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easymarkt3
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Insgesamt 872 Bewertungen
Bewertung vom 19.12.2024
Die Horde des Windes. Band 3
Damasio, Alain;Henninot, Éric

Die Horde des Windes. Band 3


gut

Auch als Science-Fiktion-Comic in Französisch und Deutsch erhältlich
Beschrieben wird in bildreichem Wortschatz ein sturmgepeitschtes Universum mit der 34. Horde, unter Führung des neunten Golgoth. Diese Gruppe ist vor mittlerweile siebenundzwanzig Jahren in Aberlaas, Fernstromab, aufgebrochen, ohne einen Blick zurückgeworfen zu haben. Google kennt Golgoth als den alten Gott des Winters , beschrieben als schwebender Schatten mit zwei leuchtend roten Augen. Der Autor Damasio verwendet in seinen Werken häufig Neologismen und Ausdrücke, mit denen er versucht, »dichte, bewohnte Wörter zu schaffen, die es den Menschen ermöglichen, sich zusammenzuschließen«. Beispiel dafür ist für mich Äolot. In dieser Fantasie- und Science-Fiktion-Welt leben Figuren wie die Aeromeisterin oder Luftwilderer, die mit weiteren Schutzkämpfern, Flügelstürmern und Geomeistern der Horde im laufenden Text mit Glyphen oder mit Großbuchstaben der griechischen Alphabets markiert sind. Sehr die eigene Fantasie anregend!

Bewertung vom 19.12.2024
To Die For
Gray, Lisa

To Die For


sehr gut

Geld regiert die Welt - spannend
Die Szenerie spielt im hochpreisigen Immobiliensegment von Los Angeles. Wie teils kriminell diese Branche mit ihren Maklern um das Traumhaus in Malibu mit eigenem Strand agiert, wird an fünf Protagonisten reflektiert, jeder mit eigener Motivation im Kampf um die 1 Million Provision. Die langsame, gut nachvollziehbare Aufdeckung vieler Geheimnisse - auch um eine Leiche – sorgt für reichlich Spannung. Während Jimmy Aribo und sein Partner Tim Lombardi vom Los Angeles County Sheriff’s Department bei der Aufklärung des Mordes nur eine nachrangige Rolle spielen, steht die Maklerin Andi Hart im Zentrum dieses Verkaufs-Wettbewerbs und im Mittelpunkt der Mordaufklärung. Thematisiert werden häusliche Gewalt und Konkurrenzkampf ohne Freundschaft und Vertrauen, einen realistisch wirkenden Einblick in diese Branche gewährend. Die Beschreibung dieser elitären, monetären Welt mit überraschendem, finalen Twist gefällt.

Bewertung vom 18.12.2024
Die Passagierin
Friedrich, Franz

Die Passagierin


sehr gut

Zeitreisen nach Kolchis
Die Szenerien spielen in Kolchis und den verschiedenen, mittlerweile abgewrackten Gebäuden des Sanatoriums, dem Bahnhof und dem Postamt. Das Zusammenleben in dieser seltsamen Gemeinschaft einiger Evakuierter verschiedener Zeitreisen wird besonders detailliert und eindrucksvoll beschrieben. Die Nebenfiguren bilden ein buntes Rahmengeflecht. In tief gehenden Dialogen, besonders zwischen den Hauptfiguren Heather und Matthias, geht es um allzeit gültige Gedankenspiele. Während er, aus Frankenhausen als Söldner aus dem tiefsten Mittelalter kommend, schuldbewusst über den damaligen schlimmen Ausgang des Bauernkrieges in Mitteldeutschland und Thomas Müntzer sinniert im Gespräch mit Heather aus Bad Schandau an der Elbe, die mit 15 Jahren vor 52 Jahren evakuiert wurde, geht es z.B. um das Nowikow-Gesetz, um das Wissen, diese verdrehte Vorstellung, aus der Knechtschaft der einen einen Vorteil zu ziehen, anstatt den Reichtum aller für alle zu nutzen oder die Katastrophe hier des Bürgerkriegs nicht einfach so hinzunehmen. Was sind die Gefahren von Zeitreisen? Wie ist es, z.B. aus deiner altertümlichen Zeit herausgerissen in eine weit entfernte Zukunft quasi gerettet zu werden unter Zurücklassung aller Güter und menschlicher Bezugspersonen? Verzweifelt man bei dem Gedanken, dass nicht alle evakuiert, gerettet werden können? Nicht jeder kommt in dieser neuen Welt an und möchte zurück, nicht nur um Schuldgefühle zu beruhigen. Der Sprachstil und die Figuren gefallen, auch wenn die erste Hälfte etwas langatmig ist.

Bewertung vom 15.12.2024
Brennende Felder
Kaiser-Mühlecker, Reinhard

Brennende Felder


gut

Eine etwas verwirrende, anfangs langatmige Lektüre.
Die Szenerie spielt größenteils in Rosental, einem Dorf in Oberösterreich. Im Zentrum steht Luisa Fischer mit ihrem unsteten Leben auch im Ausland. ihren Gedanken, ihrem Handeln, ihrem Empfindens auf die Außenwelt. Bauer und Landrat Ferdinand Goldberger und sein halbwüchsiger Sohn Anton mit autistischen Zügen bilden im zweiten Romanteil den soliden Sockel gegenüber Luisas dysfunktionaler Bauernfamilie im Nachbarort. In dieser ländlichen Idylle mit farbig beschriebenen Jahreszeiten, mit deftiger Jägerschaft und Überlebensproblemen der Landwirte als passender Rahmen entwickelt sich Luisas Kosmos zu einer extrem schwierigen Persönlichkeit. Ihrem Lebensschema der großen anfänglichen Anziehung zu einigen Männern folgt Alltag und Routine, Entfremdung und schließlich Abscheu und Hass – beschrieben mit überzeugenden erzählerischen Qualitäten.
In feinsten Nuancen und Verschiebungen in ihrem Gefühls- und Stimmungsleben ergeben sich aber auch nur vage beschriebene Schlüsselszenen wie z.B. Luisas Idee im Gespräch mit Katja, deren Scheidung von Jacob und Geldteilung oder im Keller zusammen mit Anton und auch den Twist im letzten Kapitel, die der Fantasie zwar freien Lauf lassen, aber den Leser vielleicht etwas ratlos zurücklassen.

Bewertung vom 13.12.2024
Die Projektoren
Meyer, Clemens

Die Projektoren


weniger gut

Eine Hommage an die ehemalige Filmindustrie in osteuropäischen Kriegsgebieten
Das in zwei Segmente unterteilte Cover zeigt im Schriftbild Perspektiven, farblich vor dem mehrschichtigen Hintergrund gut platziert – kreativ.
Mit 1056 Seiten ist dieser Roman sehr umfangreich. Beginnend in Annaberg-Buch im Erzgebirge geht die Zeitreise ins heutige Kroatien, nach Serbien etc., in Orte wie Novi Sad, Split, Belgrad oder ins Velebitgebirge. Stets spielen Projektoren, Filmvorführgeräte in Bioskopen, den Kinos vergangener Zeiten, eine wichtige Rolle neben der historischen Rückbesinnung auf endlose, verwirrende Kampfhandlungen der Partisanen zwischen deutschen, serbischen, kroatischen, russischen Soldaten etc. Auch auf die Helden der Projektoren wird Bezug genommen: Tarzan, Winnetou oder Old Shatterhand neben vielen Stummfilmkomikern. Auf den Autor Karl May, sein Leben und seine Erzählungen wird häufig zurückgegriffen. Wie das Leben eines jungen Meldegängers, Cowboy, in diesen Breiten durch den 2. Weltkrieg ausgesehen hat, wird mittels vieler Albträume bruchstückhaft unsortiert beschrieben. Der Inhalt folgt leider keiner linearen Abfolge, keinem roten Faden. Der Schreibstil, durchsetzt mit kroatischen Begriffen, teils mit langer Satzkonstruktion, ist anstrengend, auch stellenweise wirr. Man braucht robustes Durchhaltevermögen beim Lesen.

Bewertung vom 12.12.2024
Der Fall Miriam Behrmann (eBook, ePUB)
Lewitsch, Lydia

Der Fall Miriam Behrmann (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein bemerkenswertes , vielschichtiges Werk im Universitätsmilieu.
Die Professorin der Philosophie Miriam Behrmann, Leiterin des Instituts THACT an der Universität Wien, rekapituliert als Ich-Erzählerin den gesamten Vorgang ihrer erwarteten Suspendierung aufgrund von Anschuldigungen ihrer Promotionsstudentin Selina Aksoy, aus einfachen, türkischen Verhältnissen stammend. Während Miriam ebenso wie Selina emigrierte und nur durch eigenen Leistungsanspruch ihr diese Karriere gelingt, wird diese Erwartungshaltung von Selina als psychischer Missbrauch ihrer Mentorin empfunden. In der nächsten Generation wird quasi diese Wahrheit durch kaum greifbare Anschuldigungen torpediert, nur weil nun die Work-Life-Balance und andere Interessen Vorrang haben. Die Zusammenarbeit im Institut beleuchtet Situationen, passend zu Selinas Vorwürfen, greift aber auch zurück auf Erinnerungen der Ich-Erzählerin über ihre Familie in Polen, ihr Leben in Princeton und mit ihrer kleinen Familie. Der Schreibstil zeigt philosophisch tiefe Gedankengänge, auch im universitären Gefecht der Geschlechter. Darüber hinaus bieten die Einblicke in Miriams Privatleben liebevoll beschriebene Szenen als Ausgleich für ihre harte Existenzbedrohung. Schließlich regt das Romanende sehr zum Nachdenken an, denn unausgesprochen bleibt das zu erwartende Urteil. Ein Lesevergnügen!

Bewertung vom 11.12.2024
Toni & Toni
Oravin, Max

Toni & Toni


weniger gut

Langatmiger Verlauf mit fremdartig wirkendem Buddhismus
Ein seltsames Paar. Antonia, hier Toni, ausgebildete Tänzerin, findet in Toni, Philosophie Student und an der Pforte des LOFT in Wien arbeitend, den Tanzpartner zur Umsetzung ihres Tanzprojektes. Allein schon diese Tatsache wirkt sehr unrealistisch. Aus den Depressionen der weiblichen Toni erwachsen erneut häufige Selbstverletzungen in Form von Hautritzungen mit Krankenhausbesuchen seit früher Jugend – diese bildlichen Beschreibungen berühren zwar, ermüden jedoch in ihrer Länge. Der männliche Toni flieht aus diesen Tagen des bedrückenden Alltags in Zen-Buddhismus und die japanische Sprache, was menschlich verständlich ist. Hat man als Leser jedoch keine Beziehung zu diesem Fachgebiet, bleibt diese Lektüre nicht nahe genug greifbar. Daher kann dieser Roman langweilen.

Bewertung vom 10.12.2024
Die Rose von Nischapur
Cheheltan, Amir Hassan

Die Rose von Nischapur


gut

Persische Kultur und abwegiges Begehren
Das Cover zeigt das Porträt eines jungen Mannes, dessen obere Kopfhälfte durch rote Rosenblüten verklärt ist, Zu interpretieren ist diese Gestaltung wohl durch den Namen der weiblichen iranischen Hauptfigur Nastaran, was eine Blume, eine Rosenart bedeutet. Die Figur des jungen Mannes soll wohl den Engländer David darstellen, der 2015 über zwei Monate in Teheran den 15 Jahre älteren Schriftsteller Nader und Nastaran so gut kennenlernt, dass sich aus Freundschaft sogar Liebe, Eifersucht und abwegiges Begehren in einem autoritären Staat entwickelt. Die Beschreibung zunehmender Intimität, aber auch der Einsamkeit aufgrund sexueller Tabus klingt taktvoll an.
In diesem Spannungsfeld einer fatalen Beziehungsgeschichte ergeben sich außerdem tiefgehende, auch familiäre Gesprächsrunden um den Dichter Omar Khayyam, um dessen lyrische Gedichte mit prägnanter Aussagekraft, über dessen philosophische Lebenseinstellung als Atheist und Materialist. Diese Thematik persischer Kultur wird wiederholt in weiteren Sequenzen mit historischen und religiösen Fakten vertiefend verknüpft, was zwar informativ ist, aber nicht wie ein roter Faden im Roman verläuft. Die Sehnsucht nach mehr Freiheit innerhalb der Bevölkerung und die gebotene Vorsicht für Reisende aus dem Westen werden ebenso thematisiert. Am westlichen Verständnis von Orientromantik wird hier ordentlich gerüttelt.

Bewertung vom 09.12.2024
Die blaue Stunde
Hawkins, Paula

Die blaue Stunde


sehr gut

Ein stimmungsvoller Kriminalroman.
Das Cover auf schwarzem Grund zeigt den Blick hinaus durch ein geöffnetes Fenster auf den kühlen blau gefärbten Himmel vor Sonnenaufgang bzw. Sonnenuntergang, im Meer gespiegelt. Die düstere, geheimnisvolle Stimmung auf der abgeschiedenen Gezeiteninsel Eris ist damit gut eingefangen. Das Setting auf einer wilden, rauen, wettergegerbten Insel im künstlerischen Milieu der Künstlerin Vanessa Chapman gefällt. Zu ihrem ego- und exzentrischen, boshaften, jähzornigen, besitzergreifenden Charakter gesellt sich die jetzt einzige Bewohnerin Grace, ihre Nachlassverwalterin und Allgemeinärztin in kleiner Dorfpraxis, die sich zunehmend als gewalttätige, destruktive Figur outet. Und somit entwickelt sich gleichzeitig Eris, eigentlich ein Ort der Idylle und Zuflucht, zu einem Ort des Schreckens, des Unglücks. James Becker, der Kurator des Museums, ein guter, rücksichtsvoller, höflicher Mensch, wird bei seiner Spurensuche auf dieser Insel von steigender Beklemmung heimgesucht. Die verschiedenen Charaktere haben viel Tiefe, erreicht auch durch Rückblenden in harte Lebenserfahrungen beider Frauen und Tagebucheinträge von Vanessa. Thematisiert werden Mobbing, Gefühle der Einsamkeit und Abgeschiedenheit, auch in die Kunstwelt wird eingetaucht. Der sich langsam entwickelnde Thriller mit einigen finalen Twists brilliert durch einen bildhaften, atmosphärischen Schreibstil.

Bewertung vom 08.12.2024
Wir Gespenster
Kumpfmüller, Michael

Wir Gespenster


sehr gut

Das Leben als Geist nach dem Tod – kreative Romanidee
Die Annäherung zwischen Andrä und Lilli als Geister ist in der Covergestaltung elegant umgesetzt. Um diese zwei Hauptfiguren in der Rolle als Geister geht es in diesem kreativen, unklar aufgeklärten Krimi: Lilli charakterlich eher naiv, in ihrer neuen Rolle unerfahren und dagegen Andrä als starker, hilfsbereiter Routinier, der sich um neulich Verstorbene und Selbsthilfegruppen kümmert. Die skurrilen Nebenfiguren wie Karl & Karl, der Fahrrad liebende, junge Ivo oder die 15-jährige Solveig tauchen ebenso sympathisch in dieser geisterhaften Parallelwelt auf. In drei Teilen geht es um die Zerbrechlichkeit des Lebens In bedächtigem Erzähltempo, denn Geister haben alle Zeit und Geduld der Welt. In dieser Langsamkeit werden die Toten mit all ihren Sorgen und Problemen genauso ernst genommen wie die lebenden Freunde und Verwandten. Mit philosophischen Anklängen wird die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod als Geister in einem Zwischenreich mit normalen Bedürfnissen beschrieben. Die Annäherung zwischen Andrä und Lilli während ihrer Suche nach ihrem Mörder entwickelt sich zu einer leisen Liebesgeschichte mit zärtlichen Momenten, die schließlich tröstlich im siebten Himmel (settimo cielo) endet. Die Aufklärung von Lillis Tod versandet im letzten Drittel. Die kreativen Figuren in diesem fantasievollen Setting einer Zwischenwelt gefallen.