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Isa.Literature.Love
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Bewertungen

Insgesamt 199 Bewertungen
Bewertung vom 22.09.2022
Verbrenn all meine Briefe
Schulman, Alex

Verbrenn all meine Briefe


ausgezeichnet

Dramatisches Ménage à trois im Schweden der 1930er Jahre

»Mit Olof braucht sie nicht darüber nachzudenken, wie sie sich benimmt. Dass es so eine Erleichterung sein kann, man selbst sein zu dürfen.« (S.212)

Der Autor, Blogger und Journalist Alex Schulman trägt eine Wut in sich, die ihn zerfrisst und sich zunehmend auf seine Partnerschaft und Familie auswirkt. Mit einer Familienaufstellung will er diese Wut ergründen und stellt fest, dass die Familienverhältnisse auf mütterlicher Seite sehr zerrüttet und von Wut geprägt sind. In seinem Buch »Verbrenn all meine Briefe « (aus dem Schwedischen von Hanna Granz, Original 2018) schreibt Alex Schulman über genau diese Familienrecherche, seine Familienerinnerungen und verwebt dies mit der fiktionalisierten Nacherzählung des Lebens von seinen Großeltern. Die Kapitel wechseln sich inhaltlich ab und die Erzählung dieser dramatischen Liebeskonstellation ist jeweils durch Datumsangaben aus dem Schicksalsjahr 1932 gekennzeichnet.

Die mit dem schwedischen Schriftsteller und Literaturkritiker Sven Stolpe [1905-1996] verheiratete Karin [1907-2003] verliebt sich in den jüngeren Schriftsteller Olof Lagercrantz [1911-2002]. Es entsteht eine tiefe Liebe zwischen den beiden - aber das Ménage à trois ist nicht durch Glück gekennzeichnet. Mehr nehme ich an dieser Stelle nicht vorweg.

»Sie schaut zu Olof. Da steht er mit seinem schönen Blick und sieht sie mit sanftem Lächeln an. Sie bemerkt, dass er weint. Lautlos und still. Und erst da, als ihr klar wird, dass er für sie weint, kann sie endlich Selbstmitleid empfinden. Es öffnet sich ein Kanal direkt in ihre Kindheit. Seine Tränen machen sie so verzweifelt hilflos, denn es ist, als würden sie sagen: Du darfst traurig sein, Karin. Du hast jedes Recht dazu.
Wer würde bei so etwas stark bleiben können?« (S.199)

»Verbrenn all meine Briefe« ist ein sehr persönliches Buch und erzählt die Liebesgeschichte von Karin & Olof und die Ehe von Alex Schulman’s Großeltern Karin & Sven. Eine dramatische Liebesgeschichte, wie sie nur das Leben schreiben kann, und die zeigt, dass das Bild, das wir von unseren nahestehenden Personen haben, sich sehr verändern kann. Alex Schulmans neues Buch (das älter ist als sein Bestseller »Die Überlebenenden«) zeigt seine großartigen Schreibkünste kombiniert mit sehr aufwändiger Recherche.

Ein schönes und gleichzeitig trauriges Buch über eine unglückliche Dreieckskonstellation. Große Leseempfehlung!

[TW: Schwangerschaftsabbruch]

Bewertung vom 16.09.2022
Neues Backen
Kratochvila, Laurel

Neues Backen


ausgezeichnet

Großartiges Backbuch mit zahlreichen Erläuterungen und Fotos
»Wenn man über Europa nachdenkt, landet man früher oder später bei Brot. Würde man irgendwo in Europa in eine Bäckerei gebäumt, könnte man am Brotangebot schnell erraten, ob man sich in Riga oder Paris, from oder Warschau befindet oder ob es Winter oder Sommer ist.« S.6

Bewertung vom 15.09.2022
Intimitäten (eBook, ePUB)
Kitamura, Katie

Intimitäten (eBook, ePUB)


sehr gut

Die namenlose Protagonistin in Katie Kitamuras Roman "Intimitäten" arbeitet als Dolmetscherin am Internationalen Gerichtshof in Den Haag und erlebt in dieser Tätigkeit intensiv, welche Grausamkeiten in der Welt geschehen und, welchen Tribut und Opfer dies fordert. Sie hat ihre Heimat - die USA - verlassen, um diese Stelle auszuüben und in der Liebesbeziehung zu Adriaan stellen sich Ihr existenzielle Fragen über Heimat, über Wahrheit und Gerechtigkeit.

Katie Kitamuras gelingt es großartig, das Spannungsfeld, in dem sich Dolmetscher:innen bewegen zu skizzieren: Zwischen Übersetzungsarbeit und Kommunikationsfluss nicht aufzufallen, aber gleichzeitig die Nähe und Intimität zu den beteiligten Personen. Ein Roman mit vielen Zwischentönen, der sich wunderbar lesen lässt und tolle Einblicke in die Dolmetscher Tätigkeit gibt (ich würde sagen, hier wurde großartig recherchiert!)

Klare Leseempfehlung für diesen feinen und einfühlsamen Roman.

Bewertung vom 09.09.2022
Anleitung ein anderer zu werden
Louis, Édouard

Anleitung ein anderer zu werden


sehr gut

Ein sehr selbstreflektiertes und starkes autofiktionales Werk, das sich von seinen vorherigen abhebt

»Sie waren in einer anderen Welt als unserer aufgewachsen, und durch sie entdeckte ich nicht so sehr meine Klassenzugehörigkeit, denn die war mir im Prinzip immer bewusst gewesen, sondern, was meine Klassenzugehörigkeit konkret bedeutete.« (S.38)

In seinem neusten Buch »Anleitung ein anderer zu werden« schreibt der 1992 geborene Autor Èdouard Louis über seine persönliche und gesellschaftliche Veränderung von Eddy Bellegueule zu Èdouard. Der in extremer Armut aufgewachsene Autor verspürt nicht zuletzt aufgrund der erlebten Klassenunterschiede und Diskrimminierungserfahrungen ein intensives Verlangen, ein anderer werden zu müssen. Mit dem Wechsel aus das Gymnasium in Amiens beginnt die Transformation getrieben vom Veränderungswillen und Selbst(-er-)findungsprozess: Freundschaften und Bekanntschaften prägen diesen Prozess und verschiedene Freund:innen dienen ihm solange als Vorbild und Ziel seines Strebens bis sie vom nächst höheren abgelöst werden.

»Alle Leben zu leben, war meine Rache für die Tatsache, dass man mir bei der Geburt einen bestimmten Platz zugewiesen hatte.« (S.208)

Der Autor schreibt Passagen fiktiv an seinen Vater, führt Spiegelselbstgespräche und imaginäre Aussprachen mit zwei seiner zerbrochenen Freundschaft (Elena & Didier). Er geht dabei selbstkritisch und schonungslos mit sich selbst, seinen Gedanken, Streben und Verhalten ins Gericht. Die Passagen lesen sich dabei teilweise wie eine Danksagung, teilweise wie eine Entschuldigung an diese Personen, die er auf seiner persönlichen Transformation zurückgelassen hat.

Nach »Das Ende von Eddy« (2014), »Im Herzen der Gewalt«(2016), »Wer hat meinen Vater umgebracht«(2018) und »Die Freiheit einer Frau« (2021) ist »Anleitung ein anderer zu werden« (2022) das fünfte Buch des jungen französischen Autors, in dem er autofiktional über seine Herkunft, seine Familie, sein Leben und seine Entfremdung schreibt. In diesem Werk schreibt er darüber jedoch als Flucht und Abwendung von seiner Familie und Herkunft - angetrieben von Rache- und Schamgefühlen über seine Herkunft und erlebten Diskrimminierungserfahrungen aufgrund seiner Homosexualität.

Ein emotionales, sehr selbstreflektiertes und starkes Buch des Autors, das beeindruckend zeigt, wie viel persönliche Transformation kosten kann.

Bewertung vom 08.09.2022
Amalfi-Küche - Rezepte aus Italiens Süden
Caldesi, Giancarlo;Caldesi, Katie

Amalfi-Küche - Rezepte aus Italiens Süden


sehr gut

»AMALFI Küche - Rezepte aus Italiens Süden«

Bewertung vom 08.08.2022
Isidor
Kupferberg, Shelly

Isidor


sehr gut

Isidor - die Erzählung einer jüdischen Familiengeschichte

» »Stil hat man oder hat man nicht«, das habe nichts mit Geld zu tun. Dazu gehöre auch das Speisen mit Gabel und Messer. Und ein ordentliches Trinkgeld, behauptete der junge Israel weltmännisch.« (S.41)

Und Stil, den hat der Kommerzialrat Dr. Isidor Geller (*15.9.1886 | † 17.11. 1938), der in einem kleinen Schtetl in Galizien als Israel mit seinen vier Geschwistern aufgewachsen ist und als junger Mann - umbenannt in Isidor - einen beachtlichen Aufstieg in der k.u.k Metropole Wien macht.

»Isidor lernte rasch, den richtigen Augenblick abzuwarten und sich dann einzubringen. Ohne aufdringlich zu sein - er hatte die Gabe, Menschen für sich zu gewinnen.« (S. 65)

Als Direktor in einer Lederfabrik wird Isidor im 1. Weltkrieg nicht eingezogen und schafft durch geschickten Handel auf dem Schwarzmarkt und Anlage auf dem Aktienmarkt es zu einem beachtlichen Vermögen. In »Isidor« erzählt die Autorin die Lebensgeschichte ihres Urgroßonkels und verbunden damit auch die ihres Großvaters Walters: Von Isidors Werdegang über seine Blütezeit in Wien als Gastgeber großartiger Veranstaltungen in seinem Palais und seine Liebschaft mit der heutigen Hollywood-Star Ilona Hajmássy (später Massey) bis zu seiner Verhaftung nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Wien 1938 und seinem damit einhergehend Untergangs.

Es ist eine interessante Biografie, die Shelly Kupferberg aufwändig recherchiert und mit Fiktion zu diesem Roman verdichtet hat. Gerne hätte ich am Ende noch mehr von der Lebensgeschichte ihres Großvaters erfahren, da vieles aus seinem Leben ebenfalls miterzählt worden ist. Alles in allem eine klare Leseempfehlung!

»Isidor« ist das Debüt der Journalistin, Moderatorin und Autorin Shelly Kupferberg, das am 24. August 2022 im Diogenes Verlag erscheint.

Bewertung vom 01.08.2022
Das Leben vor uns
Gorcheva-Newberry, Kristina

Das Leben vor uns


ausgezeichnet

«And we'll keep on fighting till the end ...»

«Etwas zu wollen und in der Lage zu sein, es zu tun, ist zweierlei. Vielleicht erleben nur ein paar Glückskinder beides zusammen. Vielleicht ist es das, was man Glücklichsein nennt: die Fähigkeit, seine Wünsche mit den eigenen Fähigkeiten in Einklang zu bringen. Aber oft liegt es ja gar nicht an uns.» S. 106 ❤️‍

Bewertung vom 29.07.2022
Susanna
Capus, Alex

Susanna


weniger gut

Erzählung der Lebensgeschichte von Susanna Faesch im 19. Jhd.

»SUSANNA« ist das 16. Buch des Autors und Übersetzers Alex Capus. Der gebürtige Franzose lebt mit seiner Familie in der Schweiz und ist bekannt für seine Bestseller wie »Léon und Luise«.

Das neue Buch von Capus erzählt die Lebensgeschichte der Malerin Susanna Faesch im 19. Jahrhundert, die in der Schweiz aufwächst und mit ihrer Mutter in die Staaten immigriert. Zu Beginn des Romans wird das Aufwachsen von Susanna in der Schweiz geschildert. Hier wird eine Situation um den ‚wilden‘ Mann sehr ausführlich geschildert und aufgegriffen, ohne dass dies einen tieferen Sinn für die weitere Erzählung hat. In den Staaten lebt sich Susanna schnell ein und kommt durch einen Zufall zur Porträtmalerei - bei der sie ein Leben lang bleiben wird.

»Nach der Highschool stand sie vor der Frage, welchen Lebensweg sie einschlagen sollte. Das Problem war, dass sie überhaupt keinen Lebensweg einschlagen wollte; keinen von den Trampelpfaden, die es ja nur deshalb gab, weil sie von so vielen Menschen schon begangen worden waren.«(S.127)

Mich persönlich hat das Buch überhaupt nicht überzeugen können. Vielleicht hatte ich zu hohe Erwartungen an das neue Buch des Autors von »Léon und Luise« - das mag sein. Die Geschichte von Susanna Faesch ist aber weder besonders inspirierend, noch emotional ergreifend oder spannend. Ich habe die ganze Zeit auf eine Wende gehofft, aber schlussendlich kann ich dem Buch nicht viel abgewinnen. Den Klappentext finde ich ebenfalls nicht gelungen und sehr irreführend. (Achtung Spoiler!) Die Begegnung von Susanna. Faesch und dem amerikanischen Ureinwohner Sitting Bull findet zwar statt - aber komplett am Ende des Buches und Ihr Porträt hat sie von einem Abbild auf einer Show für ihren Sohn abgemalt.

Wer sich für das einfache Leben und eine mögliche Entwicklung dessen im 19. Jahrhundert interessiert, wird hieran vielleicht sein Vergnügen haben. Für mich war es das nicht.

Bewertung vom 21.07.2022
Violeta
Allende, Isabel

Violeta


sehr gut

Hundert Jahre Lieben, Leiden, Leben der Violeta spannend erzählt von Erzählmeisterin Isabel Allende

» »Du bist kein kleines Kind. Verteidige deine Unabhängigkeit, lass nicht zu, dass jemand anders für dich entscheidet. Du musst lernen, alleine klarzukommen. Hast du verstanden?«, sagte sie. Diese Mahnung habe ich nie vergessen.« (S.127)

Als Ich-Erzählerin schreibt Violeta del Valle einen Brief an ihren Enkel Camilo im Jahr 2020 und erzählt ihm darin ihre Lebensgeschichte von ihrerr Geburt 1920 in Chile bis zu ihrem Ableben 2020.

Violeta erzählt von ihrem Aufwachsen in einem Familienclan mit fünf älteren Brüdern, vom tiefen Fall ihres zwielichtigen Vaters, der Flucht aufs Land durch die Frauen der Familie mit ihr als jüngster Tochter und der dortigen glücklichen Kindheit. Sie erzählt von ihrer ruhigen Ehe Anfang ihrer 20er und dem Ausbruch daraus in eine sehr toxische Beziehung mit Piloten Julián, mit dem sie ihre beiden Kinder Juan Martín und Nieves bekommt. Sie erzählt von ihrer finanziellen Unabhängigkeit, die sie sich mit Hilfe ihres Bruders José Antonio erarbeitet hat und ihr Leben lang fortführt. Sie erzählt von all den Familienmitgliedern und Freunden, die zur Familie geworden sind, und wie das Leben sie zeichnet.

In »VIOLETA« werden Familiendramen mit weltpolitischen Geschehen in Chile und Lateinamerika verknüpft und das Epos der Familiengeschichte der del Valles von Violeta erzählt.

In 4 Teilen erzählt Violeta ihre Lebensgeschichte und greift dabei an der ein oder anderen Stelle etwas vor, streut Informationen, die im späteren Verlauf wieder aufgegriffen und fortgeführt werden. Durch diese Erzählform gelingt es der Autorin, Ereignisse aus Sicht der Protagonistin zu erzählen und diese dies gleichzeitig nüchtern und selbstkritisch reflektieren zu lassen. Zudem werden durch diese ‚Mini-Spoiler‘ der Lesesog verstärkt.

Isabel Allende zeigt mit »VIOLETA« erneut ihrer großartige Erzählkunst. Ich persönlich hätte mir eine noch faktenbasierter und tiefgehendere Einbettung der wechselhaften politischen Gegebenheiten (Korruption, Militärdiktatur, Unterdrückung der Indigenen) gewünscht, sowie eine stärkere Einordnung - zumal die Autorin mit ihren Figuren eine perfekte Grundlage dafür geschaffen hat.

Insgesamt ein toller Roman über eine starke Frau von Isabel Allende.

»VIOLETA« von Isabel Allende wurde aus dem Spanischen von Svenja Becker übersetzt.

Bewertung vom 12.07.2022
Fräulein Steiff
Gottschalk, Maren

Fräulein Steiff


ausgezeichnet

Tolle Romanbiografie über Margarete Steiff - die Gründerin der berühmten Spielwarenfabrik Margarete Steiff GmbH

»[…] Das Elefäntle gehört in die Welt der Kinder und schenkt ihnen etwas, das sie brauchen: einen Freund und Zuhörer, ein weiches Schmusetier, ein Wesen, mit dem sie auch. ihre Angst und ihre Wut teilen können...« (S. 301)