Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
R. S.

Bewertungen

Insgesamt 182 Bewertungen
Bewertung vom 30.12.2022
Zeit der Sehnsucht / Die Töchter der Ärztin Bd.1
Sommerfeld, Helene

Zeit der Sehnsucht / Die Töchter der Ärztin Bd.1


gut

Leichte Kost für zwischendurch – für Fans von „Die Ärztin“

Wie der Name der Trilogie "Die Töchter der Ärztin" schon andeutet, stehen im ersten Band die beiden Töchter Henny und Antonia von Ricarda Thomasius, die manchen aus der "Die Ärztin" – Trilogie schon bekannt sein dürfte, im Mittelpunkt der Handlung.
Die beiden Schwestern könnten kaum unterschiedlicher sein, Antonia "Toni" ist im Gegensatz zu ihrer älteren Schwester Henny eher abenteuerlustig und hat ihren eigenen Kopf. So macht sich Toni nach Beendigung ihres Medizinstudiums auf den Weg nach Daressalam in Afrika, um dort sich auf die Suche nach ihren Wurzeln zu begeben anstatt wie von Henny erhofft mit ihr gemeinsam in Hennys Arztpraxis in Berlin-Mitte zu arbeiten.
In Afrika angekommen ist jedoch für Toni vieles anders als gedacht, so fehlen Medikamente und medizinische Ausrüstung in dem Krankenhaus, in dem sie arbeitet auch wird sie vom Leiter der Klinik schikaniert.
In Berlin folgt man Henny, wie sie als Ärztin in ihrer eigenen Praxis mit einem neuen Röntgenapparat ihren Weg geht und wie privat ihr Leben und das ihrer Tochter durch die Rückkehr ihres Ex-Mannes auf dem Kopf gestellt wird.
Neben den beiden Handlungssträngen der Schwestern spielt auch die Handlung um Ricarda und ihrer weiteren Familie eine Rolle, wodurch man auch einen Einblick in Zeit der Goldenen Zwanziger in Berlin bekommt.

Verschiedene Schauplätze und mal mehr oder weniger dramatische Ereignisse sorgen dafür, dass der Erzählfluss nicht ins Stocken gerät. Leider fehlt es aufgrund der Fülle an handelnden Personen und Geschehnissen der Handlung teils deutlich an Tiefe. Auch fällt außer für Toni und Henny die Darstellung der anderen, insbesondere der männlichen Charaktere etwas oberflächlich aus. Ebenso hätte ich mir manchmal auch etwas mehr Fokus auf den medizinischen Aspekt gewünscht, so liest sich besonders der Handlungsstrang rund um Toni in Afrika mehr als Abenteuerroman.
Trotz des leicht zu lesenden und bildlichen Schreibstils, der dafür sorgt, dass man schnell in die Geschichte rund um die Töchter der Ärztin Ricarda sowie deren Familie hineinfindet, konnte mich zu keinem Zeitpunkt die Geschichte so richtig in ihren Bann ziehen.
Fans von "Die Ärztin" werden bestimmt mehr Gefallen an dem Roman finden.

Bewertung vom 27.12.2022
Wehrlos
Benrath, Nora

Wehrlos


sehr gut

Wenn dein Kind verschwindet - düster und beklemmender Thriller

"Wehrlos" von Nora Benrath beschreibt den Horror aller Eltern.
Mieke ist mit ihrer Tochter Nele auf dem Spielplatz und spielt dort mit den anderen Kindern, bis sie, nachdem sie händehaltend mit einem fremden Mädchen über den Spielplatz läuft und danach spurlos verschwindet. Eine große Suchaktion der Polizei und der Bevölkerung läuft an, doch zunächst ohne eine Spur von Nele. Als eine männliche Leiche und dann später noch eine Kinderleiche gefunden wird, wird den Ermittlern klar, dass es sich bei Neles Verschwinden nicht um einen Entführungsfall handelt, sondern dass sich dahinter ein regelrechtes Netzwerk befindet. Als Mieke sich allein auf die Suche nach ihrer Tochter begibt, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.


Bedingt durch das emotional Thema Kindesentführung und dem düsteren atmosphärischen und bildlichen Schreibstil herrscht von Beginn an eine bedrückende Stimmung. Definitiv keine leichte Kost.
Aus Sicht der ermittelnden Polizisten, der verzweifelten Mieke, den Entführern und auch den verschwundenen Kindern erzählt, gewinnt der Thriller an großer Emotionalität und löst beim Lesen ein beklemmendes Gefühl aus.

Von Anfang bis Ende ist der fesselnde Thriller gut konstruiert und durchdacht und durch den Bezug auf die Zurschaustellung von Kindern durch ihre Eltern auf Social-Media-Platformen thematisiert das Buch auch eine aktuelle und brisante Entwicklung.

Alles in allem ist "Wehrlos" von Nora Benrath ein fesselnder, atmosphärischer und gut geschriebener Thriller, der besonders durch sein bedrückendes Thema wirkt.

Bewertung vom 19.12.2022
Das letzte Versprechen
Lind, Hera

Das letzte Versprechen


schlecht

Ein erzählenswertes Schicksal, das eine andere Autorin verdient hätte

Weihnachten 1944 ändert sich das Leben von Anna „Anni“ Eckhardt, einer Banatdeutschen, für immer auf schreckliche Art und Weise. Sie wird von ihrer Mutter getrennt und kommt in ein jugoslawisches Kinderheim, wo großes Leid und Hunger herrschen. Ihre Mutter Amalie hingegen wird für fünf Jahre nach Sibirien in ein Arbeitslager geschickt. Während dieser Zeit kümmert sich Annis Großmutter um ihre Enkelin, wie sie es Annis Mutter versprochen hat. Als ein paar Jahre später Anni nach Deutschland kommt, werden die seelischen Wunden deutlich, die die traumatischen Erlebnisse bei ihr wie auch bei ihrer Mutter hinterlassen haben.

Diese schrecklichen Ereignisse verarbeitet mehr schlecht als recht der Tatsachenroman "Das letzte Versprechen" von Hera Lind, der auf der Lebensgeschichte von Anna Eckhardt und ihren Tagebucheinträgen basiert. Gleich zu Beginn des Buches wird jedoch darauf hingewiesen, dass das Buch keinen "Anspruch auf Faktizität erhebt" und dass eine "Verschränkung von Wahrheit und Fiktion" stattfindet. An sich ist das ja kein Problem, viele Romane, die auf wahren Lebensgeschichten beruhen, tun dies doch sollte man dann den Roman als Tatsachenroman bezeichnen? Wird so nicht eine Faktizität vorgetäuscht, die nicht vorhanden ist?
Inhaltlich kann der Roman auf dieser Ebene nämlich meiner Meinung nach nicht wirklich überzeugen, denn zu viele Ungereimtheiten bzgl. manchen Ereignissen, ein vereinfachtes Denken in bösen Partisanen bzw. russischen Soldaten auf der einen und guten Deutschen auf der anderen Seite, eine fehlende Einordnung des ganzen Geschehens in dem gesamtgeschichtlichen Kontext sowie keine weiteren Quellen außer Annas Tagebuch hinterlassen einen fragwürdigen Eindruck. Dementsprechend würde ich den Roman auch eher als historischen Roman bezeichnen, um keinen falschen Eindruck zu erwecken.
Doch auch hier kann das Buch nicht überzeugen, den sprachlich und stilistisch ist es nicht wirklich gelungen. Besonders am Anfang, als die Ereignisse aus Sicht der fünfjährigen Anni erzählt werden, wird ein einfacher und kindlicher Schreibstil verwendet, der meist zu kindlich und dann zu erwachsen für eine Fünfjährige klingt. Dieser banale und sprachlich wenig ansprechende Schreibstil bleibt dann auch über das ganze Buch erhalten. Auch trieft der Roman von Kitsch und unnötiger Dramatisierung, um ja Empathie und Bestürzung gegenüber dem schweren Leben von Anni zu empfinden. Ein bisschen weniger Rührseligkeit hätte dem Roman besser getan, so würde dann auch die Geschichte authentischer und glaubhafter erscheinen.
Das i-Tüpfelchen ist aber dann aber die Autorin selbst, die selbst während der Geschichte in die Handlung einfügt und dann am Ende noch Eigenwerbung für sich selber macht, sodass ich mich am Ende Frage, ob hier die Geschichte von Anni und dem Leid der Banatdeutschen erzählt wird oder die Autorin eine erzählenswerte Geschichte für ihren eigenen Nutzen verwendet.

"Das letzte Versprechen" von Hera Lind hatte die Möglichkeit auf das Schicksal der Banatdeutschen bzw. der Donauschwaben zu Ende und nach dem 2. Weltkrieg aufmerksam zu machen, doch genutzt wurde diese Chance nicht.

Bewertung vom 19.12.2022
Die letzte Party / Ffion Morgan Bd.1
Mackintosh, Clare

Die letzte Party / Ffion Morgan Bd.1


gut

Eine Party, die nicht so richtig in Schwung kommt

Der kurzweilig erzählte Krimi "Die letzte Party" von Clare Mackintosh spielt am Mirror Lake in Wales, wo jeder jeden kennt. In der Silvesternacht veranstaltete Rhys Lloyd, ehemals erfolgreicher Sänger und der nun mit seiner am See gelegenen Ferienhaussiedlung "The Shore" ziemlich erfolgreich ist, eine Party, zu der auch die walisischen Dorfbewohner eingeladen sind. Während die Dorfbewohner mit den neuen wohlhabenden Nachbarn Champagner trinken, verschwindet Rhys um Mitternacht. Später wird dann seine Leiche im eiskalten Wasser des Sees gefunden.

Wer hat ihn getötet und warum?

Ein Dorf voller Verdächtigen erwartet DC Ffion Morgan, als sie zur Untersuchung des Falles gerufen wird. Als Bewohnerin dieser kleinen Gemeinde kennt sie jeden. Die Verdächtigen sind ihre Nachbarn, Freunde und Familie, und sie selbst hat private Angelegenheiten zu verbergen. Als Ffion und ihr neuer Partner Leo Brady tiefer graben, entdecken sie, dass es in diesem winzigen Dorf viele Geheimnisse gibt und dass jeder einen Grund hatte, Rhys zu hassen.


Ein Dorf voller Geheimnisse und Verdächtigen sowie das Setting haben das Potenzial für einen spannenden und geheimnisvollen Krimi, dass jedoch nur zum Teil genutzt wird.
Die Handlung springt zwischen Vergangenheit und Gegenwart und zwischen verschiedenen Charakteren hin und her, wobei das Hauptaugenmerk auf Ffion und Leo gelegt wird. Da, abgesehen von der linear erzählten Mordermittlung zunächst die Ereignisse rückwärts von der Silvesterparty und dann auf ihr zugehen erzählt werden, wiederholen sich manche Szenen. Der Geschichte fehlt es dadurch besonders am Anfang deutlich an Spannung. Auch dass jeder Bewohner des Dorfes oder "The Shore" eine Hintergrundstory hat, die erzählt werden muss, trägt nicht unbedingt zum Spannungsaufbau bei.
Ein paar Details weniger wären hier mehr gewesen, denn die Geschichte an sich ist nicht schlecht. Ein angenehm zu lesender Schreibstil, kurze Kapitel, gut gezeichnete Charaktere sowie eine gut durchdachte Handlung, mit der ein oder anderen Überraschung zum Ende hin sorgen für einen überzeugenden Kriminalfall. Es fehlt aber das Besondere etwas, dass einem an das Buch fesselt und einen über die Langatmigkeit hinwegsehen lässt.

Für Fans von Slow-Burn-Krimis, die nicht durch eine Vielzahl an Charakteren und Handlungssträngen abgeschreckt werden, ist "Die letzte Party" durchaus ein Versuch wert. Auch gut geeignet als leicht verdaulicher Lesestoff zum Hangover nach einer langen Silvesternacht.

Bewertung vom 03.12.2022
Die tausend Verbrechen des Ming Tsu
Lin, Tom

Die tausend Verbrechen des Ming Tsu


sehr gut

Kurzweiliger Western gepaart mit fantastischen Elementen

"Die tausend Verbrechen des Ming Tsu" von Tom Lin ist ein mehr oder weniger packender Western gepaart mit fantastischen Elementen. Im Grunde handelt es sich bei der Geschichte um eine Rachegeschichte und man folgt besonders gegen Ende gebannt, wie Ming Tsu eine blutige Spur durch den Wilden Westen hinterlässt.

Ming Tsu ist ein chinesisches Waisenkind, der vom skrupellosen Silas Root aufgezogen wurde und von diesem zu einem unbarmherzigen Killer ausgebildet wurde. Zu Beginn der Geschichte sinnt Ming auf Rache an den Männern, die ihm seine Frau Ada gestohlen haben und ihn darüber hinaus noch mit 10 Jahren Zwangsarbeit am Bau der Pazifik-Eisenbahnlinie bestraften. Auslöser war, dass Ming ein Chinese ist und eine weiße Frau geheiratet hat, was gegen die damaligen gesellschaftlichen Sitten verstieß. Ming sinnt auf Rache und während seines Rachefeldzugs trifft er auf reisenden Wanderzirkus. Der Wanderzirkus weist einige illustre und interessante Persönlichkeiten auf, wie einen Mann, der verschiedene Gestalten annehmen kann, einen Jungen, der nicht sprechen kann, aber dafür seine Gedanken in die Köpfe der Menschen projizier, und eine Frau, die im Feuer überleben kann. Ming wird dort angeheuert und folgt ihnen, bis er sich wieder seinem eigentlichen Racheziel widmet.

So wie Ming Tsu seinen Rachefeldzug während seines Aufenthalts beim Wanderzirkus aus den Augen zu verlieren scheint, so driftet der Western hierbei ins Fantastische und mystische ab, was zwar für manche unterhaltsame Szenen führt, aber dem Spannungsbogen insgesamt eher abträglich ist. Erst als sich Tsu wieder auf den Weg macht, um Ada zu finden und Vergeltung zu üben, nimmt der Western wieder an Fahrt auf und kehrt zur seiner anfänglichen Stärke zurück, wozu vor allem der kurze, prägnante und atmosphärische Schreibstils des Autors zählen. Unter seiner Feder wird die Umgebung ein wichtiger Teil der Handlung, so wird diese vom Blut der von Ming Tsu getöteten Männer getränkt und spiegelt in ihrer Kargheit den Durst Mings nach Rache wider.

Alles in allen ist "Die tausend Verbrechen des Ming Tsu" ein klassischer und kurzweiliger Western voller Gewalt, denn Ming ist es nicht fremd, zu morden, und auch die verschiedenen Gesetzeshüter, denen er begegnet, zücken schnell ihre Waffen. Darüber hinaus liefert er aber auch eine realistische Sicht auf den grassierenden Rassismus zu der damaligen Zeit, den Ming gelegentlich auch zu seinem Vorteil nutzt. Durch die fantastischen Elemente erhält der Western einen besonderen Reiz, auch wenn die Spannung etwas darunter leidet. Nicht nur Western-Fans werden Gefallen an diesen Spannungsroman finden.

Bewertung vom 03.12.2022
Die dunklen Sommer
Beverly-Whittemore, Miranda

Die dunklen Sommer


weniger gut

Ein Geheimnis, das besser im Dunklen geblieben wäre

"Die dunklen Sommer" von Miranda Beverly-Whittemore ist ein Spannungsroman mit toller Prämisse, deren schwache Umsetzung mich jedoch nicht wirklich begeistern konnte.

Die Geschichte beginnt mit einer Schwester und einem Bruder. Dann kommt es zu einer Tragödie, und wir erfahren, dass der Bruder stirbt, der Vater ins Gefängnis geht und die Mutter nach Mexiko abhaut. Das Mädchen namens Saskia zieht dann zu ihrer Großmutter, die sie jedoch an eine andere Familie weitergibt. Saskia zieht bei ihrer neuen Familie ein, wo sie ihren neuen "Bruder" Xavier und dessen Vater Phil kennenlernt. Bald nimmt Phil Xavier und Saskia mit zu einer sektenähnlichen Kommune, die sich mitten im Wald befindet und die von Abraham angeführt wird. Dort lernen sie sich von der weltlichen Lebensweise zu "entdingen". Doch dann kommt es irgendwann zu einer Tragödie, die dazu führt, dass Saskia, Xavier und ihre dort kennengelernten Freunde getrennte Wege gehen und nie wieder miteinander sprechen. Bis alle fünf Erpresserbriefe über etwas erhalten, was sie alle vor vielen Jahren im Wald getan haben. Was geschah damals?

Die ersten Seiten konnten noch mein Interesse an der Geschichte wecken. Auch liest es sich angenehm, der Schreibstil ist bildhaft und atmosphärisch passend für die geheimnisvolle Handlung. Der Roman wird in zwei sich abwechselnden Zeitsträngen erzählt, einen in der Gegenwart und einen in der Vergangenheit. Normalerweise mag ich es, wenn man den handelnden Personen in verschiedenen Zeitebenen folgt, doch hier waren die Kapitel teilweise so kurz, dass durch das Hin- und Herspringen zwischen den beiden Zeitebenen kein richtiger Lesefluss zustande kommen konnte und besonders im Falle der Handlung in der Vergangenheit teilweise nicht richtig ersichtlich war, wie viel Zeit zwischen den einzelnen Ereignissen vergangen war. Statt Spannung zu generieren, erzeugten die kurzen Kapitel und Rückblicke in die Vergangenheit eher für Verwirrung.
Ein weiteres Manko dieser sprunghaften Erzählweise ist, dass die Charaktere für mich nie an Tiefe gewonnen haben, ihre Charakterisierung blieb sehr oberflächlich und eindimensional. Besonders zu Saskia, der Protagonistin des Romans, konnte ich keine Verbindung aufbauen. Sie hatte wie alle anderen keine wirkliche Persönlichkeit.
Auch die vielversprechende Handlung mit einem Kult im Zentrum des Geschehens konnte mich nicht fesseln. Nicht nur, dass sie sich in Nebensächlichkeiten verlor, auch war mir ziemlich schnell klar, in welche Richtung die Geschichte sich entwickeln würde. Spannung kam so leider überhaupt nicht auf.

"Die dunklen Sommer" ist für mich ein Buch, das das Potenzial hatte, eine spannende und geheimnisvolle Geschichte über einen Kult zu werden, was aufgrund der schlechten Charakterisierung und langatmigen Erzählweise enttäuschenderweise nicht der Fall war.

Bewertung vom 01.12.2022
Turmgold / Turm-Reihe Bd.2
Grandl, Peter

Turmgold / Turm-Reihe Bd.2


ausgezeichnet

Fesselnder und erschreckend realistischer Politik- und Gesellschaftsthriller

Zehn Jahre nach der Geiselnahme von drei Nazis im Turm, einem Hochbunker, rückt dieser wieder ins Rampenlicht, und zwar diesmal durch ein rechtsradikales Attentat auf dem im Turm beherbergten jüdischen Kindergarten. Zunächst können die beiden Erzieherinnen mit den Kindern flüchten, doch lauert in den Katakomben des Turms noch ein weiteres Geheimnis, nämlich verschollenes Gold der Nazis, für das manche bereit sind, über Leichen zu gehen. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Mit "Turmgold" hat Peter Grandl es geschafft, einen brisanten und erschreckend realistischen Polit- und Gesellschaftsthriller zu schreiben, der zu keiner Zeit an Spannung einbüßt und das über mehr als 580 Seiten.
Erzählt wird die Geschichte, die nicht nur hochaktuell und kritisch ist, sondern auch durchaus historisch interessant, aus Sicht mehrerer Charaktere und teils zu verschiedenen Zeitpunkten, ohne dabei für Verwirrung zu sorgen. Obwohl es sich um eine fiktive Handlung handelt, sind die einzelnen Handlungsstränge und die Gedanken- und Gefühlswelt der handelnden Personen so realistisch beschrieben, dass man meint, es entspreche der Realität. Besonders die gesellschaftliche und politische Stimmung sowie das Innenleben der betroffenen Personen weiß der Autor gekonnt einzufangen. Zusammen mit dem intensiven und eindringlichen Schreibstil entwickelt der Thriller von Anfang an eine Sogwirkung, der man sich nur schwer entziehen kann.
Nicht nur die Charaktere sind gut gezeichnet und authentisch beschrieben auch wie der Titel des Thrillers schon andeutet, spielt der Turm eine wichtige Rolle innerhalb des Handlungsgeschehens. Der Autor schafft es auf eindrückliche Art und Weise, die beklemmende, bedrohliche und geheimnisvolle Atmosphäre innerhalb des Turmes während des rechtsradikalen Attentates auf den jüdischen Kindergarten darzustellen und so den Turm regelrecht lebendig werden zu lassen. Was sich im Turm und um den Turm herum abspielt, sorgt für den ein oder anderen Schockmoment und regt aufgrund der sehr aktuellen Themen, wie z. B. Rechtsradikalismus, Antisemitismus, politischen Extremismus, Sensationsgier der Medien, Angriffe auf Politiker und Corona, zum Nachdenken an und hallt noch lange nach. Trotz der Themenfülle und Charakteranzahl fühlt man sich beim Lesen jedoch zu keinem Zeitpunkt an, dass es zu viel ist. Einzig zum Ende hin hätte ein bisschen weniger Action der Glaubwürdigkeit der Handlung gutgetan.

Alles in allem ist "Turmgold" ein Thriller, der seinem Namen alle Ehre macht. Hochaktuelle und brisante Themen gepaart mit einer gut konstruierten und erschreckend realistischen Handlung sorgen für Spannung und Schockmomente von Anfang bis Ende. Fesselnde Lesestunden garantiert!

Bewertung vom 28.11.2022
CATAN Bd.1
Teuber, Klaus

CATAN Bd.1


sehr gut

Spannend und gut recherchierter Roman über die Wikingerzeit, passend zum Spiel

"CATAN – Der Roman" von Klaus Teuber ist, wie der Name schon andeutet, das Buch zum bekannten Gesellschaftsspiel "Die Siedler von Catan" und so wie man mit dem Spiel tolle Spieleabende verbringen kann, so kann man auch mit dem Buch tolle Lesestunden verbringen.

Wir schreiben das Jahr 860 und Asla, die Tochter des Wikingerfürsten Halldor, flieht mit Hilfe von Thorolf, ihr Geliebter und Vater ihres ungeborenen Kindes und dessen Brüdern Digur und Yngvi vor einer Zwangsheirat. Doch ihre Flucht hat schwerwiegende Konsequenzen. Sie werden für mehrere Jahre verbannt und begeben sich gemeinsam mit mehreren ausreisewilligen Gefolgsleuten auf die Reise nach Catan in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Doch wird sich ihr Wunsch erfüllen oder sind die Herausforderungen, die sich durch die Neubesiedelung einer fremden Insel ergeben zu groß?

Diese Frage sowie noch viele andere Themen werden im Verlaufe des ersten Bandes der Romantrilogie aufgeworfen bzw. behandelt. Besonders im Rahmen der Besiedlung der Insel werden Religion, Gesellschafts- und Herrschaftsstrukturen vor dem Hintergrund der Wikingerzeit von einigen Siedlern neu gedacht, was unweigerlich zu Konflikt auch innerhalb der eigenen Familie führt. Eingebettet ist dies in eine spannend erzählte Handlung, die durch mehrere dramatische Wendungen lebendig gehalten wird. Der Autor ist hierbei sichtlich bemüht, ein authentisches und detailliertes Bild der zahlreichen Charaktere und der Wikingerzeit zu zeichnen, was manchmal jedoch in etwas langatmigen und eher sachlich wirkenden Abschnitten endet. Insgesamt schafft Teuber es jedoch, die Waage zwischen informativen Inhalt und neugierig machender Geschichte mit überzeugender und glaubwürdiger Charakterzeichnung zu halten. Jedoch sollte man kein rasantes Erzähltempo erwarten, vor allem wenn es in den Aufbau der Siedlung geht ist, ist die ein oder andere ausschweifende Beschreibung vorhanden.

"CATAN - Der Roman" ist ein Buch, auf, das man sich einlassen muss, aber wenn man dazu bereit ist, wird man mit einer fesselnden Geschichte über Familie, Liebe, Gesellschaftsstruktur und -entwicklung, Glauben und Macht belohnt.

Bewertung vom 20.11.2022
Blutmond / Harry Hole Bd.13
Nesbø, Jo

Blutmond / Harry Hole Bd.13


ausgezeichnet

Spannendes Wiedersehen mit Harry Hole

Jo Nesbøs neuer Band "Blutmond" aus der Reihe rund um den alkoholabhängigen und eigenwilligen, aber dennoch auf seine eigene Art und Weise sympathischen Ermittler Harry Hole ist ein Thriller, der seinem Namen alle Ehre macht. Fesselnd geschrieben, nichts für schwache Nerven und voller Twists fliegt man förmlich durch die mehr als 500 Seiten.

Das Buch beginnt damit, dass Harry Hole nach L.A. gegangen ist, um sich nach dem Tod seiner Frau zu Tode zu trinken. Fertig mit dem Leben, macht er dort die Bekanntschaft mit einer älteren Frau, die ihn an seine Mutter erinnert und um sie vor dem mexikanischen Kartell zu retten, nimmt er den Auftrag eines Anwaltes, dessen Klient, ein reicher Immobilienmakler, verdächtigt wird, etwas mit den Morden an zwei Frauen zu tun zu haben. Ehe er sich versieht, befindet sich Hole als Privatermittler wieder in Norwegen. Um den Fall zu lösen, stellt er eine etwas ungewöhnliche Ermittlergruppe bestehend aus einem krebskranken Psychologen, einem korrupten Polizisten und einem Schulfreund, der mit Kokain dealt, zusammen. Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.

Dank des flüssigen, bildreichen und atmosphärischen Schreibstils des Autors wird man schon nach den ersten Seiten in die Geschichte hineingezogen. Anfangs noch etwas langsam, nimmt die Spannung von Seite zu Seite und endet in einem rasanten und wendungsreichen Finale mit dem Blutmond als passende Hintergrundkulisse. Besonders zum Ende hin zeigt Nesbø, dass er ein Meister darin ist, den Leser zu verwirren, falsche Hinweise zu geben, sodass der wirkliche Täter lange im Dunklen bleibt.
Die Charakterzeichnung des Täters, aber auch der altbekannten Gesichter ist glaubwürdig und authentisch und sorgt besonders im Falle des Mörders für Gänsehautfeeling. Wechselnde Perspektiven und kurze Kapitel sorgen für Spannung und im Falle des Mörders auch für leichten Ekel.

Alles in allem ist "Blutmond" ein spannendes Wiedersehen mit Harry Hole, das durch eine interessante Handlung, tolle Charaktere mit Stärken und Schwächen und einem fesselnden und stimmungsvollen Schreibstil zu überzeugen weiß und Lust macht auf eine Fortsetzung.

Bewertung vom 14.11.2022
Anleitung ein anderer zu werden
Louis, Édouard

Anleitung ein anderer zu werden


sehr gut

Schonungslose Identitätssuche

In dem ausdrucksstarken autobiografischen Roman "Anleitung ein anderer zu werden" von Edouard Louis beschreibt Louis, wie er sein Leben und sich selbst verändert hat. Er geht hierbei einen äußerst schmerzhaften Weg zwischen Selbstverleugnung und Selbsterfindung, sein Weg ist übersät mit Menschen, die er zurückgelassen hat, und er empfindet eine Menge Bedauern, dennoch tut es ihm nicht leid, denn er ist jetzt sein eigener Mann.

Wie auch schon in seinen vorherigen autobiografischen Romanen erzählt Louis von seiner Kindheit in prekären Verhältnissen, die von Gewalt und Armut überschattet war sowie von Rassismus und Homophobie geprägt war. Er spricht über seine Eltern, seinem gefühlskalten Vater, dem Entdecken seiner Homosexualität und seiner Flucht aus der nordfranzösischen Provinz.

Im Gegensatz zu seinen anderen Romanen liegt der Schwerpunkt aber mehr auf seiner radikalen Selbstverwirklichung, Louis spricht über seine Gedanken und Bemühungen zu fliehen, die von seinem Wunsch nach Rache angetrieben werden. Louis wollte, dass die Menschen, die ihn wegen seiner Homosexualität schikanierten und diskriminierten Scham empfinden, und er gibt auch zu, dass das Abstreifen seiner alten Identität als Intellektueller in Paris, die ihn von seiner eigenen Familie wegführte, ihm das Gefühl gab, Macht über das Erbe zu haben, für das er sich selbst schämte.

Aber der Roman ist auch eine Danksagung und eine Entschuldigung an die Menschen in Louis Leben, die von seinem Wunsch nach Veränderung betroffen waren. Der erste Teil ist an Elena gerichtet, einer Freundin, die er während seines Studiums in Amiens kennengelernt hat und deren Familie von Akademikern zu Vorbildern für Louis werden. Der zweite Teil richtet sich an Didier Eribon, der auch zu seinem Vorbild und Freund wird und der dritte wieder an Elena. Außerdem gibt es auch Passagen, in denen er sich direkt an seinen Vater wendet, und einige, in denen er mit seinem eigenen Spiegelbild spricht. Trotz seines sozialen Aufstiegs ist er innerlich zerrissen, hat nicht das Gefühl angekommen zu sein und er kann seine Herkunft und seine Unsicherheit nicht überwinden.

"Anleitung ein anderer zu werden" ist ein starkes Buch über Identitätssuche, indem Louis schonungslos offen und ehrlich ist und das aufgrund seines Inhalts und des direkten und präzisen Schreibstils von Louis noch lange nachhallt.