Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Murksy

Bewertungen

Insgesamt 176 Bewertungen
Bewertung vom 29.03.2020
Die Kunst des stilvollen Wanderns - Ein philosophischer Wegweiser
Graham, Stephen

Die Kunst des stilvollen Wanderns - Ein philosophischer Wegweiser


ausgezeichnet

Die Neuveröffentlichung des Klassikers aus dem Jahre 1926 befasst sich in 26 Kapiteln mit der Kunst des freigeistigen Wanderns, was heißen soll, das hier und jetzt zu genießen und mit jeder Pore die Umgebung in sich aufzunehmen. Natürlich sind einige der Anmerkungen dem Zeitgeist zum Opfer gefallen. Ausrüstung hat sich verändert, es gibt neue Materialien, die Welt ist politisch komplizierter geworden. Trotzdem behält das Buch überraschend viel Gültigkeit. Der belesene Autor schmückt sein Buch mit vielen Zitaten, die im hervorragenden Glossar erklärt werden. Ich liebe Glossars, habe doch schon viele wertvolle Lesetipps aus solchen bezogen. Auch hier gibt es viele Anreize, alte Bücher zu lesen oder einfach mal wieder den guten Shakespeare zur Hand zu nehmen.
Die Bonmots des Autors sind ein wahrer Genuss. Pfiffig und schlau zum Beispiel sein Ratschlag an Paare, vor der Ehe zunächst zu wandern, nur dort lernt man den Gefährten wirklich kennen. Oder den vorzüglichen Tipp, eine unbekannte Gegend oder Stadt im ZickZack zu beschreiten. So simpel das klingt, macht das tatsächlich Spaß und bringt uns an Stellen, die kein Reiseführer anpreist. Obwohl sich Materialen geändert haben, sind viele Tipps zur Ausrüstung immer noch aktuell. Man schmunzelt, wenn bereits vor fast hundert Jahren listige Verkäufer eine Vielzahl von Rucksäcken im Angebot hatten und die an den Wandersmann bringen wollten. Hier gilt damals wie heute: ausprobieren und selber testen. Wertvoll auch der Hinweis, auf viele Innentaschen zu achten oder seine Sachen in kleine Säcke zu verpacken, sehr schlau. Ach man möchte sofort loswandern, so begeistert erzählt der Autor von seinen Wanderungen in fremden Ländern, vom Dahintreiben lassen oder einfach nur bequemen Verweilen an einem schönen Ort. Vom Alkohol- und Zigarettenkonsum abgesehen, die der Autor beschreibt und pflegte, eine gesunde und wohltuende Art, fremde Länder und Menschen kennenzulernen. Im Kapitel "Fremde" beschäftigt sich der Autor schon damals mit Fremdenfeindlichkeit und Vorurteilen. Letztendlich sind wir doch alle gleich, welche einfache Wahrheit, die heutzutage aktueller ist denn je.
Das Buch ist ein Kleinod für alle Wanderbegeisterten, ein Ratgeber, eine Sammlung sinniger und humorvoller Weisheiten, aus denen jeder das herausnehmen kann, was zu ihm passt. Und beim Lesen des Buches fragt man sich unweigerlich: ja, warum nicht einfach mal wieder am Wochenende den Rucksack packen und losziehen, die Natur wieder mit allen Sinnen wahrnehmen, unter freiem Himmel schlafen und wie es der Autor empfiehlt, in einem kleinen Tagebuch seine Gedanken festhalten. Ein zeitloses Buch.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.03.2020
Sammy
Cole, Henry

Sammy


ausgezeichnet

Zwei Jungen basteln ein Modellflugzeug, das fliegen soll. Ausgerechnet eine kleine Maus soll als Pilot herhalten. Dass das schiefgehen muss, ist klar. Und genau so kommt es auch. Das Flugzeug stürzt ab und Sammy, die Maus, findet sich in einer komplett fremden Welt wieder. Dort gibt es merkwürdige Tiere und Pflanzen, eine Horde Feldmäuse, die Sammy sofort als Zauberer verehren und natürlich auch Gefahren, zum Beispiel in Form eines fiesen Wiesels. Sammy will natürlich wieder zurück, vor allem, da ihn die Mäuse zu einer Demonstration seiner Zauberkunst auffordern. Doch oh Schreck, das Flugzeug ist weg. Das Abenteuer nimmt seinen Lauf.
Wunderbar erzählt, mit netten Illustrationen untermalt und sowohl als Lese- oder Vorlesebuch bestens geeignet. Sammy ist einfach süß, es macht auch den großen Vor- oder Mitlesern mächtig Spaß den kleinen Knirps auf seinem Roadtrip zu begleiten. Kleine Maus ganz groß!

Bewertung vom 25.03.2020
Offene See
Myers, Benjamin

Offene See


ausgezeichnet

Es ist 1946, die Zeit nach dem Krieg. Robert ist sechszehn Jahre alt, kurz davor das Schicksal seiner Familie zu teilen: ein Leben unter Tage im Bergbau. Vorher will er aber noch etwas erleben, durch seine englische Heimat wandern, im Meer baden und etwas von der Welt sehen. Also macht er sich zu Fuß auf den Weg und verdient sein Brot als Taglöhner. Nachts schläft er im Freien, genießt die Natur und erfreut sich an den Klängen der Tierwelt. Doch allzu weit kommt er nicht. Ein Cottage oberhalb des Meeres hält ihn auf. Beziehungsweise dessen Besitzerin. Dulcie, eine Frau, wie sie Robert aus seiner Arbeiterklasse nicht kennt. Freigeist, gebildet, kein Blatt vor den Mund nehmend und alleinstehend, so lernt Robert die Frau kennen. Er bietet sich an, als Gegenleistung für Nahrung, den Garten zu entwildern. Doch kaum will er aufbrechen, findet sich die nächste Gelegenheit, den Aufenthalt zu verlängern. Dulcie beeindruckt den jungen Mann. Sie sagt Dinge, die er nicht einmal zu denken wagte. Er lernt feines Essen und Wein kennen, fährt eines Tages sogar Auto. Nur das Meer scheint Dulcie nicht zu behagen. Als Robert das alte Gartenhaus auf Vordermann bringt, findet er einen Gedichtband und darin den Grund für den zeitweiligen Trübsinn der Frau. Dulcie weiht Robert zögerlich in ihr Geheimnis ein.

Der Autor versteht es meisterlich, die Gefühlswelt des Protagonisten zu beschreiben. Geradezu poetisch wird die Natur geschildert und die daraus entstehenden Gedankengänge des jungen Mannes. Dulcie lehrt den Mann mehr über das Leben und die Liebe, als es all die Jahre in der Schule vermochten. Auch relativiert sie das Feindbild des Deutschen so kurz nach dem Krieg. Robert erkennt, dass alle Soldaten den gleichen Irrsinn durchleben und letztendlich Gefangene der politischen Zerwürfnisse sind.
Wortmalerisch detailliert entführt uns Myers in eine Geschichte voller Liebe, Lyrik, Naturverbundenheit und Sehnsucht. Ein umwerfendes Buch, bewegend in jeder Zeile. Besonders zu erwähnen ist das Übersetzerteam Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, die das Kunststück fertigbringen, die ursprüngliche Sprachpoesie des Englischen verlustfrei ins Deutsche zu übertragen. Ein vorzügliches Stück Literatur.

Bewertung vom 16.03.2020
Oh Schreck, ich bin weg! / Carla Chamäleon Bd.1
Gehm, Franziska

Oh Schreck, ich bin weg! / Carla Chamäleon Bd.1


gut

Das mit den Ecken ist wörtlich zu nehmen. Ich habe selten ein Buch mit so spitzen Ecken gesehen. Bei einem Kinderbuch recht kritisch, da vor allem im Geschwisterbereich Bücher gerne mal zweckentfremdet als Wurfgeschosse oder Schlagwerkzeuge genutzt werden oder einfach mal unachtsam weitergegeben werden. Das kann man besser machen.
Das Buch selber ist recht unterhaltsam, fantasiereich und erzählt die Geschichte eines Mädchens, dass sich in peinlichen Situationen der Umgebung anpasst. Quasi ein menschliches Chamäleon. Witzig trudelt die kleine Heldin von einer Farbanpassung zur nächsten und findet dabei in ihrem neuen Banknachbarn einen treuen Begleiter. Leider kommen auch ein paar merkwürdige Männer auf die Spur von Carla. Was haben die vor?
Das Buch ist altersangepasst geschrieben, die Handlung leider etwas sprunghaft.
Was mir gar nicht gefiel, ist der fehlende Hinweis auf eine Reihe. Die Betitelung Band 1 hätte mir geholfen. Etwas mehr Handlung wäre auch nicht schlecht gewesen.

Bewertung vom 08.03.2020
#klimaretten
Grießhammer, Rainer

#klimaretten


gut

Vorneweg: das Buch bekommt drei Punkte, weil das Thema das allumfassende Problem unserer Zeit ist. Wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen (ich gehöre zu den Zweiflern an dieser Möglichkeit, weil der Faktor Mensch einfach dagegen spricht), ist die Existenz der Menschheit gefährdet. Leider begreift das der Mensch erst dann, wenn es ihn direkt betrifft. Es ist schon makaber, dass das Coronavirus mehr für den Klimaschutz tut, als alle Gesetze und Maßnahmen zusammen. Es hilft übrigens nicht, von Klimaerhitzung zu sprechen, das verdeutlicht die Wichtigkeit nicht.

Nur drei Punkte? Tja, weil das Buch sich leider nicht von anderen seiner Art unterscheidet. Viele Tipps des Buches sind gut und richtig. Ich hätte mir gewünscht, diese Tipps nicht aufgesplittert zu finden, sondern sauber strukturiert in einem Teil des Buches zusammengefasst. Ebenso hätte mit den unzähligen Fakten verfahren werden sollen. Leider neigt man dazu bei der Nennung von Gigatonnen und Megakilowattstunden abzuschalten. Überprüfen werden die Zahlen bestimmt die wenigsten Leser. Obwohl das vielleicht nötig wäre. Warum? Weil dem Lektorat und Autor kleine Fehler entgangen sind. Dass mal ein Wort fehlt oder ein Punkt zu viel steht, Schwamm drüber. Aber auf Seite 52 steht, dass man die Kühlschranktemperatur von 7 auf 5 Grad ändern soll, um Energie zu sparen. Später im Buch steht es dann richtig drin. Ich unterstelle mal mutig, dass jedem aufmerksamen Leser der Fehler auffällt und nicht wirklich jemand den Tipp in der Form beherzigt (das wäre echt blöd gelaufen). Was allerdings wirklich ärgerlich an diesem kleinen Fehler ist: wenn schon bei so einfachen Zahlen ein Fehler drin ist, was kann ich dann von all den anderen Zahlen im Buch glauben? Das Vertrauen in das Gelesene sinkt automatisch.
Was mich auch gestört hat, ist die angebliche Dummheit der Eltern, die von ihren Kindern permanent belehrt werden sollen, ihnen apps installieren oder Kosten vorrechnen mögen. Etwas einfältige Anbiederung an das junge Volk, oder?
Viele Seiten des Buches (damit Papier und Energie) hätten gespart werden können, durch die oben angesprochene Gliederung z.Bsp.. Das Buch wiederholt sich oft. Tipps werden mehrfach genannt, es fehlt der rote, gut lesbare Faden. Auch ein Sparpotential: statt unzählige Sterne und Verlängerungen für das "Gendern" zu verwenden, hätte ein schlanker Satz im Vorwort gereicht "Aus Umweltschutzgründen wird im Weiteren auf das Gendern verzichtet".
Merkwürdig erscheinen mir so manche widersprüchlichen Tipps. Man soll weniger Elektroartikel kaufen. Aber dafür einen zweiten E-book reader, um dann gekaufte ebooks kostenlos auf andere Geräte zu übertragen (das hören die Verlage bestimmt nicht so gerne). Auch wird gegen das Dienstwagenprivileg argumentiert, auf andere Seite aber empfohlen, dies zu nutzen, um auf den eigenen Wagen verzichten zu können.
Dann soll man doch in der Nähe der Arbeitsstätte wohnen. Lieber Herr Professor. Ich wohne auch in der Nähe zu Freiburg. Leider habe ich nicht ihr Gehalt oder Einkünfte als Autor, um mir eine Wohnung in Freiburg (gar Vauban??) leisten zu können. Also wohnt meine Familie einige km außerhalb. ÖPNV? Ich erspare mir, dies zu kommentieren. Und selbst wenn sich jeder das leisten könnte, was wären die Folgen? Eine noch größere Verstädterung mit all den negativen Folgen.
Wirklich dumm ist der Aufruf zu einer Wettfahrt auf Seite 136. Wissen Sie eigentlich, wie viele Unfälle es mit Radfahrer und E-bikes gibt???
Auch nicht viel besser: statt Besuche bei Verwandten und Bekannten solle man doch WhatsApp und co nutzen. Oder der Ratschlag für die Landbevölkerung, mehr online zu bestellen, um das Autofahren aufgeben zu können. Vorher wurde noch gegen das Onlinebestellen argumentiert. Usw. usw.
Wie gesagt, ein zu wichtiges Thema, um es zu ignorieren. Ich bezweifle allerdings, dass ein solches Buch die Richtigen erreicht. Denn die SUV-Fahrer und Klimaleugner werden sich bestimmt nicht auf die Lektüre stürzen.

Bewertung vom 04.03.2020
#Fatboysrun
Jordan, Philipp

#Fatboysrun


gut

Im Gegensatz zum Titel handelt das Buch nicht nur vom täglichen Laufen (der Untertitel wird tatsächlich erst am Schluss des Buches mit zwei Seiten abgehandelt), sondern ist eine Autobiographie eines bekannten podcasters, der auch läuft. Wobei sich immer die Frage stellt, warum man mit Mitte 40 seine Autobiographie schreibt? Druck des Verlages? Geld? Egal! Aber da sich der Autor an einer Stelle bereits als alter Mann bezeichnet, erklärt sich das vielleicht...grins. Ein Titel wie "Sucht nach mehr---das Leben eines Maßlosen" hätte besser gepasst. Dabei hebt sich der Autor deutlich von vielen anderen Läufern ab, die meinen ihr Extremlaufen etc. in Buchform bringen zu müssen, da er die Sprache vorzüglich nutzen kann. So er denn will. Leider flacht das Buch diesbezüglich nach dem einführenden Kapitel ab. Es häufen sich Anglizismen und Fäkalsprache, was der Autor gar nicht nötig hätte. Vielleicht wollte er damit die Strapazen des Laufens untermauern, seine Sucht beschreiben, was auch immer. Als Vielläufer habe ich mich auf eine Erzählung eines Läufers gefreut. Nimmt man allerdings alles raus, was nichts mit dem Laufen zu tun hat (ein für mich langweiliges Skaterkapitel, ein für mich interessantes Künstlerkapitel, da ich selber male, diverse andere Lebensabschnitte) und unzählige Fotos und Selfies (man könnte jetzt auch psychologisch darüber philosophieren, warum jemand ständig Grimassen schneiden muss...egal), dann bleibt vom eigentlichen Laufbuch eher ein dickeres Magazin übrig. Eine ausführliche Beschreibung des ersten Laufjahres und die damit einhergehenden Veränderungen oder Auszüge aus dem Laufpodcast wären passender gewesen. Dafür liest man über Sex mit Stofftieren...wer es mag und braucht.
So bleibt der gute Ansatz stecken, es entstand eine bunte Autobiographie, aber definitiv kein Buch, dass die Faszination des Laufens ausführlich beschreibt, oder wirklich erklärt, warum das Leben jeden (!) Tag den Autor rettet.
Was mir neben der Anzahl der Fotos (ein paar Läuferfotos und nur jeweils ein Selfie pro Partner hätten gereicht) auch nicht gefiel, war der Beschreibung. Senkrechter Text ist weder hip noch angenehm zu lesen, sondern nur lästig. Dafür fehlte bei den Doppelseiten die Beschreibung. Und wenn man schon ein komplexes Thema wie skaten erklären will, dann bitte auch mit Erklärung der Fachbegriffe. Zumindest beim Cannabisgebrauch hat der Autor das eine oder andere erklärt.
Trotzdem, Hut ab vor einem Süchtigen (nichts anderes als Sucht bewirkt das Glücksgefühl beim Laufen verursacht durch biochemische Prozesse), der keine Grenzen kennt (übersteigertes Suchtpotential) und zu Großem fähig ist. Aus dem Buch hätte MEHR werden können. Aber die Teddies sind echt süß ;-)

Bewertung vom 04.03.2020
Das kann uns keiner nehmen
Politycki, Matthias

Das kann uns keiner nehmen


ausgezeichnet

Der autobiografisch angehauchte Roman handelt von Hans (an den Autor angelehnte Hauptfigur) auf seinem Trip zum Kilimandscharo. Hans möchte eine vor langer Zeit begonnene Reise abschließen und damit ein Stück Vergangenheit begraben. Zu seinem Plan gehört eine einsame Übernachtung im Krater. Doch üble Überraschung: diese Idee hatte wohl auch ein anderer. Der Tscharli, ein Bayer, wie man vermuten sollte, erwartet Hans mit rustikaler Grobheit und einer Freischnauze, die Hans empört schnauben lässt. Eine eisige Nacht überstehen die beiden samt Führer und gehen notgedrungen ein Stück des Weges zusammen. Die direkte, harte Art des Bayern geht dem Norddeutschen immer mehr auf die Nerven. Rassistisch scheint der Tscharli durch und durch zu sein, für Hans ein rotes Tuch. Tscharli hält den Windelträger für ein Weichei. Und somit ist der Krach vorprogrammiert. Es kommt zum Streit, doch irgendwie kommen die zwei Reisenden nicht voneinander los. Zudem scheint Tscharli krank zu sein. Eine Erfahrung, die Hans bitter teilt und deshalb zwischen Abscheu und Mitleid für den Batzi schwankt. Im Laufe des Roadtrips gleicht sich Hans allerdings immer mehr dem Auftreten von Tscharli an. Dieser bittet Hans, in zu begleiten. Er sei auf einer Abschiedstour, der Tod wolle ihn holen. Obwohl Hans nicht sicher ist, was er dem dürren Mann glauben soll, begleitet er ihn und erlebt ein Afrika, das er so nicht kannte. Fremdartig, aber auch voller Lebenslust und einer Gelassenheit, die dem Europäer schon längst abhanden gekommen ist. Je weiter Tscharli seinem Ziel näher kommt, umso näher kommen sich die Männer. Es entsteht eine merkwürdige Freundschaft. Der eine versucht seine Traurigkeit mit raubeinigem Überschwang zu überspielen, der andere will seine linke Gesinnung nicht für Lebensfreude eintauschen. So wird die Reise zu einem gegenseitigen Lernen und Wachsen. Hans wird für immer verändert aus Afrika zurückkehren.
Ein tiefsinniger Roman, der zunächst teils komisch, teils skurril daherkommt. Herrlich spielt der Autor mit der Dialektik, überzeichnet die Unterschiede der Männer auch sprachlich, und lässt sie im Laufe der Geschichte verschmelzen. Je länger die Reise dauert umso mehr geht der Roman ins Melancholische, spielt mit Themen wie Rassismus, Politik, Freundschaft, Liebe, Verlust und Vergebung. Gekonnt verwebt der Autor seine eigenen Erfahrungen mit den fiktiven Figuren, man kauft im jede Zeile ab. Und gegen Ende muss man schwer durchatmen, da das Leben seinen Lauf nimmt und nicht immer das Ende bereithält, das wir uns wünschen. Was bleibt ist Hoffnung und die Fähigkeit, zu Lernen. Großartiger Roman!

Bewertung vom 22.02.2020
Feuerland
Engman, Pascal

Feuerland


weniger gut

Da ich von dem Thriller nicht so überzeugt bin wie viele andere Leser, sei gewarnt, dass ich etwas spoilern muss, um meine Kritik zu erklären.
Der Thriller um Menschen- und Organhandel (das Thema wird leider nur oberflächlich behandelt, da wäre mehr drin gewesen) liest sich bei schnellem Lesen ganz unterhaltsam. Er hebt sich aber nicht aus der Masse der reißerischen, effekthascherischen Thriller dieser Art ab. Bei reflektiertem Lesen wird schnell klar, dass der Autor ziemlich viele Versatzstücke aus anderen Büchern oder Fernsehserien zusammengewürfelt hat. Das zeigt sich zum Beispiel an den handelnden Personen: wir haben den Ex-Soldaten, der (traumatisiert) auf die schiefe Bahn gerät, aber im Herzen ein guter Mensch ist. Natürlich ist er eine Kampfmaschine, die sogar die Polizei in Staunen versetzt. Dann die suspendierte Ermittlerin, die ein "kleines" Alkoholproblem hat, aber trotzdem ermittelt (gedeckt von ihrem Vorgesetzten!?) und fast auf Anhieb eine Entführungsserie aufklären kann, weil sie blitzgescheit Hinweise entdeckt, die der scheinbar überlasteten oder unwilligen Polizei entgehen. Blond, kautabaknutzend, porschefahrend und unfähig zu weinen..hmm, klingt wie Sorga Noren aus der Serie "Die Brücke". Kann natürlich Zufall sein..Räusper. Was haben wir noch? Ach ja, den schießwütigen Kleinkriminellen, der bei den Großen mitspielen will und Respekt sucht. Mindestens einen korrupten Polizisten. Den obligatorischen Kartellboss in Südamerika, der scheinbar für das niedere Volk da ist, aber natürlich psychopathisch agiert. Das ist alles so furchtbar bekannt und klischeehaft. Oder das Krankenhaus der Kolonie, das fast genauso heißt, wie die Colonia Dignidad in ihrer Spätphase. Etwas einfallslos, wie so manches in dem Puzzlebuch.
Der Autor, Journalist Engman (hat beim Expressen gearbeitet, einer reißerischen Boulevardzeitung, die ihre Artikel vermutlich ähnlich zusammenschustert), versucht authentisch zu sein, indem er reale Bezüge und politische Vorkommnisse mit seinen Thrillerelementen paart. Das kann funktionieren, solange man glaubhaft schreibt. Aber eine Polizistin, die im Alleingang mit einem Ex-Soldaten in die Schlacht zieht (mindestens ein dutzend Gründe für eine endgültige Suspendierung), Profikiller und Gangster, die stellenweise extrem dumm handeln, eine hanebüchene Geschichte von Menschenschmuggel nach Südamerika (in Wirklichkeit ist leider der Organhandel dort ein großes Problem, und leider haben die Verantwortlichen kein Nachschubproblem mit Ortsansässigen) machen beim Lesen keinen Spaß. Auch die üblichen Effekte eines Kopfes, der bei Beschuss nach hinten "katapultiert" wird, sind leider nicht realistisch, sondern einfach nur effekthascherisch. Oder eine Person, die ein Glas Whiskey mit Betäubungsmittel trinkt und durch Übergeben wieder fit wird...liebe Freunde der Psychopharmaka-Fraktion: wenn man bereits die Wirkung des Mittels spürt, ist es zu spät für so was. Außerdem: wenn die Person als Selbstmord getarnt sterben soll, wieso bekommt sie nicht gleich eine entsprechende Menge verabreicht?
Das Buch strotzt vor Unlogik, falls man sie finden will. Will man einfach stumpf unterhalten werden, nun ja, dann liest man das Buch und vergisst es wieder. Etwas weniger wäre mehr gewesen. Warum erschießt ein Gangster einen Mann kaltblütig und in nächsten Augenblick lässt er einen weiteren Mord als komplizierten Unfall im Meer erscheinen? Warum entführt ein Killer sein Opfer, wenn er einen Selbstmord doch direkt in der Wohnung vortäuschen könnte? Das wirkt teilweise so gestellt, dass es schon weh tut.
Ja, man kann das spannend finden. Wer allerdings gut gemachte, logische und glaubhafte Handlung sucht, sucht hier vergebens. Weit entfernt von wirklich klug gemachten Thrillern, von denen es einige gibt (siehe die Vorbilder, bei denen der Autor "geliehen" hat). Und nebenbei, die Einteilung in "Teile" erschließt sich ebenfalls nicht. Massenware, die vermutlich (leider) in Serie gehen wird.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.02.2020
Eine kurze Geschichte vom Fallen
Hammond, Joe

Eine kurze Geschichte vom Fallen


gut

Joe Hammond, der mittlerweile am Ende seines Weges angekommen ist, berichtet in seiner Geschichte von seinem Leben und seinem Sterben. Ein Thema, das so gut wie jeder zu verdrängen sucht. Und wer nicht in einer ähnlichen Situation ist, wird auch kaum nachvollziehen können, wie es ist, zu sterben. Es gab schon andere Bücher dieser Art, von Krebs- oder Suchtkranken, die vor ihrem Tod ihre letzten Schritte der Nachwelt hinterlassen haben. Hammond, der zu Lebzeiten im Schreiben geübt war, benutzte mit Masse das Mittel der Metapher, um seine Gefühle und sein Leben zu beschreiben. Das funktioniert oft sehr gut. Wenn allerdings fast alles auf diesem Stilmittel aufbaut, wird das irgendwann abstrakt und entfremdet. Die Metaphern, die Hammond findet, passen zwar. Doch je mehr Bildnisse der Leser zu entschlüsseln hat, umso ferner scheint die Geschichte. Und dies bezieht sich nicht nur auf die Erkrankung, sondern auch auf den autobiographischen Teil, der die schwierige Jugend des Autors und sein Verhältnis zu seinem Vater behandelt. So bleibt bei allem Mitgefühl und Staunen über die Offenheit des Schreibers, ein Abstand, der eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Leben und Sterben des Joe Hammond erschwert.
Zudem wäre es wünschenswert gewesen, etwas mehr über die Krankheit zu erfahren. Natürlich kann man das im Netz oder der Fachliteratur nachlesen, im Zusammenhang mit der Lebensgeschichte hätte es jedoch gut ins Buch gepasst. Vor allem, da das Buch auch als Vermächtnis an die Söhne des Autors gedacht ist. Bleibt zu wünschen, dass zumindest der unterschwellige Zweck, die Familie finanziell zu unterstützen, mit dem Buch erreicht wird.
Für mich bleibt ein zwiespältiger Eindruck zurück. Es ist da der offene Umgang mit einem natürlichen Prozess, der jeden, in welcher Form auch immer, ereilen wird. Andererseits ist das Buch eine Abrechnung mit der Vergangenheit, wie sie vor allem seit Knausgard sehr beliebt zu sein scheint. Ein ambivalentes Gefühl bleibt zurück, zwischen Trauer, Mitgefühl, Distanz und voyeuristischer Neugier angesiedelt. Das Buch geht Nahe, ohne mich auf allen Ebenen zu erreichen. Und dies ist meiner Meinung nach dem übertriebenen metaphorischen Stil geschuldet. Bestimmt kein leichtes Buch, dennoch mutig und offen, in manchen Sichtweisen vielleicht sogar egoistisch. Doch das ist ein Recht, das man dem verstorbenen Autor zugestehen muss.

Bewertung vom 13.02.2020
Qube / Aus der Welt der Hologrammatica Bd.2
Hillenbrand, Tom

Qube / Aus der Welt der Hologrammatica Bd.2


ausgezeichnet

Tom Hillenbrand setzt seinen Hologrammatica-Zyklus endlich fort. Dies macht er mit Rückblenden, die es auch Neueinsteigern ermöglichen, dem Buch zu folgen. Allerdings seien all die gewarnt, die vornehmlich die anderen Bücher von Hillenbrand kennen, die sich mit alten Kaffeediebstählen oder kulinarischen Kriminalfällen beschäftigen. Beim vorliegenden Buch handelt es sich um Science fiction, das heißt also: mathematische und physikalische Theorie gepaart mit futuristischen Erfindungen und teilweise verwirrenden Gedankenspielen. Wer jedoch science fiction mag, Klassiker von Bradbury, Asimov, Dick oder auch Simmons liebt, kommt hier auf seine Kosten. Der neue Band knüpft einige Jahrzehnte an die Vorkommnisse des Vorgängers an. Um eine erneute Bedrohung durch eine künstliche Intelligenz auszuschließen, suchen Agenten auf der Erde als auch im All nach Hinweisen auf eine solche. Auch einige mächtige und reiche Privatpersonen sind auf der Jagd. Verspricht doch das Wissen einer KI ein altes Problem zu lösen: wie schafft man es, länger als drei Wochen in einem Klon zu existieren? Ja, vielleicht sogar für immer. Dies käme einer faktischen Unsterblichkeit gleich. Denn die Menschheit ist in der Lage, das Gehirn zu scannen und in einen Klonkörper zu übertragen, vorausgesetzt, man hat die finnaziellen Mittel. Doch nach drei Wochen muss der Klon wieder verlassen werden, sonst droht ein fataler Braincrash..Ende..Aus.
Tatsächlich gibt es Anzeichen für eine solche KI. Und es gibt auch Theorien, wo diese sich befindet. Ins Zentrum des Interesses rücken Würfel, die möglicherweise diese KI enthalten könnten. Es beginnt ein mörderischer, packender Wettstreit um diese mysteriösen Würfel. Ein Wettlauf, der womöglich das Schicksal der Menschheit besiegelt.
Mehr soll zum spannenden, verzweigten Inhaltes des Buches nicht verraten werden. Der Leser muss aufmerksam der Geschichte folgen. Da die Klone gewechselt werden, agiert eine Person plötzlich als Mann, wo zuvor noch eine Frau aktiv war. Das kann den oberflächlichen Leser leicht aus dem Konzept bringen. Ein Fehler im Buch auf Seite 131 macht dies deutlich: statt Franek wird der Name Fran genannt. Der Zusammenhang dieser Namen wird erst später geklärt, ist aber in diesem Moment irrtümlich und lässt einen kurz stutzig werden. Wie bei Science fiction üblich, verschwimmen reale Möglichkeiten mit theoretischen Zukunftsvisionen. Das geht bis zur Frage der Existenz Gottes und der Unsterblichkeit. Moralische und ethische Gedankengänge fließen in die Handlung ein, ohne natürlich tiefgreifend abgehandelt zu werden. Das hätte dem Buch auch den Fluss genommen. Die Geschichte ist raffiniert und (soweit dies eine fiktionale Erzählung erlaubt) logisch aufgebaut. Praktischerweise muss bei science fiction und Fantasy nicht alles logisch erklärt werden, wo bliebe da der Spaß?
Eine hervorragende Fortsetzung der Hologrammatica-Story, die förmlich nach mehr verlangt. Hillenbrand überzeugt ein weiteres Mal und unterstreicht seine erzählerischen Fähigkeiten, egal welches Genre er sich vornimmt.