Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
R. S.

Bewertungen

Insgesamt 182 Bewertungen
Bewertung vom 13.11.2022
Connemara
Mathieu, Nicolas

Connemara


gut

Langatmiger französischer Gesellschaftsroman

"Connemara" von Nicolas Mathieu ist die Geschichte von Hélène, die verheiratet ist, zwei Kinder hat und ihr Leben gemeistert hat. Hélène und Christophe wachsen in der gleichen Stadt auf und bewegen sich in unterschiedlichen sozialen Kreisen. Er ist ein Eishockeystar, der von seinen Kollegen verehrt wird und dem ein großes Schicksal bevorsteht. Sie setzt alles auf ihre hervorragenden schulischen Leistungen, um aus dieser Situation herauszukommen, alles, um nicht wie ihre Eltern zu sein. Hélène hat ihre Heimat verlassen, um in Paris zu studieren, dort eine glänzende Karriere zu machen, eine schöne Ehe zu führen, kurz gesagt, dort das Leben zu leben, von dem sie geträumt hat. Jahre später, im Alter von 40 Jahren, begegnen sich Hélène und Christophe zufällig. Eine Flamme, die bei beiden längst erloschen ist, wird wieder entfacht. Doch schon bald stellt sich die entscheidende Frage: Worum geht es in dieser Beziehung wirklich?

Ich bin bei diesem Buch sehr hin- und hergerissen zwischen Anziehung und Langeweile. Die Geschichte fand ich besonders am Anfang interessant, doch gleichzeitig war ich stellenweise sehr gelangweilt, weil ich den beiden Protagonisten nicht wirklich nahekam und ich mich so nicht großartig für ihr Schicksal interessierte.
Zu Beginn wurde ich in den Roman hineingezogen: Als sich die Handlung entwickelte, ließ mein Interesse jedoch etwas nach, was vor allem auch an unnötigen langen Ausführungen über nicht handlungsrelevante Themen wie z. B. die Funktionsweise von HR-Beratungsfirmen lag.
Auch war das Ende mir zu abrupt im Vergleich zum Rest der Geschichte.

Gut gefallen hat mir jedoch der Schreibstil des Autors. Mit schonungsloser Klarheit und Genauigkeit schreibt Nicolas Mathieu über die Jugendträume, die man erreicht oder nicht erreicht, über Frankreichs Gesellschaft und darüber, was der Ausdruck "Erfolg im Leben" bedeutet.

Die Stärke des Romans ist sein sozialkritischer Aspekt. Es geht um den sozialen Fahrstuhl, die Konkurrenz in der Schule, die Uni und später im Beruf. Ebenso wird auf die Vergänglichkeit unserer Existenz angespielt, die Realität des Alterns und die Verleugnung, die es mit sich bringt und das ein guter Posten und volle Bankkonten nicht alles im Leben ist.

Insgesamt ist "Connemara" ein Buch mit starken Ansatz, aber mit Schwächen in der Umsetzung und dem besonders im Mittelteil weniger Seiten besser getan hätten.

Bewertung vom 11.11.2022
Der große Coup des Monsieur Lipaire / Die Unverbesserlichen Bd.1
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Der große Coup des Monsieur Lipaire / Die Unverbesserlichen Bd.1


sehr gut

Humorvolles Katz-und-Maus-Spiel durch Südfrankreich

In "Die Unverbesserlichen" von Volker Klüpfel und Michael Kobr schickt das Autoren-Duo einen diesmal nicht ins Allgäu, sondern nach Frankreich an die Côte d’Azur. Protagonist und Gelegenheitsgauner Guillaume Lipaire, von Beruf Hausmeister, vermietet illegal die Ferienhäuser seiner Kunden ohne deren Wissen. Als er jedoch eines Tages eine Männerleiche findet, ist dies der Auftakt zu einem irrwitzigen Katz-und-Maus-Spiel zwischen ihm und seinen mehr oder weniger kriminellen Freunden sowie einer alten eingesessenen Adelsfamilie. Denn der tote Mann hatte anscheinend von einem Geheimnis gewusst, das Lipaire und Co. zu Reichtum verhelfen könnte.

Wer das Autoren-Duo kennt, kann davon ausgehen, dass es sich bei "Die Unverbesserlichen" um eine unterhaltsame und spannende Geschichte mit südfranzösischen Urlaubsflair handelt. Kurzweilig geschrieben und angenehm zu lesen, folgt man gebannt wie Lipaire versucht erst die Leiche gemeinsam mit seinen Ziehsohn Karim verschwinden zu lassen und dann, wie er sich mit weiteren Freunden und Bekannten auf die Suche nach dem Geheimnis rund um den toten Mann machen. Ihre Suche ist dabei von glücklichen Zufällen, aber auch Pleiten, Pech und Pannen gekennzeichnet sowie einer Adelsfamilie, die ihnen dicht auf den Fersen ist. Kurze Kapitel und geschrieben, teils aus verschiedenen Perspektiven, folgt man einem turbulenten Wettrennen und ehe man sich versieht, ist das Buch auch schon zu Ende.
Die Charakterzeichnung ist gut gelungen, auch wenn manchmal vielleicht etwas zu überzeichnet oder klischeehaft, aber da man nicht lang an den einzelnen Handlungspunkten verweilt, stört es nicht weiter. Besonders die Gruppe rund um Lipaire und Co. ist auf ihre eigene Art und Weise liebenswert und man freut sich schon auf weitere Abenteuer.
Auch wenn nicht jeder Witz zündet, sorgt die Geschichte eine heitere Lesezeit und ist somit perfekt für Liebhaber leichter Gaunerkomödien, die sich selbst nicht so ernst nehmen sowie Fans des Autoren-Duos.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.11.2022
The Dark
Haughton, Emma

The Dark


gut

Außergewöhnliches Setting, aber schwache Handlung

Dr. Kate North kann den Erinnerungen an ihre Vergangenheit nicht entkommen. Überall, wo sie hinkommt, wird sie ständig daran erinnert, was sie hatte und was sie verloren hat. Um ihrer Vergangenheit zu entkommen, hat sie sich als Ärztin auf der UN-Forschungsstation in der Antarktis beworben. Als sie genommen wird, übernimmt sie die Stelle des vorherigen Arztes, der auf mysteriöse Weise ums Leben kam. Die Bedingungen auf der Station sind trostlos, es herrscht 24 Stunden am Tag totale Dunkelheit und die Temperaturen sind tödlich, sodass es von größter Wichtigkeit ist, dass das Team auf der Station körperlich und seelisch vorbereitet ist. Kate stellt ihre eigene Eignung immer wieder infrage, weil sie zu viele verschreibungspflichtige Medikamente nimmt und seit langer Zeit Angst vor der Dunkelheit hat. Bei ihrer Ankunft wird Kate klar, dass es einige unbeantwortete Fragen zum plötzlichen Tod ihres Vorgängers gibt. Während Kate tiefer in die Geschehnisse um Jean-Luc eindringt, beginnt sie an ihren Kollegen zu zweifeln. Wem kann sie vertrauen? Wer hat Geheimnisse vor ihr? Und was ist wirklich mit Jean-Luc.... passiert?

Die Vorstellung eines Mörders auf einer antarktischen Basis ist ein ziemlich erschreckender Gedanke. Der Autorin gelingt es, den Schrecken der Leere, der Dunkelheit und das Gefühl der Hoffnungslosigkeit, das die Figuren empfinden, einzufangen. Die eiskalte und klaustrophobische Atmosphäre innen- und außerhalb der Forschungsstation sind deswegen auch der eigentliche Star des Thrillers. Der Schreibstil ist sehr bildlich und man spürt förmlich die Kälte, wenn sie draußen in der Antarktis unterwegs sind.

Was mich trotz vielversprechender Prämisse nicht so richtig überzeugen konnte, waren die Handlung und die Protagonistin Kate. Die Hauptfigur empfand ich an manchen Stellen als nervig und ich wurde nie so richtig warm mit ihr. Auch ihre Entscheidungen und detektivischen Fähigkeiten lassen zu wünschen übrig. Der hohe Medikamentenkonsum von Kate tat sein Übriges.
Zwar ist der Schreibstil atmosphärisch und angenehm zu lesen, aber so richtig Spannung kam erst nach mehr als der Hälfte des Buches auf.
Auch fand ich das Ende ein bisschen enttäuschend. Es ging Vergleich zum restlichen Buch sehr schnell, es gab zu viele unplausible Ereignisse und es wurden einfach absolut dumme Entscheidungen meiner Meinung nach getroffen. Das Motiv, als es aufgedeckt wurde, wirkte fadenscheinig. Es war einfach zu viel los, sowohl bei den Nebenhandlungen als auch bei den Charakteren. Da habe ich mir mehr erwartet.

Insgesamt ist „The Dark“ von Emma Haughton ein kurzweiliger Thriller, der durch sein außergewöhnliches Setting und seiner düsteren Stimmung besticht, jedoch mit Schwächen in der Handlung und einer wenig sympathischen Protagonistin.

Bewertung vom 05.11.2022
Die Bücher, der Junge und die Nacht
Meyer, Kai

Die Bücher, der Junge und die Nacht


sehr gut

Mysteriöser und fesselnder Roman über die Kraft der Bücher und der Liebe

Anhand von drei Handlungssträngen (1933, 1944 und 1971), wird in "Die Bücher, der Junge und die Nacht" nach und nach das Geheimnis um ein rätselhaftes Buch, einen Bücherdieb und einen Jungen ohne Erinnerung vor der Kulisse der Zeit vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg sowie der Stadt Leipzig gelöst.
Die Geschichte beginnt 1943 mit einem Jungen, der infolge der Bombardierung von Leipzig von einem mysteriösen Mann namens Mercurio aus einem Herrschaftshaus gerettet wird, in welchem der Jungen bis dahin gefangen gehalten wurde. Anhand des zweiten Handlungsstranges folgt man dem Buchbinder Jakob Steinfeld durch Leipzig, als dieser 1933 von Juli Pallandt, Tochter einer wohlhabenden Verlegerfamilie, den Auftrag bekommt, ein Buch zu binden. Er verliebt sich in sie, doch bald ist Juli verschwunden. 40 Jahre später kommt Robert Steinfeld, Sohn von Jakob Steinfeld, gemeinsam mit Marie auf die Spur des geheimnisvollen Buches, das eng mit seinem eigenen Schicksal verbunden ist.

Anfangs brauchte ich etwas Zeit, um in die Geschichte hereinzukommen, doch mit jedem weiteren Kapitel, mit dem man weiter ins Geheimnis rund um Jakob und Robert Steinfeld sowie um Juli Pallandt eintaucht, konnte mich das Buch immer mehr in seinen Bann ziehen. Besonders wenn die verschiedenen Handlungsstränge langsam zueinanderfinden, kann man nur schwer das Buch aus der Hand legen.

Gut gefallen haben mir vor allem die mysteriöse und spannende Handlung, die stimmungsvolle Beschreibung der Handlungsorte sowie die vielschichtige und glaubwürdige Charakterzeichnung. Besonders Jakob, Grigori, Robert und Marie sind mir ans Herz gewachsen.

Auch wenn sprachlich manchmal etwas zu viel gewollt, gelingt es der Autor mit seinem atmosphärischen und bildgewaltigen Schreibstil ein authentisches und zugleich mysteriöses Bild der verschiedenen Handlungsorte und handelnden Personen zu schaffen sowie den jeweiligen Zeitgeist einzufangen. Gekonnt hält er die Waage zwischen leichteren und düsteren Szenen und zeigt hierbei, dass er sowohl dramatische als auch emotionale Szenen spannend und berührend darstellen kann.

Die Bücher, der Junge und die Nacht von Kai Meyer ist ein fesselndes und toll geschriebenes historisches Buch über Bücher und welche Kraft und Faszination in ihnen wohnt bzw. welche sie auf einen ausüben können. Des Weiteren ist es ein bewegendes Buch über ein Stück Leipziger Stadtgeschichte, dem Zweiten Weltkrieg und die Zeit bis in die 70er-Jahre sowie auch ein Teil Abenteuerroman.
Nicht nur für Bücherliebhaber empfehlenswert.

Bewertung vom 04.11.2022
Happy New Year - Zwei Familien, ein Albtraum
Stehn, Malin

Happy New Year - Zwei Familien, ein Albtraum


gut

Eine Silvesterparty, die zu wünschen übrig lässt

2.5/5

"Happy New Year" von Malin Stehn beginnt mit einer Silvesterparty, zu der Fredrik und Nina von ihren Freunden Lollo und Max eingeladen werden. Etwas widerwillig überlassen sie ihrer Teenager-Tochter Smilla die Ausrichtung ihrer ersten "Erwachsenen"-Party, unterstützt von Lollos und Max' Tochter Jennifer, doch dann verschwindet Jennifer. Die Ereignisse, die sich im Laufe des Abends sich ereigneten, haben katastrophale Folgen für alle Beteiligten, und das Leben ist für keinen von ihnen nach dem Verschwinden von Jennifer mehr dasselbe, denn alle haben etwas zu verbergen.

Aus der Ich-Perspektive verschiedener handelnder Charaktere in kurzen Kapiteln erzählt, beginnt die Geschichte stark. Doch schon bald hat mich für die Spannung beim Lesen deutlich nachgelassen, erst gegen Ende nahm die Geschichte wieder an Fahrt auf. Die Auflösung, was hinter Jennifers Verschwinden steckte, wurde mir dann aber zu schnell und zu wenig glaubwürdig abgehandelt.
Ursache der fehlenden Spannung war, dass einerseits aufgrund der häufigen Perspektivenwechsel manche Handlungsstränge quasi doppelt erzählt werden und dass andererseits zwar durch die Ich-Perspektive eine emotionale Nähe zu den jeweiligen Charakteren hergestellt wurde, dies jedoch teils zu einer oberflächlichen und klischeehaften Charakterdarstellung führte. Hinzu kam, dass keine der Charaktere wirklich sympathische Charaktereigenschaften hatte, sodass es mir schwerfiel, eine Verbindung zu ihnen aufzubauen. Dementsprechend verlor ich schnell das Interesse daran, wer schuldig war oder nicht oder was ihre Geheimnisse waren. Nach Lesen des Klappentextes habe ich mir deutlich mehr Spannung und überraschende Wendungen erhofft. So bleibe ich leider enttäuscht zurück.

Insgesamt ist "Happy New Year" eine kurzweilige Lektüre, die genug Wendungen hat, um einen zum Weiterlesen zu bewegen, die mich jedoch bezüglich der Handlung und des Spannungsbogens nicht wirklich überzeugen konnte. Bedingt durch die häufigen Perspektivenwechsel fehlte es vor allem im Mittelteil an Spannung. Ebenso war mir die Charakterzeichnung und die Handlung teils zu oberflächlich und klischeehaft. Für mich ist der Thriller eher eine Enttäuschung.

Bewertung vom 03.11.2022
Agent Sonja
Macintyre, Ben

Agent Sonja


sehr gut

Fesselnd wie ein James-Bond-Film

Ben Macintyre schildert in "Agent Sonja" die Geschichte von Ursula/Sonja, einer jüdischen deutschen Sozialistin, die von 1930 bis in die 1950er Jahre in Schanghai, Polen, der Schweiz und Großbritannien für den sowjetischen Geheimdienst als Spionin tätig war. Die unscheinbar wirkende Mutter und Ehefrau war in Wirklichkeit unter dem Codenamen Sonya bekannt und entzog sich der Gefangennahme durch China, den Nazis, dem MI6 und dem FBI. Sie reiste durch mehrere Länder, mehrere Ehemänner und mehrere Loyalitäten in ihrem Bestreben, den Kommunismus zu fördern und Hitler zu besiegen, als dieser an die Macht kam. In ihrer Tätigkeit als Spionin sendete und empfing sie geheime Funksignale, verwaltete ein Netz von Agenten in ganz Europa, gab geheime Informationen über die Atombombe an die Sowjets weiter und wurde später zur einer äußerst beliebten Kinderbuchautorin in Ostdeutschland.

Obwohl es ein Sachbuch ist, hat man bei der Lektüre eher das Gefühl, dass man einen spannenden Spionageroman als eine wahre Geschichte liest. Das Buch besteht aus lebendig erzählten Abschnitte aus Ursulas Leben, ihrer Tätigkeit als Spionin und interessanten Einblicken hinter die Kulissen des 2. Weltkrieges und des Kalten Krieges. Der Autor schafft es mittels Tagebucheinträgen, Aufzeichnungen und Briefen ein umfassendes und ehrliches Bild von Ursula zu zeichnen. Ebenso ist das Buch eine Sammlung interessanter Enthüllungen über geheime Operationen und die Funktionsweise des sowjetischen Spionagenetzes während des Kalten Krieges. Es erforscht das Aufeinanderprallen von Ideologien, die Herausforderungen, die eine Frau bei der Spionagearbeit zu bewältigen hat, und die allgemeine, oft brutale Aufopferung für die Sache. Trotz mancher langatmiger Textstellen verliert man beim Lesen nicht das Interesse, was auch daran liegt, dass der Autor ab und an auch humorvolle Details in den Text einarbeitet, um so die Absurdität der Situation zu verdeutlichen, vor allem dann, wenn die Leute so schlecht in ihrem Job sind, dass jeder annimmt, sie würden für den Feind arbeiten.

"Agent Sonja" ist eine interessante und fesselnd erzählte wahre Geschichte über eine weibliche Spionin in einer von Männern dominierten Welt. Das Sachbuch zeugt von einer guten Recherchearbeit und liest sich teilweise wie ein James-Bond-Film, sodass auch Fans von Spionageromanen großen Gefallen an dem Buch finden werden.

Bewertung vom 02.11.2022
Elektra, die hell Leuchtende
Saint, Jennifer

Elektra, die hell Leuchtende


gut

Spannungsarme Nacherzählung aus Sicht der Frauen

"Elektra, die hell Leutchende§ von Jennifer Saint erzählt drei Geschichten rund um die Ereignisse des Trojanischen Krieges. Es ist die Geschichte von Kassandra, Klytämnestra und Elektra, drei Frauen, die durch Unglück und Krieg miteinander verbunden sind. Sie sind Spielzeuge der Götter und der Menschen. Kassandra ist eine trojanische Prinzessin, die Visionen von der Zukunft hat, aber da sie verflucht ist, schenkt man ihr kaum Glauben. Bei Klytämnestra handelt es sich um die Schwester von Helena und Ehefrau von Agamemnon, und Elektra ist die Tochter von Klytämnestra und Agamemnon.

Mein Interesse an dem Buch wurde durch die vielversprechende Prämisse geweckt, dass es sich um eine Nacherzählung des trojanischen Krieges aus Sicht der Frauen handelt. Leider konnte das Buch mich jedoch nicht so fesseln, wie ich es mir erhofft habe. Trotz des angenehm zu lesenden Schreibstils fiel es mir schwer, der gut recherchierten Handlung gespannt zu folgen, was einerseits an dem langsamen Erzähltempo und andererseits an den unterschiedlich stark erzählten Perspektiven lag. Besonders in der Mitte des Buches nahm die Spannung für mich deutlich ab, um erst wieder gegen Ende an Fahrt aufzunehmen.
Wenig beigetragen zu meinem Lesegenuss hat auch, dass die Kapitel aus Sicht von Elektra für mich ziemlich blass im Vergleich zu denen rund um Kassandra und Klytämnestra waren. Obwohl der Titel des Buches suggeriert, dass es sich bei Elektra um die tonangebende Protagonistin der Geschichte handelt, fällt ihre Charakterisierung im Vergleich zu den anderen beiden Frauen am schlechtesten aus. Zu keinem Zeitpunkt fühlte sich Elektra als ein voll entwickelter und greifbarer Charakter für mich an. Alles an ihr hat nur mit ihrer Beziehung zu ihrem Vater zu tun. Ihre Motivationen, Interessen und ihr Lebensweg drehen sich alle um ihn. Im Gegensatz dazu sind die Darstellungen von Kassandra und Klytämnestra von deutlich mehr Tiefe gekennzeichnet, sodass mich ihre Geschichten insgesamt mehr interessierten.

Alles in alles ist "Elektra, die hell LeuchtendeE eine gute aber spannungsarme Nacherzählung der Geschichte rund um Troja, die einen bei Lesen in das antike Griechenland versetzt, die die Frauen in den Mittelpunkt rückt und von deren Macht erzählt. Wieso das Buch aber Elektra heißt, hat sich mir nicht so ganz erschlossen.
Für Liebhaber der griechischen Mythologie zu empfehlen.

Bewertung vom 01.11.2022
EAST. Welt ohne Seele / Jan Jordi Kazanski Bd.1
Jensen, Jens Henrik

EAST. Welt ohne Seele / Jan Jordi Kazanski Bd.1


gut

Wendungsreicher Spionagethriller ohne viel Spannung

"EAST - Welt ohne Seele" von Jens Henrik Jensen ist ein Agententhriller, der mich leider nicht so begeistern konnte wie erhofft. Ein langsamer Spannungsaufbau, ausführliche Ortsbeschreibungen und ein häufiger Perspektive- und Ortswechsel sorgen für einen holprigen Start in die Handlung rund um den Protagonisten und CIA-Agenten Jan Jordi Kazanski und nimmt erst zu Ende hin an Fahrt auf.

Jan Jordi Kazanski ertrinkt seine Trauer um seine tote Frau und Tochter in Alkohol und ist deswegen auch von seiner Tätigkeit als CIA-Agent entbunden. Doch dann wird er zurück in den Dienst beordert, um eine in der Krakauer Unterwelt bekannte Größe mit dem Decknamen "Das Weib" ausfindig zu machen. Ehe er sich versehen kann, gerät er in ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel zwischen verschiedenen kriminellen Akteuren und verschiedener Geheimdienst.

Auch wenn die Handlung alles bereithält, was ein spannender Spionagethriller auszeichnet, lässt die Umsetzung zu Wünschen übrig. Der Anfang des als Thriller bezeichneten Spionageromans gestaltet sich sehr langatmig, die teils ausschweifenden Ortsbeschreibungen und die häufigen Wechsel zwischen verschiedenen Handlungsorten und handelnden Charakteren sorgen mehr für Verwirrung als für einen fesselnden Lesegenuss. Erschwerend kommt hinzu, dass es schwerfällt, mit Kazanski als Protagonist warm zu werden. Entweder trinkt er oder er hat Sex. Die Suche nach dem "Weib" scheint da eher eine Nebentätigkeit in Krakau darzustellen.
So richtig Fahrt nimmt der Thriller erst Richtung Ende hin auf, wenn alle Fäden zusammenlaufen und deutlicher wird, wer Freund und Feind ist. Für mich leider etwas zu spät, um mich restlos begeistern zu können.

Liebhaber von Spionagegeschichten, die an die Zeit des Kalten Krieges erinnern, könnten vielleicht Gefallen an der Geschichte finden.

Bewertung vom 28.10.2022
Als die Welt zerbrach
Boyne, John

Als die Welt zerbrach


gut

Die Frage nach der Schuld und dem Umgang damit

"Als die Welt zerbrach" ist die Fortsetzung von "Der Junge im gestreiften Pyjama"und richtet sich an ein erwachsenes Publikum. Es ist durchaus möglich, beide Bücher für sich allein zu lesen, aber man merkt, dass beide miteinander verwoben sind. Der Roman ist als eine interessante Charakterstudie angelegt und wirft komplizierte psychologische Fragen über Schuld, Vergeltung und Vergebung auf. Der Autor versucht eindeutig, diese Frage im Rahmen der Handlung zu erforschen, aber insgesamt finde ich, dass dies nicht besonders gut gelungen ist.

Die Handlung umspannt mehrere Jahrzehnte und erforscht Gretels Leben nach dem Krieg, ihren Kummer, ihre Schuldgefühle und ihr schlechtes Gewissen, während sie versucht, nach den Gräueln, die ihr Vater in Auschwitz begangen hat und denen sie nicht ganz so ignorant gegenüber war, wie sie vorgab, ein seelisches Gleichgewicht zu finden. Erzählt mittels zwei Zeitsträngen, einer zu verschiedenen Zeitpunkten in der Vergangenheit und einer in der Gegenwart in London, folgt man Gretel in der Vergangenheit zunächst ihr und ihrer Mutter, wie sie beide versuchen, sich in Frankreich unter die Einheimischen zu mischen, Sie ändern ihre Identitäten, um ihre deutsche Vergangenheit hinter sich zu lassen, was jedoch nicht gelingt. Nachdem Mutter und Tochter jedoch von den Einheimischen enttarnt werden, flieht Gretel nach Australien um dort einen Neuanfang zu wagen. Doch auch dort holt sie ihre Vergangenheit ein. Der Erzählstrang in der Gegenwart zeigt Gretel, die inzwischen über 90 Jahre alt ist, in ihrer wohlhabenden Londoner Wohnung, in die sie gezogen ist, nachdem sie aus Australien nach England kam. Als ein kleiner Junge und seine Eltern im Erdgeschoss einziehen, wird sie erneut an ihre Vergangenheit und an ihren toten Bruder erinnert. Als sie merkt, dass der Junge ihre Hilfe braucht, gerät sie ungewollt in einen häuslichen Aufruhr, der ihr Leben völlig umkrempelt.

Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich ganz auf das Buch einlassen konnte. Gut gefallen hat mir der Erzählstil, der zwischen Gretels Leben als junge Frau und ihrem Leben als ältere Frau hin- und herspringt, mit gelegentlichen Zwischenspielen zu ihrer Kindheit vor Brunos Tod.
Weniger gut gefallen hat mir abgesehen von Gretel die schwache und teils klischeehafte Charakterisierung der anderen Charaktere sowie die gekünstelten Dialoge. So erfährt man zum Beispiel nicht viel darüber, was Edgar, ihr verstorbener Ehemann, zu ihr hingezogen hat und was seine Motivation war, in ihrer langen Ehe zu bleiben, obwohl er offensichtlich viel über ihre Vergangenheit wusste und diese auch später mit Caden, ihren Sohn, teilte. Auch fand ich Teile des Dramas um die neu eingezogene Familie zu konstruiert und das Ende etwas unglaubwürdig.

"Als die Welt zerbrach" ist viel emotionaler und nachdenklicher als sein Vorgänger, aber auch wie "Der Junge im gestreiften Pyjama" nicht frei von Fehlern, sodass das Buch mich im Ganzen nicht wirklich überzeugen konnte. Trotz des schwierigen Themas hatte ich beim Lesen eher das Gefühl, dass mir die Handlung und die Gedanken- und Gefühle von Gretel erzählt werden, anstatt das ich sie "fühlen" konnte. Ich hatte mir insgesamt etwas mehr Tiefe in Bezug auf Thema und Charakterbildung erhofft und bliebt ziemlich unberührt zurück.