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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2107 Bewertungen
Bewertung vom 18.02.2025
Der Junge
Aramburu, Fernando

Der Junge


ausgezeichnet

Der 23.Oktober 1980

Fernando Aramburu ist in San Sebastian geboren, lebt aber schon lange in Deutschland. Doch seine Romane sind ganz und gar Spanien.
Ein schreckliches Ereignis 1980 in Spanien und wie die betroffenen Menschen damit umgingen, ist das Thema dieses großartig gemachten Buches. Durch eine Explosion gab es 50 Tote in einer Schule, überwiegend Kinder.
Stellvertretend wird die Familie des sechsjährigen Nuco, der unter den Todesopfern war, gezeigt. Für die Eltern Mariaje und Jose Miguel ein Schock. Sie versuchen auf verschiedene Art, mit dem Verlust umzugehen. Nicos Großvater schließt nicht mit dem Tod ab. Regelmäßig besucht er den Enkel auf dem Friedhof und scheint eine Verbindung aufrecht zu erhalten. Auf andere wirkt er deswegen wunderlich.

Fernando Aramburu ist ein Autor, der es versteht, die Psyche seiner Figuren auf realistische Weise zu untersuchen und er verdeutlicht die Probleme, die entstehen, wenn man die Gefühle aufgrund von Verlusten nicht auf- und verarbeitet.

Es gibt eine ungewöhnliche zusätzliche Ebene, in dem sich das Buchmanuskript selbst zwischenschaltet und Absichten des Autors kommentiert. Solche Schreibmethoden mit Ironie kennt man von Fernando Aramburu. Manche Leser kann das irritieren, ich finde es originell.

Der Junge ist verglichen mit anderen Romanen dieses Autors relativ kurz, ist aber dem Stoff angemessen und absolut passend.

Bewertung vom 16.02.2025
Halbe Leben
Gregor, Susanne

Halbe Leben


ausgezeichnet

Klara und Paulina

Halbe Leben ist ein bei Zsolnay erschienener zeitgenössischer Roman mit relevanten Thema.
Nachdem Klaras Mutter Irene einen Schlaganfall hatte und pflegebedürftig ist, stellt sie die aus der Slowakei stammende Pflegerin Paulina ein. Schon bald ist Paulina unverzichtbar für die Familie, die neben Irene aus Klara, ihren Mann Jakob und der 11jährige Ada besteht.

Da bereits auf der ersten Seite erzählt wird, wie Klara durch Sturz von einem Berg ums Leben kommt, ist man als Leser gespannt, wie die Zusammenhänge sind.
Paulina, die zwei Söhne hat, fährt regelmäßig nachhause, wird aber immer mehr von Klara vereinahmt, besonders nachdem Irene einen zweiten Schlaganfall erlitten hat.
Paulina steht immer mehr unter Druck. Stets pendelnd muss sie immer mehr leisten.

Susanne Gregors Sprache ist dicht und stimmungsvoll. Sie kann einfühlsam erzählen und gibt den Figuren eigene Stimmen. Das macht Halbe Leben neben dem zwingenden Plot zu einem großartigen Roman.

Bewertung vom 16.02.2025
Von hier aus weiter
Pásztor, Susann

Von hier aus weiter


sehr gut

Time after time

Das Buch beginnt mit einer drolligen Szene, in der die Protagonistin Marlene es nicht schafft, die Tür einer Toilettenkabine wieder zu öffnen und sich daher unten drunter rausrobben muss. Gleichzeitig ist Marlene in Trauer um ihren toten Mann.
Das ist typisch für das Buch, absurde wie ernste Momente zu mischen.

Marlenes Zustand der Wut und Trauer wird detailliert herausgearbeitet. Manche Momente erinnern mich an Daniela Kriens letzte Roman, in der die Hauptfigur auch in Trauer war, allerdings um ihr Kind.
Es kommt in Susann Pasztors Buch jedoch zu einem anderen Aspekt, als eine weitere Figur auftaucht: Jack Habermann, ein ehemaliger Schüler von ihr, jetzt Klempner und momentan obdachlos. Sie nimmt ihn bei sich auf.
Marlene und Jack verstehen sich gut, sie hat jetzt jemand zu reden und Jack ist eine offene, verständnisvolle Person.
Das Buch wird sehr dialogbetont und die Autorin beherrscht das.
Als dritte kommt noch die Ärztin Ida hinzu. Zu dritt fahren sie schließlich nach Wien. Die Unterstützung dieser Freund könnte der Weg zur Heilung sein. Eigentlich zu schön um wahr zu sein, aber es ist ein unterhaltendes Buch.

Bewertung vom 16.02.2025
Meine Bäume
Limón, Ada

Meine Bäume


ausgezeichnet

Bäume und Leben

Ada Limón ist eine Amerikanische Dichterin, die mit diesem hervorragenden Buch über Bäume kurze lyrische Prosastücke vorlegt.
Es geht nicht nur um Bäume, obwohl es da tatsächlich detailreich wird, sondern sie erzählt auch von sich und ihrer Familie, prägenden Erlebnissen, ihre Kindheit und später ihre Jahre in New York. Meistens ist sie aber in Kalifornien. In einem Kapitel auch in New Mexiko, sie hat mexikanische Wurzeln.
Die Prosastücke werden durch diese Passagen ihres Lebens zusammengehalten und sie sind sehr lyrisch gehalten. Wer lyrische Prosa liebt, kommt hier auf seine Kosten. Manche Passagen erinnerten mich vom Lesegefühl her vage an Louise Glücks Wilde Iris.
Aber insgesamt hat Ada Limón natürlich einen eigenständigen Stil, der mir ausgesprochen gut gefällt. Hoffentlich wird auch einmal einer ihrer Gedichtbände auf Deutsch übersetzt.
So lange aber kann man dieses Buch auch mehr als einmal lesen, denn bei aller kürze ist es doch sehr reichhaltig.

Bewertung vom 14.02.2025
Es geht mir gut
Anthony, Jessica

Es geht mir gut


sehr gut

In einem Swimmingpool im November

Der Roman ist in Maine, 1957 angesiedelt und stellt das Ehepaar Kathleen und Vergil in den Mittelpunkt. Sie sind schon ein paar Jahre verheiratet, haben Kinder. Vergil ist eher ein oberflächlicher Typ, liebt den Jazz und macht sich keinen Kopf. Die sportliche Kathleen aber ist in eine Krise geraten. Sie steigt an einem Novembertag in den Swimmingpool und weigert sich, wieder rauszukommen.
Es ist aus heutiger Sicht nicht einfach, sich in die Situation der amerikanischen Paare der fünfziger hineinzuversetzen. Doch das Buch, im Original The Most, ist als Gesellschaftsporträt nicht zu unterschätzen. Es war sogar auf der Longlist des National Book Award 2024.

Bewertung vom 12.02.2025
Nur ein kurzer Sommer
Lehmann, Astrid

Nur ein kurzer Sommer


sehr gut

Begegnung von Bretagne und Schwarzwald

Astrid Lehmann ist nach eigenen Angaben französische Schwarzwälderin und daher ist es kein Wunder, dass sie in diesem Roman französische und deutsche Schicksale zusammenbringt.

In der Zeit der deutschen Besetzung in der Bretagne 1940 werden zwei Menschen zusammengeführt: die schwangere Bretonin Anne-Marie und der deutsche Arzt Helmut. Dann gibt es noch eine weitere Hauptfigur im Schwarzwald, der anfangs sechsjährige Emil. Er wird den zweiten Teil des Buches im Vordergrund stehen.

Die Autorin baut ihre Figuren sympathisch auf und wie sie Helmut die Bretagne sehen und empfinden lässt, ermöglichen wunderbare Sätze über das Land.
Genauso deutlich wird aber die gleichzeitige Verdüsterung durch deutsche Untaten als Besatzer und in der Heimat.

Astrid Lehmann hat sich von der Geschichte ihrer Eltern inspirieren lassen und das gibt dem Buch eine ganz persönliche Note.

Meine Wertung: 4 starke Sterne für diesen Roman!

Bewertung vom 02.02.2025
Der Passagier der Polarlys
Simenon, Georges;Bocquet, José-Louis

Der Passagier der Polarlys


ausgezeichnet

grandios gezeichnet

Mit Der Passagier der Polarlys setzen Jose-Louis Bocquet und Christian Caillenaux einen frühen Roman des Kultautors Georges Simenon als Graphic Novel um.
Zugegeben, ich bin kein Kenner der Graphic Novel. Vielleicht bin ich deswegen nahezu sprachlos. Was sind das für grandios gemalte Bilder? Detalliert, ausdrucksstark.
Zudem ist die Handlung aber auch wirklich stark.
Bevor es auf die Fahrt von Hamburg nach Norwegen auf dem Schiff Polaryls geht, gibt es eine Art Prolog. Eine junge Frau erlebt in Montaparnasse eine wilde Nacht, die sie leider nicht überlebt.
Auf der Schiffahrt geht es geheimnisvoll zu. Sowohl Besatzung als auch Passagiere könnten etws zu verbergen haben.
Das Buch überzeugt mit einem raffinierten Plot.
Simenons Romane haben sich stets durch erzählerische Dichte ausgezeichnet. In dieser Form erreicht es neue Ausmaße.

Bewertung vom 29.01.2025
Nicht mein Leben
Muschg, Adolf

Nicht mein Leben


ausgezeichnet

Dies ist sicher kein Buch für jeden, aber für Freunde zeitgenössischer Literatur von Niveau ist es ein außergewöhnlicher Leckerbissen.

Dieses Buch hat Klasse und einen Autor, der weiß, wie man schreibt. Die Dialoge, zum Beispiel sind einfach nur brillant.
Muschg Routine kommt hier im besten Sinne zum Tragen.

Als versierter Leser wittert man hier natürlich autobiografische Bezüge.
Wie der Protagonist der Erzählung ist auch Muschg eine intellektuelle Persönlichkeit und mit einer Japanerin verheiratet.
Doch Muschg hält sich auch bedeckt. Ein raffiniertes Spiel.

Adolf Muschg ist jetzt 90 Jahre alt. Und schafft dennoch eine Erzählung, immerhin 176 Seiten, von Relevanz und Bedeutung.

Bewertung vom 28.01.2025
Rückkehr nach Budapest
Kiss, Nikoletta

Rückkehr nach Budapest


sehr gut

Márta
Nikoletta Kiss wählt für ihren Roman „Rückkehr nach Budapest“ eine interessante Zeit und Konstellation: Zwischen Ungarn und DDR ab 1986.
Erzählt wird von der Ungarin Márta, die ihre Cousine Theresa in Ostberlin besucht und sich da in den Dichter Konstantin verliebt.Der wird aber der Freund von Theresa.
Konstantin leidet an der DDR. Er ist als Heimkind schlecht behandelt worden, seine regimekritischen Texte traut er sich deswegen nicht zu veröffentlichen. Aber Theresa will ein Manuskript von ihm nachWestdeutschland schmuggeln. Ein großes Risiko.

Die Handlung springt in den Zeiten. Es wird eindringlich erzählt, mit leicht melancholischen Ton. Es gibt die Szenen in der DDR. Dann wieder Jahre später ist gerade das Begäbnis von Theresa und Márta erinnert sich an vieles.

Es ist ein eher ruhiges Buch, dessen Stärke darin besteht, die Empfindungen der Figuren in dieser Zeit und Situation transparent zu machen.

Bewertung vom 28.01.2025
Dancing Queen
Fabbri, Camila

Dancing Queen


gut

Dancing Queen ist ein Roman aus Argentinien, der eine Frau in der emotionalen Krise zeigt.
Das Cover zeigt ein Auto und es beginnt auch mit einem schweren Autounfall. Die Protagonistin Paulina ist schwer verletzt, kann sich nicht bewegen, aber doch die Umgebung wahrnehmen. Dieser besondere Zustand bestimmt die Erzählweise.

Wechselnd auf der Fahrt ins Krankenhaus wird gezeigt, was vorher und danach passiert. Das ist ganz gut gemacht, obwohl mich der vorherrschende Erzählton nicht unbedingt anspricht.

Auch mit dem Ende kann man nicht ganz zufrieden sein. Irgendwie scheint etwas im Buch zu fehlen.

Dennoch gibt es von der Autorin Camila Fabbri gut gemachte Passagen. Das Buch hat was und man muss es nicht bereuen, dass Buch gelesen zu haben.

Über den Titel Dancng Queen, der auf ABBAs Song anspielt, habe ich mich gewundert, den der Roman hat nicht das Brave, dass dieser Song ausstrahlt.