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CK
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Raum Stuttgart

Bewertungen

Insgesamt 222 Bewertungen
Bewertung vom 30.01.2025
Riot, don't diet!
Lechner, Elisabeth

Riot, don't diet!


ausgezeichnet

Die Zukunft ist widerspenstig: Ein Aufstand gegen „Schönheitsnormen“

„Riot, don’t diet! Aufstand der widerspenstigen Körper“ von Elisabeth Lechner ist ein herausragendes Buch, dessen Wichtigkeit ich gar nicht genug betonen kann!

Wer in unserer Gesellschaft nicht der „Norm“ entspricht, weil sie/er dick, haarig, queer, alt, ein Mensch mit Behinderung oder eine Person of Colour ist, wird häufig marginalisiert, gemobbt und ausgegrenzt. Doch wer definiert eigentlich „Schönheit“ und wem nützt dieser „Zwang“ zur ständigen Selbstoptimierung?
Das Buch ist in die Kapitel „DICK“, „SCHWARZ“, „HAARIG“ „QUEER“, „BEHINDERT“ und „ALT“ unterteilt. Zu jedem Kapitel bringt lässt Elisabeth Lechner eine Theorie vor, welche dann mit ganz konkreten Beispielen ergänzt wird, auch lässt sie immer verschiedene AktivistInnen zu Wort kommen.
Oft wird hier der Kapitalismus kritisiert, da besonders die Schönheitsindustrie vom permanenten Wunsch nach „Verbesserung“ der Menschen profitiert. Doch auch Ansätze wie die „Body Positivity“ -Bewegung werden beurteilt und auf ihre Stärken und Schwächen untersucht.
Am Ende des Buchs legt sie einen ermutigenden 5-Punkte-Plan vor, wie echte Solidarität aussehen kann und wie wir ALLE unseren Begriff von Schönheit hinterfragen können.

Dieses Buch kann ein Augenöffner sein. Es ist ein Aufruf, uns selbst und andere mit anderen Augen zu sehen:

"Um Sehgewohnheiten nachhaltig zu verändern, braucht es nicht nur eine viel diverse mediale Repräsentation aller Körper, sondern auch einen veränderten Umgang mit uns selbst."

"Auch wenn ihr nicht von Diskriminierung aufgrund eures Äußeren betroffen seid, ja gerade dann, wenn ihr von diesen Strukturen profitiert, fangt an mitzudenken, wie es anderen geht und helft mit, die Welt inklusiver und für alle lebenswerter zu machen. Tragt bei zu einer Welt, in der die Rolle des Aussehens, gerade von Frauen, gar nicht mehr so wichtig ist, und überlegt euch zum Beispiel, wofür ihr Menschen Komplimente macht. Sind es immer Oberflächlichkeiten, oder feiert ihr eure Freund*innen auch für ihren Humor, ihren Scharfsinn und ihre Eloquenz? Es geht hier absolut nicht um Verbote, sondern nur um ein Bewusstmachen, in welcher Situation Äußerlichkeiten vor Kompetenzen und Zwischenmenschlichem zum Tragen kommen - und um ein stückwwises Loskommen von diesen Strukturen."

"Die Zukunft ist widerspenstig. Ihr ist egal, wie dein Körper aussieht."

Bewertung vom 28.01.2025
Digitale Diagnosen
Wiesböck, Laura

Digitale Diagnosen


ausgezeichnet

"Digitale Diagnosen: Psychische Gesundheit als Social-Media-Trend" von Laura Wiesböck ist ein hochaktuelles und sehr wichtiges Buch. Aktuell ist es im Trend, dass sich Menschen selbst Diagnosen für psychische und neurologische Erkrankungen stellen:
"Die Fülle der Informationen und ästhetisierten Bilder im Bereich psychischer Krankheiten ist verbunden mit dem Trend, dass ich immer mehr Nutzer:innen selbst eine Diagnose stellen, ohne medizinisches Fachpersonal zu konsultieren."

"Was sagt es über eine Gesellschaft aus, wenn der Schmerz über den Verlust einer nahestehenden Person als Krankheit klassifiziert wird? Ist Traurigkeit mittlerweile zu einem Symptom worden, dem es lösungsorientiert zu begegnen gilt? Welche Funktion erfüllt die Schematisierung und Pathologisierung von leidvollen Erfahrungen? Und was hat Gereiztheit mit psychischer Gesundheit ("Mental Health") zu tun? Ist ein dünnes Nervenkostüm nicht ein nachvollziehbarer Zustand für Mütter, die unter dauerhaftem Schlafmangel, fordernden Betreuungspflichten, mangelnder Unterstützung und hohen gesellschaftlichen Erwartungen leiden? Oder können Menschen sich mittlerweile nur mehr eine legitime Auszeit erlauben, wenn sie auf ihre Gesundheit verweisen?"

Die Soziologin Laura Wiesböck analysiert auf sehr gut verständliche Art und Weise die Ursachen und Folgen dieses Trends rund um das Thema "Mental Health".
Sie zeigt die hieraus entstehenden Gefahren auf wie Fehldiagnosen und "Genesungshindernisse", erklärt Begriffe wie "toxisch", "triggern" und "Trauma" sowie deren zunehmende bzw. übermäßige Verwendung.

"Die umgangssprachliche Trivialisierung von psychopathologischen Begriffen zeigt sich auch darin, dass universelle Merkmale des menschlichen Daseins, wie Trennungen, Enttäuschungen oder Erfahrungen des Scheiterns, vermehrt als "Traumata" bezeichnet werden. Das kulturelle und soziale Konzept von "Trauma" in der Alltagssprache schließt Erfahrungen ein, die zwar verletzen oder verärgern, aber integraler Bestandteil des Lebens - und keine außerordentlichen Schockerlebnisse sind."

"Das kann mitunter auch im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Erzählung stehen, das persönliche Entwicklungsschritte erst oft nach traumatisierenden Erfahrungen stattfinden ("posttraumatisches Wachstum"). Wer lernt, dass ein Trauma die Grundlage ist, um wachsen oder "healen" zu können bzw. zu dürfen, wird sich eher an einer traumatisierenden Deutung von gewaltvollen Ereignissen oder Erfahrungen orientieren."

Sie wirft einen Blick auf Influencer:innen und die Gefahr der Nachahmung, besonders was Jugendliche angeht.
"Das birgt vielfältige Risiken. Denn die Mehrheit der Mental-Health-Influencer:innen besitzt keine Ausbildung- oder Berufsqualifikationen, um als Expert:innen auf dem Gebiet von psychiatrischen Erkrankungen zu gelten. Bis dato gibt es keine Regulierung und Standards dafür, anerkannte wissenschaftlich oder medizinisch begründete Kriterien einzuhalten. Das zeigt sich auch in den von Laien verbreiteten Informationen über psychiatrische Diagnosen, die häufig unzutreffend oder stark verkürzt sind."

"Influencer:innen kommt dementsprechend eine wichtige Rolle in der Popularisierung von Diagnosen zu. Sie können andere dahingehend beeinflussen ("influencen"), eine psychische Erkrankung für anstrebenswert zu halten, ob sie das selbst beabsichtigen oder nicht, spielt in der auf Nachahmung ausgelegten Struktur keine Rolle."

Auch das Kapitel "Mental Health und Selfcare als Wohlstandsphänomen" fand ich sehr gut geschrieben.
"Selfcare bei Frauen wird dann zu einer Verknüpfung von Jugendlichkeit, Weiblichkeit, Konsum, Autonomie und Transformation. Es gilt, effizienter, fitter, flexibler, widerstandsfähige, positiver und resilienter zu werden, dabei jung und attraktiv auszusehen und gesellschaftlich möglichst wenig Kosten zu verursachen. Damit stehen Frauen nicht nur im Wettbewerb mit anderen, sondern auch mit sich selbst, konkret mit einer "besseren Version" ihrer selbst. Nach dieser Logik gibt es keine Zeit, in der das jetzige Selbst ausreicht oder vielleicht sogar zufrieden stellt."

Das Kapitel "Plädoyer für zwischenmenschliche Ambivalenz und Trost" bringt das Buch perfekt zum Abschluss.

"Wenn von psychischen Abweichungen die Rede, sollte sich eigentlich immer auch die Frage stellen, wovon eigentlich abgewichen wird."

"Die Zuschreibung einer Diagnose erfüllt für Menschen zahlreiche individuelle Stabilisierungsfunktionen. So können Diagnosen als eine offizielle Anerkennung von Leid und Dysfunktionalitäz gesehen werden, in einer auf sichtbare Produktivität ausgelegten Gesellschaft, die dafür kaum mehr legitimen Platz hat, in der Ineffizienz oder Traurigkeit im Gegenteil eher als Kompetenzverlust gesehen werden."

Das Buch bekommt von mir eine ausdrückliche Leseempfehlung - ein wichtiges Thema, hervorragend analysiert und großartig geschrieben!

Bewertung vom 27.01.2025
Das Paradies ist weiblich

Das Paradies ist weiblich


ausgezeichnet

Patriarchat vs. Matriarchat – Was wäre wenn?

„Das Paradies ist weiblich: 20 Einladungen in eine Welt, in der Frauen das Sagen haben“, herausgegeben von Tanja Raich, ist eine Anthologie mit 20 Beiträgen von Autor*innen, die den Fragen nach einer gerechteren, besseren, liebevolleren Welt auf den Grund gehen. Dabei wird keine einfache Lösung präsentiert, sondern vielmehr ein „Was wäre wenn“, viele kluge Gedanken und ganz unterschiedliche Texte, die mal literarisch, mal als Essay daherkommen.

»Es geht nicht um das Umkehren von Hierarchien, sondern um das Infragestellen derselben.« Mithu Sanyal

Beigetragen zu de Buch haben Shida Bazyar, Mareike Fallwickl, Linus Giese, Kübra Gümüşay, Simone Hirth, Gertraud Klemm, Julia Korbik, Miku Sophie Kühmel, Kristof Magnusson, Nicolas Mahler, Barbara Rieger, Emilia Roig, Jaroslav Rudiš, Mithu Sanyal, Tonio Schachinger, Margit Schreiner, Anke Stelling, Sophia Süßmilch, Philipp Winkler und Feridun Zaimoglu.

Ein wichtiges, aktuelles und sehr lesenswertes Buch!

"Wir reinigen die Welt. Von euch wird es bald nicht mehr viele geben, ihr wachst nicht nach. Denn eines habt ihr vergessen bei eurer Hetzjagd, eurem egozentrischen Glauben, das Machtgewicht würde zurückkippen in euren Schoß, eurem kurzsichtigen Vertrauen darauf, dass sich der Lauf der Geschichte nicht ändern lässt, nicht zu unseren Gunsten.
Wir haben die Kinder. Die Kinder sind bei uns.
Wir gebären sie, wir tragen sie, wenn wir fliehen, wir behalten sie. Wir ziehen sie groß, ohne Väter, die ihnen Gewalt einpflanzen. Ohne schießende, schlagende, mordende Vorbilder, ohne Narrative von Rittern und Rettern.
Wir unterrichten sie, hüllen sie ein in Liebe. Es ist eine neue Liebe, die nicht ausschließt, die nicht urteilt und nicht zwingt. Diese Liebe ist die wahre Revolution. Sie ist der Kern und der Samen, sie ist die Frucht und die Zukunft."
(aus "Tamina Blue" von Mareike Fallwickl)

"Wenn unser Selbstwert von der Unterlegenheit anderer abhängt, ist er zerbrechlich und erfordert, dass wir diese Überlegenheit ständig neu behaupten. Sich von Unterdrückung zu lösen, kann auch für Menschen aus dominanten Gruppen befreiend sein, da sie lernen, sich von ihrer verinnerlichten Überlegenheit zu lösen. Sie lernen, dass ihr Selbstwert nicht von der Unterlegenheit anderer abhängt."
(aus "Das Ende der Unterdrückung " von Emilia Roig)

"Die öffentliche Debatte um Sexismus dreht sich allzu oft um die Frage, ob es heute wirklich noch Sexismus, Patriarchat und Misogynie gibt. Die Antwort ist einfach: solange Jungen, die Röcke, Rosa, lange Haare und Nagellack tragen, unangenehme Gefühle in uns auslösen, und solange "Mädchen" ein Schimpfwort für Jungen ist, heißt es, dass unsere Gesellschaft noch nicht über Misogynie hinweg ist."
(aus "Das Ende der Unterdrückung " von Emilia Roig)

Bewertung vom 27.01.2025
Drei Schalen
Murgia, Michela

Drei Schalen


ausgezeichnet

Das letzte große Meisterwerk von Michela Murgia

Michela Murgia war nicht nur eine großartige Autorin, sondern auch Aktivistin gegen die italienische Rechte. Sie stand für Toleranz, Queerness und soziale Gerechtigkeit ein. Im Frühling 2023 machte sie ihre schwere Krankheit öffentlich. Kurz nachdem ihr Erzählband „Drei Schalen“ in Italien erschien, verstarb sie im Alter von nur 51 Jahren im August 2023, viel zu früh!

Die Menschen in Michela Murgias 12 Kurzgeschichten erleben alle auf unterschiedliche Art und Weise einen radikalen Umbruch. Basierend auf ihren eigenen Erfahrungen erzählt Michela Murgia in zwölf miteinander verflochtenen Geschichten von Krankheit und Tod, Trauer, Abschied, neuer Liebe und vom Weiterleben, von Krisen und Neuanfängen. Die meisten Geschichten sind sehr kurz und zeigen nur eine kurze Episode im Leben der jeweiligen Person, aber dank des großen Talents von Michela Murgia braucht es gar nicht mehr Worte, um es genau auf den Punkt zu bringen.

Ich finde es einfach grandios, wie Michela Murgia die 12 Geschichten ineinander verwebt. Am Ende schließt sich der Kreis mit der letzten Geschichte ... unfassbar gut gelungen!
Trotz der allesamt eher „unangenehmen“ und traurigen Themen ist es meiner Meinung nach doch auch ein Buch, das Hoffnung macht, Mut macht.
Michela Murgias Schreibstil spricht schon immer für sich und ihre Protagonisten sind alle sehr authentisch und gut getroffen. Das ist ganz große Kunst!
Das ist eine Autorin, die ich ganz schmerzlich vermissen werde! Ruhe in Frieden, Michela Murgia!

"Wer nicht weiß, wo er hingeht, kann überall ankommen."

"Unsere Geheimnisse entstehen unter den Blicken der anderen."

Bewertung vom 27.01.2025
Why We Matter
Roig, Emilia

Why We Matter


ausgezeichnet

Why we matter: Unterdrückung sichtbar machen

In ihrem Buch „Why we matter: Das Ende der Unterdrückung“ zeigt Emilia Roig die Muster der Unterdrückung auf, die es in den verschiedensten Bereichen gibt, sei es in der Liebe/der Ehe, an den Universitäten, in den Medien, im Gerichtssaal, im Beruf, im Gesundheitssystem und in der Justiz. Dazu gibt sie viele Beispiele aus ihrem eigenen Leben, geht sehr ins Persönliche; gleichzeitig sind es Themen, die viele Menschen betreffen und uns alle angehen sollten. Es werden auch viele unbewusste Diskriminierungsmuster aufgezeigt und kann bzw. sollte verändern, wie wir die Welt wahrnehmen.
Das Buch ist ein Schritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung ALLER
Das Buch hat mich total begeistert! Emilia Roig schreibt sehr gut und klug, ich konnte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen - unbedingt lesen!
Die vielfältigen Themen wie (Alltags-)Rassismus, Benachteiligung von Frauen, Flüchtlingen und Minderheiten gehen uns ALLE an! Das Buch sollte Pflichtlektüre werden!

"Warum fällt es uns heute so schwer, die Menschheit als eine kollektive Entität zu betrachten? Warum halten wir an der Idee fest, dass jede*r von uns vom Rest der Menschheit abtrennbar ist? Jede*r von uns ist der*die andere*. Jede Seele ist die Widerspiegelung von anderen Seelen."

"Das weibliche Schönheitsideal ist die gesellschaftlich konstruierte Vorstellung, das körperliche Attraktivität eines der wichtigsten Vermögen der Frauen ist, und etwas, dass alle Frauen anstreben und erhalten sollten."

"In einer Gesellschaft, die uns ständig sagt, dass wir nicht "genug" sind, ist uns selbst zu lieben revolutionär. Jede* r- Einzelne* von uns wurde genauso geboren, wie sie*er sollte. Wir sind alle perfekt, genug und liebenswert, wie wir sind. Wenn wir verstehen, dass unser Wert nicht von außen definiert werden kann, sind wir auf dem Weg der Heilung. Uns selbst zu definieren in einer Welt, die darauf besteht, uns in vorgefasste Rollen zu pressen, ist an sich subversiv. Selbstliebe braucht Zeit, Hingabe und Arbeit, und sie ist unsere größte Stärke und Waffe gegen Unterdrückung, denn wenn wir erkennen, was in uns liebenswert ist, erkennen wir die Liebe in der Menschheit als Ganzes und können unsere Verbindung mit anderen auf der Welt vertiefen."

"Alles ist eine Frage der Perspektive. Ein kollektiver Bewusstseinswandel ist möglich, hin zu mehr Verbindung, mehr Einheit, mehr Empathie und schließlich mehr Liebe."

Bewertung vom 27.01.2025
Das Ende der Ehe
Roig, Emilia

Das Ende der Ehe


sehr gut

Utopien sind hoffnungsvolle Vorstellungen ... Ein Aufruf zur Veränderung

Man(n) darf den Titel "Das Ende der Ehe" nicht falsch verstehen. Emilia Roig fordert damit nicht, dass sich alle scheiden lassen. Es geht hier um etwas Grundlegenderes. Die Ehe ist eine wichtige Stütze des Kapitalismus, da sie uns leider noch immer in starren Geschlechterrollen gefangen hält. Vor allem Frauen sind hier die Leidtragenden, finanziell und emotional. Womit weder die Autorin noch in bestreiten, dass es auch glückliche verheiratete heterosexuelle Paare gibt!
Emilia Roig fordert in ihrer Streitschrift das Ende einer patriarchalischen Institution. Sie hinterfragt die Übermacht der Ehe und geht der Frage nach, ob man Männer lieben und zugleich das Patriarchat stürzen kann. Ihrer Meinung nach wäre eine Abschaffung der Ehe nicht nur für Frauen befreiend, sondern für alle Menschen. Weg von einer starren vor staatlich „verordneten“ Version von „normal“ hin zu neuen, offenen, gleichberechtigten Lebensformen. Damit wir Liebe in Freiheit und auf Augenhöhe miteinander neu denken und leben können.

Ich kenne Emilia Roig schon von Beiträgen ln der Anthologie "Unlearn Patriarchy" und ihrem Buch "Why we matter", wo ich ihre Texte wirklich großartig fand. Bei ihrem Buch "Das Ende der Ehe“ war ich zugegebenermaße nicht mit all ihren Aussagen komplett einverstanden. Dennoch enthält das Buch wirklich einige wichtige Aussagen, denn es braucht dringend eine Veränderung!

"Der "Staat" ist weiß, männlich, aus der Mittelschicht und verheiratet. Die Interessen des Staates sind die Interessen von weißen, heterosexuellen, verheirateten Mittelschichtsmännern, denn er wird überwiegend durch genau diese Menschen repräsentiert "

"Sie sollten aufhören, ihre Männer ändern zu wollen. Man kann andere nicht ändern, höchstens sich selbst. Frauen sollten damit aufhören, Selbsthilfebücher zu lesen, die ihnen versprechen, sie könnten ihre Beziehung retten. Stattdessen können sie sich selbst die Liebe geben, nach der sie sich sehen, und von den Wunden heilen, die ihnen das Patriarchat von Kindesbeinen anzugefügt hat. Vielleicht müssen sie erst mal bemerken, dass sie verwundet sind. Alles zu seiner Zeit. Eenn sie nicht mehr auf ihre Männer fixiert sind, entstehen Raum und Energie, um die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu beachten. Und vielleicht wird das Ergebnis dieser Reise sein, dass sie ihre Beziehung beenden, und Platz zu machen für das, wonach sie streben: authentische Liebe, stärkere Verbindung und emotionale Tiefe. Trennungen sind manchmal Teil des Prozesses, das ist in Ordnung. Wenn Frauen an sich selbst arbeiten, werden die Männer Ihnen entweder folgen oder sie werden Ihnen entwachsen. Die Reise kann ohne Männer weitergehen. Was unsere Bestimmung war, wird bleiben. Was gehen muss, wird gehen "

"Wenn die Ungleichheit bisher ein Element heterosexueller Erotik war, bewirkt die Gleichheit dann das Gegenteil? Können Männer Frauen lieben, die sich als ihresgleichen betrachten? Und finden Frauen Männer attraktiv, die ihnen auf Augenhöhe begegnen und sie auch so behandeln? Bei einer Begegnung von Frauen und Männern auf Augenhöhe würden heterosexuelle Beziehungen grundlegend anders aussehen - und sich anders anfühlen. Es bedarf eine Revolution der Liebe, hin zu mehr Gerechtigkeit, mehr Freiheit ... und mehr Liebe."

"Die Vorstellung einer Gesellschaft ohne Hierarchien und ohne Unterdrückung klingt utopisch, weil wir Dominanz und Ungerechtigkeit derart normalisiert haben, dass wir die Fähigkeit verloren haben, uns eine gerechte und unterdrückungsfreie Welt vorstellen zu können. Was würde passieren, wenn wir uns erlauben würden, über eine solche Welt nachzudenken? Utopien sind keine naiven Träumereien. Ganz im Gegenteil. Utopien sind hoffnungsvolle Vorstellungen, die uns in eine bessere, gerechtere Zukunft führen. Alle großen sozialen Fortschritte sind in utopischen Visionen verwurzelt. Utopien verwirklichen sich. Zumindest Teile davon."

Bewertung vom 27.01.2025
Die Großstadtdetektive - Wer schnappt den Dieb?
Lezzi, Eva

Die Großstadtdetektive - Wer schnappt den Dieb?


ausgezeichnet

Spannend und warmherzig: Der erste Fall der „Großstadtdetektive“

"Die Großstadtdetektive" von Eva Lezzi hat uns von der ersten Seite an sofort in den Bann gezogen: Jona ist neu in der Klasse und auch in Berlin, wohin seine Familie aus Lübeck gezogen ist. Er fühlt sich sehr unwohl, als er da vor seiner neuen Klasse steht und würde sich am liebsten unsichtbar zaubern. Dann wird er auch noch neben den unsympathischen Deniz gesetzt. Als wäre das alles noch nicht schlimm genug, wird einer Klassenkameradin das Handy gestohlen, und natürlich wird auch er verdächtigt. Doch völlig unverhofft macht er sich gemeinsam mit Deniz auf die Suche nach dem verschwundenen Handy. Damit ist es aber nicht getan, denn plötzlich ist da noch ein Juwelendieb und jede Menge andere Abenteuer zu bewältigen. Gemeinsam mit Max, Irina und Laura sind Sie nun die fünf "Großstadt Detektive". Wird es ihnen gelingen, alle Fälle zu lösen?

Das Buch ist unserer Meinung nach ein wirklich gelungener Mix aus einer super spannenden Krimi Geschichte, die nebenbei aber auch noch eine wichtige Botschaft hat: Gemeinsam gelingt alles viel besser. Sie zeigt auch, wie ein friedliches Miteinander verschiedener Kulturen und von Menschen mit völlig unterschiedlichem background möglich ist. Solche Botschaften brauchen wir momentan mehr denn je!

Ganz besonders gut gefallen haben uns auch die außergewöhnlich tollen Illustrationen von Daniela Kohl (sie hat auch die "Lotta Leben"-Bücher illustriert).

Auch das Glossar am Ende des Buches finde ich eine super Idee!

Also rundum ein gelungenes, warmherziges und spannendes Kinderbuch, welches uns sehr auf eine Fortsetzung hoffen lässt.

Bewertung vom 24.01.2025
Harte Schale, Weichtierkern
Travnicek, Cornelia

Harte Schale, Weichtierkern


sehr gut

Fabiennes Freund hat mit ihr Schluss gemacht. Doch das sind nicht die einzigen Sorgen der 16jährigen. Schon seit längerer Zeit fühlt sie sich unwohl und geht deshalb heimlich zu einem Psychiater, den sie von ihrem beim Ferienjob verdienten Geld bezahlt. Der stellt die Diagnose Asperger... Und Fabienne lernt eine Menge über sich selbst...
Das Buch ist wirklich originell illustriert und sehr schön gestaltet, wie ein Tagebuch, was sehr gut zu der Erzählung aus der Ich-Perspektive passt. Wirklich ein kleines Gesamtkunstwerk.
Die Altersempfehlung ab 14 Jahren finde ich recht passend. Meiner Meinung nach ein außergewöhnliches und sehr schönes, anspruchsvolles Jugendbuch.

"Der Herr Psychotherapeut und ich, wir sind per Sie. Das mag ich. Nicht weil mir das Sie so gefallen würde, sondern weil ich mit dem Du manchmal so meine Probleme habe. Das Du ist wie ein Treppchen, auf das die Leute steigen, um einen von oben herab zu behandeln. Dass Sie hat ein zu steiles Gefälle, davon rutschen sie ab."

"Nein, das stimmt nicht, ich werde nicht therapiert, ich werde diagnostiziert. Meine Familie weiß davon nichts, ich bezahle das selbst, von meinem Ferialpraktikumslohn, meine Familie soll davon nichts wissen, weil sie davon nichts wissen will. In meiner Familie ist man nicht komisch, und wenn man komisch ist, ist das normal, und wenn man meint, nicht normal zu sein, dann zerdenkt man dass nicht alles so, übertreibt nicht mal wieder, sondern stellt man sich gefälligst nicht so an, Fabienne!"

"Du bist unglaublich gescheit, aber zum Leben zu dumm." Das hat meine Mutter einmal zu mir gesagt. Jetzt habe ich die Gescheitheit wissenschaftlich bescheinigt, aber den anderen Kram leider auch."

"Es gibt Leute, die meinen, wir würden Filter über Fotos legen, um uns das Leben zu beschönigen. Und damit Unerreichbares herstellen. Ein unstillbares Verlangen erzeugen. Sehnen und Sucht. Aber ich glaube, wir brauchen die Filterfunktionen, damit die Dinge so aussehen, wie sie wirklich sind. Für uns. Die Größe des Sonnenuntergangs auf einem zu kleinen Bildschirm. Ein geliebter Mensch in Bewegung erstarrt. Die Kamera hat ein nacktes Auge. Unsere Wahrheit ist keine reine Abbildung."

"So ein Blödsinn, du bist doch nicht behindert, Fabi, das würde meine Mutter sagen. Was war das für ein Psychologe, was weiß denn der. Du hast sicher übertrieben, und ein Stück weit kann ich sie verstehen."

"... überlegte ich, ob ich es ihr sagen sollte, wieder und wieder. Würde es etwas ändern zwischen uns? Würde sie vielleicht manche Dinge auf einmal verstehen, so wie ich sie verstehe - oder würde sie mich nur anders sehen? Habe ich eine neue Entschuldigung oder endlich einen handfesten Anker für die Unzufriedenheit mit mir?"

"Vielleicht kann man einen anderen Menschen nie ganz kennenlernen, weil Menschen sich eben ständig ändern. Kaum hat man etwas über sie gelernt, bewegen sie sich schon wieder davon."

"Manchmal vergesse ich, dass ich einen Körper habe. Also nicht in dem Sinne, dass ich mich nicht spüre, im Gegenteil, ich fühle mich gut. Besser sogar. Aber wenn ich mich selbst nicht sehe, dann sehen mich auch andere nicht. Bis mich jemand erinnert."

"Vielleicht habe ich gar kein Asperger, vielleicht bin das gar nicht ich. Vielleicht habe ich nur zu oft und zu viel darüber gelesen und habe dem Psychologen genau das erzählt, was er hören wollte. Sollte. Und ich wollte auch nur. Eine Erklärung für manches. Eine Entschuldigung, kann sein."

"Ich bin nicht gestört, ich werde gestört. Vieles auf dieser Welt stört mein seelisches Wohlbefinden sogar ganz erheblich!"

Bewertung vom 24.01.2025
Sonne in Scherben
Robinet, Jayrôme

Sonne in Scherben


ausgezeichnet

Berührend und aufrüttelnd: Ein ganz besonderer Familienroman

„Sonne in Scherben" von Jayrôme C. Robinet ist gleichzeitig ein sehr berührender, aber auch aufwühlender Roman. Wahrlich ich keine leichte Kost, aber meiner Meinung nach unbedingt lesenswert!

Zum Inhalt:
Der Transmann Enzo und seine Frau Angèle sind ein glückliches Paar, das sich ein Kind wünscht.
Als es jedoch Enzo ist, der schwanger wird (Angéle ist unfruchtbar), bricht in den Medien die Hölle los. Die beiden sind jede Menge Hass und Hetze ausgesetzt, was vor allem für Angéle kaum auszuhalten ist. Das Baby wird gesund geboren, doch wenige Tage nach der Geburt stirbt es unerwartet.
Man hätte sich ja so sehr ein Happy End gewünscht für diese beiden Menschen. Aber eine Katastrophe nimmt ihren Lauf ... Ich möchte hier nicht spoilern, möchte nur sagen: das Ende ist heftig!

Mir hat das Buch sehr gut gefallen, der wirklich großartige Schreibstil und die Charaktere.
Als Leser*in wird man hier mit rechtlichen, moralischen, ethischen und gesellschaftlichen Fragen und Grenzen konfrontiert und es gibt jede Menge Stoff zum Nachdenken über Geschlechterrollen und Liebe. Es ist auf jeden Fall ein Buch, dass einen nicht so leicht loslassen wird. Und ein Plädoyer für mehr Offenheit und Freiheit, wie jede*r das Leben leben darf.

"Und ich würde mit einem Kloß im Hals zu ihm sagen: "Papa, vielleicht ging es niemals darum, etwas zu werden. Vielleicht geht es im Leben um das Unwerden. Das Verwerden. Der Mensch zu entwerden, der nicht ich bin.
Papa, mein Name ist ab jetzt Enzo."

"Wie fühlt man sich als schwangerer Mann? Es ist unglaublich. Es ist magisch. Obwohl mein Bauch immer runter wird und ein neues Leben in mir heranwächst, fühle ich mich nicht weniger als Mann. Meine männliche Identität stelle ich nicht in Frage. Technisch gesehen sehe ich mich als Leihvater. Für Angèle bin ich ihr Mann, der unser Kind austrägt. Ich werde der Vater unseres Kindes sein, und Angèle wird seine Mutter sein. Zusammen sind wir: eine Familie."

"Enzo, ist ihnen klar, dass Sie vielen Menschen Unbehagen bereiten?"
"Aber warum denn?"
"Weil man denkt, hier ist ein maskuliner Mann mit Bart, tiefer Stimme, flachem Oberkörper ... und dann ist er schwanger. Verstehen Sie, dass dieses Bild schockieren kann?"
"Die Leute werden sich daran gewöhnen. Ich glaube die Gesellschaft ist klüger, als man denkt. Man muss ihr nur die Chance geben, das zu zeigen.:

"Ich wünsche mir nur, dass jeder Mensch die Freiheit hat, sein Geschlecht so auszudrücken, wie er es möchte."

Bewertung vom 23.01.2025
Das Gefühl von Armut
Dehnert, Celsy

Das Gefühl von Armut


sehr gut

Das Gefühl, es nicht wert zu sein

Wie fühlt es sich an, arm zu sein?
In ihrem Buch „Das Gefühl von Armut“ schreibt Celsy Dehnert über ihre persönlichen Erfahrungen mit Armut sowie über die sozialen Komponenten von Armut im Allgemeinen. Wie Armut entsteht, wen es treffen kann (eigentlich fast jeden! – dessen sind sich nur die meisten Menschen nicht bewusst) und welche Auswirkungen es hat. Das Buch ist sehr persönlich, offen und ehrlich geschrieben; gleichzeitig behandelt es aber auch ein politisches und hochaktuelles Thema.

"Schaue ich auf meine Kindheit zurück, muss ich festhalten, dass meine Eltern genau das taten, was die Gesellschaft armutsbetroffenen Eltern immer vorwirft: Sie gab mir knappes Geld vor allem für sich selbst statt für ihre Kinder aus."

In manchen Rezensionen wurde kritisiert, dass der Ton des Buchs sehr anklagend wäre. Ja, oft ist er dies tatsächlich.- Vielleicht ist aber genau DAS notwendig, damit man mal aus seiner persönlichen Komfortzone herauskommt, sich seiner Privilegien bewusst wird und sich ernsthaft mit dem Thema Armut/Geld/Gerechtigkeit/Ungerechtigkeit auseinandersetzt.

"Was allerdings bis heute geblieben ist: das Gefühl, es nicht wert zu sein."

"Leben ist mehr, als nur zu arbeiten oder zu konsumieren. Leben bedeutet auch, teilhaben zu können. Also dabei zu sein, wenn die eigenen Klassenkamerad*innen oder Kolleg*innen oder Freund*innen Dinge unternehmen und erleben. Es geht darum, das eigene Leben zu gestalten. Genau diese Möglichkeit fehlt Armutsbetroffenen oft. Sie können Ihr Leben nicht selbstbestimmt gestalten, weil ihnen dazu die Ressourcen fehlen. Fehlende Teilhabe drückt sich dabei in mehr aus, als sich bestimmte Kleidung nicht leisten zu können oder nicht mit auf Klassenfahrt zu gehen. Armut grenzt aus. Sie isoliert."

"Am Ende entscheidet damit auch unsere Herkunft oft darüber, wohin wir gehen können. Sie beschränkt oder eröffnet, welche Zugänge wir zur Gesellschaft haben. Denn in der Abgrenzung der Oberschicht gegenüber der Mittelschicht und der Unterschicht geht es ja eben immer um den Erhalt hierarchischer, gesellschaftlicher Strukturen. Es geht also vor allem darum, Menschen, die versuchen, aus ihrer angeborenen sozialen Positionen nach oben auszubrechen, den Zugang zu verwehren. Damit diejenigen, die in eine privilegierte Herkunft hineingeboren wurden, ihre Position erhalten können."

Ich finde das Buch sehr empfehlenswert, genauso wie das Buch "Wie viel: Was wir mit Geld machen und was Geld mit uns macht" von Mareice Kaiser.
Beide Bücher sind meiner Meinung nach eine gute Grundlage, um hier den Weg zu Veränderungen zu ermöglichen.

"Wir können als Gesellschaft dieser Katastrophe, die sich Armut nennt, nur etwas entgegensetzen, wenn wir aufhören, sie zu tabuisieren und zu stigmatisieren. Wir müssen uns konkret mit Armut auseinandersetzen und uns trauen, genau hinzusehen, wie sie entsteht, um ihr ein Ende setzen zu können. Dafür müssen wir uns auch zumuten, anzuerkennen, wo wir durch gesellschaftliche ideale und Praktiken dazu beitragen, dass ich Armut stetig fortsetzt. Hin und wieder müssen wir auch mutig genug sein, den Kapitalismus als Wirtschaftssystem zu hinterfragen, um allen Menschen ein Leben in Würde, Gesundheit und Freude zu ermöglichen. Denn um nichts anderes geht es."