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Bewertungen

Insgesamt 164 Bewertungen
Bewertung vom 11.03.2020
Plötzlich Millionär! / Plötzlich Bd.1
Bertram, Rüdiger

Plötzlich Millionär! / Plötzlich Bd.1


ausgezeichnet

Wer wäre nicht gerne Millionär? Aber das hat auch seine Schattenseiten – lernt man in diesem witzigen Kinderbuch mit Comic-Elementen.

Mein 8jähriger Sohn meint:

Leo ist ein Türreisender. Ganz oft, wenn er eine Tür öffnet, reist er an andere Orte oder in eine andere Zeit, weil er in Parallelwelten springt. Einmal wollte er unbedingt noch eine Zeitlang in so einer Welt beiben, aber dann denkt er „Oh, nein!“, weil er eine Tür geöffnet hat. Manchmal landet er dann nochmal ganz woanders, aber wenn er wieder in seine eigene Welt zurückkommt, ist da keine Zeit vergangen.

„Plötzlich Millionär“, schon der Titel hat bei mir eine innerliche Aufregung ausgelöst, was das Buch nochmal spannender gemacht hat. Das Buch war genauso schön und spannend, wie ich bei dem Titel erwartet habe. Darum vergebe ich 5 Sterne.

Meine Erwachsenen-Meinung:

„Echt cool“, hat mein Sohn schon nach wenigen Seiten gesagt und bei dieser Meinung sind wir beide auch geblieben. Autor Rüdiger Bertram und Illustrator Heribert Schulmeyer kennen wir schon von „Voll super, Helden“. Und wieder konnten wir hier ein witziges Kinderbuch mit tollen Comic-Elementen lesen. Bertram sucht sich immer wieder popkulturelle Themen und Motive – hier die Parallelweltreisen – und bringt sie in eine kindgerechte Form, die uns Eltern ebenso gut unterhält wie unseren Sohn. Wir sind regelrecht durch die Seiten geflogen und mussten sehr viel kichern.

Schon die ersten Seiten führen uns als Lesende grandios in Leos Türreisen-Phänomen und die daraus entstehenden Probleme ein. Dann folgte eine recht rasche Abfolge von verschiedenen Welten, einige kurze, zwei längere. Danach ist klar: Die Millionärsvilla, in der Leo landet, stellt dagegen den absoluten Hauptgewinn aller Parallelwelten dar. Oder vielleicht doch nicht?

Da kommt durchaus Kapitalismuskritik durch und auch Kritik am Mäzenatentum, dass durch die Oligarchen immer mehr voranschreitet. Denn selbst als Leo erkennt, dass Geld nicht glücklich macht, kann er es nicht einfach verschenken, so stellt er fest:

„‚Ich wusste nicht, dass es so schwierig ist, Gutes zu tun‘, sage ich. ‚Das ist überhaupt das Allerschwierigste‘, erwiderte Ludwig.“

Die obercoolen Pseudobeschimpungen zwischen den beiden besten Freunden fand ich etwas viel. Bei den Mädchen-Figuren könnte es einfach noch mehr geben, dafür ist Eva sehr souverän und sozial engagiert. Und Bertram punktet dafür bei einem anderen Diversity-Aspekt richtig gut: Leos bester Freund Masud (Tarek in der Parallelwelt) genauso arm bzw. reich sein darf wie Leo. Und er erkennt einen falschen Genitiv-Apostroph, das freut das Literaten-Herz.

Fazit:

Witzig und sogar noch mit Tiefgang. 4,5 von 5 Sternen, die wir gerne aufrunden, während wir uns auf den zweiten Band freuen, der im Herbst erscheinen soll.

Bewertung vom 11.03.2020
Eine kurze Geschichte vom Fallen
Hammond, Joe

Eine kurze Geschichte vom Fallen


sehr gut

Im Verfall findet Hammond tiefe Einsichten ebenso wie Poesie.

Dieses Buch ging mir an die Nieren, denn Joe Hammond erzählt von seinem eigenen Sterben. Aber sein Buch ist nicht nur düster, denn wie der Untertitel nahelegt, berichtet er auch ganz viel vom Leben.

Ich kann verstehen, wem das zu heftig ist. Hammond ist dazu auch noch erst kürzlich, wie vorherzusehen, an der Motoneuron-Krankheit gestorben. Vermutlich muss jeder Lesende den richtigen Zeitpunkt für diese Lektüre finden. Hammonds Schilderung ist am stärksten – und am erschütterndsten – wenn wer von seinen Kindern schreibt, im Verlauf des Buches circa 2 und 6. Eltern möchten ihre Kinder nicht so zurücklassen müssen. Gleichzeitig musste ich aber viel an meinen verstorbenen Vater denken, sein Tod ist nun 8 Jahre her, ein schwerer Unfall 26. Das Buch half mir bei der Reflexion, auch bei der Trauer darüber, dass ich mich vor seinem plötzlichen Herzinfarkt nicht verabschieden konnte. Das Lebensbejahende habe ich immer wieder in Hammonds Buch gefunden und einen feinen, teilweise makaberen Humor, den er sich sicherlich nicht nur ein Bisschen erkämpfen musste.

Ich muss gestehen, dass ich für dieses Buch ein anderes beiseite gelegt habe, weil ich etwas Abstand davon brauchte: „Die rechte Mobilmachung“ von Patrick Stegemann und Sören Musyal und diese das Netz als Radikalisierungsplattform benutzen. Zum Abstand von der einen harten Realität wählte ich eine andere harte Realität: Wir müssen sterben! Aber so ist das Leben, während das andere die Boshaftigkeit des Menschen ist. Wenn wir einen Unterschied machen wollen in dieser Welt, dann müssen wir über beides wohl Bescheid wissen.

Hammond ist schonungslos offen – in Bezug auf seinen körperlichen Verfall und seine Körperfunktionen. Der Zauber des Buches liegt für mich auch daran, dass er alles so klar und deutlich beschreibt, Scham und Ekel aber immer draußen bleiben. Menschliches, allzu menschliches, kam mir in den Sinn:

„Gill wollte mir aufhelfen, aber ich sagte, das wäre erst mal nicht nötig, und schlug vor, während ich auf den Teppich sabberte, sie sollte die Fischstäbchen fertig braten. Tom stieg auf seinem Weg zur Treppe über mich hinweg. Ich konnte hören, wie das Abendessen auf Teller verteilt wurde, und ich wollte bleiben, wo ich war – vielleicht für immer. Ich zog die Möglichkeit ernsthaft in Erwägung. Und nichts an dem Gedanken kam mir irgendwie sonderbar vor.“

Hammond bezieht auch seine Vergangenheit und seine zum Großteil schwierige Kindheit mit in diesem Buch heran. An diesen Passagen fehlte mir stellenweise der Fokus, vielleicht, weil er dort aus einem Restrespekt seinem Vater gegenüber einiges verklausuliert schreibt. Da hätte ich das Buch schon fast zur Seite gelegt. Später fügen sich allerdings auch diese Passagen mit dem Rest zusammen: Er muss von diesen Erlebnissen schildern, um seinen eigenen Weg jenseits einer toxischen Männlichkeit zu schildern. (So kümmerte er sich vor seiner Erkrankung als Hausmann um seine beiden Söhne.)

Dennoch fielen diese Passagen gegenüber dem Rest ab. Weswegen ich das Buch nicht mit voller Sternen-Zahl bewerte. Obwohl sich die Bewertung generell merkwürdig anfühlt, denn immerhin hat hier ein Mensch einen Abschiedsbrief an seine Kinder formuliert.

Im Verfall findet Hammond tiefe Einsichten ebenso wie Poesie. Am Ende des Buches schreibt er auch darüber, wie unterschiedlich sich die Menschen ihm gegenüber seit seiner Diagnose verhalten. Ich denke, mit seinem Buch kann er nun auch Empathie vermitteln, wie Mitmenschen es besser machen können.

Am Ende nehme ich mein Kind in den Arm. Und hoffe, dass ihm dieses Erleben noch lange erspart sein werde. 

Bewertung vom 11.03.2020
Power
Güntner, Verena

Power


sehr gut

Die Sprache hat Sogwirkung. Verena Güntner baut ein faszinierendes Figurengeflecht auf. Dennoch ließ mich „Power“ etwas ratlos zurück.

Vieles von dem, was ich an „Power“ mochte, lag an den kleinen überraschenden Wendungen in der Geschichte, die in vieler Hinsicht immer radikaler wurde. Daher möchte ich nicht so konkret auf den Inhalt eingehen. Aber Power ist der Hund, der verschwindet, und vom Mädchen Kerze und den anderen Kindern des Dorfes gesucht wird.

Sehr gut gefallen hat mir die Betrachtung, dass Kinder viel mehr Macht haben, als wir ihnen gemeinhin zugestehen. Das ist gerade in Hinblick auf die „Fridays for Future“-Bewegung ein hoffnungsfroher Gedanken. Die Kinder in „Power“ schwanken daher zwischen zwei Phänomenen: Zum einen sind die Kinder mit dem Phänomen des Adultismus konfrontiert, der Diskriminierung aufgrund ihres jungen Lebensalters. Dass sie nicht ernst genommen werden, allein aufgrund der Tatsache, dass sie Kinder sind. Und dadurch, dass sie nicht ernst genommen werden, kommt eine Dynamik in Gange, die sich später nicht mehr stoppen lässt. Zum anderen geht es um die sogenannte Parentifizierung, da werden die Rollen von Kindern und Erwachsenen umgekehrt, was für die Kinder eine individuelle wie strukturelle Überforderung bedeutet.Adultisms und Parentifizierung, wird bei Güntner klar, sind Antithesen, die vollends parallel existieren können. Und beide lasten den Kindern und Jugendlichen etwas auf, was ihre freie Entfaltung behindert.

Wenn es um die Kinder im Wald geht, liegt die Geschichte irgendwo zwischen „Herr der Fliegen“ und der Rattenfänger von Hameln, und der Name des Hundes ist hier durchaus programmatisch zu sehen, es geht eben auch um Macht: Wer bestimmt, wann Ende ist? Wer ist der Leitwolf? Dass es mit Kerze eine HerrIN ist, eine RattenfängerIN, eine LeitwölfIN, dieser Gender Twist hat mir sehr gut gefallen. Von der feinen Beobachtung der Sozialstruktur hat mich „Power“ an „Unter Leuten“ von Juli Zeh erinnert.

Die Ursachen der ganzen Misere haben viel mit toxischer Männlichkeit und Gewalt (gegen Kinder, Erwachsene und Tiere) zu tun. Die Missetaten der Väter (oder Nicht-Väter) suchen letztendlich die Kinder heim. Das zu lesen ist zermürbend und schmerzhaft, und ich möchte dies explizit auch als Content Note / CN benennen. Gerade, weil sich diese Themen im Verlauf des Buches einschleichen und nicht von Anfang an klar ersichtlich sind, auch, wenn es absehbar ist.

„Power“ bildet diese Kausalitäten nach und auch, wenn ich beim Lesen einige erahnen konnte, so gefiel mir doch Güntners Spurensuche. Der Verlauf von Hitschkes Geschichte hat mir nicht nur einmal die Atemluft abgeschnürt.

Gestolpert bin ich, immer wieder über die Grundkonstruktion. Warum wehren sich die Eltern nicht „normal“ und holen die Behörden zu Hilfe? Wie können sie in dieser quasi feudalen Blase leben? Manches ist mir zu simplifiziert, wie die Geschichte von dem Jungen Henni, dem einzigen Nazi im Dorf.

Wenn ich das weiterdenke, liegt darin eine noch größere Unentschlossenheit: Ist Kerzes Kindergruppe im Wald nun ein Dystopie oder eine Utopie? Diktatur oder Befreiung? Zwang oder Freiheit? Schon das Bild des Rudels lässt in mir immer ein faschistoides Bild entstehen. Ja, ich weiß, ich soll mich all dieses Fragen, aber wenn ich dann das Ende betrachte, bleibt mir das Fragezeichen zu unentschlossen. Aber vielleicht fehlt mir einfach auch nur der Code, dass ich diesen Roman dechiffrieren könnte.

Fazit

„Powers“ Nominierung beim Preis der Leipziger Buchmesse finde ich gerechtfertigt, denn die Autorin traut sich etwas. Meine Ratlosigkeit ist aber auch eine Woche nach meinem Lektüreende noch vorhanden, das ist zwar sicherlich gewollt, hinterlässt aber ein unbefriedigendes Gefühl. Daher vergebe ich 4 von 5 Sternen und eine Empfehlung für alle, die sich auf ein ungewöhnliches Buch einlassen möchten. Aber bitte beachtet, dass es keine leichte Lektüre ist, die durchaus Menschen mit Gewalterfahrung triggern kann.

Bewertung vom 17.02.2020
Unter der Ritterburg / Das springende Haus Bd.2
Pfeiffer, Marikka

Unter der Ritterburg / Das springende Haus Bd.2


sehr gut

Das Haus springt weiterhin unkontrollierbar an neue Orte. Witziger Zwischenband einer charmanten Kinderbuch-Reihe.

Mein 8jähriger Sohn meint

Ich vergebe 5 von 5 Sternen und empfehle dieses Buch gern weiter.
Ich habe volle Punktzahl gegeben, weil ich die Orte toll fand, an die das Haus in diesem Buch springt. Das mit der Ritterburg war eine gute Idee und ich fand es lustig, dass Lonni und Nick mit dem Haus unter einem Wasserfall gelandet sind. Im Buch gab es auch einige spannende Momente, richtig spannend wurde es, als das Springometer dunkelrot gezeigt hat und sie das springende Haus fast verpasst hätten. Und ich konnte das Buch gut selbst lesen in der 2. Klasse.

Meine Erwachsenen-Sicht

Der erste Band der Reihe hat uns sehr gut gefallen und nun haben wir endlich auch Teil 2 gelesen. Gleich mit dem Prolog war klar, dass die Suche nach den verschwundenen Großeltern für Lonni und Nick weitergehen wird. Im Vordergrund standen allerdings diesmal noch mehr die Sprünge, die Lonni und Nick mit dem Haus unternehmen. Die Suche nach den Oktogonen, die die Koordinaten der Großeltern ergeben, rückte in den Hintergrund.

Autorin Marikka Pfeiffer flicht in die Geschichte wieder viele witzigen Einfälle ein, nur ein paar Beispiele: Als neue Obstzüchtung gibt es die Birpfel, die ganz sonderbare Eigenschaften hat, und neue tierische blinde Passagiere gibt es auch. Besonders gefallen hat mir erneut das recht ausgeglichene Genderbild, in dem insbesondere die beiden Hauptfiguren sehr gleichberechtigt agieren und Nicks Vater als Hausmann glücklich ist. Für mich ist das Buch aber ein klassischer Zwischenband, der die Geschichte um das springende Haus schön fortführt ohne große Neuerungen. Dennoch haben wir das Buch in drei Generationen (Oma, Mama und Kind) sehr gerne gelesen. Und wir freuen uns schon auf die Bände 3 und 4, danach ist die Reihe abgeschlossen.

Wortschatz und Grammatik lesen sich schön und flüssig, sind aber so gebaut, dass auch erfahrende Erstlesende mit dem Buch gut zurecht kommen und mein Sohn (2. Klasse) konnte die Kapitel schön selber lesen. Da passt auch die Länge mit rund 120 Seiten ganz gut.

Fazit
Witziges und charmantes Kinderbuch. Der erste Band hat uns aber nochmal deutlich besser gefallen. Daher vergeben wir 4 von 5 Sternen und freuen uns auf die nächsten Bände.

Bewertung vom 17.02.2020
Vorsicht, Vulkan! / Das springende Haus Bd.3
Pfeiffer, Marikka

Vorsicht, Vulkan! / Das springende Haus Bd.3


ausgezeichnet

Diesmal springt das Haus in den Zirkus und nach Island, wir waren wieder total gerne dabei!

Mein 8jähriger Sohn meint:

Wir fiebern schon seit Band 1 beim Springenden Haus mit und haben auch hier wieder viel gelacht. Daher war ich ganz froh, dass ich gleich nach Ende von Band 2 mit „Vorsicht, Vulkan!“ weiterlesen konnte. Ich empfehle die Bände nach und nach zu lesen, damit man den Zusammenhang versteht. Ganz spannend ist, dass die gemeine Nachbarin hier alles daran setzt, die Hecke um das Haus zu zerstören, damit sie endlich sehen kann, was sich dahinter befindet. Ich habe mir beim Lesen überlegt, was so als nächstes kommt, und dann hat mich das Buch immer wieder überrascht. Und ich konnte den Text als 2.-Klässler gut lesen. Von mir gibt es 5 von 5 Sternen.

Meine Erwachsenen-Meinung:

Von der Idee des springenden Hauses sind wir seit dem 1. Band begeistert und in „Vorsicht, Vulkan!“ geht die Geschichte toll weiter. Band 2 fand ich zuvor zwar etwas schwächer, Nummer 3 ist Marikka Pfeiffer, wie ich finde, wieder richtig rund gelungen: Hier waren die Suche nach den verschwundenen Großeltern, die aktuellen Sprünge, die mitreisenden Tiere und die Geschehnisse im Blumenviertel wieder geschickt verwoben.

Die Zirkus-Welt und erst recht die Vulkane in Island mochte ich total gerne und beides ist sehr anschaulich und witzig beschrieben. Besonders schön finde ich, dass die Autorin sprachlich zwar so simpel bleibt, dass die jungen Lesenden nicht überfordert werden, dabei bleibt sie aber immer spielerisch und elegant mit den Sätzen. Dazu erweitert sie den Worthorizont immer wieder, z.B. mit so Worten wie Schildvulkan, Feueropal, Geysir.

Da ich schon immer mal nach Island reisen wollte, war dieser Band für mich natürlich erst recht passend. Nebenbei werden so auch ein paar Eigenheiten des Landes vermittelt. Besonders hat mir an der Episode gefallen, dass sie eine witzige Auflösung am Schluss erfährt, bei der auch Elfen eine Rolle spielen. Diese hat sogar Auswirkung auf Band 4, wie der Epilog anreißt. Die gemeine Nachbarin Frau Kiesewetter hat in diesem Band richtig fiese Geschütze gegen die Wendelin-Familie mit ihrem springenden Haus aufgefahren. So kam einiges an Spannung für die Geschichte auf.

Auch das Gender-Bild ist wie in den übrigen Bänden sehr ausgeglichen und Papa Henri ist als Hausmann sehr für die Gleichberechtigung unterwegs. Und die Illustrationen von Cathy Ionescu sind einfach wundervoll.

Fazit:

Witziges Kinderbuch mit Abenteuer, das wir sehr gerne weiterempfehlen. Wir werden bald weiter in Band 4 springen und vergeben 4,5 von 5 Sternen, die wir gerne aufrunden.

Bewertung vom 17.02.2020
Stark
Köller, Kathrin

Stark


ausgezeichnet

Mädchen und junge Frauen wie Du und ich – und sie leisten Großes. 13 bewegende Porträts, die Mut machen.

Frauen und als Frauen gesehene werden in geschichtlichen Darstellung häufig ignoriert, noch immer seltener in Talkshows eingeladen, seltener zitiert und auch seltener als Autorinnen veröffentlicht. Weil ja immer im Raum stand, haben Berit Glanz und Nicole Seifert kürzlich daie aktuelle Frühjahrsprogramme ausgewertet, nur um sich dann vom Schweizer Tagesanzeiger anzuhören: „Wer zählt, muss nicht denken.“ Wenigstens sind im Buchmarkt in den letzten Jahren kleine Fortschritte zu erkennen, dass mehr Frauen porträtiert werden, sei es in Sammelbänden wie „Good Night Stories for Rebell Girls“ oder Monografien.

„stark: Rebellinnen von heute“ fügt diesen Porträts nun eine spannende Facette hinzu, weil jungen Frauen von heute vorgestellt werden. Mit ihrem Buchbeginn stellen Autorin Kathrin Köller und Illustratorin Anusch Thielbeer fest:

„Nur, damit das schon mal klar ist: Franca und Nadjeschda und all die anderen Mädchen und Frauen in diesem Buch haben nicht schon mit 13 ein neues Medikament gegen eine schwere Krankheit oder einen bislang verborgenen Planeten entdeckt.“

Und doch machen sie die Welt zu einem besseren Ort, indem sie sich gegen Rassismus engagieren, für den Umweltschutz, gegen Mobbing und so weiter und so fort. Normal ist ja eh ein merkwürdiges Konstrukt, für mich sind diese Mädchen und Frauen allerdings so „normal“ wie es nur eben geht, denn sie sind wie Du und ich. Und diese jungen Frauen heißen eben nicht nur Lotta und Marie, die sich ihrer Privilegien als Weiße auch deutlich bewusst sind, sondern es gibt WoC und Migrationshintergrund, eine Jüdin, eine junge trans Frau, ein Mädchen mit Behinderung.

Die Porträts werden eingeleitet mit einem Porträtbild der Illustratorin Anusch Thielbeer. Mir gefällt ihr Stil, den man schon am Cover entdecken kann sehr gut. Für mich machen diese einerseits sehr schlichten und andererseits doch sehr stilisierten Bilder die 13 jungen Frauen zu Heldinnen des Alltags. Im Anschluss an die Textporträts von Kathrin Köller kommen die Frauen und Mädchen in unterschiedlichen Textformen selbst zu Wort: Gedichte, Songtexte, Auszüge von Tagebüchern, Manifeste, eigene Gesprächsnotizen. Besonders gefiel mir Suzans Beschreibung, wie sie ein Shoppingcenter als Architektin verbessern würde. So kommt man noch näher an diese Frauen und Mädchen heran und das eröffnet gerade für die junge Zielgruppe viel Platz für Identifikation.

„Das kann ich auch!“, dieses Gefühl von Repräsentanz und Empowerment vermittelt dieses Buch richtig gut.

Chapeau an die jungen Frauen! Ich kann mich Köller und Thielbeer nur anschließen:

„Ihr seid wunderbar und ihr macht uns Mut!“

Zwei Kritikpunkte habe ich aber:

Diese Lebensgeschichten spielen sich vor allem in und um Berlin ab. Ich komme ursprünglich aus einer bayerischen Kleinstadt und hätte ich das Buch als Teenagern gelesen, ich hätte die Offenheit der porträtieren jungen Frauen vermutlich in erster Linie der Großstadt zugeschrieben. Daher hätte ich es für junge Menschen, die eher ländlich wohnen schön gefunden, wenn auch von dort Positivbeispiele zur Inspiration dargestellt worden wären.

Und dann mag ich persönlich das Framing von „starken“ Frauen überhaupt nicht, die hier mit dem Titel perpetuiert wird. Das Buch selbst fällt auf die Falle gar nicht mal herein, aber der Titel ist halt leider der Titel. Dieses Framing beinhaltet, dass Frauen das Konzept der Stärke der Männer übernehmen müssen und – voilá – Daseinsberechtigung erfüllt. Natürlich können auch Frauen stark sein, aber dieses Framing, diese Trope, tut so, als wäre das eine Besonderheit. Natürlich zeigen die porträtierten Frauen eine innere Stärke und Haltung, die aber nichts mit Rambo oder anderen Männlichkeitsidealen zu tun hat, denn sie wollen ja gerade solche Konzepte überwinden.

Fazit:
Bewegende Porträts von wundervollen jungen Frauen und Mädchen, die Mut machen! 5 von 5 St

Bewertung vom 17.02.2020
Das Geheimnis um Nebula / Explorer Academy Bd.1
Trueit, Trudi

Das Geheimnis um Nebula / Explorer Academy Bd.1


sehr gut

Spannendes Abenteuer mit großer Faszination für die Wissenschaften

Mein 8jähriger Sohn meint:

„Explorer Academy“ ist sehr spannendes Buch über den Jungen Cruz, der auf eine Schule kommt, die Kinder aus der ganzen Welt aufnimmt, die dort zu großen Entdecker ausgebildet werden.
Schon die Schule ist total spannend, denn die Kinder werden mit einem riesigen Schiff auf eine große Expedition gehen. In der Schule gibt es eine CAVE, eine animierte Computerwelt, bei der man sich fühlt, als wäre man wirklich bei einer Expedition. So können die Kinder üben. Richtig spannend wird es durch Nebula, das sind Leute, die Cruz töten wollen, aber es bleibt noch ein Geheimnis warum. Dass es dadurch immer wieder ziemlich gefährlich wurde, fand ich aber nicht zu gruselig für mich.
Ich sehe aber ein paar Schwächen, weil manche Sachen nicht ganz zusammenpassen.
Die „Explorer Academy“ war so gut und es sind noch so viele Fragen offen, dass ich mich schon auf den nächsten Band freue und 4,5 von 5 Sternen vergebe.

Meine Erwachsenen-Sicht:

In diesem spannenden Kinderbuch spricht die Begeisterung für Natur- und Geisteswissenschaften aus jeder Zeile. Und das hat meinen Sohn und mich richtig angefixt.

Besonders hat mir gefallen, wie Autorin Trudi Trueit ihre Welt baut. Eigentlich ist das unsere Welt, aber in der „Explorer Academy“ gibt es eine Vielzahl an kleinen und großen technischen Besonderheiten, die es jetzt und heute eben noch nicht gibt. Auch, wenn auf den letzten Seiten des Buches einige Forschungen vorgestellt werden, die zeigen, dass manches davon keine weit entfernte Zukunftsmusik ist, sondern manchmal schon in etwas anderer Form bereits existiert, wie der 4-D-Druck, der eine Zeitkomponente einfließen lässt. Das regt schon meinen Entdeckungsgeist an und ich denke, dass es Kindern erst recht so geht.

Und so gab es in dem Buch auch einiges zum Miträtseln, wovon wir einiges auch entschlüsseln konnten.

Von der Genderperspektive sind die Mädels und Jungs gleichberechtigte Entdecker:innen. Dazu fand ich es sehr erfrischend, dass Cruz bei einer großen Enttäuschung einfach mal weinen darf, ohne, dass es groß thematisiert und so völlig „normal“ wird. Die Geschichte wird mit einem diversen Cast erzählt, die die ganze Welt und die unterschiedlichen Hautfarben abdeckt. Das ist auch bei den realen Wissenschaftler:innen so, die am Buchende vorgestellt werden. Mit Cruz ist ein Latino und damit eine PoC die Hauptfigur. Manchmal ging mit das Elite-Getue ein wenig auf die Nerven, aber da es immer wieder gebrochen wird, fand ich es in Ordnung.

Leider hatte die Geschichte ein paar Logiklücken, ein Beispiel: Die Kinder geraten bei einer Mission in der CAVE in Lebensgefahr, aber irgendwie scheint das niemand der Erwachsenen zu jucken, obwohl einer das sogar mitbekommt. Soweit könnte das vielleicht noch Teil der Geschichte sein, aber warum wundern sich die Kinder nicht darüber? Das hat mich leider manchmal etwas rausgehauen, daher ziehe ich ein leider einen Stern ab.

Ich habe übrigens auch in das Hörbuch reingehört (gelesen von Stefan Kaminski), das allerdings etwas gekürzt ist. Das hat mich beim ersten Anhören nicht gestört, als ich jedoch Buch und Lesung verglichen habe, fiel mir auf, dass insbesondere die emotionaleren Teile weggestrichen wurden. Wir haben daher nur noch das Buch gelesen. Denn gerade die emotionalen Teil mit ihrer Beschreibung von Freundschaft und Verbundenheit sind der Autorin sehr gut gelungen – und das in einem sehr Plot- und Actionlastigem Buch. Das hat das Buch nochmal extra abgerundet. Und die Illustrationen fand ich in ihrer Mischung aus Realismus und Futurismus ganz toll.

Fazit:
Wissenschaft macht Spaß und ist spannend! Bei der „Explorer Academy“ haben wir total mitgefiebert, einen Stern Abzug gibt es für die gelegentlichen Schwächen im Plot. Wir freuen uns schon auf den nächsten Band und vergeben 4 von 5 Sternen (Durchschnitt 4,25 von Kinder- und Erwachsenenbewertung).

Bewertung vom 17.02.2020
Zorro Vela
Zähringer, Norbert

Zorro Vela


ausgezeichnet

Kinderbuch-Highlight, so abgedreht wie es klingt: 1989 müssen vier Kinder aus DDR und BRD gemeinsam die Welt vor Außerirdischen retten.

Außerirdische an der deutsch-deutschen Grenze

Hier wird 1989 an der deutsch-deutschen Grenze mal ganz anders erzählt. Autor Norbert Zähringer gelingt eine ganz abgedrehte SciFi-Geschichte kurz vor dem Fall des eisernen Vorhangs. Mein 8jähriger Sohn und ich hatten beim Lesen sehr, sehr viel Spaß!

Vier Kinder, je ein Junge und ein Mädchen aus jeweils DDR und BRD, müssen die Welt retten. Das alles erzählt ihnen Zorro Vela, ein Gestaltwandler vom Planeten Oneiros, der aber für die Kinder meist die Gestalt der Comic-Figur Zorro annimmt. Die Geschichte wird über weite Strecken aus Zorns Sicht als Ich-Erzähler geschildert (die übrigen Passagen eigentlich auch, weil er dies alles beobachtet haben könnte). Und durch Zorro erfahren wir wundervoll viel absurdes Hintergrundwissen:

"Es ist nicht so, dass das All grenzenlos wäre. Wer sich zum Beispiel einmal mit seinem Raumschiff in das System der Reticulaner im Sternbild Netz verflogen hat, kann ein Lied davon singen. Sobald man die äußere Grenze ihres Sonnensystems passiert hat, eine Zone voller Müll und Weltraumschrott, taucht mit Sicherheit wie aus dem Nichts eine Grenzpatrouille auf.“

Zähringer baut dieses Kinderbuch unglaublich klug. Er setzt das Science-Fiction-Genre gekonnt um und spielt mit dessen Versatzstücken. Dass die Außerirdischen die Erde zerstören wollen, kann man einfach nur vollumfänglich verstehen: Die Menschheit ist immer kurz davor, sich selbst oder ihren Planenten zu zerstören. Und das historische Setting, das Zähringer wählt, ist die idealtypische Entsprechung dafür. All dies schildert der Autor mit einem solch liebevollen, ironischen Blick, so dass wir oft herzlich lachen mussten.

„Die vier Erdlinge wussten natürlich nicht, was Schakkalack ist. Es ist schon ein wenig nervig, eine noch nicht interstellare Spezies vor dem Untergang zu retten, wenn man beinahe alles und jedes erklären muss.“

Das Worldbuilding gefiel mir ausnehmend gut und da wird echt in die Vollen gegriffen: Eigentlich könnte man meinen, jetzt sei es genug, aber jede neue Idee fügt sich wieder passgenau in die Geschichte ein. Quasi nebenbei erzählt Zähringer vom DDR-Alltag und lässt auch die düsteren Aspekte wie den Schießbefehl an der Mauer und Stasi-Bespitzelung nicht aus. Und die 80er im Westen werden zudem miterzählt. Ich fand es wundervoll, so mit meinem Sohn in meine eigene Kindheit (West) und die seines Vaters (Ost) ein kleines Stück weit eintauchen zu können.

Sprachlich ist das Buch schön geschrieben, aber auch recht anspruchsvoll, mit ziemlich langen Sätzen. Manche 10jährige könnte das noch zu kompliziert finden. Und selbst beim Vorlesen musste ich mich konzentrieren, um nicht zu stolpern. Dann aber konnte ich die Geschichte mit ganz viel pointierter Komik vorlesen, so dass es eine echte Freude war. Mein Sohn und ich haben viel gelacht und mitgefiebert.

„Der Anblick des ersten Aliens im Leben kann einen ganz schön aus den Socken hauen. Aber – irgendwann ist halt immer das erste Mal. Also mein Tipp: gewöhnt euch dran! Gewöhnt euch dran, dass ihr nicht allein im Universum seid!“

Die Genderrollen sind recht ausgeglichen und, dass Zorro eine nonbinäre Identität hat und zwischen den Gendern wechseln kann, war für mich ein zusätzliches Schmankerl.

Fazit
So absurd und witzig kann die deutsch-deutsche Geschichte erzählt werden. Tolles Kinderbuch und eines unserer Highlights von 2019/20, das wir von Herzen weiterempfehlen. 5 von 5 Sternen.