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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 754 Bewertungen
Bewertung vom 15.09.2022
Der alte Mann und das Meer
Hemingway, Ernest

Der alte Mann und das Meer


sehr gut

Der auf Kuba entstandene und später verfilmte Kurzroman wurde 1952 veröffentlicht. Er handelt von dem alten Fischer Santiago und seinem Kampf mit einem großen Marlin (Schwertfisch). Protagonisten sind Santiago und sein Freund, der Junge Manolin, der ihn manchmal auf seinen Touren begleitet und ihn mit Essen versorgt.

Nach einer langen Flaute hat Santiago Erfolg. Ein Schwertfisch beißt an. Der Fischer ist bis an seine Grenzen gefordert. Es entwickelt sich ein lang andauernder Kampf mit dem Fisch, sinnbildlich ein Existenzkampf mit den Urgewalten der Natur. Der Kampf und Santiagos Zwiesprachen mit dem Fisch werden detailliert beschrieben.

In den Roman wird viel hinein interpretiert. Neben religiösen Anspielungen (Hiob, Versuchung Christi, Begrenztheit des Menschen) gibt es Vergleiche mit Melvilles Kapitän Ahab und Moby-Dick sowie autobiografische Anspielungen. Die reale Figur DiMaggio steht wohl für die Leidensfähigkeit und Kampfgeist.

Es ist ein Zeichen von großer Literatur, wenn verschiedene Interpretationen möglich sind, die weit über die Handlungsebene hinausgehen. So entwickelte sich das leicht verständliche Buch zu einem Bestseller, der viele Kreise anspricht. Fazit: Man darf nie aufgeben, auch wenn der Kampf sinnlos erscheint.

Bewertung vom 08.09.2022
Unterm Birnbaum
Fontane, Theodor

Unterm Birnbaum


sehr gut

Behandelt wird ein fiktiver historischer Kriminalfall, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in dem Dorf Tschechin im Oderbruch in Brandenburg spielt. Die Novelle entstand 1886. Fontane legt den Fokus auf die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Menschen. Er thematisiert insbesondere Schuld und Sühne.

Protagonisten sind Ursel und Abel Hradscheck. Sie betreiben eine Gastwirtschaft. Die Eitelkeit und Geltungssucht von Ursel und die finanziellen Nöte von Abel, der gerne großspurig auftritt, führen zum eiskalten Mord ihres Gläubigers Szulski, der Schulden eintreiben will. Abels Plan ist perfekt und wird skrupellos umgesetzt.

Gibt es ein perfektes Verbrechen? So wie Dostojewskis Raskolnikow in „Schuld und Sühne“ von seinem Gewissen geplagt wird, erleidet auch Ursel Gewissensqualen. Der sonst so rational denkende Abel lässt sich von Nachbarin Jeschkes Gespenstergeschichten verunsichern.

In Fontanes moralischem Weltbild bekommt jeder die Strafe, die er verdient hat. Das Wissen um die eigene Schuld führt zu innerer Unruhe und irrationalen Handlungen. In diesem Sinne ist es auch ein psychologisches Werk. Störend wirkt beim Lesen einzig der schwer verständliche Dialekt.

Bewertung vom 06.09.2022
Die ersten Menschen / Illustrierte Geschichte der Menschheit
Burenhult, Göran

Die ersten Menschen / Illustrierte Geschichte der Menschheit


sehr gut

„Die ersten Menschen“ ist der erste Band einer fünfbändigen Enzyklopädie über Archäologie und Anthropologie. Es handelt sich um ein populärwissenschaftliches Buch, in dem renommierte Wissenschaftler aus verschiedenen Kontinenten der Welt zu Wort kommen und über ihre aktuellen wissenschaftlichen Forschungen berichten. Die Ergebnisse paläoanthropologischer Forschung werden einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Es ist ein Buch für interessierte Laien.

Im Fokus stehen die Ursprünge der Menschheit, soweit sie heute anhand von Funden rekonstruierbar sind. Dazu zählen auch Wanderungsbewegungen unserer Vorfahren über die Erde bis nach Australien und hin zu pazifischen Inseln und der Arktis sowie die Anfänge der Kunst (z.B. Höhlenmalereien), der Sprache, der Grabbeigaben und allgemein kultureller Handlungen. Interessant ist, dass Sprachfamilien mit genetischen Populationen zusammenpassen. Eng verwandte Populationen besitzen eng verwandte Sprachen.

Das Buch ist thematisch strukturiert. Hilfreich sind die Erläuterungen zu den verschiedenen Datierungsmethoden, um das Alter der Fossilien zu bestimmen sowie diverse Zeitskalen, um den chronologischen Ablauf darzustellen. Zahlreiche Grafiken und Bilder tragen zum besseren Verständnis bei. In einem Glossar am Ende des Buches werden wichtige Begriffe erläutert. Es handelt sich insgesamt um ein verständliches lehrreiches Werk, welches empfehlenswert ist.

Bewertung vom 05.09.2022
Mein Weltbild
Einstein, Albert

Mein Weltbild


gut

Das Buch enthält Texte von Albert Einstein aus Interviews, Artikeln, Notizen, Reden und sonstigen Auftritten. Auf diese Weise erhalten die Leser einen Eindruck von Einsteins Denkweise.

Die Texte sind nach Themen strukturiert. Dazu zählen u.a. Politik und Pazifismus, Judentum, Wissenschaft und Glaube sowie Stellungnahmen zu herausragenden Persönlichkeiten.

Hilfreich wäre eine chronologische Abfolge gewesen, um Einsteins Entwicklung darzustellen. So ist anhand der Texte nicht immer erkennbar, wann und in welchem Zusammenhang Einstein was gesagt hat.

Der Anteil wissenschaftlicher Texte dominiert das Buch. Das dürfte für manche Leser besonders interessant sein, könnte andere Leser, die den Fokus auf Einsteins Weltbild gelegt haben, abschrecken.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.08.2022
Die Kinder von Eden
Ken Follett

Die Kinder von Eden


weniger gut

Die Idee des Buches, künstlich Erdbeben auszulösen, um Forderungen gegenüber der Regierung durchzusetzen, ist genial. Leider hat die Umsetzung des Plots einige Mängel. Sie ist einfach nicht raffiniert genug. Ständig passieren den Protagonisten simple Fehler, die das FBI auf die Spur der Täter führt.

Die Geschichte bedient übliche Klischees: Ein allzeit bereiter Macho, willige schöne Frauen, eine schlecht behandelte Agentin, die sich erfolgreich rächt, ein Fachmann, dem man nicht glaubt sowie ein Polizei- Psychologe mit fast prophetischen Fähigkeiten. Zudem kann man sich mit den Charakteren der Geschichte nicht anfreunden.

Ken Follett hat schon bessere Bücher geschrieben, wenn ich da z.B. an seine historischen Romane denke (z.B. „Die Säulen der Erde“). Die Geschichte liest sich zwar flüssig, aber zieht sich und ist weitgehend vorhersehbar, ebenso wie die sich früh abzeichnenden Liebesbeziehungen. Wirkliche Überraschungen bleiben aus.

Bewertung vom 09.08.2022
Der Gesang der Flusskrebse
Owens, Delia

Der Gesang der Flusskrebse


sehr gut

Delia Owens erzählt die Lebensgeschichte von Catherine Danielle Clark, genannt Kya, das Marschmädchen. Sie wird im Kindesalter nach und nach von ihrer Mutter, ihren Geschwistern und ihrem Vater, einem gewalttätigen Alkoholiker, im Stich gelassen und wächst alleine im Marschland, abseits einer Kleinstadt, auf.

Kya entwickelt eine beispiellose Naturverbundenheit. Sie kennt die Flora und Fauna ihrer Region im Detail und sammelt Muscheln sowie Federn von seltenen Vögeln, die sie aufbewahrt und kategorisiert. Die Naturbeschreibungen machen nur einen Teil des Romans aus, der viele Facetten hat.

Aufgrund ihres einsamen Lebens fehlen Kya Erfahrungen im Umgang mit Menschen. So bleiben nach ihren Enttäuschungen von ihrer Familie, weitere Enttäuschungen in ihren Beziehungen zu Männern nicht aus. Vertrauen entwickelt sie nur zu Jumpin' aus der Schwarzensiedlung, den sie mit Muscheln und Fischen beliefert.

Es ist ein Roman über Akzeptanz und Vorurteile, über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit und über Wahrheit und Lüge. Von anderen Kindern gehänselt, zieht sich Kya in ihre Marschhütte zurück. Nachdem Kyas Freund Tate ihr Lesen und Schreiben beibringt, wird ihr Interesse für Bücher über die Natur geweckt.

Ein Höhepunkt zeichnet sich ab, als Chase Andrews, Quarterback und Frauenschwarm, tot unter dem alten Feuerwachturm aufgefunden wird. Handelt es sich hierbei um Mord? Welche Beziehung hatte Kya zu dem Toten? Die Autorin integriert eine Kriminalgeschichte in die Geschichte mit überraschendem Ausgang.

Die Leser können sich in Kyas Lebenswelt, so fremd sie auch wirkt, einfühlen. Sie ist geprägt von einem Überlebenskampf unter schwierigen Bedingungen. Ihre spätere Entwicklung überrascht und wirkt unrealistisch. Dennoch handelt es sich um einen lesenswerten Roman, den man nur ungern zur Seite legt.

Bewertung vom 31.07.2022
Jaffa Road
Speck, Daniel

Jaffa Road


ausgezeichnet

Der Tod von Moritz Reincke in Palermo führt drei Erben zusammen, die nicht zusammenpassen wollen, eine Enkelin aus Deutschland, eine Tochter aus Israel und einen Sohn aus Palästina. Welch seltsame Lebensgeschichte verbirgt sich dahinter und verbindet diese Menschen?

Daniel Speck zeichnet anhand von Erinnerungen der Protagonisten die Geschichte von Moritz Reincke nach, der zwischen verschiedenen Kulturen wandeltete auf der Suche nach einer eigenen Identität. Es handelt sich um Weltgeschichte aus der Perspektive betroffener Familien.

Der Rahmen der Handlungen ist präzise recherchiert, Emotionen und Denkweisen der betroffenen Menschen mit ihren unterschiedlichen Lebensweisen und Hintergründen wirken plausibel und durch die Zusammenführung in Palermo findet zwangsläufig ein lehrreicher interkultureller Austausch statt.

Es handelt sich um einen anspruchsvollen Roman, der die Geschichte der Palästinenser und der Israelis nach dem Zweiten Weltkrieg anschaulicher vermittelt, als es ein Geschichtsbuch vermag. Medien berichten oft einseitig aus der Situation heraus, ohne Hintergründe zu benennen. Daniel Speck schließt diese Lücke.

Bewertung vom 28.06.2022
Zusammen stirbt man weniger allein
El-Nawab, Dina;Stromiedel, Markus

Zusammen stirbt man weniger allein


sehr gut

Personenschützer Erik ist um seinen neuen Auftrag nicht zu beneiden. Er soll die junge Anwältin Lizzi beschützen. Die weiß nichts von ihrem Glück, denn der Auftrag kam direkt von Lizzis Vater, der seitdem spurlos verschwunden ist.

Lizzi erweist sich als widerspenstige, kratzbürstige Nervensäge, die den Auftrag anzweifelt und Erik das Leben schwer macht. Es beginnt eine Odyssee, die in Frankfurt ihren Anfang nimmt und die beiden Protagonisten bis nach England führt.

Sie werden auf der Suche nach Lizzis Vater von den beiden Profikillern Koons und Cummings verfolgt, die sich nicht immer wie Profis verhalten. Die Leser tappen lange Zeit im Dunkeln, in welcher Geschichte Lizzis Vater verstrickt ist.

Der Krimi lebt von den Spannungen, die sich permanent zwischen der ungeduldigen und impulsiven Lizzi und dem eher besonnenen aber aufmerksamen Erik auftun. Die explosive Beziehung zwischen den beiden hat einen hohen Unterhaltungswert.

Lizzi erfährt im Laufe ihrer Reise einiges über ihre eigene Familiengeschichte. Die Leser brauchen Geduld, denn wichtige Zusammenhänge klären sich erst im letzten Drittel des Buches. Aufgrund der humorvollen Dialoge und Szenen kommt aber nie Langeweile auf.

Den Autoren Dina El-Nawab und Markus Stromiedel, nicht unerfahren in Sachen Drehbücher, kann man zu diesem gemeinsamen Einstieg in die Welt der Kriminalromane gratulieren. Die Geschichte sollte verfilmt werden.

Bewertung vom 31.05.2022
Die Brückenbauer / Brückenbauer Bd.1
Guillou, Jan

Die Brückenbauer / Brückenbauer Bd.1


sehr gut

Die Brüder Lauritz, Oscar und Sverre aus einer norwegischen Fischerfamilie verlieren früh ihren Vater. Ein Mitarbeiter des Fördervereins „Die gute Absicht“ erkennt ihr Talent für den Modellbau. Sie bekommen ein Stipendium für ein Bauingenieurstudium in Dresden, der seinerzeit renommiertesten Hochschule für Brücken- und Tunnelbau. Im Jahre 1901 erhalten sie ihre Diplomurkunden.

Autor Jan Guillou beschreibt in diesem Roman den Lebensweg der Brüder Lauritz und Oscar. Sverre zieht nach dem Studium aus persönlichen Gründen nach England und taucht in den beiden Handlungssträngen, in denen die beruflichen Projekte und die private Entwicklung von Lauritz und Oscar erzählt werden, nicht mehr auf. Beide Brüder machen, in unterschiedlichen Ländern, Karriere im Ingenieurbau.

Lauritz kommt seiner Verpflichtung gegenüber dem Förderverein nach und projektiert Brücken im unwegsamen bergigen Gelände und unter extremen klimatischen Bedingungen für die Eisenbahnverbindung zwischen Bergen und Oslo. Oscar zieht es, enttäuscht von einer Liebesbeziehung, nach Deutsch- Ostafrika, um dort Brücken und Tunnel für die Eisenbahngesellschaft zu bauen.

Im Fokus steht die Industrialisierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die der Autor an zwei unterschiedlichen Handlungsorten plastisch beschreibt. Es sind gut ausgebildete Ingenieure, die die erforderliche Pionierarbeit leisten. Oscar kämpft in Afrika nicht nur mit Löwen und Elefanten, sondern auch mit Kannibalen. Er entwickelt sich zu einem erfolgreichen Geschäftsmann.

Die Ereignisse überschlagen sich, als der Erste Weltkrieg ausbricht. Auffallend ist das negative Bild der englischen Armee in Afrika, welches der Autor zeichnet. Phasenweise wirken die Protagonisten heldenhaft, die Deutschen zuverlässig und die Ureinwohner wild und unberechenbar. Der Roman ist nicht frei von Klischees. Guillou benutzt die Sprache und Wertvorstellungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die heute befremdlich wirken.

Auffallend ist die Handlungsorientierung im Roman. Im Vergleich zu einem Ken Follett, der seine Protagonisten ausführlich charakterisiert, müssen bei Guillou die Charaktere aus den Handlungen destilliert werden. Oscar und Lauritz lassen sich als Typen kaum unterscheiden. Als Leser bekommt man eine Vorstellung davon, welche Anforderungen an Brücken- und Tunnelbauer vor 100 Jahren gestellt wurden.