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clematis

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Insgesamt 385 Bewertungen
Bewertung vom 18.07.2025
Wenn die Blätter wieder tanzen (eBook, ePUB)
Lambert, Thérèse

Wenn die Blätter wieder tanzen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Stiller Widerstand

Berlin verändert sich während des Nationalsozialismus, man traut sich nicht mehr, seine Meinung zu äußern, überall könnten Spitzel und Denunzianten etwas falsch verstehen. Aber deshalb muss sich Ruth noch lange nicht der Hetze gegen Juden anschließen, ganz im Gegenteil, versucht sie, Freunden zu helfen, indem sie Verfolgte in ihrer Wohnung übernachten lässt, sie in verlassenen Scheunen mit Essen versorgt oder Flugblätter vervielfältigt und verteilt – sie ist ein Teil der Hitlergegner, die stillen Widerstand leisten.

Beruhend auf Notizen in Ruth Andreas-Friedrichs Tagebuch dürfen wir einen Blick auf die Zivilbevölkerung während des Zweiten Weltkriegs werfen. Ruth und ihre Tochter Karin engagieren sich völlig uneigennützig und selbstverständlich für all jene, die Hilfe und Unterstützung brauchen. So geht es von den ersten Gerüchten um die Abholung von Juden quer durch die Jahreszeiten und die immer gefährlicher werdenden Momente bis hin zu erschütternden Bombenangriffen, bevor es endlich ein Aufatmen am Ende des Krieges gibt. Mit vielen historisch verbürgten Persönlichkeiten bekommt diese Geschichte eine starke Realitätsnähe, vermittelt sehr gut vorstellbar, wie man Ängste beiseiteschiebt und seiner Überzeugung entsprechend handelt.

Wenn die Blätter wieder tanzen ist ein wichtiges Erinnerung- und Mahnmal, das es sich zu lesen lohnt, denn unabhängig von den hier benannten Jahren ist der Mut zu menschlichem Handeln stets zeitlos.

Bewertung vom 17.07.2025
The Secret Hotel in Berlin
Hokin, Catherine

The Secret Hotel in Berlin


ausgezeichnet

Heldin oder Hassfigur

Zufällig laufen einander Lili Falck, die ursprünglich Krauss geheißen hat, und Marius Rodenberg über den Weg, eine Jüdin und ein „echter Deutscher“, was im Jahre 1929 noch kein großes, aber im Laufe der Zeit ein zunehmend größeres Problem wird, insbesondere, da die beiden heiraten und Lili sich erst spät ihrem Mann offenbart. An der Seite des Besitzers des renommierten Hotels Edel in Berlin steht nun eine elegante und selbstbewusste Frau, die sich quasi versteckt, indem sie offen den Führer empfängt und ihm lächelnd Champagner einschenkt. Eine bessere Maske kann sie kaum ersinnen, niemand ahnt etwas von ihrer jüdischen Herkunft. Auf diese Weise ist sie gerade prädestiniert dafür, verfolgte Juden durch den Hotelkeller in die Freiheit zu schleusen. Eine Heldin im Widerstand, die aufgrund ihrer augenscheinlichen Nähe zu den Nazis gleichzeitig für viele (auch Jahrzehnte später) eine Hassfigur ist.

Eine schöne Rahmenhandlung verquickt auf wunderbare Weise die Geschichte während des Zweiten Weltkriegs mit den Jahren 1990/91. Im Mittelpunkt steht das Hotel Edel, ein Ort, der dem Führer ein zweites Wohnzimmer ist, fünfzig Jahre später an eine Hotelkette verkauft werden und in neuem Glanz erstrahlen soll. Überaus realistisch erzählt Catherine Hokin aus unterschiedlichen Perspektiven und lässt sowohl die Vergangenheit als auch die Zeit der Enkelgeneration lebendig werden. Welche Beweggründe treiben die junge Lili dazu, ihren Namen zu ändern, warum schließt sie sich dem Widerstand an, wie reagiert ihr Ehemann, als er sich der Uniform nicht länger erwehren kann? Viele Fragen, die im Laufe der Handlung eingehend beleuchtet und beantwortet werden. Ähnlich verhält es sich im zweiten Handlungsstrang mit Lucy und Adam in den Hauptrollen, die nach dem Mauerfall danach trachten, das Edel wieder auf den besten Platz unter den Berliner Hotels zu bringen. Dass sich durch die gründliche Recherche zwecks einer möglichst naturgetreuen Restaurierung der Kreis zum Krieg und zu familiären Banden schließt, ist da noch nicht abzusehen.

Historische Detailtreue und fiktive Geschehnisse, die sich nahe an realen Begebenheiten orientieren, prägen diesen erschütternden Roman. Eine tapfere Frau, geleitet von Anstand und Moral, möchte einerseits den Verfolgten helfen, andererseits aber auch ihre Tochter schützen. Wie sie mit diesem Dilemma umgeht und wie man in den folgenden Generationen darüber denkt, das erzählt Catherine Hokin hier auf sehr eindrückliche Weise. Leseempfehlung!

Bewertung vom 17.07.2025
Das Versprechen der Medica (eBook, ePUB)
Friewald, Gerlinde

Das Versprechen der Medica (eBook, ePUB)


sehr gut

Delia in Alexandria

Obwohl sie das jüngste Kind ist und noch dazu ein Mädchen, unterweist der Arzt Adelphos von Delos seine Tochter Delia in allen Fragen rund um die Heilkunst. Sein ganzes Wissen findet sich nicht nur auf gut gehüteten Papyrusrollen, sondern auch im Gedächtnis Delias, die unerbittlich lernen musste. Als sich im Jahre 65 v.Chr. eine Gesandtschaft an Wissenschaftlern im Museion von Alexandria ankündigt, ist Delia aufgeregt. Wird sie als Frau teilhaben dürfen an den Diskussionen mit den anderen Ärzten? Und steht das ganze Aufeinandertreffen wirklich unter einem sehr schlechten Stern, wie die Astrologen vorhersagen?

Es ist dieselbe Delia, die ich bereits bei einem Abenteuer in Rom kennenlernen durfte, nicht minder spannend ist alles, was sie hier in Alexandria erleben muss. Dank genauer Recherche durch Gerlinde Friewald wird die Zeit der Antike rasch lebendig, erfährt der Leser Interessantes über damalige Gepflogenheiten und das Wesen der Wissenschaft. Wie selbstbewusst die junge Delia aufgrund ihrer Kenntnisse auftreten kann, ja schwierige medizinische Eingriffe ohne zu zögern meistert, ist beachtenswert, dennoch befürchtet sie anfangs, dem Austausch mit den angereisten Ärzten nicht gewachsen zu sein. Aber schon das erste Beisammensein belehrt Delia eines Besseren, die Fremden sind nicht nur ausgesprochen höflich, sondern durchaus interessiert an ihrer Meinung – bis ein Unglück auf das andere folgt.

Besonders ansprechend ist auch diesmal wieder Friewalds Schreibstil, eher nüchtern, schnörkellos, aber dennoch überaus einnehmend. Delia erzählt in der Ich-Form, während andere Szenen aus neutraler Sicht geschildert werden, da wie dort kann man sich als Leser stets gut einfühlen in die jeweilige Situation. Viele Figuren kreuzen unseren Weg, nicht immer hätte ich auf den ersten Blick erkannt, wer einem wohlgesonnen ist und wer sich hinter einer geschickten Maske verbirgt.

Wie schon bei „Das Schicksal der Medica“ wurde ich auch in Alexandria sehr gut unterhalten und empfehle daher beide Romane gerne weiter.

Bewertung vom 16.07.2025
Wir sehen uns wieder am Meer (eBook, ePUB)
Teige, Trude

Wir sehen uns wieder am Meer (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Freundinnen

Birgit, Thekla, Annelise und Nadia sind innige Freundinnen, die einander jeden Sommer auf Birgits Heimatinsel vor Kragerø treffen. Viele Jahre später will Birgits Großnichte Anna wissen, wie Nadia, eine gebürtige Ukrainerin, nach Norwegen gekommen ist und erfährt im Laufe der Nachforschungen Unglaubliches über sowjetische Gefangene in Norwegen während des Zweiten Weltkriegs.

Nach einem Prolog, der vielleicht für Neueinsteiger in diese Trilogie etwas verwirrend sein könnte, lichten sich die Unklarheiten, wir gehen zurück in die Jahre 1944 – 1953, aufgegliedert in vier Teile, der kurze Epilog schließt am Ende stimmungsvoll den Kreis zur Großmutter, die im Regen tanzte. Auf historische Details gestützt und von wahren Schicksalen inspiriert, erzählt Trude Teige diesmal über die weniger bekannten Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion, krankheitsbringende Lager und unmenschliche Bedingungen in den Fischfabriken. Weitere Schauplätze sind das Krankenhaus in Bodø samt Mitarbeitern im Widerstand und die norwegische Botschaft in Moskau, wo Birgit später als Dolmetscherin und Übersetzerin arbeitet. Auch wenn es gefährliche und brutale Szenen im Gestapohaus gibt, die Bedingungen der Gefangenen und Zwangsarbeiter katastrophal sind, so legt die Autorin doch ihr Augenmerk immer wieder auf lebensbejahende und hoffnungsvolle Momente, zeigt, wie Vergangenes aufgearbeitet werden soll und kann und dass das Leben nicht nur das ist, was geschehen ist, sondern auch das, was geschieht und noch geschehen wird. [kindle, Pos. 3886]

In allen drei Bänden rund um Großmutter, Großvater und Freundinnen nehmen Frauen den Platz der Hauptfiguren ein, sodass das Kriegsgeschehen nicht immer nur aus männlicher Sicht erzählt wird, sondern auch andere Blickwinkel dargestellt werden und die mutigen Frauen einer schrecklichen Zeit ebenfalls eine Stimme bekommen. Mit spürbarem Einfühlungsvermögen und taktvollem Andeuten grauenhafter Einzelheiten, ohne aber jemals in reißerische Schilderungen abzudriften, schafft Trude Teige es stets, aufwühlende historische Fakten mit fiktiven Elementen zu verknüpfen und so der Wahrheit wohl sehr nahe zu kommen. Auch dieser Teil der Trilogie hat mich beim Lesen sehr berührt, das Buch zeigt eindringlich, wozu Menschen fähig sind, egal welcher Herkunft und Nationalität. „Wir sehen uns wieder am Meer“ kann durchaus für sich alleine gelesen werden, um die gesamte Familiengeschichte noch besser zu verstehen, empfehle ich allerdings, die gesamte Trilogie von Anfang an zu lesen!

Bewertung vom 16.07.2025
Eine falsche Lüge - Wird es ihre letzte sein? (eBook, ePUB)
Stava, Sophie

Eine falsche Lüge - Wird es ihre letzte sein? (eBook, ePUB)


sehr gut

Nanny

Sloane Caraway ist eine unscheinbare Mittdreißigerin und seit Kindheit allein. Um das Interesse ihrer Mitmenschen zu wecken, beginnt sie früh, kleinere und größere Lügen zu erzählen. Ihre Mittagspause verbringt die Nageltechnikerin aus einem kleinen Beautysalon gerne in einem nahe gelegenen Park, wo sie eines Tages ein kleines Mädchen verarztet und sich als Krankenschwester ausgibt. Alsbald freundet sie sich mit der Familie an und wird als Nanny für die knapp fünfjährige Harper engagiert. Mit der Mutter, Violet, verbinden Sloane etliche Gemeinsamkeiten, weshalb die beiden Frauen gerne auch ihre Freizeit zusammen verbringen. Wird Violet durch das häufige Beisammensein nun Sloanes Lügengeflecht entwirren? Oder ist Sloane am Ende gar nicht die Einzige, die etwas zu verbergen hat?

Aus Sloanes Sicht beginnt diese überaus spannende Geschichte, sie erzählt schlicht aus ihrem Leben und weckt mit ihrer naiven Darstellung, verknüpft mit der Spielplatzepisode, sofort das Interesse des Lesers. Wenige Figuren, Sloane und Familie Lockhart – Vater Jay, Mutter Violet und Töchterchen Harper – spielen die bestens vorstellbaren Hauptrollen, aber auch die weiteren Personen sind gut gezeichnet und bereichern das Geschehen. Durch den besonders flüssigen Schreibstil Sophie Stavas geht die Handlung flott dahin, reiht sich ein Kapitel rasch ans nächste, möchte man immer wieder einfach noch ein Stück und noch ein Stück weiterlesen. In der Mitte des Buches wechselt plötzlich der Blickwinkel auf den Verlauf der Dinge und verblüfft den Leser mit überraschenden Be- und Erkenntnissen. Raffiniert erdachte Details kommen ans Licht und von langer Hand geplante Vorhaben werden alsbald umgesetzt, durch die geschickte Schilderung der Autorin bleibt der Spannungsbogen stets hoch und sorgt für Verwunderung, was hier alles möglich ist. Auch wenn nicht immer alles zu hundert Prozent realistisch erscheint und besonders am Ende auf Block Island ein wenig Glück und Zufall mithelfen, so ist die Story doch ungemein unterhaltsam und somit absolut lesenswert.

Ein großartiges Buch mit vielen Überraschungen, das ich mit großem Spaß daran gelesen habe und ebenso gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 15.07.2025
Im Lande der Mitternachtssonne (eBook, ePUB)
Andersen, Hans Christian

Im Lande der Mitternachtssonne (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Reise durch Schweden

Der bekannte dänische Schriftsteller und Dichter Hans Christian Andersen (1805 – 1875) bereist gerne ferne Länder, neben Deutschland, Schweiz, England oder Italien auch mehrmals das benachbarte Schweden. Was er dort erlebt, wird in diesem schmucken Büchlein bildhaft dargestellt.

Abwechslungsreich und informativ geht es zu markanten Schauplätzen. Wir lassen uns vom Frühlingswind antreiben und steigen in ein Dampfschiff, reisen alsdann mit einer Pferdekutsche weiter und gehen streckenweise auch einmal zu Fuß. Birkenwälder und weite Felder erfreuen unser Auge, Diskussionen über vergangene schwedisch-dänische Kämpfe und darauffolgenden Waffenstillstand, Geschichten über Trolle und Berggeister dringen an unser Ohr, zukunftsträchtige Technologien wecken Andersens Neugierde, lassen ihn Hammerschmieden und Bergwerke ebenso besichtigen wie eine schwindelerregende Fahrt mit einem Korb an einer eisernen Kette ausprobieren. Die Gastfreundschaft in Schweden ist herausragend, fast überall stößt man auf auskunftsfreudige Menschen und so lernt der Reisende viel Historisches und Sagenhaftes kennen, das später verwoben werden kann zu eigenen Texten und Märchen.

Mit poesiebehafteten Eindrücken und beschwingten Formulierungen wird der Leser mitgenommen auf ein spannendes Abenteuer im 19. Jahrhundert und lernt auf diese Weise nicht nur Schweden sondern auch den bekanntesten Dichter Dänemarks näher kennen. Ein schöner Blickwinkel auf fremde Gegenden und entsprechende Kulturen. Lesenswert.

Bewertung vom 14.07.2025
Sommer auf Kanelholmen (eBook, ePUB)
Ehn, Yvonne

Sommer auf Kanelholmen (eBook, ePUB)


gut

Heilsame Schärenwelt

Cornelia wächst in Stockholm alles über den Kopf, sie hat keine wahren Freunde, die Kollegen tuscheln hinter ihrem Rücken und die familiäre Situation, in der sie aufgewachsen ist, kann sie sowieso nicht aufarbeiten und akzeptieren. Also packt sie kurzerhand ihren Koffer und nimmt eine Auszeit, wohin sie die Fähre bringt, nämlich auf die idyllische Insel Kanelholmen.

Während Cornelia einfach nur Ruhe sucht, wird sie von den Schärenbewohnern überaus freundlich aufgenommen und sogleich in turbulente Geschehnisse verwickelt. Da gibt es ein kleines Hundeheim mit einem niedlichen Neuzugang, eine zugemüllte Dachwohnung von einem vermissten Kanelholmer, eine ausgeflippte verständnisvolle Freundin und nicht zuletzt Versöhnungen und Herzklopfen. Alles in allem passende Zutaten für einen entspannten Sommerabend und gemütliche Lesestunden, allerdings packt Yvonne Ehn fast zu viele Themenbereiche ins Geschehen hinein, sodass die Handlung eher überfrachtet wirkt, anstatt ein oder zwei Problemfelder tiefgründiger zu behandeln. Insbesondere die Geschichte um den verschwundenen Jugendfreund wirkt auf mich (zu) gekünstelt als dass sie einen besonderen Mehrwert liefert. Nichtsdestotrotz lernen wir sympathische und einfühlsame Menschen kennen, dürfen miterleben, wie sich Cornelia langsam erholt, sich von Zwängen befreit und verzeihen kann. Die Schärenwelt mit ihrer ganz besonderen Landschaft heilt und gibt Mut. Etliche Fragen werden beantwortet, anderes ist noch offen, vielleicht werden diese in einer Fortsetzung behandelt?

Ein behaglicher Ausflug in die schwedische Schärenwelt, der schnell viele Probleme löst und dadurch nicht ganz glaubwürdig daherkommt, aber doch eine unterhaltsame Lesezeit bereithält.

Bewertung vom 13.07.2025
Der Trailer / Donkerbloem Bd.1
Geschke, Linus

Der Trailer / Donkerbloem Bd.1


ausgezeichnet

Der Wald

Lisa will ihren Belgientrip mit einer Besonderheit abschließen, mit einer Wanderung im Hohen Venn. Dazu mietet sie übers Wochenende einen Trailer am nahen Campingplatz Donkerbloem, von dem sie aber nie zurückkehrt – oder kehrt sie nie zurück vom Hohen Venn?

Mystisch und dunkel ist es im Wald, der Wind neigt Baumkronen, bringt Blätter zum Rauschen und bewahrt jedes Geheimnis für die Ewigkeit. Wenn Bäume erzählen könnten, … - aber das tun sie nicht, und so forscht eine suspendierte Kommissarin vierzehn Jahre später nach, was sich an besagtem Wochenende im Jahre 2011 in Donkerbloem zugetragen haben könnte. Ein Podcast, ein verruchter Barbesitzer aus Köln und andere Gestalten, die nicht unbedingt sympathisch zu nennen sind, begegnen dem Leser hier und wecken trotz aller Abneigung, ihnen im realen Leben über den Weg zu laufen, die Neugierde, mehr über sie und die Vorgänge rund um den Campingplatz zu erfahren. Und das zahlt sich mehr als nur aus, der Trailer birgt fesselnde Szenen, durchaus an einigen Stellen brutal, großartige Figuren und Überraschungen, die einen sprachlos staunen lassen. Mit einnehmenden Worten und wechselnden Perspektiven geht es flott dahin in Belgien und Deutschland, scheint alles klar und doch so falsch, dass man kleben bleibt an den Seiten, bis das letzte Kapitel zu Ende ist. Spannung pur rahmt Themen ein, die alltäglich sind, Opfer und Täter handeln unlogisch und doch psychologisch erklärbar, auch Unanständige kann man im Kern mögen, weil nichts nur schwarz oder weiß ist.

Wenn man Thriller liebt, muss man den „Trailer“ gelesen haben, einziger Wermutstropfen – der Folgeband erscheint erst Anfang 2026.

Bewertung vom 12.07.2025
Sein Wort auf den Lippen (eBook, ePUB)
Dahinden, Claudia

Sein Wort auf den Lippen (eBook, ePUB)


sehr gut

Sich finden

Sich finden


Schweiz, 1897: Charlotte wächst behütet auf, dennoch fühlt sie sich stets weniger geliebt als ihre Schwester Agathe, insbesondere von ihrer Mutter. Zuflucht sucht sie in der Musik, ein Geheimnis um ihre Familie erfährt sie zufällig. Entsetzt flüchtet Charlotte sich zu ihrem Patenonkel in Bern, den sie überhaupt noch nie gesehen hat, der ihr aber helfen soll, sich selbst zu finden. Dabei trifft sie auf zwei recht unterschiedliche Glaubensgemeinschaften und nicht zuletzt auf die Stimme ihres Herzens.

Liebevoll im Detail erzählt Claudia Dahinden Charlottes Geschichte, welche anfangs geprägt ist von Selbstzweifeln und Mutlosigkeit. Das ändert sich sehr schnell, als die Zwanzigjährige in Bern auf Aimée trifft und in die örtliche Kirchengemeinde eingeführt wird. Gemeinsames Klavierspiel und Gesang, vermischt mit Bibelrunden und regen Diskussionen ziehen Charlotte in ihren Bann und lassen sie den Weg zu Gott finden. Gleichzeitig lernt sie die Heilsarmee kennen, wo auch Frauen das Wort des Herrn verkünden dürfen, im Gegensatz zur Gemeinde rund um Pater Elias Weber. Es geht also einerseits um Charlottes ganz persönliches Schicksal, andererseits um allgemeine Themen wie Gleichwertigkeit und Würde aller Menschen, unabhängig, ob Mann oder Frau. Geschickt verknüpft die Autorin diese Ebenen zu einem stimmigen Roman, der überdies reale historische Personen zu Wort kommen lässt. Eher ruhig fließt die Handlung dahin, größere emotionale Wogen bleiben aus, dennoch werden vielerlei Denkanstöße geliefert, die zum Innehalten motivieren. Vielleicht meldet sich dann auch wieder eine leise Stimme, die ermutigt, dem Herzen zu folgen statt den Erwartungen anderer Menschen [kindle, Pos. 3902].

Im Mittelpunkt dieses Romans steht eine mutige Frau, die man gerne dabei begleitet, sich selbst und ihren ganz persönlichen Lebensweg zu finden. 4 Sterne.

Bewertung vom 10.07.2025
Waldestod
Preis, Robert

Waldestod


sehr gut

Das Ende der Welt

Emmi Beinhart fühlt sich nicht mehr wohl in der Wiener Zeitungsredaktion und hat schon ihre Kündigung vorbereitet, als Chefin Sani Kovacic ihr eine Reportage in der Steiermark vorschlägt, die sie nicht ablehnen kann. Eine schreckliche Hochwasserkatastrophe hat sich im abgelegenen Dorf Rabenwald - beinahe am Ende der Welt - ereignet, nachdem ein kleiner Bach weit über seine Ufer getreten ist, die persönlichen Berichte der Betroffenen sollen Emmi die Karriereleiter hinaufklettern lassen.

Völlig unpassend gekleidet landet die junge Journalistin naiv im waldreichsten Bundesland Österreichs und wird, wie schon vom Kollegen Sandberg vorgewarnt, nicht besonders freundlich von den Einheimischen empfangen. Zum Glück kann sie sich im Ferienhäuschen Sandbergs für ein paar Tage wohnlich einrichten und sogleich mit der Recherche beginnen, aber schon bald wird sie von unheimlichen Ereignissen eingeholt: da schleichen Männer in weißen Overalls durch den Wald, hängt eine Leiche am Baum, scheint jemand Emmi durchs Fenster zu beobachten. Alpträume suchen Emmi heim, bald weiß sie nicht mehr, ob sie phantasiert oder all das wirklich erlebt. Die düstere Stimmung mit den wortkargen Steirern, dem dunklen Wald und der unmittelbar vorangegangenen Naturkatastrophe fängt Robert Preis blendend ein, die fesselnde Geschichte nimmt zügig ihren Lauf. Sowohl für die Journalistin als auch für den Leser bleibt lange im Verborgenen, was hier genau passiert und wer welche Ziele vor Augen hat. Kann Emmi dem „Hausmeister für alles“ Severin Moser vertrauen oder will er sie nur unter Kontrolle halten? Warum reagiert der Bürgermeister so ablehnend und wieso richtet die Frau im Rollstuhl eine Flinte auf sie? Eine gespenstische Atmosphäre und entsetzte Gesichter prägen die seltsamen Vorgänge in einer Welt, die gerade aus den Fugen gerät, ja dem Untergang geweiht sein soll. Geheimnisvoll und mystisch mutet so manche Szene an, wie nebenbei und ohne oberlehrerhaft erhobenen Zeigefinger flicht Preis die Dynamik der Klimaveränderung in diesen Krimi ein und endet mit einer Hommage an den Wald als wertvollen Lebens- und Erholungsraum.

Ein bizarrer Krimi mit gruseligen Elementen und einer Erinnerung daran, wie wir unserer Umwelt begegnen sollten – unterhaltsam umgesetzt und daher eine Empfehlung wert.