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Benutzername: 
Magda
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 313 Bewertungen
Bewertung vom 14.09.2024
Die Frauen von Maine
Sullivan, J. Courtney

Die Frauen von Maine


ausgezeichnet

Die Frauen von Maine von J. Courney Sullivan hat mich begeistert. Jane ist die Frau von Maine, die im Mittelpunkt des Romans steht, es ist die Geschichte von Jane und ihrer Familie, in der der Alkoholismus von Generation zu Generation weitervererbt wurde.
Jane lebt mit ihrer Mutter und Schwester in Awadapquit, was in der Sprache der Abenaki „Wo die herrlichen Klippen und das Meer sich begegnen“ bedeutet. Die drei bewohnen ein kleines Häuschen, das früher ihrer Großmutter gehört hatte. Janes und Hollys Mutter lebt vom Verkauf gebrauchter Waren, das Geschäft läuft mehr schlecht als recht, die Familie kommt gerade so über die Runden.
Jane ist sehr intelligent und belesen, mit einem Stipendium schafft sie es aufs College, wo sie ihr Studium abschließt. Sie bekommt eine Stelle als Archivarin an der berühmten Schlesinger-Bibliothek, wo sie sich mit der Geschichte der Native Americans beschäftigt und Ausstellungen organisiert. Ihre Arbeit erledigt sie gewissenhaft und gut, von ihrem Umfeld wird sie sehr geschätzt
Seit zehn Jahren ist sie mit David glücklich verheiratet. Sie versucht, die Finger vom Alkohol zu lassen, was ihr jedoch immer seltener gelingt. Auf einer Veranstaltung der Schlesinger-Bibliothek benimmt sich so daneben, dass ihr nahegelegt wird, sich eine längere Auszeit zu nehmen. Auch David erträgt es nicht länger, mit einer Alkoholikerin zusammenzuleben. Jane beschließt, ihrer Schwester Holly bei der Auflösung des Haushalts ihrer vor wenigen Monaten verstorbenen Mutter zu helfen.
In Awadapquit lebt Janes beste Freundin Alison, mit der sie seit ihrer Schulzeit befreundet ist. Alisons Eltern haben Jane immer unterstützt und häufig die Aufgaben übernommen, die eigentlich ihre Mutter hätte erledigen müssen.
Als junges Mädchen zieht es Jane zu einem verlassenen Haus an den Klippen. Dort verbringt sie viele glückliche Stunden. Während ihrer Auszeit wird sie von Geneviève, der neuen Besitzerin des Hauses beauftragt, gegen sehr gute Bezahlung die Geschichte der früheren Bewohner dieses uralten Hauses zu erforschen. Hintergrund ihres Interesses ist der Geist, der ihrem kleinen Sohn erscheint.
Jane stürzt sich begeistert in die neue Aufgabe. Sie bekommt heraus, dass einige der früheren BewohnerInnen im Haus gestorben und auf einem kleinen Friedhof an den Klippen begraben wurden. Sie nimmt Kontakt mit einem Medium auf und nimmt gemeinsam mit Alison und Geneviève an einer Rückführung in vergangene Leben teil. Dabei erfährt sie, dass auch ihre Großmutter eine Verbindung zu dem Haus hatte.
Wow! Ein wunderbarer, spannender Roman, den ich kaum aus der Hand legen konnte! Es waren vielleicht ein oder zwei Handlungsstränge zu viel, mir hätte die Geschichte von Jane fast ausgereicht, deren Leben und Charakter sehr stark von ihren Vorfahrerinnen beeinflusst wurden. Sehr interessant fand ich den spirituellen Aspekt, die Kontaktaufnahme mit der Welt der Geister und Janes Forschung über Native Americans. „Ich bin mir sicher, dass die Dekolonialisierung der Beitrag unserer Generation wird.“ (S. 153). Jane wollte „verdeutlichen, dass die Anfänge amerikanischer Geschichte in der Geschichte der indigenen Bevölkerung wurzelten.“ (S.394). Von mir eine große Leseempfehlung für alle, die gern Familien- und Frauenromane lesen und alle, die sich für die amerikanische Geschichte interessieren.

Bewertung vom 10.09.2024
Der Morgen nach dem Regen
Levensohn, Melanie

Der Morgen nach dem Regen


ausgezeichnet

Der Roman spielt auf mehreren Zeitebenen, die Kapitel sind aus der Sicht von Johanna oder ihrer Tochter Elsa geschrieben.
Johanna, Anfang 60, hat das Haus ihrer Tante Toni in Sankt Goar am Rhein geerbt. Mit dem Haus verbindet sie schöne Erinnerungen an ihre Kindheit und gemeinsame Sommer mit ihrer Tochter.
Das Haus ist sehr in die Jahre gekommen und Johanna beschließt, es vom Keller bis zum Obergeschoss renovieren zu lassen. Ihr Nachbar Richard stellt den Kontakt zu Handwerkerbetrieben her und schon kann es losgehen.
Allein in dem großen Haus lässt sie ihr Leben Revue passieren. Fast ihr ganzes Berufsleben hat sie für die Vereinten Nationen in New York gearbeitet. Ihre Aufgabe war es, humanitäre Einsätze in Kriegsgebieten zu koordinieren. Sie war sehr viel unterwegs, und ihr Mann und die gemeinsame Tochter Elsa mussten wochen- und monatelang auf sie verzichten.
Elsa, Anfang 30, ist Anwältin am Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Genau wie ihre Mutter ist auch sie zielstrebig und erfolgreich, bis sie eines Tages vor einer wichtigen Verhandlung zusammenbricht. Trotz des schlechten Verhältnisses zu ihrer Mutter entschließt sie sich, sich im Haus ihrer Tante zu erholen und neue Kräfte zu sammeln.
Johannas Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Sie hat ein abenteuerliches Leben geführt, die große Liebe erlebt und einen tragischen Verlust erlitten, ihre Familie ist dabei auf der Strecke geblieben.
Elsa hat mir leidgetan, sie hat ihre Mutter in deren wochen- und monatelanger Abwesenheit schmerzlich vermisst, obwohl ihr Vater sich viel Mühe gegeben hatte, ihr ein Familienleben zu bieten. „Ich hatte ständig Angst um dich. Dass du einem Bombenangriff zum Opfer fällst. Dass du entführt wirst. Oder dass dich jemand aus Versehen erschießt.“ (S. 399).
Ich finde es traurig, dass sie gar nicht versucht, Verständnis für ihre Mutter aufzubringen, schließlich hat sie sich für einen ähnlichen Lebensweg entschieden.
Gut gefallen hat mir, dass sich Tante Toni mit einer Stimme aus dem Jenseits oft zu Wort gemeldet und ihre Meinung kundgetan hatte.
Ich habe mich sehr gefreut, dass Mutter und Tochter sind endlich ausgesprochen und Elsa von der großen Liebe und dem Verlust ihrer Mutter erfahren hatte.
Johannas Leben spielte sich an faszinierenden Handlungsorten wie New York, Jerusalem, Amman, Liberia und natürlich Sankt Goar ab. Aufgrund der detaillierten Beschreibungen hat mich die Autorin ins American Colony Hotel in Ostjerusalem, in die Wüste Jordaniens und ins Hotel Mamba Point in Monrovia versetzt.
Melanie Levensohn hat einen flüssigen, emotionalen Schreibstil, ihre Mutter-Tochter-Geschichte hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt. Gerne spreche ich eine Leseempfehlung für Leser*Innen von Frauen- und Familienromanen aus.

Bewertung vom 10.09.2024
Vaterländer
Tambrea, Sabin

Vaterländer


sehr gut

Der Klappentext hält, was er verspricht: Sabin Tambrea erzählt die Geschichte seiner Familie durch die Augen dreier Generationen. Folgerichtig besteht der Roman aus drei Teilen. In Teil 1 erzählt Sabin über den Neubeginn in Deutschland, in Teil 2 hält sein Großvater Horea Sava die Erinnerungen an die Zeit in Haft als politischer Gefangener für die Nachwelt fest und Teil 3 ist aus der Sicht von Sabins Vater Béla.
1987: Der kleine Sabin kommt mit seiner Mutter und Schwester Alina nach Deutschland, wo sie schon sehnsüchtig von Béla erwartet werden. Sabin lebt sich schnell in Deutschland ein, im Kindergarten findet er Freunde. Da beide Eltern und auch die Schwester Alina Musiker sind, lernt auch er Geige spielen. Doch seine Liebe gehört schon früh dem Theater.
1949: Horea Sava wird verhaftet, da er mit einem Regimekritiker in der Schule war und dieser ihn kürzlich besucht hatte. Drei Jahre lang wird er von Mitarbeitern der Securitate misshandelt und gequält.
1970er-1980er Jahre: Béla verbringt seine Kindheit und Jugend in Bukarest, bereits in der Schule lernt er seine Frau Rodica kennen und lieben. Rodica stammt aus einer ungarischen Familie und spielt ebenfalls Geige. Während einer Auslandsreise mit dem Orchester ergreift Béla die Gelegenheit und bleibt im Westen. Zwei Jahre später kommt Rodica mit den Kindern nach.
Das Buch hat mir die Geschichte Rumäniens nahegebracht. Zwar waren mir Ceaușescu und die Securitate ein Begriff, doch über ihre Missetaten war mir bisher wenig bekannt. Sabin Tambrea hat hervorragend recherchiert und die Geschichte Rumäniens mit der seiner Familie meisterhaft verbunden.
Er berichtet über die Spannungen zwischen Ungarn und Rumänen, die in blutigen Ausschreitungen in Targu Mures im März 1990 gipfelten, den Personenkult um den Diktator Ceaușescu und seine Familie und die ständige Angst, vor Inhaftierungen, Folterungen und Hinrichtungen, in der Gegner des Regimes lebten. (S. 258)
„Ceaușescu bezeichnete Erdöl, Juden und Deutschstämmige als die profitabelsten Exportgüter Rumäniens. Er ließ sich von Israel und Westdeutschland die Ausreise jeder einzelnen Person derart entlohnen, dass über eine Milliarde Dollar „erwirtschaftet“ wurden – große Teile davon sollen auf seine Geheimkonten in der Schweiz transferiert worden sein.“ (S. 302)
Das Buch enthält sehr viele Informationen über Rumänien in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Wende und dem Sturz des kommunistischen Regimes. Stellenweise fand ich den Roman etwas langatmig, manche Situationen und Ereignisse waren allzu detailliert beschrieben. Schön fand ich die Liebesgeschichte von Rodica und Béla, grausam die Erlebnisse des Großvaters in Haft. Ich empfehle den Roman Leser*Innen von historischen Romanen und vor allem denjenigen, die sich für die Geschichte Rumäniens interessieren.

Bewertung vom 05.09.2024
Das größte Rätsel aller Zeiten (eBook, ePUB)
Burr, Samuel

Das größte Rätsel aller Zeiten (eBook, ePUB)


sehr gut

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen: 1979 und 1991 geht es um Pippa Allsbrook und in der Gegenwart um ihren 25jährigen Ziehsohn Clayton Stumper.
Prolog: Pippa findet auf der Türschwelle eine Hutschachtel mit einem Baby darin.
Die Gemeinschaft der Rätselmacher wird 1979 in einem Pub gegründet. Einige Jahre später stellt Pippa ihr Familienanwesen Creighton Hall der Gemeinschaft zur Verfügung. Sie zieht mit sieben Herren, der Haushälterin Angel und der Taxifahrerin Nancy Stone in Creighton Hall ein. Vor allem Hector bedeutet die Gemeinschaft sehr viel, bevor er Pippa kennengelernt hatte, war an einem Tiefpunkt seines Lebens und obdachlos.
Alle Mitglieder, bis auf die Haushälterin, verbringen die meiste Zeit damit, Rätsel zu erstellen, so ist zum Beispiel Hector Puzzle-Illustrator, Earl Meister der Labyrinthe, Derek Codebrecher und Pippa Kreuzworträtselautorin. In der Anfangszeit geht es der Gemeinschaft finanziell nicht gut, doch im Laufe der Jahre werden die Rätselmacher immer bekannter, und schon bald können sie es sich in Creighton Hall richtig gut gehen lassen.
In jedem Kapitel gibt es ein Rätsel, bei dem die LeserInnen mitraten können. Doch das größte Rätsel hat Clayton zu lösen. Er will wissen, wer seine Eltern sind. Pippa sagt ihm das nicht einfach geradeheraus, schließlich ist sie eine gewiefte Rätselmacherin, nein, er muss Schritt für Schritt herausfinden, wo er herkommt.
Im Alter von fünfundzwanzig Jahren verlässt Clayton Creighton Hall und fährt nach London. Die erste Station seiner Rätsel-Reise ist Nancy Stone, die die Gemeinschaft vor vielen Jahren verlassen hatte.
Clayton braucht Hilfe bei der Lösung der Aufgaben, die Pippa ihm gestellt hatte, denn er ist „nur“ der Schriftführer der Gemeinschaft und der einzige, der sich kaum für Rätsel interessiert. Auf der Suche nach seiner Herkunft lernt er viele Menschen kennen und verliebt sich. Letztendlich führt seine Reise ihn bis nach Amsterdam.
Ganz besonders schön fand ich die Episode mit Cilla, die Clayton in einem Londoner Park kennenlernt. Cilla wird am nächsten Tag achtzig Jahre alt und muss den Tag ganz allein feiern – was Clayton natürlich verhindert! Clayton wird bewusst, wie gut er es in der Gemeinschaft der Rätselmacher getroffen hatte. Einsam hat er sich nie gefühlt, er war immer von herzlichen und ihm wohlgesinnten Menschen umgeben.
Ein Wohlfühlbuch über die Kraft der Freundschaft. Gleichgesinnte leben zusammen auf einem wunderschönen Anwesen, jeder widmet sich seinem liebsten Zeitvertreib und genießt das Zusammenleben mit Freunden. Es hat mir Spaß gemacht zu versuchen, die Rätsel zu lösen, und ich war gespannt, was es mit Claytons Herkunft auf sich hat. Von mir eine Leseempfehlung für alle, die gern Rätsel lösen und sich auf eine Reise durch London begeben möchten.

Bewertung vom 29.08.2024
Und dahinter das Meer
Spence-Ash, Laura

Und dahinter das Meer


ausgezeichnet

Und dahinter das Meer ist die Geschichte von zwei Familien, von denen eine in Boston und die andere in London lebt.
London, 1940: Um ihre elfjährige Tochter Bea vor Bombardierungen zu schützen, beschließen Millie und Reg, sie zu einer Gastfamilie nach Amerika zu schicken. In Boston wird Bea sehr herzlich bei den Gregorys aufgenommen. Von Anfang an versteht sie sich sehr gut mit den beiden Söhnen William und Gerald. Nancy Gregory hatte sich immer eine Tochter gewünscht und überschüttet Bea mit Herzenswärme, Großzügigkeit und Güte. Schnell lebt Bea sich so gut bei den Gregorys ein, dass sie am liebsten für immer dableiben würde. Die schönste Zeit ihres Lebens verbringt sie im Ferienhaus der Gregorys in Maine.
Derweil wird sie von ihren Eltern schmerzlich vermisst, insbesondere ihre Mutter Millie kann sich nicht damit abfinden, dass Bea in Amerika so glücklich ist. Sobald der Krieg zu Ende ist, holt sie ihre mittlerweile 16jährige Tochter zurück nach London – und das, nachdem Bea sich in William verliebt und die beiden erste zarte Bande geknüpft hatten.
Der Roman erzählt die Geschichte von Bea und Millie und den Gregorys im Zeitraum von 1940 bis 1977 in kurzen Kapiteln, die aus der Sicht von acht Charakteren geschrieben sind: Bea, Millie, Nancy, William, Gerald, Rose, Reg und Ethan. Bea wird Grundschullehrerin und hat einige Liebesbeziehungen, die sie jedoch beendet, sobald von Heirat oder Kindern die Rede ist. Ihr Herz gehört William, der jedoch mittlerweile mit Rose verheiratet ist. Auch William kann Bea nicht vergessen. Glück findet er nur im Zusammensein mit seinen Kindern, im Job und in seiner Ehe findet er keine Erfüllung.
Wir erfahren viel über das Gefühlsleben von Millie und Nancy. Nancy ist eine wunderbare Frau, die Bea genauso innig liebt wie ihre Söhne und Enkelkinder. Millie wiederum hat einen schwierigen Charakter, es dauert Jahre, bis ihr Verhältnis zu Bea besser wird, sie ihre Eifersucht überwindet und akzeptiert, dass die Gregorys für Bea überlebenswichtig sind.
Mich hat der Debütroman von Laura Spence-Ash sehr berührt. Ich konnte Beas Zerrissenheit zwischen England und Amerika sehr gut nachvollziehen. Mein einziger Kritikpunkt ist die Schreibweise der direkten Rede. Ich fand die Schreibweise der Dialoge in kursiver Schrift ohne Leerzeilen störend und bevorzuge die herkömmliche Darstellung mit Anführungszeichen und Leerzeilen. Das Ende hat mir gut gefallen, es hat mich mit den tragischen Verlusten, die Bea im Laufe der Jahrzehnte ertragen musste, versöhnlich gestimmt. Von mir gibt es eine Leseempfehlung für diesen wunderbaren und sehr atmosphärischen Familienroman.

Bewertung vom 28.08.2024
Zwei in einem Leben
Nicholls, David

Zwei in einem Leben


ausgezeichnet

Zwei in einem Leben ist das erste Buch, das ich von David Nicholls gelesen habe, ich freue mich sehr, ihn entdeckt zu haben. Der Schreibstil und die Geschichte haben mich gefesselt und begeistert.
Marnie, 38, arbeitet als selbständige Lektorin und hat nach dem Ende ihrer Ehe mit den Männern abgeschlossen. Sie verkriecht sich in ihrer Wohnung, arbeitet im Home Office und lässt das Leben an sich vorbeiziehen. Ihre Freundin Cleo, Mutter des 13jährigen Anthony, versucht sie wieder unter die Leute zu bringen und wünscht ihr nichts mehr als eine neue Beziehung.
Michael, 42, lebt getrennt von seiner Frau Nathalie. Er ist engagierter Erdkundelehrer und geht in seiner Freizeit gern wandern, am liebsten allein. Cleo ist seine Kollegin und gute Freundin.
Cleo organisiert eine mehrtägige Wanderung, zu der sie alle ihre Freunde und Freundinnen einlädt, die alleinstehend sind. Außer Marnie und Michael sind das Conrad und Tessa.
Tessa sagt kurzfristig ab, so dass sich Cleo mit ihrem Sohn Anthony, Marnie, Conrad und Michael auf den Weg macht. Entgegen Cleos Erwartungen versteht Marnie sich nach anfänglichen Startschwierigkeiten mit Michael viel besser als mit Conrad. Schon nach kurzer Zeit schrumpft die Wandergruppe von ursprünglich fünf auf zwei Personen – Marnie und Michael.
Auf ihren täglichen stundenlangen Wanderungen bei Wind und Wetter – meistens ist das Wetter schlecht – vertrauen sich Marnie und Michael einander an. Die Gesprächsthemen drehen sich um ihre früheren Beziehungen, Einsamkeit, Kinderlosigkeit oder - wie Marnie hinterher Conrad berichtet: Um die Liebe, das Leben und den Tod.
Michael berichtet Marnie von einem tragischen Erlebnis, das bei ihm Depressionen und Angstzustände ausgelöst hatte. Marnie erzählt über die fatale Entwicklung ihrer Ehe.
Die Kapitel Tag 1 – 10 sind abwechselnd aus Marnies und Michaels Sicht geschrieben. Bei einigen Passagen musste ich schmunzeln oder lachen, trotz der oft darin enthaltenen Tragik. In Marnie konnte ich mich gut hineinversetzen und konnte ihr Verhalten gut nachvollziehen. Michael und Marnie waren beide authentisch.
Sehr gern habe ich die Gespräche mit teilweise philosophischen Betrachtungen des Lebens verfolgt. Von mir gibt es eine große Leseempfehlung für diese berührende Liebesgeschichte.

Bewertung vom 27.08.2024
Ein mysteriöser Gast / Regency Grand Hotel Bd.2
Prose, Nita

Ein mysteriöser Gast / Regency Grand Hotel Bd.2


gut

Band 1 der Reihe „The Maid“ habe ich nicht gelesen, das Cover und der Hinweis darauf, dass The Maid ein New York Times-Bestseller war, haben mich auf das Buch aufmerksam gemacht. Leider musste ich erneut feststellen, dass Cosy Crime nicht wirklich mein Genre ist.
Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen – in der Gegenwart wird nach dem Mörder eines bekannten Krimiautors gesucht und in den Kapiteln, die mit „Früher“ überschrieben sind, erfahren wir, wie es dazu gekommen ist, dass Molly den ermordeten Autor kennt.
Molly Gray arbeitet seit einigen Jahren im Regency Grand Hotel, mittlerweile ist sie Chefzimmermädchen. Eines Tages kommt der bekannte Krimiautor J. D. Grimthorpe, ins Regency Grand, um vor der Presse und einigen seiner glühendsten Fans eine Ankündigung zu machen. Bevor er diese machen kann, bricht er tot zusammen.
Detective Stark ermittelt. Mrs. Stark kennt Molly bereits von einer anderen Ermittlung, in der Molly die Hauptverdächtige war. Auch diesmal sucht sie nach Indizien, um sie zu überführen. Doch die Liste der Verdächtigen ist lang: Neben den Hotelangestellten gibt es da noch Serena Sharpe, Mr. Grimthorpes persönliche Sekretärin und sein Fanclub namens LAMM – Liebhaberinnen anspruchsvoller Mysterien und Morde.
Molly erinnert sich an die Zeit, die sie gemeinsam mit ihrer Gran im Herrenhaus der Grimthorpes verbracht hatte. Gran war dort Dienstmädchen, und Molly begleitete sie oft zur Arbeit, die beide gern verrichteten. Schon damals machte es ihr Spaß, Silber zu polieren und Staub zu wischen. Nach getaner Arbeit durfte sie Große Erwartungen und andere Klassiker aus der umfangreichen Bibliothek lesen. Allerdings birgt die Bibliothek ein Geheimnis...
Molly hat ein Auge und ein Ohr für Details „Ich weiß, wie es klingt, wenn ein Regency-Grand-Teelöffel eine Regency-Grand-Teetasse streift. Dieser zarte, melodische Klang – Musik in meinen Ohren.“ Dank Mollys Talent und ihrer Auffassungsgabe wird Mr. Grimthorpes Mörder überführt.
Leider konnte mich der Cosy Crime nicht begeistern. Molly hatte was von Miss Marple, kam aber bei weitem nicht an sie heran. Die Geschichte hätte auch zu Zeiten von Miss Marple spielen können, da es wenig Hinweise auf die Gegenwart gab, das Internet wurde nur selten zu Rate gezogen, und die Pandemie wurde mit keinem Wort erwähnt. Ich hätte anhand der Handlung auch nicht sagen können, wo das Regency Grand steht, in Amerika oder Europa?
Für meinen Geschmack gab es auch zu viele Nebenhandlungen: Diebstähle im Hotel, Zickenkrieg unter den Zimmermädchen, Verkauf von Erstausgaben, Mollys Beziehung zu Juan und last but not least ihre familiären Verwicklungen.
Das Buch empfehle ich LeserInnen, die gerne Cosy Crime lesen und auch denen, die gerne Band 1 „The Maid“ gelesen haben.

Bewertung vom 20.08.2024
Vielleicht können wir glücklich sein / Heimkehr-Trilogie Bd.3
Hennig von Lange, Alexa

Vielleicht können wir glücklich sein / Heimkehr-Trilogie Bd.3


ausgezeichnet

Vielleicht können wir glücklich sein von Alexa Hennig von Lange ist der 3. Band der Heimkehr-Trilogie.
Die Trilogie ist an das Leben der Großmutter der Autorin angelehnt, die 130 Tonbandkassetten hinterlassen hatte. Auf diesen berichtet sie aus ihrer Jugend Ende der 1920er und 1930er Jahre, ihrer Zeit als Leiterin des nationalsozialistischen Frauenbildungsheims in Sandleben vor und während des Zweiten Weltkrieges und vor allem auch aus ihrer Zeit als Mutter von vier kleinen Kindern.
Band 3 spielt 1944/45. Klara hat sich schweren Herzens dazu entschlossen, die Leitung des Frauenbildungsheims an ihre frühere Schülerin Fritzchen abzugeben. Ihr Mann Gustav ist an Front, sie lebt mit ihren vier Kindern unweit ihrer früheren Wirkungsstätte. Ein14jähriges Pflichtjahrmädchen unterstützt sie im Haushalt und bei der Kinderbetreuung. Eines Tages wird bei einem der Kurkinder im Heim Diphterie diagnostiziert, eine Krankheit, die damals oft einen tödlichen Verlauf hatte.
Klaras Gedanken sind oft bei dem jüdischen Mädchen Tolla, das sie vor Kriegsbeginn dem Zugriff der Nazis entziehen wollte. Tolla schreibt ihr Postkarten aus Theresienstadt, und Klara macht sich große Vorwürfe, dass sie das Mädchen nicht retten konnte.
Kurz vor Kriegsende werden die umliegenden Orte vermehrt von den Alliierten bombardiert, das Lazarett ist überfüllt, russische Soldaten werden in Klaras Haus einquartiert. Auch der 14jährige Berti, den Klara von klein auf kennt, muss an die Front.
Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen, in den Kapiteln wird abwechselnd Klaras und Isabells Geschichte erzählt. Isabell, Klaras Enkelin, und ihre Mutter Inge lösen den Haushalt der verstorbenen Klara auf. Dabei finden sie nicht nur die bereits erwähnten Tonbandkassetten, sondern auch Tagebücher, die Gustav geschrieben hatte. Auf den Tonbandaufnahmen finden sich auch Erinnerungen aus der Nachkriegszeit bis in die 1960er Jahre. Ob daraus ein neuer Roman entsteht? Ich würde mich sehr freuen!
Der knapp sechs Jahre alte Georg-Friedrich ist mir ganz besonders ans Herz gewachsen. Ein kluger kleiner Junge, der sich hingebungsvoll um seine Schwestern kümmert und der Mutter hilft, wo er kann.
Die Autorin hat das Leben als Mutter damals und heute (Isabell hat eine kleine Tochter) authentisch dargestellt. Ich mag es mir gar nicht vorstellen, wie es gewesen sein muss, den Krieg als Mutter mit vier kleinen Kindern zu erleben. Klara hatte es sogar geschafft, für die Kinder einen Weihnachtsmann und kleine Geschenke zu organisieren. Es wurde auch noch von ihr erwartet, dass sie den Posten der Frauenschaftsführerin übernimmt, nur eine hartnäckige und schlecht heilende Venenentzündung hatte sie davor bewahrt, diese Aufgabe zu übernehmen.
Ein wunderbarer Abschluss der Trilogie, die ich sehr gern gelesen habe und allen LeserInnen von historischen Romanen ans Herz legen möchte. Zum Schluss möchte ich noch Isabell zitieren, die einen Roman über das Leben ihrer Großmutter schreiben möchte: „Natürlich hatten sie in der Oberstufe über die Zeit des Nationalsozialismus gesprochen. Aber all das, was sie als Jugendliche erfahren hatten, war so schwer erfassbar gewesen. Alles war seltsam eindimensional und unwirklich geblieben, so dass sie in dieser dunklen Ära zwischen den Daten, Zahlen und Fakten die Menschen gar nicht mehr erkennen konnte. Sie wollte fühlen, wie es damals gewesen sein könnte.“ Mit der Trilogie hat die Autorin es geschafft: Ich konnte die damaligen Ereignisse fühlen.

Bewertung vom 19.08.2024
Das Opernhaus: Samtschwarz die Nacht / Die Dresden Reihe Bd.3
Stern, Anne

Das Opernhaus: Samtschwarz die Nacht / Die Dresden Reihe Bd.3


ausgezeichnet

Das Opernhaus - Samtschwarz die Nacht ist der Abschlussband der Dresden-Trilogie von Anne Stern.
1869 ist Elise ist 49 Jahre alt. Sie lebt mit ihrem Mann, dem Arzt Leopold Leitner und ihren beiden erwachsenen Kindern in Blasewitz. Ihre Adoptivtochter Netty ist Primaballerina an Königlichen Hoftheater. Der 19jährige Julius studiert Mathematik und Bauwesen, bei ihren Auftritten begleitet er seine Mutter am Klavier. Elises große Liebe, der Bühnenmaler Christian Hildebrand, lebt seit den Mai-Aufständen 1849 in Zürich.
In diesem Band steht die Liebesbeziehung von Elises Sohn und Rahel Cohn im Mittelpunkt. Rahel entstammt einer jüdischen Bankiersfamilie. Das junge Mädchen ist sehr belesen, sie würde gern wie Julius Mathematik studieren, doch Frauen sind im Königreich Sachsen nicht zum Studium zugelassen.
Obwohl die Leitners der Familie Cohn freundschaftlich verbunden sind, betrachten sie Julius‘ Beziehung zu einer Jüdin mit großer Sorge, der Antisemitismus ist in Sachsen sehr weit verbreitet.
Am 21. September fängt der Dachboden des Hoftheaters während der Proben zur Premierenfeier von La Sylphide aufgrund der Unachtsamkeit eines Handwerkers Feuer. Glücklicherweise können sich alle Darsteller und OpernmitarbeiterInnen vor dem Feuer retten. Schon bald wird ein Interimstheater aufgebaut und Gottfried Semper aus der Verbannung nach Dresden gerufen, um die Oper wiederaufzubauen. Auch Christian soll zurückkommen, um das Opernhaus in altem Glanz wiederauferstehen zu lassen.
Sehr ergreifend beschreibt Anne Stern die Gedanken und Gefühle der Garderobiere Bertha Heise, die sich nach dem verheerenden Brand voller Wehmut die Requisiten anschaut, die aus den Ruinen gerettet wurden: „verrußte, nach Rauch stinkende Stoffballen, Spitzenborten, Straußenfedern, Papierfächer, Seidenstrümpfe, Gürtel, Lederschuhe, Kopfschmuck, Hüte … All das quoll übel riechend und schwärzlich verfärbt aus den Kisten und war kaum wiederzuerkennen.“ (S. 252)
Ich habe mich sehr über das Wiedersehen mit Elise und Christian, aber auch mit den Nebenfiguren wie Elises Vater Georg Spielmann, ihre Schwester Barbara, Ernestine Hildebrand und Clementine Fuchs, Fanny Regensberg, und last but not least Bertha Heise gefreut.
Anne Stern hat den Brand in der Oper so authentisch beschrieben, dass ich mich mittendrin wähnte und an den Brand in der Kathedrale Notre-Dame vor fünf Jahren denken musste.
Schade, dass die Trilogie nun zu Ende ist, gerne hätte ich erfahren, wie es mit Rahel und Julius, Elise, Leopold und Christian, Netty und Niccolo weitergeht. Ich hatte mit der Semperoper-Trilogie wunderbare Lesestunden und habe viel über den Brand vom 21.09.1869, die Welt der Oper und Dresden erfahren. Von mir eine große Leseempfehlung für diese hervorragend recherchierte Reihe.

Bewertung vom 15.08.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


gut

Pi mal Daumen ist bereits das dritte Buch, das ich von der Autorin gelesen habe, aber leider nicht das beste. Meiner Meinung nach ist mathematisches Verständnis vonnöten, um die Geschichte zu verstehen.
Oscar ist 17 und studiert bereits Mathematik. Er lebt in seiner eigenen Welt und ist nicht an sozialen Kontakten interessiert – bis sich Moni Kosinsky seiner annimmt. Moni ist 53 und ist Oscars Kommilitonin. Unter den Studierenden fällt sie nicht nur aufgrund ihres Alters, sondern auch aufgrund ihres sexy Outfits auf wie ein bunter Vogel. Sie nimmt Oscar unter ihre Fittiche. Neben dem Studium hat Moni mehrere Jobs und kümmert sich außerdem um ihre drei Enkelkinder, Keanu, den Jüngsten nimmt sie sogar mit zu den Vorlesungen.
Oscars Idol ist der berühmte Mathematik-Professor Daniel Johannsen. Er unterrichtet an Oscars und Monis Uni und ist der Grund dafür, dass Oscar sich ausgerechnet für diese Universität entschieden hatte. Nachdem er Moni beim Kaffeetrinken mit dem Professor gesehen hat, nimmt er sie und ihre ganze Sippe unter die Lupe, sie wird zu seinem Forschungsprojekt.
Monis Familie wird als sehr proletenhaft und einfach dargestellt, alle Klischees werden bedient. Einzig mit Monis zwei Enkelsöhnen kann Oscar was anfangen, Quentin ist ein Mathe-Genie und in Justin verliebt er sich ein bisschen.
Apropos Klischees –das Buch ist voll davon. Zuerst habe ich mich noch amüsiert, doch nach und nach wurde mir die Geschichte zu unrealistisch und konstruiert. Das Buch gefällt mit Sicherheit LeserInnen, die was von Mathe verstehen, ein gewisses Grundverständnis wird vorausgesetzt. Das Ende habe ich nicht verstanden, mit Dimensionen und Pyramiden kann ich nichts anfangen, deswegen spreche ich nur eine bedingte Leseempfehlung aus.