, scheint in Weimar aber Wirklichkeit zu werden. Vor diesem großen Plan, die Gesellschaft zu verändern, Zusammenleben neu zu denken, gerät sogar der Tod zur Nebensache. Gabi, die Mutter von Isabelle und Annika liegt nach einem Schlaganfall im Sterben. Doch das Abschiednehmen wird verdrängt vom Coup des Jahrhunderts. Ein reicher Amerikaner möchte eine neue Stadt, eine neue Gesellschaft gründen. Jeder ist Teil der Idee, darf mitgestalten, mitbestimmen. Für Isabelle, Lehrerin, wird die kritische Auseinandersetzung mit der Idee zur Passion. Gemeinsam mit ihren Schülern diskutiert sie, bringt sich ein. Ganz anders ihre Schwester Annika, die zum Abschiednehmen aus den USA gekommen ist. Sie steht der Idee zunächst recht emotionslos gegenüber. Ihr Freund ist sofort Feuer und Flamme. Durch die verschiedenen Perspektiven wird die Geschichte, die Idee, facettenreich beleuchtet. Dabei gefällt mir besonders Dagmar, die Tante. Gebildet, aber auch ein bisschen einsam, setzt sie sich besonders intensiv mit der Idee auseinander. Über die Trauer, aber auch die Diskussion über eine neue Gesellschaft, kommt sich die Familie näher. Das liest sich sehr kurzweilig. Die Passagen, die Chatverläufe oder auch Podcast-Diskussionen behandeln, sind etwas schwieriger zu lesen. Die Posts fremder Menschen, Normalos, Fanatiker, Schwurbler lockern auf, machen den Lesefluss aber auch nicht einfacher. Daher ist die Lektüre nichts was sich in einem Rutsch weglesen lässt. Der Leser ist gefordert, sich mit den verschiedenen Formen der Diskussion, der Kanäle, aber auch mit dem Inhalt kritisch auseinanderzusetzen. Dabei gibt es keine schnelle Meinung. Was ist richtig, was falsch? Der Roman greift nicht nur mit dem Thema sondern auch mit dem Schreibstil unsere Zeit und den Ton, der Kommunikation und Diskussionskultur sehr treffend auf.

Bewertung vom 11.07.2025
Killer Potential
Deitch, Hannah

Killer Potential


gut

Ein rasantes Buch mit Tempo. Zwei junge Frauen, eine nervenaufreibende Flucht, viele gestohlene Autos und einige Tote. So lässt sich der Thriller von Hannah Dietch zusammenfassen. Doch er ist noch mehr. Eine Geschichte von Vertrauen, Anziehung, gesellschaftlicher Spaltung, Einsamkeit. Evie und Jae liefern sich eine packende Verfolgung durch die USA. Soweit so gut. Ich brauche aber etwas, um mich einzufinden. Im ersten Teil bleiben mir die Figuren noch fremd. Erst langsam baut sich Nähe auf. Anfangs erscheint mir die Handlung wie die Aneinanderreihung der immer gleichen Begebenheit. Stehlen im Supermarkt, gestohlene Autos und wieder ein Haus, das für kurze Zeit als Unterschlupf dient. Im zweiten und dritten Teil kommen mir die Figuren näher. Die Anziehung zwischen den beiden Frauen war absehbar. Das letzte Kapitel lässt mich etwas ratlos zurück, aber alles in allem ein packender Roadtrip mit interessanten Figuren.

Bewertung vom 14.06.2025
Sputnik
Berkel, Christian

Sputnik


gut

Christian Berkel ist ein wunderbarer Schauspieler und ein toller Autor. Bereits die ersten beiden Bände seiner Familiengeschichte haben mir sehr gut gefallen. Hier steht er selbst im Mittelpunkt. Der Schreibstil ist wieder recht sachlich, dennoch entstehen Bilder vor dem geistigen Auge, werden Schauplätze lebendig. Es steht insbesondere die Nachkriegszeit im Mittelpunkt. Neben der Lebensgeschichte des Schauspielers dreht sich vieles um Berlin, seine Heimatstadt und um Paris. Beide Städte sind sehr treffend eingegangen. Ich folge Sputnik gern. Dennoch muss ich sagen, dass mir die ersten beiden Bücher etwas besser gefallen haben, eindringlicher waren und länger in mir nachhallen. Woran es liegt, kann ich gar nicht genau sagen. Doch Sputnik ist gelungener Abschluss der Geschichte. Erwähnen möchte ich noch das tolle Cover, das Lebensgefühl und Zeitcholorit sehr gut einfängt.

Bewertung vom 02.06.2025
Durch das Raue zu den Sternen
Kloeble, Christopher

Durch das Raue zu den Sternen


sehr gut

Dieser Roman entwickelt einen Zauber, der sich langsam anschleicht und mich dann nicht mehr loslässt. Die Hauptfigur Arkadia, alias Moll, ist so liebevoll beschrieben, so voller Selbstbewusstsein und doch wieder sehr verletzlich, dass ich gar nicht anders kann, als sie ins Herz zu schließen. Von der Mutter verlassen, der Vater ist verletzt und überfordert. Doch Moll findet ihren Weg. Ihr Traum ist es, in einem Knabenchor zu singen. Und mit viel Mut, Zuversicht und Können beschreitet sie ihren Weg. Der Wunsch, dass sie ihre Mutter mit ihren Gesang stolz macht, treibt sie an. Neben der sehr ungewöhnlichen Geschichte, ist es vor allem der Schreibstil, der mich anspricht. Packend, lustig, aber auch voller Gefühl trifft der Autor genau den richtigen Ton. Er zeichnet eine Hauptfigur, mit der man kämpft, leidet, lacht und träumt. Jeder Satz passt und die Geschichte trifft mitten ins Herz. Ein Höhepunkt in diesem Lesejahr.

Bewertung vom 25.05.2025
Teddy
Dunlay, Emily

Teddy


weniger gut

Ich hätte dieses Buch mit dem wunderschönen Cover wirklich sehr gern gemocht. Ich habe es mehrfach versucht. Kapitel für Kapitel, aber ich komme einfach nicht in die Geschichte hinein. Ich muss leider sagen, dass mich Teddy und ihr Leben in Rom überhaupt nicht interessieren. Der Funke springt nicht über. Obwohl ich Rom und das Dolce Vita liebe und sehr gern in die Welt einer Botschaftergattin mit allen Höhen und Tiefen eingetaucht wäre, fasziniert mich das Setting und auch die Handlung nicht. Teddy ist eine schöne Frau in den besten Jahren, nicht unsympathisch und stellenweise auch witzig. Aber typisch amerikanisch. Ihr Ehemann ist dafür umso unsympathischer. Kalt, gefühllos. Die Geschichte der beiden gleitet an mir vorbei. Der Schreibstil packt mich nicht. Einige Abschnitte habe ich überflogen, da sie recht langatmig erzählt waren. Wirklich schade, da ich mir sehr viel versprochen hatte. Aber für mich passt es einfach nicht.

Bewertung vom 23.05.2025
Das Licht in den Wellen
Mommsen, Janne

Das Licht in den Wellen


gut

Ein bewegtes Leben, eine starke Frau, tolle Schauplätze und eine fast unglaubliche Geschichte. Inge wandert kurz nach Kriegsende nach New York aus. Warum kann man erahnen, bleibt aber bis kurz vor Schluss verborgen. Dort schafft sie einen Aufstieg von der Küchenhilfe zur Spitzenköchin. Es macht Spaß die junge Frau, die erst noch ein wenig zaghaft ihren Weg sucht und mehrfach die Rückfahrkarte gebucht hat, auf ihren Weg zu begleiten. Das Leben in New York, das in großem Kontrast zu ihrem Leben auf der kleinen Nordseeinsel steht, ist toll eingefangen. Alles scheint möglich. Auch die anderen Charaktere sind gut gezeichnet. Doch der amerikanische Traum kann schnell wieder vorbei sein. Doch Inge gelingt es immer wieder Fuß zu fassen. Der Schreibstil ist bildhaft und fängt die Menschen, die Landschaft, die Stimmung gut ein. Was mich etwas wundert, allen Freunden von Inge gelingt der rasante Aufstieg. Das erscheint mir nicht ganz realistisch. Aber das Buch macht definitiv Lust auf eine Reise nach New York und an die Nordsee. Das Cover ist auch sehr schön gestaltet, wobei ich mir Inge ganz anders vorgestellt habe, als die Dame, die mich etwas an Sophia Loren erinnert. Ein schöner, bewegter Roman über eine starke Frau.

Bewertung vom 19.05.2025
Eine Welt nur für uns
Deya, Claire

Eine Welt nur für uns


sehr gut

Dieser feine Roman braucht etwas Muße, er erschließt sich erst nach und nach, offenbart seinen Zauber hinter einer zunächst rauen Schale. Die Szenerie könnte kaum kontrastreicher sein, vor der wundervollen Kulisse der Cote d‘Azur säubern Minenräumer die Strände. Einer von ihnen ist Vincent, geflohener Kriegsgefangener, der seine verschwundene große Liebe sucht. Gemeinsam mit deutschen Gefangenen durchkämmen die Franzosen Zentimeter für Zentimeter den Sand. Eine gefährliche Arbeit, bei der die Grenzen zwischen Freund und Feind verschwimmen. Neben dem geheimnisvollen Vincent gibt es Fabien, der ebenfalls die Schatten der Vergangenheit vergessen will. Die Figuren sind sehr fein gezeichnet, egal ob Franzose oder Deutscher. Auch Randfiguren sind sehr facettenreich. Neben den Minenräumern berührt mich insbesondere die Geschichte von Saskia, einer Jüdin, die dem Lager entkommen ist, aber ihre gesamte Familie verloren hat. Ihr Schicksal ist so bewegend beschrieben, die Grausamkeiten und Demütigungen auch nach dem Ende des Krieges machen mich sprachlos. Anfangs hatte ich etwas Probleme, die Personen und insbesondere die Vergangenheit nachzuvollziehen, doch Seite um Seite zieht mich die subtile Spannung in ihren Bann. Was ist mit Ariane geschehen? Das Thema der verminten Strände war mir neu, die gefährliche Arbeit Seite an Seite mit dem ehemaligen Feind und Besatzer erscheint mir unvorstellbar. Anfangs empfand ich die sehr detaillierte Beschreibung der verschiedenen Minen als etwas überfordernd, aber auch das gehört zum Gesamtbild. Der Schreibstil ist sehr fein und elegant. Dabei entsteht dennoch eine große Nähe zu den Figuren. Das Nachwort sollte ebenfalls unbedingt gelesen werden, da es noch einige Beziehungen zur Autorin und Idee des Romans herstellt. Ein gefühlvolles Buch über die Nachkriegszeit, das aber den Fokus gezielt anders setzt und damit überzeugt.

Bewertung vom 12.05.2025
The Surf House
Clarke, Lucy

The Surf House


sehr gut

Ich war wirklich neugierig auf den neuen Thriller von Lucy Clarke. Cover, Setting und Kurzbeschreibung sind schon mal top. Doch nachdem ich eher durchwachsene Erfahrungen mit Büchern der Autorin gemacht habe, wollte ich mich nicht zu früh freuen. Hier passt aber wieder alles. Der Nervenkitzel springt über. Die Figuren sind jung, sportlich und suchen die Freiheit in einer Aussteiger-Bucht in Marokko. Surfen, chillen und das Leben genießen. In diese vermeintliche Idylle stößt unerwartet Bea. Ehemaliges Modell, die nach einem Verbrechen in der Hauptstadt dringend eine Zuflucht sucht. Die faszinierende Marnie nimmt sie in ihrem Boutique-Hostel auf. Doch nach und nach zeigen sich Risse in der Fassade. Ein Amerikaner kommt auf der Suche nach seiner verschwundenen Schwester nach Marokko und es entspinnt sich ein Katz-und-Maus-Spiel bei dem fast jeder der Bewohner etwas zu verbergen hat. Die Mischung aus Surfer-Leben und Urlaubsidylle, dazu eine Prise Lust und Liebe und die wirklich sehr hoch gehaltene Spannung machen hier den Reiz aus. Die letzten Kapitel bergen einige Überraschungen und die ein oder andere Figur entpuppt wirklich unerwartete Züge. Nach dem für mich sehr überzeugenden „No Escape“ wieder ein Thriller der Spaß macht und mit einigen Wendungen überzeugt.

Bewertung vom 25.04.2025
Es kann so schön sein, das Leben
Oetker, Alexander

Es kann so schön sein, das Leben


sehr gut

Dieser sonnige Ratgeber bringt eine Saite in mir zum Klingen. Die Sehnsucht nach Langsamkeit, Wärme, Genuss und Geselligkeit. Der Autor nimmt mich mit auf eine Reise nach Portugal, Italien, Spanien, Griechenland und natürlich Frankreich. Überall hat Genuss, und nicht nur der kulinarische sondern der Lebensgenuss, eine höhere Bedeutung als in Deutschland. Ja, auch dort ist nicht alles perfekt, es gibt Probleme, Konflikte und Sorgen, aber ein wenig mehr Leichtigkeit würde uns oft gut tun. Mir tut bereits die Lektüre dieses Buches gut und entführt mich auf eine Gedankenreise. Was wäre wenn? Und selbst fürs Daheimbleiben liefert Alexander Oetker einfach umsetzbare Tipps für das Dolce Vita Gefühl. Langsam gehen anstatt durchs Leben zu hetzen. Mit Genuss und Freude essen und trinken. Zeit fürs Einkaufen und Kochen zu nehmen. Oder auch einfach mal nichts zu tun und zu warten. Momente bewusst wahrnehmen, sich selbst Gutes tun. Darauf kommt es an. Ja, nicht alles lässt sich immer umsetzen und auch für mich sind nicht alle Kapitel gleichermaßen relevant. Aber es geht um das Grundgefühl. Mir hat dieses Buch ein Lächeln ins Gesicht gezaubert, mich nachdenken lassen und den ein oder anderen Ratschlag werde ich sicher beherzigen. Und das, obwohl ich eigentlich keine Ratgeber-Leserin bin. Diesen habe ich mit Genuss gelesen.

Bewertung vom 16.04.2025
Maikäferjahre
Höflich, Sarah

Maikäferjahre


gut

Dieser berührende Roman erzählt die Geschichte der Geschwister Anni und Tristan in den letzten Kriegsmonaten und kurz danach. Anni muss mit ihrer kleinen Tochter aus dem zerbombten Dresden fliehen. Dabei hilft ihr Adam, Ausnahmegeiger und Jude, der von Annis Vater versteckt wurde. Tristan stürzt als Pilot eines Kampfflugzeuges über England ab und wird von Rosalie im Krankenhaus gesund gepflegt. Die beiden verlieben sich, doch müssen sich vielen Anfeindungen stellen. Die beiden Handlungsstränge werden im Wechsel erzählt, was den Lesefluss und die Spannung hochhält. Die Figuren sind einnehmend und ich folge ihnen gern. Insbesondere die letzten Kapitel finde ich sehr bewegend. Sie lassen auf eine Fortsetzung hoffen, da beide Perspektiven für mich noch nicht zu Ende erzählt sind. Darüber würde ich mich sehr freuen. Dennoch muss ich sagen, dass ich mir nach dem Roman „Heimatsterben“ der Autorin etwas mehr erhofft hat. Dieser hat mich mit seiner Brisanz und Aktualität gepaart mit der Familiengeschichte sehr beeindruckt. Bei „Maikäferjahre“ passt soweit alles, aber irgendwie fehlt mir das Besondere, der Stachel bzw. das Kritische.