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bolie
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Langscheid

Bewertungen

Insgesamt 944 Bewertungen
Bewertung vom 23.06.2024
Mord stand nicht im Drehbuch
Horowitz, Anthony

Mord stand nicht im Drehbuch


ausgezeichnet

Als er das Vaudeville betrat war ihm schlecht. Lag es daran, dass sein Stück „Mindgame“ zum ersten Mal aufgeführt wurde? Oder hatte er schon eine Vorahnung? Dass die kommenden Tage recht aufregenden für ihn sein würden? Dass er zudem auch noch nach seinem ehemaligen Partner Hawthorne Ausschau hielt, zeigte eindrücklich, in welcher Verfassung Anthony war.

Dies war mein erstes Buch von Anthony Horowitz. Es dauerte etliche Seiten, bis ich mich an den Stil und die zahlreichen Figuren gewöhnte. Dabei ist die Story durchaus spannend und gut durchdacht. Die Charaktere werden sehr genau beschrieben und ihre Eigenarten klar benannt. Dadurch führte der Autor mich auch sehr oft auf falsche Fährten und ich lag mit meinen Annahmen völlig daneben. Aber das macht für mich auch einen spannenden Krimi aus.

Es gab viele Verdächtige und Wendungen, die nicht vorhersehbar waren. Die schrullige Art der Hauptfiguren zeigte sich deutlich und das mag ich an britischen Büchern so sehr. Der trockene Humor darf dabei natürlich auch nicht fehlen. Was ebenfalls für mich wichtig ist, dass die Tat nachvollziehbar und ihre Darstellung nicht übertrieben blutig ist. Ein wirklich gutes Buch von einem Autor, den ich mir mit Sicherheit merke.

Bewertung vom 17.06.2024
Das deutsche Alibi (eBook, ePUB)
Hoffmann, Ruth

Das deutsche Alibi (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Für mich unglaublich und nicht nachvollziehbar. Nachkommen der Widerstandsgruppe um Stauffenberg wurden noch Jahre nach Kriegsende als „Verräterkinder“ ausgegrenzt und beschimpft. Und dann gibt es noch die Frage, ob es tatsächlich nur die bekannten Verbündeten Stauffenbergs waren, die eine Wende im Kriegsgeschehen herbeiführen wollten. Die Journalistin und Autorin des Buches „Das deutsche Alibi“, nominiert für #DeutscherSachbuchpreis, ging den offenen Fragen nach und zeigt ganz klar, wie der 20.07.1944 politisch instrumentalisiert wurde und wird.

Diese sogenannten „Persilscheine“ wurden auch denen ausgestellt, die aktiv in SS und SA tätig waren. Warum? Weil ja alle nur sehr arme Männer waren, die ausnahmslos von ihrem Führer verführt wurden. Sie konnten ja nichts dafür. Eine eigene Meinung kannten sie nicht. (Achtung, das ist Ironie). Niemand hatte Schuld am Geschehen damaliger Zeit. Menschen, die im Widerstand tätig waren wurden verachtet und von vielen als Verräter gebrandmarkt. Sie wurden gemieden.

Eine Hinterbliebenenversorgung gab es nur für Witwen der SS und SA. Nicht für jene, die ihre Männer aufgrund der Aktion vom 20. Juli 1944 verloren. Die Begründung: „Die Versorgung kann nur jenen gewährt werden, die durch ihren Militärdienst zu Schaden gekommen sind.“ Und der Herr Adenauer? Was ließ er verlauten? „Niemand darf die Soldaten wegen ihrer früheren Tätigkeit tadeln. Der Anteil derer, die wirklich schuldig waren, sei so gering, dass damit der Ehre der deutschen Wehrmacht kein Abbruch geschieht.“ Das Lesen dieser Sätze war für mich erschreckend.

Wie bitte? „Das Kapitel der Kollektivschuld muss ein für allemal beendet sein.“ Nein, nach dem Lesen des Buches wundert es mich nicht, dass so viele Menschen sich zu einer Partei hingezogen fühlen, die genau diese Meinung vertritt. Hätte es den Oberstaatsanwalt Fritz Bauer nicht gegeben, wären selbst übelste Verbrecher mit einer weißen Weste unbehelligt durchs Leben gegangen.

Ein Zitat aus dem Buch gibt es noch zum Schluss meiner Rezension:
„Nichts gehört der Vergangenheit an, alles ist noch Gegenwart und kann jederzeit wieder Zukunft werden.“ Das sagte einst Fritz Bauer.

Bewertung vom 06.06.2024
Endstation Rursee (eBook, ePUB)
Müller, Olaf

Endstation Rursee (eBook, ePUB)


sehr gut

Kommissar Fett und seine Assistentin haben mal wieder Stress. Die Tote im Pferdestall gibt so viele Rätsel auf und eine Fahrt durch die Voreifel bringt kaum Klarheit. Dabei sieht es so aus, als dass es beim Tod der Frau nicht alleine um sie geht. Die Ermittler befürchten, dass es sich um etwas „ganz Großes“ handelt. Und mit der Zeit stellt sich raus, wie recht sie hatten.

Obwohl „Endstation Rursee“ bereits das siebte Buch einer Serie ist, konnte ich dem Geschehen gut folgen. Die Reise durch die Voreifel an Orte, die ich gut kennen, gefiel mir. Die Spannung hält sich gut, wobei sie mäßig ist und kaum Höhepunkte zeigt. Der Humor las sich für mich stellenweise recht mühsam. Will sagen, es kam mir vor, als wäre der Autor zu sehr darauf fokussiert, seine Akteure lustig erscheinen zu lassen.

Gut gefielen mir die Hinweise auf Georges Simenon und die Beschreibung der Charaktere von Voreifel und Rur. So kenne ich diese Menschen auch. Ein regionaler Krimi, der bestimmt einige Leser begeistert.

Bewertung vom 02.06.2024
Der Sturm - Verachtet / Engelhardt & Krieger ermitteln Bd.5 (eBook, ePUB)
Sander, Karen

Der Sturm - Verachtet / Engelhardt & Krieger ermitteln Bd.5 (eBook, ePUB)


sehr gut

Mascha fühlt sich noch immer beobachtet und will nicht weiter bei Tom schlafen. Sie befürchtet, dass sie seine Tochter in Gefahr bringt. Die beiden Toten auf dem Darß sind nicht identifiziert und Maschas Bruder zeigt sich von seiner bösen Seite.

„Der Sturm verachtet“ ist der 5. Band des Ermittlerduos Mascha und Tom. Das Lesen der ersten Bücher ist nicht zwingend notwendig, da die Autorin wichtige Ereignisse wiederholt. Durch die kurzen Kapitel mit eigenen Überschriften lässt sich das Buch flüssig lesen. Was mir nicht so gut gefiel, sind die vielen Wechsel von Orten und Personen.

Die Charaktere werden schlüssig dargestellt und auch die Fälle sind nachvollziehbar. Übermäßiges Grauen gibt es ebenfalls nicht. Die Spannung bleibt hoch und erst kurz vor dem Ende kommt es zu einer Auflösung. Da es weitere Bände der Reihe gibt, gehört der Cliffhanger selbstverständlich dazu.

Bewertung vom 02.06.2024
Wir waren nur Mädchen (eBook, ePUB)
Jackson, Buzzy

Wir waren nur Mädchen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Hannie Schaft studiert an der juristischen Fakultät in Amsterdam. Sie ist zurückhaltend und kann nur schwer Kontakte knüpfen. Wie gut, dass es da zwei junge Frauen gibt, die auf sie zugehen. Rasch werden die drei zu engen Freundinnen. Als Hitler die Niederlande vereinnahmt und das Leben für Juden auch hier unerträglich wird, fasst Hannie einen Entschluss. Sie will gegen die Ungerechtigkeit kämpfen und ihre Freundinnen vor Verrat und Tod schützen.
„Wir waren nur Mädchen“ gibt eine Zusammenfassung ihres viel zu kurzen Lebens.

Welch eine mutige Frau. Und wie sie waren viele jungen Menschen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Sie stellten sich gegen Denunziation von Nachbarn und Bekannten. Dabei machte ihnen die Lebensgefahr, in der sie täglich schwebten, kaum etwas aus. Viele von ihnen wurden Jahre später geehrt. In Yad Vashem, als „Gerechte unter den Völkern.“

Und wieder mal musste ich feststellen, dass ich so viele Fakten aus dem letzten Weltkrieg nicht weiß. Hannie Schaft war mir kein Begriff und auch von ihren Mitkämpfern hörte ich bisher noch nichts. Das Buch wurde in Romanform geschrieben, zeugt aber von einer akribischen Recherche. Bis heute können die Spuren der Frau Schaft in den Niederlanden verfolgt und die Erinnerungsstätten aufgesucht werden. Ihr Tod war ein willkürlicher Akt der Invasoren und hätte nicht geschehen dürfen. Aber leider gab es zu der Zeit keine Gerichtsbarkeit, die den Deutschen das Handwerk legen konnte.

Bewertung vom 30.05.2024
Bevor uns die Luft ausgeht
Töpfner, Astrid

Bevor uns die Luft ausgeht


ausgezeichnet

Es ist Sonntag und die ganze Familie sitzt am Frühstückstisch. Das sind Elsa und Finn, ihr Mann, mit dem sie seit 20 Jahren verheiratet ist, sowie ihre beiden Kinder Caro 19 und Mats 15 Jahre alt. Eigentlich ist es ein friedliches und liebgewordenes Ritual. Eigentlich. Heute aber überhaupt nicht. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Elsa und Caro stören die Ruhe und, was noch schlimmer ist, Mats, der Vater und Ehemann hält sich raus. Das bringt Elsa auf die Palme. Sie will nur noch weg.

Eine Auszeit von Kindern, Mann und Haushalt. Wie oft träumen gestresste Frauen davon. Elsa macht es wahr und das ist gut so. Astrid Töpfner schreibt Probleme an, die es in vielen Familien gibt. Es wird nichts beschönigt und auch nichts übertrieben. Dabei ist es keineswegs eine oberflächliche Geschichte. Hier geht es um mehr als überstrapazierte Mütter. Lebenslügen und Überfürsorge sind nur zwei Fakten, die hier Thema sind.

Der Stil ist wie bei allen Büchern von Frau Töpfner bildhaft und abwechslungsreich. Dass sie Spanien liebt, merke ich bei jedem ihrer Romane und das steckt an. Das Buch macht allen Frauen Mut, die sich aktuell überfordert fühlen. Es ist viel mehr als ein Schmöker für lange Sommerabende.

Bewertung vom 27.05.2024
Feuer (eBook, ePUB)
Leshem, Ron

Feuer (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Der Autor Ron Leshem ist unter anderem Journalist und lebt mittlerweile in Boston. Geboren in Israel und mit regelmäßigem Kontakt in seine Heimat, macht ihn das zu einem Kenner der Situation vor Ort. „Feuer“ ist also ein Sachbuch, das nicht nach Hörensagen geschrieben wurde.

Wer heute behauptet, dass die Hamas eine harmlose „Befreiungsorganisation“ sei, der sollte dieses Buch lesen. Minutiös zeichnete der Autor auf, was am 07.10.2023 geschah. Und er schrieb im Anhang, dass die grausamsten Taten noch gar nicht erwähnt seien. Das ist gut so, sonst hätte ich nach dem Lesen gar nicht mehr schlafen können. Es war auch so schon unmenschlich und kaum zu ertragen.

Herr Leshem zeigt beide Seiten des Konfliktes. Ohne Beeinflussung kann der Leser sich ein eigenes Bild machen. Erschreckend für mich, dass die Täter in Boston nahezu frenetisch gefeiert wurden. Und das, als die Menschen in Israel noch zitternd um ihr Leben bangten. Aber auch die Zerrissenheit des Volkes ist Thema des Buches. Wie zwei „Lager“ gegeneinander argumentieren und ausgerechnet die ruhigeren Menschen aus dem Nichts angegriffen wurden. Aber, war es denn tatsächlich aus dem Nichts? Gab es keine ernstzunehmenden Zeichen eines nahenden Überfalls? Auch auf diese Fragen geht der Autor ein. Für mich eins der besten Sachbücher, das ich in diesem Jahr bisher las.

Bewertung vom 18.05.2024
Eine Blume ohne Wurzeln
Chekh, Nada

Eine Blume ohne Wurzeln


sehr gut

Nada Chekh lebt mit ihren Eltern in einer Siedlung. Die Häuser wurden mit staatlicher Unterstützung gebaut. Nada versteht nicht, warum ihre Eltern so streng und mit dem Glauben so stark verwachsen sind. Sie will raus. Raus aus der Enge und der Strenge ihre Mutter.

Schon beim Lesen der ersten Seiten war ich gefangen. Von der erfrischenden Art dieser Autorin. Mir war, als säße sie neben mir und wir unterhielten uns. Dabei ist ihre Geschichte so aktuell als wurde sie gestern geschrieben. Die Probleme der heranwachsenden Frau sind so gravierend, dass ich es kaum glauben konnte. Eigentlich sollten Eltern immer wieder erkennen, dass Druck stets Gegendruck erzeugt.

Locker geschrieben und voller unglaublicher Erlebnisse. Das Buch werde ich auf jeden Fall noch einmal lesen. Zu viele wichtige Dinge habe ich gewiss übersehen. Schwierig für mich war wiederum diese einseitig Sicht auf die Situation in Palästina. Aber das ist wohl normal, wenn der Vater dort geboren wurde.

Bewertung vom 18.05.2024
Das Lied des Schmetterlings (eBook, ePUB)
Cambron, Kristy

Das Lied des Schmetterlings (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Acht Jahre war sie alt als Sera Jams das Kunstwerk zum ersten Mal sah. Gemeinsam mit ihrem mittlerweile verstorbenem Vater besuchte sie eine Galerie und das Bild geht ihr nicht mehr aus dem Sinn. Heute ist sie selbst Galeristin und sucht immer noch. Wer ist diese Frau mit dem kahlen Kopf und den ausdrucksstarken Augen? Was war ihr Schicksal?

Im Dezember 1942 entkommt Adele von Bro nur sehr knapp ihren Verfolgern, die mit geladenen Pistolen hinter ihr her sind. Sie flüchtet zu einem befreundeten Arzt. Der behandelt ihre Verletzungen und schickt sie nach Hause. Adele ist die Tochter zweier Berühmtheiten. Die Mutter ist Klaviervirtuosin, der Vater General bei den Soldaten des „Führers“. Wenn die Eltern wüssten, dass sie Nachts unterwegs ist, um jüdischen Mitbürgern bei ihrer Flucht aus Österreich zu unterstützen, sie würde in ihrem Zimmer eingesperrt. Oder, noch schlimmer, ihr Vater würde sie bei seinen Kollegen anschwärzen.

„Das Lied des Schmetterlings“ erzählt vom Mut einer jungen Frau. Ich habe sie so sehr bewundert, da sie wusste, wie gefährlich ihre Einsätze für die jüdischen Mitbürger waren. Ihre Erlebnisse während ihres Aufenthalts im KZ und dass auch dort niemand ihren Stolz brechen konnte, Respekt. Die Grausamkeit der Einrichtung in Auschwitz wird so anschaulich dargestellt, dass ich oft mit den Tränen kämpfen musste.

Das Buch ist nicht nur aufwühlend. Die Spannung wird ebenfalls auf einem hohen Level gehalten. Der Leser erfährt auch, wie viele Künstler im KZ untergebracht waren und wie diese ihre Schätze vor den Nazis verstecken konnten. Einen Sternenregen und eine absolute Leseempfehlung von mir.