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MelB
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Eppelheim

Bewertungen

Insgesamt 206 Bewertungen
Bewertung vom 03.11.2025
Dius
Hertmans, Stefan

Dius


weniger gut

Der Roman Dius handelt von einer Männerfreundschaft zwischen dem Kunstprofessor Anton und seinem Studenten Egidius De Blaeser, genannt Dius. Obwohl Anton Dius unterrichtet, trennen die beiden nur etwa 10 Jahre. Als Dius eines Tages bei Anton vor der Tür steht und ihn in sein Dorfhaus einlädt, das er als Atelier nutzt, ist Anton überrascht, sagt aber zu seiner eigenen Verwunderung zu. Es entwickelt sich eine Männerfreundschaft, die getragen wird von der gemeinsamen Liebe zu Kunst und Musik und Antons Bewunderung für Dius´ großes Talent.
Bald jedoch vermischen sich Privates und Berufliches und die Freundschaft wird auf eine Probe gestellt.
Die Sprache ist ohne Zweifel wirklich sehr bildhaft und viele Sätze haben sogar das Zeug dazu als Aphorismus genutzt zu werden. Auch die vielen Informationen zu Musik und Kunst scheinen mir (als absoluter Laie) fundiert und tief.
Die vielen Landschaftsbeschreibungen waren handwerklich gelungen und haben stets viel Atmosphäre vermittelt.
Leider hat mich das Buch trotzdem nicht erreicht. Die Geschichte wird ausschließlich aus Antons Sicht geschildert. Dieser war mir anfangs nur fremd und ich fand keinen Zugang zu ihm. Je länger der Roman andauerte, desto unsympathischer fand ich ihn. Seine Handlungen waren für mich praktisch nie nachvollziehbar, er war mir deutlich zu passiv und selbstmitleidig. Weder beruflich noch privat hat sein Leben für mich "Sinn" gemacht beim Lesen.
Dius, der eigentlich deutlich faszinierende Charakter, war mir ebenfalls zu fern, was auch daran lag, dass wir ihn immer nur mit Antons Brille erleben konnten – und Anton ist ein absolut selbstbezogener Charakter, der alle Menschen nur in Bezug auf sich selbst beurteilt und der praktisch keine Empathie besitzt.
Auch Dius´ Handlungen erschienen mir oft seltsam und fremd und ich konnte nie richtig mit ihm fühlen.
Alle anderen Figuren, vor allem die Frauen, blieben blass und nicht greifbar. Der Autor hat meiner Meinung nach auch keinen Wert daraufgelegt, dass der Lesende Zugang zu den Personen und ihren Handlungen erlangt.
Ihm scheint es deutlich mehr darum zu gehen, sein Wissen über Kunst und Musik zu vermitteln. Und das ist auch ein weiterer meiner Kritikpunkte. Ich habe es wirklich versucht, mich darauf einzulassen, aber es wurde immer zäher beim Lesen, je weiter ich vorankam. Ich war ehrlich gesagt, sehr erleichtert, als ich endlich ans Ende des Romans kam. Durch die vielen Schilderungen der Landschaften, Kunstwerke oder Musikstücke war das Lesen unfassbar zäh und mir sind wirklich häufig die Augen zugefallen beim Lesen. Den Mittelteil des Buches, der für mich am mühsamsten zu lesen war, habe ich dann bewusst morgens am Wochenende nach dem Ausschlafen gelesen - und trotzdem habe ich manche Absätze einfach nicht richtig aufnehmen können, weil es so unfassbar langweilig war.
Mir wird von dem Buch mit Sicherheit nicht viel in Erinnerung bleiben. Die 2 Sterne vergebe ich nur, weil der Schreibstil wirklich handwerklich sehr gut ist.
Eine sehr, sehr eingeschränkte Leseempfehlung für Menschen, die gerne über Kunst und Musik lesen und nicht an einer Geschichte interessiert sind, die sie emotional berührt.

Bewertung vom 31.10.2025
Da, wo ich dich sehen kann
Schreiber, Jasmin

Da, wo ich dich sehen kann


ausgezeichnet

Jasmin Schreibers neues Buch „Da, wo ich dich nicht sehen kann“ handelt von einem Femizid und wie die Menschen, die zurückbleiben, damit leben müssen.
Emma wurde von ihrem Mann Frank getötet. Die 9jährige Tochter Maja lebt nun bei ihren Großeltern mütterlicherseits. Aus verschiedenen Perspektiven – Maja, ihre Großeltern mütterlicherseits, die Großmutter väterlicherseits, ihre Patentante Liv (beste Freundin der ermordeten Emma) und auch aus Emmas Sicht – wird die Geschichte erzählt.
Im Mittelpunkt steht einerseits das traumatisierte Mädchen Maja, bei der mich vor allem die Bilder, die im Buch abgedruckt sind, tief ins Herz getroffen haben.
Liv, die beste Freundin der ermordeten Emma, ist ebenfalls eine der Hauptfiguren. Durch ihre Figur, die mich teilweise stark an die Autorin selbst erinnert hat, da es viele Parallen zu deren Einstellung und Leben gibt, wird vor allem die Wut transportiert, die zu Recht empfunden wird in Bezug auf Femizide im Allgemeinen. Sie arbeitet als Physiklehrerin und hat einen starken Bezug zur Astrophysik, ein spannender Nebenstrang der Geschichte, der auch optisch schön umgesetzt wurde durch Sternbilder, die den jeweiligen Personen zugeordnet und jeweils bei „ihren“ Kapiteln abgedruckt sind.
Auch Emmas Kapitel, die natürlich aus der Vergangenheit erzählt werden, haben mich stark emotional berührt und zeigen auf, wie es geschehen kann, dass eine Frau sich in einer toxischen und gefährlichen Beziehung wiederfindet und keinen Ausweg mehr sieht.
Die Großeltern stehen vor allem für die Hilflosigkeit und Verzweiflung. Warum haben sie nichts bemerkt? Warum konnten sie ihrer Tochter nicht helfen? Oder – im Fall von Franks Mutter – wie konnte es geschehen, dass der eigene Sohn eine solche furchtbare Tat ausübt?
Für mich logisch und richtig ist, dass einzig Frank, der Täter, keine „Stimme“ bekommt im Roman. Anders als es oft in der Realität ist, wird eben das Opfer und seine Angehörigen in den Mittelpunkt gestellt und nicht der Täter und seine (seien wir mal hart und ehrlich) im Grunde irrelevanten „Motive“. Er hat seiner Frau das Leben genommen, weil er es konnte und alle anderen müssen nun damit (weiter)leben.

Die Gestaltung des Romans ist sehr ansprechend – die Autorin hat den Umschlag selbst gestaltet. Mich hat der orangefarbene Farbschnitt an die Orange Days erinnert, die seit 1991 als Kampagne der UN als Zeichen gegen Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen. Wenn das die Intention war, ist das noch ein weiterer Pluspunkt für den Roman!
Das Thema Femizid ist ein absolut wichtiges, aber natürlich auch hartes Thema. Die Autorin hat es sehr gelungen umgesetzt. Bis auf einige Kleinigkeiten (das Kapitel aus Sicht des Hundes hätte ich persönlich nicht gebraucht und die Bücher, die sie als Beispiele für übertriebene Gewalt gegen Frauen in der Literatur beschreibt, sind meiner Meinung nach keine guten Beispiele für ihren Punkt) bin ich mit dem Buch und der Themenumsetzung wirklich sehr zufrieden. Ich habe das Buch in einer Leserunde gelesen, was sehr gut war. So konnte ich jeweils Pausen machen und über das Gelesene diskutieren – das hat geholfen, den heftigen Stoff besser zu verarbeiten.
Es ist kein leichter Stoff, aber ein wichtiger! Lest das Buch!

Bewertung vom 31.10.2025
Maris Märchen
Dietz, Shari;Dietz, André

Maris Märchen


sehr gut

Maris Märchen wird im Namen von Mari "herausgegeben". Mari hat das Angel-Man-Syndrom, einen Gendefekt also, bei dem die Menschen, die ihn tragen, nicht sprechen können, epileptische Anfälle bekommen und generell überreizt sind, zumindest ist das das, was man aus dem Buch hier lernt - ich habe bisher noch nichts von diesem Gendefekt gewusst.
Die Märchen, die Mari uns erzählt, sind teilweise an bekannte Märchen angelehnt - manchmal gibt es sogar Zitate aus dem Originalmärchen. Aber - sie sind anders! Die Protagonisten sind es nämlich auch! Da gibt es Downröschen, Humpelstilzchen, den Grank, Händikäppchen und natürlich auch immer wieder Mari.
Die Erzählweise ist eindeutig an die junge Zielgruppe angepasst und der Bild- und Textanteil passend. Die Illustrationen gefallen mir wirklich besonders gut! Die Sprache ist locker und lustig und oft wird der Lesende direkt angesprochen, was das Buch beim Vorlesen bestimmt noch schöner wirken lässt. Als meine Töchter noch jung genug zum Vorlesen waren, liebte ich diesen Stil immer sehr!
Es ist wirklich wichtig, Inklusion zu leben und schon bei sehr jungen Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass es Menschen gibt, die "anders" sind. Aus meiner eigenen Erfahrung (meine Schwester sitzt seit einem Unfall seit über 20 Jahren im Rollstuhl) weiß ich, dass vor allem Kinder eigentlich entspannt mit Menschen umgehen, die eine Behinderung haben. Sie tun oft das, was auch im Buch geraten wird - sie fragen einfach nach und ignorieren nicht verschämt, was offensichtlich ist.
Mir hat das Buch wirklich sehr gut gefallen. Es beinhaltet neben den schön illustrierten und locker erzählten Märchen eben auch eine wichtige Botschaft - fragt nach, achtet darauf, was ihr wem wie sagt und respektiert jeden Menschen.
Klare Leseempfehlung für Kinder ab Kindergartenalter und ihre Eltern, die beim (Vor-)Lesen ebenfalls viel mitnehmen können!

Bewertung vom 20.10.2025
Enjoy Schwedisch

Enjoy Schwedisch


sehr gut

Wir haben unseren Sommerurlaub 2025 in Stockholm verbracht. Mit Englisch kamen wir natürlich ohne Probleme überall durch - ich habe gelesen, dass die skandinavischen Länder ganz weit oben sind in Bezug darauf, wie gut hier englisch gesprochen und verstanden wird - aber die Sprache und Kultur fand ich sehr spannend. Tack haben wir auf jeden Fall sehr oft gehört, genau wie Hej, aber mehr eigentlich nicht.
Umso toller, dass es Bücher wie "Enjoy Schwedisch" gibt. Gut gelaunt und optisch sehr ansprechend gestaltet, lernt man völlig ohne Grundlagen einiges, was einem im Urlaub weiter helfen kann! Wir planen definitiv noch weitere Urlaube in Schweden. Auch aus diesem Grund werde ich das Buch mehr als einmal lesen und durch"arbeiten". Die Texte sind kurz und vor allem ansprechend illustriert. Und ganz nebenbei lernt man auch noch einiges über schwedische Kultur und Bräuche. Grammatik und Grundwortschatz-Vokabeln werden vorgestellt und mit kleinen Übungen, für die es Lösungen gibt, vertieft. Auch die Tipps, wie man "dranbleiben" kann, sind sehr wertvoll!
Ich kann das Buch eindeutig empfehlen für Schweden-Liebhaber und -Urlauber!

Bewertung vom 20.10.2025
Die Frau der Stunde
Specht, Heike

Die Frau der Stunde


ausgezeichnet

Catharina Cornelius ist Mitte 40, liberale Politikerin in Bonn im Jahr 1978. Als sie die Chance bekommt, erste deutsche Außenministerin und Vizekanzlerin zu werden, greift sie zu. Bald schon steht sie mitten im Sturm der politischen Lage und zudem wird sie als ledige Frau misstrauisch beäugt und sogar offen angegriffen. Glücklicherweise hat sie eine patente Mentorin, eine starke Mutter und ihre eingeschworene Freundinnenclique, auf die sie jederzeit zurückgreifen kann.
Die Geschichte ist fiktiv, die meisten Personen ebenfalls (bis auf einige wenige für die Geschichte wichtige Personen wie Ayatollah Khomeini oder der Schah und seine Familie). Da ich erst Ende 1978 geboren wurde, ungefähr zu dem Zeitpunkt, als auch der Roman spielt, habe ich die sicherlich vorhandenen Anspielungen auf politische Personen in Bonn 1978/1979 nicht wahrgenommen, bin aber sicher, die gab es durchaus.
Eine sehr große Stärke des Romans ist auf jeden Fall der Fokus auf starke Frauenfiguren. Alle Protagonistinnen verkörpern auf ihre Art Rollen, die teilweise noch heute sehr relevant sind für Frauen, die egal in welcher Branche eine Karriere anstreben. Auch der Blick auf den Umbruch im Iran, als der Schah vertrieben und stattdessen der spätere Terrorherrscher Ayatolla Khomeini eingesetzt wurde - und was das für die Frauen bedeutete hat! - war ein Strang, den ich absolut fesselnd fand.
Catharina, die Hauptfigur, ist eine wirklich spannende Frau, die mir die ganze Zeit hindurch sehr, sehr sympathisch war. Sie ist eine wirklich greifbare Protagonistin, die stark ist, sich aber auch Momente der Schwäche zugesteht - und sicher und fest eingebunden ist in eine Gruppe loyaler Freundinnen.
Auch viele Nebenfiguren haben mir sehr gut gefallen - ich konnte mich vor allem mit der berufstätigen 3fachen Mutter Suzanne sehr identifizieren und habe ihren Strang besonders gern gelesen.
Der Schreibstil war für mich ein besonderer Genuss - ironisch, sarkastisch, humorvoll und empathisch - ich war von der ersten Seite an begeistert und richtig traurig, als ich das Buch beendet habe.
Und als Bonus gibt es noch viel Atmosphäre und Zeitgefühl aus dem Leben Ende der 1970er Jahre - vom Zigarettenrauchen, egal, wo man sich befand (gut, dass das vorbei ist!) über das Leben ohne Smartphone und Internet.
Gerne vergebe ich 5 Punkte und eine uneingeschränkte Leseempfehlung für einen echten Lesegenuss und ein Highlight meines Lesejahres!

Bewertung vom 20.10.2025
Aus! Die Wissenschaft vom Ende
Science Busters

Aus! Die Wissenschaft vom Ende


gut

Science Busters ist eine österreichische Kabarett Gruppe aus Wissenschaftlern, die Wissenschaft humorvoll erklären. Vor dem Lesen des Buches war mir das nicht bekannt - und ich denke, ich muss mir echt mal eine Show der Gruppe anschauen. Denn - streckenweise liest sich das Buch auf jeden Fall sehr lustig und lebendig. Der Lesende wird regelmäßig direkt angesprochen mit Floskeln wie "gern geschehen" und ähnlichem.
Das Thema dieses Buches ist das Ende von so ziemlich allem - des Universums, der Menschheit - dazu noch ein Vorspiel im Himmel und ein Nachspiel in der Hölle. Die Gruppe geht wohl ab Oktober 2025 auf Tournee und ich vermute, die Themen des Buches werden (mit) eine Rolle spielen.
Anfangs funktionierte der frech-ironische Ton sehr gut bei mir und ich habe mich beim Lesen amüsiert. Ab etwa dem 2. Drittel wurde es dann anstrengend mit dem Lesen. Was mich am meisten gestört hat, waren die ständigen ziemlich belehrenden Vorwürfe in Richtung Politik. Hier spricht die Autorengruppe nicht nur die österreichischen, sondern auch die deutschen Politiker an und moniert diverse Entscheidungen oder Dinge, die im Wahlkampf gesagt wurden. Auch der US-amerikanische Präsident Trump ist ganz klar für die Gruppe eine Person, über die man sich echauffieren muss. Selbst wenn ich oft mit ihnen überein stimme, war es beim Lesen störend. Ich glaube, ich habe einfach weniger Kabarett und mehr Wissenschaft erwartet und das hat mich dann etwas genervt.
Das Buch wirkt wie ein Sachbuch über wissenschaftliche Themen, die Modernität in der Sprache und Herangehensweise an die Themen habe ich auf jeden Fall erwartet (das Cover ist da eindeutig). Wer aber die Science Busters nicht kennt, wie ich, denkt nicht an Kabarett und den politischen Bezug. Und dieser war mir hier eindeutig zu stark vorhanden - und vor allem zu einseitig. Auch bei Kabarett mag ich es - wie in der Wissenschaft! - wenn Kritik nicht nur in eine Richtung geht.
Zudem waren die Passagen über die Covid 19 Pandemie für mich schwer zu lesen. Die Gruppe schreibt recht arrogant über Menschen, die die "Maßnahmen zum Schutz aller" nicht einhalten wollten, dabei ist längst belegt, dass vieles sehr übertrieben wurde. Meine Kinder haben stundenlang Masken im Unterricht tragen müssen, in BaWü hatten wir monatelang FFP2 Maskenpflicht, sie litten unter Ausschlägen und Atemproblemen. Das hatte nichts mit Schutz zu tun, das war Schikane. Wenn man das heute noch ignoriert und es so darstellt, als wären Maskenverweigerer problematisch, ist das nur ein Beispiel, wie einseitig die Autoren hier vorgegangen sind.
In den beschriebenen Wissenschaftsgebieten bin ich absolut nicht tief drin, aber da ich die Autoren bei Corona als zu einseitig gelesen habe, habe ich leider begonnen, auch anderen ihrer Thesen nicht ganz zu trauen und das macht mir das Buch und seine Message(s) dann leider nicht ganz so sympathisch.
Daher von mir nur eine eingeschränkte Leseempfehlung.

Bewertung vom 15.10.2025
Wilder Honig
Lewis, Caryl

Wilder Honig


sehr gut

"Das Leben, das sie führte, und meins mögen zwar unsichtbar sein, aber sie haben dennoch eine Bedeutung." Die Geschichte um Hannah, Sadie und Megan ist ein unaufgeregter und ruhiger Roman, der wirklich sehr atmosphärisch geschrieben ist. Als Hannahs Mann stirbt, nachdem sie ihn bis zum Schluss liebevoll gepflegt hat, bleibt ihre jüngere Schwester Sadie bei Hannah und hilft der kinderlosen Witwe, mit ihrem Verlust klar zu kommen. Als sich herausstellt, dass Hannahs verstorbener Mann John eine uneheliche Tochter hatte, will Hannah sie kennenlernen und die drei Frauen lernen einander - und sich selbst - kennen.
Wilder Honig spielt in Wales und umfasst etwa ein Jahr, was sehr schön durch die vielen Schilderungen der Natur und des Obstgartens, der auf dem Grundstück Hannahs und Johns liegt, und seiner Bienenstöcke dargestellt wird. Die Geschichte entwickelt sich sehr ruhig, immer wieder unterbrochen von Johns Briefen, die er vor seinem Tod an Hannah geschrieben hat.
Alle Figuren sind auf ihre Art und Weise einsam und auf der Suche. Ich habe bei der Ausgangslage zunächst einen Roman erwartet mit mehr Lebensbeichten und Nabelschau, mit Konflikten und Drama. Aber das Gegenteil ist hier der Fall - und das gefiel mir ausnehmend gut.
Niemand dramatisiert und die Entwicklungen sind nie hektisch oder überraschend. Stattdessen habe ich beim Lesen immer eine tiefe Ruhe verspürt, die durch den besonderen Schreibstil, aber auch den Erzählfluss selbst kreiert wurde.
Ein atmosphärisch dichtes und sehr schön geschriebenes Buch, das mich berührt hat und mir sehr gefallen hat. Ich kann es auf jeden Fall weiter empfehlen! (Und als Bonus erfährt man noch sehr viel über Imkerei und Bienen im allgemeinen und darüber, wie ein Apfel-Obstgarten gepflegt und angelegt wird!)

Bewertung vom 06.10.2025
Der Club der kalten Hände
Pernlochner-Kügler, Christine

Der Club der kalten Hände


sehr gut

Als Lizzy und ihre Freunde herausfinden, dass Lizzys Eltern ein Bestattungsunternehmen leiten, wollen sie herausfinden, wie genau das mit dem Tod ist.
Als Club der kalten Hände stellen sie sich furchtlos dem Tod und dem Ende, so ihr Motto.
Das Kinderbuch nimmt sich ein schweres, aber sehr wichtiges Thema vor - der Tod ist nach wie vor ein großes Tabu in unserer Gesellschaft und fast jeder mit dem Thema absolut überfordert, vor allem, wenn es darum geht, unsere eigene Überforderung, Angst und Unsicherheit nicht an unsere Kinder weiterzugeben, sobald diese mit dem Tod konfrontiert werden.
Im Buch werden kindgerecht aber auch absolut interessant für erwachsene Lesende viele Informationen vermittelt. Die Beispiele der Menschen, die die Kinder tot erleben, sind gut gewählt - da ist ein Unfallopfer, alte Menschen am Ende ihres Lebens, aber auch ein Baby, dessen Eltern sich wünschen, den kleinen Leichnam im Kinderwagen zum Grab zu bringen. Bei dieser Stelle musste ich wirklich weinen.
Die Zeichnungen sind nicht so ganz meins, aber mir hat gut gefallen, wie die Toten dargestellt werden über eine Art graue Hautfarbe. Auch die vielen Informationen, die am Ende des Buches noch zusammengestellt werden, waren teilweise neu und wirklich spannend für mich.
Fazit - ein besonderes Kinderbuch, das man durchaus auch anlasslos lesen kann und sollte!

Bewertung vom 06.10.2025
Der Wortschatz des Todes
Arndt, Martin von

Der Wortschatz des Todes


sehr gut

Irina, eine ehemalige BKA Ermittlerin, befindet sich gerade "zwischen 2 Jobs" und in einer schwierigen Phase ihres Lebens, als ihr Bruder sie bittet, einem Freund zu helfen. Dieser, ein junger ukrainischer Flüchtling, hat einen Mord gestanden, den er auf keinen Fall verübt haben konnte.
Irina erklärt sich bereit, dem Pflichtverteidiger zu helfen und beginnt zu ermitteln...
Der Politthriller spielt in einem kleinen Ort in Norddeutschland, der nicht genannt wird und nur mit einem Großbuchstaben abgekürzt wird. Irina und ihr Bruder sind hier aufgewachsen, nachdem ihre Eltern ein paar Jahre nach dem schrecklichen Super-GAU in Tschernobyl aus der Ukraine ausgewandert sind.
Über die Geschichte des Verdächtigen, Irinas Familie, aber auch des Ermordeten erfahren wir mehr und mehr über die russisch-ukrainische Geschichte, Aufstände und Unterdrückung, deren Beginn schon vor vielen Jahren war und die noch heute furchtbare Auswirkungen haben, nicht erst seit dem erneuten Angriff auf die Ukraine durch Russland im Februar 2022.
Der Schreibstil war sehr gut und hat mich gepackt, ich habe das Buch schnell und flüssig gelesen. Einiges war mir ehrlich gesagt etwas viel und zu verworren - und ich bin da einfach nicht so tief in den Themen drin. Aber - die Auflösung war sehr gut gemacht und es blieben bei mir auch keine Fragen offen. Der Roman ist der Serienauftakt - und da sehe ich echt Potenzial! Bis in die Nebenfiguren sind alle Protagonisten gut gezeichnet gewesen und vor allem Irina eine wirklich spannende Person, die absolut Ecken und Kanten hat.
Klare Lessempfehlung für einen spannend geschriebenen und hoch aktuellen Politthriller und Reihenauftakt mit Potenzial!

Bewertung vom 02.10.2025
All the Way to the River
Gilbert, Elizabeth

All the Way to the River


gut

Elizabeth Gilbert kannte ich wie vermutlich viele andere auch von ihrem Bestseller Eat, Pray, Love. All the way to the river ist ebenso wie Eat, Pray, Love eine persönliche und autobiographische Schilderung des Lebens der Autorin - und schon daher war ich sehr interessiert an der "Fortsetzung". Bereits direkt von Anfang an allerdings war ich über den Schreibstil und die vielen Bilder in den Kapiteln und dazwischen sowie der Gedichte und Gebete zwischen den Kapiteln ein bisschen irritiert. Die Autorin beschreibt in ihrem Buch einerseits ihr eigenes Leben, wie es weiterging. Sie blieb nach Eat, Pray, Love zunächst mit ihrem Ehemann, den sie auf Bali kennen- und lieben gelernt hat, zusammen. Dann aber verliebte sie sich in ihre beste Freundin und sie wurden ein Paar, direkt nachdem diese die Diagnose Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebs im Endstadium erhalten hat. Um die Zeit mit Rayya Elias, ihrer ehemals besten Freundin und nun Partnerin, für die sie auch ihre Ehe beendete, dreht sich ein Großteil des Buches. Rayya hatte zeit ihres Lebens mit ihrer Drogensucht zu kämpfen und verfällt dieser auch im Zuge der Krebsbehandlung erneut und brutal.
Beim Lesen des Buches habe ich einerseits sehr mit der Autorin mitgefühlt und mir gefiel auch der Schreibstil der Prosa-Texte gut. Sie spricht den Lesenden oft direkt an und es liest sich dadurch wie ein Gespräch mit einer Freundin. Aber - großes Aber - die vielen "Schnipsel" im Text, die Bilder, Gebete, Gedichte haben mich mehr und mehr gestört bis hin zum genervt-weiter-blättern, wenn schon wieder eine halbe oder ganze Seite "sowas" vorkam. Gegen Ende des Textes wird es mir dann auch leider viel zu abgedreht und ich fühlte mich, als wäre ich auf einem Süchtigen/Co-Abhängigen-Treffen dabei. Offensichtlich hat Gilbert viel zu verarbeiten gehabt, aber mir war es einfach zu viel. Und mir ist nach Beenden des Buches unklar, was nun genau das Thema war. Ging es um die Liebesgeschichte der beiden Frauen, um die Krebserkrankung und palliative Begleitung, ging es um Sucht/Abhängigkeit? Mir war es einfach ein bisschen überfrachtet und streckenweise wirklich zu viel des Guten bzw. eher Schlechten.
Alles in allem eine sehr eingeschränkte Leseempfehlung für ein etwas seltsames Buch.