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Tintenwelten

Bewertungen

Insgesamt 561 Bewertungen
Bewertung vom 02.11.2024
Das flüsternde Haus
Henry, Christina

Das flüsternde Haus


sehr gut

Eine Villa, in der sich furchterregende Requisiten und Kostüme türmen. Ihr Bewohner ist der berühmte Filmregisseur Javier Castillo. Sein Genre? Horrorfilme. Für Harry passt das, denn sie LIEBT Horrorfilme. Daher nimmt sie gerne die freie Stelle als Haushaltshilfe an. Doch dann gehen in dem Haus plötzlich allerlei seltsame Dinge vor: Klopfen aus leerstehenden Zimmern und eine Stimme, die um Hilfe bittet, um hier nur die harmlosesten Vorkommnisse zu nennen.

Harry ist die alleinerziehende Mutter eines 14jährigen Jungen, der ihre Leidenschaft für Filme im Allgemeinen und Horror im Besonderen geerbt hat. Sie hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich: ein strenges, konservatives Elternhaus, aus dem sie früh ausgebrochen ist, Armut, Obdachlosigkeit. Auch heute hat sie Geldsorgen, weswegen sie unbedingt auf den Job angewiesen ist. Vor diesem Hintergrund versteht man, warum sie nicht sofort das Weite sucht. Dennoch halte ich manche ihrer Entscheidungen und Verhaltensweisen bezüglich der Gruselvilla für eher fragwürdig. Als eingefleischte Liebhaberin von Schauergeschichten müsste sie es doch besser wissen. Stattdessen werden unheimliche Phänomene einfach zur Kenntnis genommen, kaum hinterfragt und der Alltag normal weiter geführt. Wenn mir sowas passieren würde, ich würde durchdrehen. In dieses Haus würde mich niemand mehr rein bekommen. Und obwohl sie ihren Sohn aus allem raushalten will, tut sie genau das Gegenteil, was mir völlig unverständlich ist.

Wir erleben die Ereignisse der Gegenwart aus Harrys Sicht. Es werden aber ebenfalls einige Einblicke in Harrys sowie Mr. Castillos Vergangenheit gewährt. Grade bei Letzterem gilt es nämlich die ein oder andere offene Frage zu klären. Harry ist voller Vorurteile was die obere Gesellschaftsschicht angeht, zu der ja auch ihr Arbeitgeber gehört. Da sie sich selbst in ständiger Geldnot befindet, „verteufelt“ sie alle, die mehr besitzen. Anscheinend ist Reichtum für sie gleichbedeutend mit einem schlechten Charakter. Anstrengend.

Die ganze Szenerie ist düster und unterschwellig bedrohlich. Christina Henry beeindruckt wieder mit ihrem besonderen Schreibstil, der mich jedes Mal direkt in seinen Bann zieht. Ich liebe die phantastischen Elemente ihrer Bücher. Bis zuletzt überlegt man, ob es nicht doch eine logische Erklärung geben könnte. Leider schleichen sich auch ein paar wenige Längen ein, die dann aber durch ein turbulentes Ende ausgeglichen werden.

Bewertung vom 01.11.2024
Tangled in Betrayal
Löding, Antonia

Tangled in Betrayal


sehr gut

Die FBI-Agentin Rachel erhält einen neuen Auftrag. Ihre Aufgabe ist es den Motorradclub Tainted Wolves auszuspähen und herauszufinden, ob es dort eine Verbindung zur Mafia gibt. Zur Tarnung gibt sie sich als eher konservative Buchhändlerin aus, welche die örtliche Buchhandlung übernommen hat. Der Biker Chris zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich, doch diese hat absolut nichts mit ihrem Fall zu tun. Schnell kommen Zweifel auf: ist der Club wirklich derart harmlos, wie er sich gibt oder kann Rachel sich nicht mehr auf ihr eigenes Urteil verlassen?

Wir erleben die Ereignisse aus Rachels Perspektive. Sie befindet sich im Zwiespalt zwischen ihrer Rolle als Agentin und ihren Gefühlen für Chris. Ich mag die Mitglieder des MCs sehr. Diese haben noch heute mit einer harten Vergangenheit zu kämpfen. Da tut es schon fast weh mitzuerleben wie Rachel dazu genötigt wird dort IRGENDETWAS auffälliges zu finden. Und das obwohl sie alle immer mehr ins Herz schließt und ihr Tun zunehmend hinterfragt. Etwas komisch finde ich allerdings, dass der Motorradclub nur aus fünf Mitgliedern besteht. Das kann man ja eigentlich eher als Clique oder gewählte Familie bezeichnen.

An Rachel ist eine Buchhändlerin aus Leidenschaft verloren gegangen. Sie liest gerne, findet Zuflucht in den Geschichten. Die Arbeit in der Buchhandlung macht ihr viel Spaß und sie bringt jede Menge Ideen mit. Die Frage ist, ob sie tatsächlich ohne jede Erfahrung oder Einarbeitung den Laden so locker schmeißen würde wie es im Buch wirkt.

Die Bewohner der Kleinstadt nehmen Rachel zunächst mit offenen Armen auf. Einige sind ziemlich misstrauisch und eher zurückhaltend, aber auch neugierig. Klatsch und Tratsch stehen auf der Tagesordnung und Gerüchte verbreiten sich rasend schnell. Normalerweise bin ich ein großer Fan des Kleinstadtsettings. Doch hier hat es einen zunehmend faden Beigeschmack. Es zeigt sich, dass die meisten Menschen engstirnig und voller Vorurteile sind.

Es handelt sich um den ersten Band einer Dilogie aus dem Genre Romantic Suspense. Wir können uns über folgende Tropes freuen: Secret Identity, Forbidden Love, He falls first, Spice. Der Cliffhanger ist ziemlich fies, mit diesem Ende habe ich so auf jeden Fall nicht gerechnet. Da will man definitiv wissen wie es weiter geht.

Bewertung vom 30.10.2024
Gruseln wie Nix
Gloge, Andreas

Gruseln wie Nix


ausgezeichnet

Nix, das kleine Gespenst ist eigentlich immer gut gelaunt. Wenn es nur nicht ständig vor allem Angst hätte. Manchmal erschrickt es sich sogar vor seinem eigenen Schatten. Als plötzlich eine Familie in sein verlassenes Schloss einzieht, hat es eindeutig ein Problem. Denn vor Menschen fürchtet es sich auch, besonders wenn diese dann sogar noch eine Halloween Party veranstalten. Die Lösung ist klar: Es muss ganz schnell lernen, wie man so richtig spukt, damit es die neuen Bewohner vertreiben kann. Dabei bekommt es Hilfe von seinen beiden Freunden Spinni, der Spinne und Schwaka, der Katze. Ob ihr Gruseltraining Nix zu einem echten Schlossgespenst macht?

👻

Diese süße, geisterhafte Geschichte ist perfekt wir Kinder und Junggebliebene, die eine passende Lektüre für die Zeit um Halloween suchen. Sie befasst sich auf altersgerechte Art und Weise mit Ängsten und ermutigt dazu sich diesen zu stellen und diese zu überwinden. Dies muss man nicht alleine tun, mit Hilfe (beispielsweise von Freunden) ist es möglich jede Hürde zu meistern. Gemeinsam ist man einfach stärker. Manchmal ist es auch so, dass Ängste aus Vorurteilen entstehen, vielleicht ist aber am Ende alles ganz anders als gedacht. Wichtig ist: für jede Angst gibt es eine Lösung. Eine tolle Botschaft!

😱

Ich liebe das Cover und die wunderschönen Illustrationen. Sie sind stimmungsvoll und sehr detailverliebt und damit für mich die Kirschen auf dem Sahnehäubchen.

🍒

Bewertung vom 25.10.2024
Ein Diadem aus Blut und Mondschein
Aschwanden, Evelyne

Ein Diadem aus Blut und Mondschein


sehr gut

Eine glamouröse Show, bei der 12 junge Frauen unter den sensationsgierigen Augen der Nation um das begehrte Monddiadem und die Gunst des Königs kämpfen. Eine Kandidatin, die nicht dazuzugehören scheint. Ein Geheimnis, das sie alle in Gefahr bringt. Die 17-jährige Marisol glaubt zunächst an einen gemeinen Scherz als sie unerwartet für den Wettbewerb ausgewählt wird. Schließlich zählt bei diesem vor allem das Äußere. Und wenn sie ehrlich ist, entspricht sie nicht ganz diesen Voraussetzungen. Sie ist weder anmutig oder elegant, noch schlank. Als sie ausgerechnet mit der diesjährigen Favoritin Yelena Zeugin einer grausigen Tat wird und damit einer dunklen Verschwörung auf die Spur kommt, bricht das Chaos aus.

Wir erleben die Ereignisse aus Marisols Sicht und fiebern die ganze Zeit mit, weil sie sich ständig in gefährliche Situationen begibt, die leicht eskalieren könnten. Ich finde sie unglaublich mutig und bewundernswert. Grade wenn man bedenkt, dass ihr jahrelang eingetrichtert wurde, dass sie aufgrund ihres Aussehens und ihrer Figur weniger wert wäre. Ihr wurde nicht nur in der Schule, sondern auch zuhause ständig suggeriert, dass man sie nicht besonders schätzt. Mobbing, Body- und Fatshaming sowie ein daraus resultierendes geringes Selbstwertgefühl spielen dementsprechend eine große Rolle.

Es handelt sich um einen Einzelband in den Genres Fantasy und Jugendbuch. Es geht um starke Heldinnen, den Kampf gegen toxische Schönheitsideale, Selbstzweifel sowie Selbstvertrauen. Wir finden hier also ebenfalls eine Gesellschaftskritik. Zudem gibt es eine plus-size Repräsentation.

Wir lernen einige der Kandidatinnen näher kennen, andere eher weniger. Alle sind auf ihre Art und Weise interessante und sehr unterschiedliche Charaktere. Meine Favoriten sind Cilian, Ren und Yelena. Ich mochte auch die zarte und queere Liebesgeschichte, die sich hier entwickelt. Sie ist nachvollziehbar und nicht zu aufdringlich, eben genau richtig!

Die Geschichte hat mich einen Hauch an „Selection“ erinnert, nur ist sie viel düsterer, blutiger und unheimlicher. Die Atmosphäre ist ziemlich bedrohlich und geheimnisvoll. Die Handlung ist temporeich, aufregend und teilweise ziemlich grausam. Für mich wieder ein gelungenes Werk der Autorin.

Bewertung vom 13.10.2024
When The King Falls / Vampire Royals Bd.1
Niehoff, Marie

When The King Falls / Vampire Royals Bd.1


sehr gut

Seit Jahrhunderten herrschen die Vampire über die Menschheit. Doch im Untergrund hat sich eine Rebellion gebildet. Florence wird seit ihrer Geburt darauf vorbereitet, den König zu töten. Bei jeder Wintersonnenwende wählt dieser eine neue Blutbraut aus, von der er sich ein Jahr nähren wird. Dieses Mal soll Florence dafür sorgen, dass er sich für sie entscheidet. Sie soll seinen Palast infiltrieren, sein Vertrauen gewinnen und letztendlich sein Leben beenden. Doch was, wenn ihr eigenes Herz sie verrät?

Es handelt sich hierbei um den Auftakt einer Dilogie im Bereich Romantasy, in der es auch ganz schön spicy zugeht. Spannend finde ich, dass das Ganze in einer modernen Welt spielt, es gibt Handys, Laptops usw. Insgesamt ist es ein ziemlich interessantes Szenario: Vampire als Herrscher/ Oberschicht, die Menschen hingegen als Unterschicht, eher verarmt und abhängig von der Gunst der Vampire. Rebellen, die ein Königreich stürzen wollen, Spionage, Intrigen, Gewissenskonflikte, ein Zwiespalt zwischen der Familie und dem Feind. Wie man sich vielleicht denken kann ist es eine Enemies to lovers Story. Ich mag dieses leichte Herantasten aneinander. Ich finde aber auch, dass alles ein bisschen vorhersehbar ist. Das Worldbuilding wurde ebenfalls eher oberflächlich gehalten. Mir fehlte ein wenig die Erklärung für die Motivation des Widerstandes, denn wir lernen die Königsfamilie und damit die Vampire ganz anders kennen, als es durch diesen suggeriert wird.

Außerdem hat Josefine echt mehr Glück als Verstand. Sie gibt ständig Widerworte und macht alles, was sie nicht sollte, wenn man bedenkt, dass sie Vampire für Monster hält und um ihr Leben fürchten sollte. Im ersten Band erleben wir die Ereignisse aus ihrer Sicht, erst im zweiten Teil kommt noch die Perspektive von König Benedict dazu. Eine nette Lektüre für zwischendurch.

Bewertung vom 13.10.2024
Wiedersehen in Wildberry Bay / Wildberry Bay Bd.3
Covi, Miriam

Wiedersehen in Wildberry Bay / Wildberry Bay Bd.3


sehr gut

Endlich hat Gwendolyn es geschafft ihren Ehemann Tom zu verlassen. Schon seit Jahren kontrolliert er sie und hält sie von ihrer Familie und ihren Freunden fern. Unglücklich und voller Angst flüchtet sie nach Wildberry Bay, wo sie von eben diesen mit offenen Armen empfangen wird. Sie trifft auch auf ihre erste große Liebe Neil und sofort flammen die Gefühle von damals wieder auf. Bekommen sie eine zweite Chance? Doch dann taucht Tom plötzlich auf und die Ereignisse überschlagen sich.

Wir erleben die Ereignisse aus den Perspektiven von Gwen und Neil. Sie waren bereits vor 20 Jahren kurz ein Paar und damals sehr verliebt. Doch in besagtem Sommer ging am Ende alles drunter und drüber, es ging vieles schief, viel schreckliches ist passiert. Letztendlich haben sie sich getrennt und Neil hat damit nicht nur sein eigenes Herz gebrochen. Beide haben ihr Leben unabhängig voneinander geführt, beide hatten es mit dieser Entscheidung alles andere als leicht. Vergessen haben sie einander allerdings nie. Ich habe es so sehr gemocht, wie sie sich hier langsam wieder angenähert haben.

Heute ist Gwen endlich aus ihrer toxischen Ehe ausgebrochen. Sie ist völlig fertig mit den Nerven und hat Angst vor einer weiteren Konfrontation mit Tom. Sie ist dermaßen ängstlich und schreckhaft, das ist wirklich schlimm zu lesen. Auch ihr Selbstwertgefühl ist im Keller, weil sie jahrelang klein geredet wurde. Sie tat mir unheimlich Leid und ich habe all ihre unterschiedlichen und extremen Gefühle nachempfinden können. Teilweise war ihr Verhalten für mich dennoch unverständlich, aber angesichts ihrer Situation war es wahrscheinlich sehr authentisch. Ich glaube, das kann man nur wirklich nachvollziehen, wenn man ähnliches erlebt hat.

Wildberry Bay und seine Bewohner:innen lösen bei mir das Gefühl aus, nach Hause zu kommen. Ich liebe das Setting: eine Insel mitten im Atlantik, ein kleiner Ort, in dem alle sich untereinander kennen und füreinander da sind. Durch die Vorgänger-Bände haben wir all diese verschiedenen Persönlichkeiten schon kennen- und lieben gelernt. Auch deren Protagonisten haben wieder einen großen Anteil am Geschehen, was ich immer sehr mag. Aber wir erfahren ebenso wie es mit einigen Nebencharakteren in Sachen Liebesdingen weiter geht. Das fand ich gut gelöst und sehr spannend. Mein besonderes Highlight ist dieses Mal auf jeden Fall Kater Elmo!

Die Themen im Buch sind natürlich alles andere als leicht: Gewalt in der Ehe, toxische Beziehungen, ein unerfüllter Kinderwunsch. Daher ist das Buch hochemotional, aber definitiv ein würdiger Abschluss der Trilogie. Schade, dass diese Reise nun schon vorbei ist.

Bewertung vom 02.10.2024
Die Konferenz der Vögel
Hauptmann, Maximilian

Die Konferenz der Vögel


sehr gut

Bei der alljährlichen Konferenz der Vögel beschließen zehn von ihnen sich auf die Suche nach dem König der Vögel zu machen. Von ihm erhoffen sie sich Antworten auf ihre Fragen. Um den König ranken sich zahlreiche Legenden, doch bisher hat ihn noch niemand zu Gesicht bekommen. Kein Wunder, denn der Weg zu ihm ist beschwerlich und voller Gefahren. Sie müssen Monstern trotzen, Meere überqueren und sich einigen Herausforderungen stellen. Jede davon bringt sie nicht nur näher an ihr Ziel, sondern auch näher zu sich selbst und schweißt die Gruppe zusammen.

Diese besteht aus Vögeln zehn verschiedener Gattungen. Ihre Charaktereigenschaften spiegeln bestimmte Arten von Menschen wieder. So ist dem Schwan beispielsweise sein makelloses weißes Federkleid besonders wichtig. Der Adler hält sich für den stärksten und besten Flieger und ist generell eher ein Eigenbrödler, während sich die kleine Bienenelfe aufgrund ihrer Größe nicht so viel zutraut. Jeder von ihnen lernt auf ihrer Reise eine wichtige Lektion, die wir auch auf unser Leben übertragen können. Es geht darum seine Stärken und Schwächen zu erkennen, Mut zu fassen und seine Ängste zu überwinden. Wir alle haben die Möglichkeit über uns hinauszuwachsen. Zusammenhalt und gegenseitiges Vertrauen sind allerdings ebenso wichtig, denn gemeinsam kann man oft mehr erreichen.

All diese Botschaften werden durch die Illustrationen von Teelke Limbeck wundervoll in Szene gesetzt. Sie experimentiert in ihren Arbeiten gerne mit ungewöhnlichen Materialien, in diesem Buch nutzt sie beispielsweise Anspitzerreste.

Diese philosophische Geschichte wurde von einem persischen Märchen aus dem 12. Jahrhundert inspiriert. Dabei ist sie zwar spirituell angehaucht, ohne dabei jedoch religiöse Bezüge herzustellen. Ein schönes Geschenk für jede Altersgruppe.

Bewertung vom 26.09.2024
Wie man würdelos altert
Pooley, Clare

Wie man würdelos altert


sehr gut

An ihrem 70. Geburtstag wird Daphne klar, dass ihr etwas fehlt und das sind Freunde. Kurzentschlossen tritt sie einem Seniorenclub bei. Zum Glück haben auch die anderen Mitglieder keine Lust auf langweilige Kaffeekränzchen. Wer hätte gedacht, dass sie es dort mit einem erfolglosen Schauspieler mit Hang zum Ladendiebstahl oder einer ehemaligen Truckerin zutun bekommen würde, die auch heute noch mit ihrem e-Rolli die Gehsteige unsicher macht? Doch Daphne weiß, dass das Alter nur eine Zahl ist und man so jung ist, wie man sich fühlt. Sie weiß auch, dass ein höheres Alter sie im Alltag unsichtbar macht, was bei ihrer Vergangenheit jedoch durchaus von Vorteil ist. Als dem Gemeindezentrum die Schließung droht, schmieden die jung gebliebenen Oldies einen Rettungsplan. Sie werden allen zeigen, dass sie trotz (oder grade wegen) ihres Alters nicht zu unterschätzen sind. Es sei denn ihnen kommen alte Sünden oder sogar die Polizei in die Queere.

Bereits der Prolog macht Lust auf mehr, denn er präsentiert uns eine bunt zusammen gewürfelte Gruppe, in der jede:r irgendein Geheimnis zu hüten scheint. Was es damit auf sich hat und wie es dazu gekommen ist, dass plötzlich eine Polizistin in ihrem Kleinbus auftaucht und eine andere Person daraufhin fluchtartig das Fahrzeug verlässt - das muss man selber lesen. Und ich kann euch sagen: es lohnt sich!

Die Geschichte wird aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt und das ist überaus unterhaltsam und interessant. Wir lernen beispielsweise die Mitglieder des Senioreclubs, dessen Leiterin und auch einen jungen, alleinerziehenden Vater kennen. Sie sind allesamt charmant, besonders und teilweise herrlich exzentrisch. Hier hat mich das Zwischenmenschliche sowie die neu entstehende Dynamik untereinander begeistert. Damit sorgen sie für zahlreiche schöne, lustige, emotionale oder einfach bemerkenswerte Situationen. Die häufigen Perspektivenwechsel lockern zudem den Lesefluss auf und halten die Spannung oben.

Für mich ist es ein gelungenes Wohlfühl-Buch, welches aber auch ein paar ernstere und gesellschaftskritische Töne anschlägt. Es geht um Einsamkeit, und Zusammenhalt, Geheimnisse und Geständnisse und um die Vergangenheit, die einen gerne dann einholt, wenn man es am wenigsten gebrauchen kann. Es geht darum, dass weder wahre Freundschaft, noch Lebensfreude oder Abenteuerlust ein Alter kennen.

Bewertung vom 26.09.2024
EnchanTriss
Wilms, Martina

EnchanTriss


sehr gut

Als eines morgens ihre Chefin vor ihren Augen explodiert und daraufhin ein völlig Fremder auftaucht, versteht Triss die Welt nicht mehr. Denn dieser behauptet doch tatsächlich, sie sei eigentlich eine sehr begabte Hexe, habe dies aber leider vergessen. Klar, in ihrem Leben häufen sich schon einige seltsame Zufälle, aber Magie gibt es doch überhaupt nicht! Oder? Zusammen mit Nicholas versucht sie verzweifelt jedes noch so kleine Puzzleteil ihrer Erinnerung aufzudecken und an den richtigen Platz zu setzen. So kommt sie nicht nur ihrer Vergangenheit und ihrer wahren Identität immer näher…

Sehr gefallen hat mir das Setting: Triss und Nicholas erleben nämlich einen heißen Sommer auf Sizilien. Es werden immer wieder italienische Ausdrücke, Redewendungen und Koseworte eingestreut, was die sommerliche und mediterrane Atmosphäre noch verstärkt. Auch ihr Unterschlupf, ein Häuschen direkt am Meer hat seinen besonderen Charme.

Mein absoluter Liebling und mein Highlight ist definitiv Katze Herb! Er ist immer für einen flotten und schnodderigen Spruch zu haben und hat mir zahlreiche Schmunzler und Lacher entlockt. Jede Szene mit ihm war für mich ein Fest. Aber natürlich habe ich auch Nonn in mein Herz geschlossen, sie ist so eine liebenswürdige Person. Bei Nicholas weiß man hingegen oft nicht so genau, woran man ist. Mal ist er überfreundlich und besorgt, dann wieder grumpelig und einsilbig. Wir erleben die Geschichte allerdings aus Triss Perspektive und erfahren daher nach und nach, wer sie eigentlich ist und was ihr passiert ist. Ich muss zugeben, dass ich mit dieser Auflösung überhaupt nicht gerechnet habe.

Insgesamt ist das Buch wirklich sehr schön magisch und witchy. Es gibt immer wieder kleinereund größere Zaubereien, Vorhersagungen oder andere übernatürliche Phänomene. Das fand ich sehr gelungen. Obwohl es im Sommer spielt, hat es für mich dennoch auch einen herbstlichen und vor allem cozy Vibe und passt deswegen perfekt in diese Jahreszeit.

Bewertung vom 26.09.2024
Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte
Moers, Walter

Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte


gut

Als großer Walter Moers Fan durfte ich mir natürlich auch sein neuestes Werk nicht entgehen lassen. Dieses Mal handelt es sich um eine Sammlung von 20 Flabeln, die alle in Zamonien spielen. Die „Flabel“ (kurz für „Lachfabel“) bezeichnet eine humorvoll-anarchische zamonische Kurzgeschichte und kennt, im Gegensatz zur klassischen Tierfabel, keinerlei Moral. Außerdem verspricht sie sieben Schmunzler, drei Lacher und ein Scherzfinale. So weit, so gut.

Besagte Flabeln stammen aus der Feder von Bestsellerautor Hildegunst von Mythenmetz, den wir bereits aus einigen anderen Zamonien-Romanen kennen. Walter Moers hat diese lediglich übersetzt und sie an unser Verständnis angepasst. Dabei nutzt er Begrifflichkeiten aus unserer modernen, menschlichen Welt, die mit der phantastischen Welt Zamoniens mal so gar nichts zu tun haben. Für meinen Geschmack hat er ihr damit ein bisschen ihren Zauber geraubt. Das liegt auch daran, weil die Flabeln eher wie eine Satire auf unsere Gesellschaft klingen. Sie sind ungewöhnlich brutal, voller Gewalt und Tod. Irgendwie folgt die Handlung meistens auch einem bestimmten Schema, so dass die Enden trotz absurder Wendungen gar nicht mehr so unerwartet kamen.

Auch hier findet sich wieder der typische Schreibstil von Walter Moers. Dieser ist phantasievoll, skurril und einzigartig. Dennoch habe ich sein „gewisses Etwas“ vermisst, welches seine Bücher eigentlich immer zu etwas besonderem macht. Den Sarkasmus, die Wortwitze und Wortneuschöpfungen… Und tatsächlich fand ich jedes andere Buch von ihm bisher charmanter und humorvoller.

Es gibt zahlreiche Gastauftritte bekannter Charaktere sowie Anspielungen auf andere Werke des Autoren, was ich wirklich sehr gemocht habe. Gefallen haben mir auch die 45 Illustrationen von Walter Moers.

Für Walter Moers Fans ist dieses Buch wahrscheinlich ein Muss. Als Erstlektüre des Autoren würde ich es aber definitiv nicht empfehlen. Es ist weder ein guter Einstieg in die zamonische Welt, noch überzeugt der Autor wie gewohnt. Greift lieber zu einem seiner Romane (mein Liebling: Die Stadt der träumenden Bücher)!