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Benutzername: 
meggie3

Bewertungen

Insgesamt 144 Bewertungen
Bewertung vom 05.07.2020
Pandatage
Gould-Bourn, James

Pandatage


ausgezeichnet

Ein tolles Leseerlebnis!

Danny und sein Sohn Will leben seit dem Tod von Dannys Frau und Wills Mutter Liz alleine in London. Will spricht seit dem Autounfall nicht mehr. Finanziell ist die Situation schwierig und als Danny dann auch noch seine Arbeit auf der Baustelle verliert, kann er die ohnehin überfälligen Mieten, Beiträge etc. erst recht nicht mehr zahlen. Von seinem Vermieter wird er unter Druck gesetzt und so entschließt er sich, nach erfolgloser Jobsuche, sein Glück als Straßenkünstler zu suchen. Er kauft sich eines der günstigsten Kostüme, die es in dem Kostümshop gibt und versucht so als Panda seinen Unterhalt im Park zu verdienen. Durch einen Zufall lernt er die Pole-Dancerin Krystal kennen, die ihm zunächst widerwillig Tanzunterricht gibt. Von all dem weiß Will nichts. Eines Tages beobachtet Danny im Park, wie Will von anderen Jungs geärgert wird. Er geht dazwischen und Will beginnt mit dem Panda zu sprechen.

Ich habe es geliebt, die Geschichte um Danny und Will zu lesen. Die Charaktere sind liebevoll und mehrdimensional beschrieben. Auch die Dialoge sind toll geschrieben und teilweise wirklich komisch. Es wechseln sich lustige Passagen mit nachdenklicheren, traurigeren ab. Meiner Meinung nach ist dieser Mix sehr gelungen. Es wird nie kitschig und das Finale hatte dann auch noch eine mich überraschende Wendung parat. Obwohl ich auf den ersten Seiten aufgrund des Satzbaus und der Kommasetzung stutzen musste, habe ich den Schreibstil im Folgenden als sehr flüssig empfunden und war durchgehend gefesselt. Schreibstil, Inhalt und die wunderbar sympathischen Protagonisten haben „Pandatage“ zu einem mal lustigen, mal nachdenklicheren und auch traurigen Roman gemacht, dem es meiner Meinung nach an nichts fehlt.

Und so war ich nach Beenden des Romans einerseits sehr glücklich ob des tollen Leseerlebnisses und andererseits traurig, dass dieses jetzt vorbei war. Den Roman „Pandatage“ kann ich nur empfehlen.

Bewertung vom 05.07.2020
Kostbare Tage
Haruf, Kent

Kostbare Tage


ausgezeichnet

Berührende Erzählung

Dad Lewis hat Lungenkrebs im Endstadium. Seine Frau Mary und Tochter Lorraine begleiten ihn die letzten Wochen seines Lebens. Kent Haruf schildert die Erinnerungen von Dad und beschreibt die Zeit, die ihm bleibt. Er beschäftigt sich mit getroffenen Entscheidungen in seinem Leben, die ihn nicht loslassen.

In erster Linie geht es um Dad und dessen Familie, aber es wird auch das Leben anderer Personen in Holt und deren Beziehungen zu einander beschrieben. Kent Haruf beschreibt die bedingungslose Liebe und Hingabe zwischen Dad und Mary, wie ich es selten erlebt habe. Der Prozess des Sterbens ist einfühlsam und auch eindrücklich beschrieben, aber nicht so, dass es nicht auszuhalten wäre. Kent Haruf ist es gelungen, dass ich beim Lesen den nahen Tod von Dad nie vergessen oder verdrängt habe, ich es aber für mich nicht als unangenehm dramatisch empfunden habe. Kent Haruf hat meiner Meinung nach einen guten Weg gefunden, über Trauer und Abschied zu schreiben.

„Kostbare Tage“ ist der erste Roman von Kent Haruf, den ich gelesen habe. Es sind leise Töne, die aber nachhallen. Holt und dessen BewohnerInnen werden ruhig beschrieben. Obwohl ich keine direkte Identifikationsperson hatte und mir die Lebensumstände relativ fremd sind, habe ich den Roman sehr gerne gelesen. Die Charaktere und der Ort Holt sind detailliert und liebevoll beschrieben. Dass es keine wörtliche Rede gibt, hat mich überhaupt nicht gestört – im Gegenteil, mir hat es sogar gefallen.

Alles in allem ist „Kostbare Tage“ ein schöner und berührender Roman, der sich gut und flüssig lesen lässt. Kent Haruf schafft es, hochemotionale Inhalte und unterschiedliche Menschen sehr ruhig und stimmig zu beschreiben.

Bewertung vom 30.06.2020
Unter den Linden 6
Kaiser, Ann-Sophie

Unter den Linden 6


sehr gut

Kampf um Bildung und Frauenrechte Anfang des 20. Jahrhunderts

„Unter den Linden 6“ ist ein Roman, dessen Handlung in Berlin im Jahr 1907 spielt. Lise Meitner ist Physikerin und kommt mit dem Ziel in die Stadt, ihre wissenschaftliche Forschung bei Max Planck fortzusetzen. Schnell muss sie feststellen, dass es Frauen in Preußen nicht möglich ist, sich zu immatrikulieren. Auch Anni ist neu in Berlin, allerdings unfreiwillig, um eine Stelle als Dienstmädchen anzutreten. Hedwig hingegen möchte studieren und ist Teil einer Gruppe von Frauen, die für mehr Rechte und Mitbestimmung von Frauen kämpft. Die drei sehr unterschiedlichen Frauen treffen sich zufällig und werden Freundinnen. Sie verfolgen ihre Ziele und müssen immer wieder feststellen, welche Hürden es für Frauen in Berlin Anfang des 20. Jahrhunderts gibt.

Zwischendurch hatte ich etwas Sorge, dass der Roman sehr in Richtung Liebesroman „kippen“ könnte und war kurzzeitig ein bisschen skeptisch. Dies ist, meiner Meinung nach glücklicherweise, nicht passiert. Natürlich geht es auch um Gefühle, Liebe und Männer, aber eben nicht ausschließlich und es kommt zu keiner Romantisierung. Stattdessen werden Sinnfragen gestellt und es wird die Ungeduld der Frauen, die täglichen Ungerechtigkeiten und mangelnde Anerkennung für von Frauen Geleistetem beschrieben. Besonders gut konnte ich die Verzweiflung und auch Wut von Lise nachvollziehen, die große Leistungen für den wissenschaftlichen Fortschritt erbringt und trotzdem nicht annähernd ausreichend gewürdigt wird.

Die drei Protagonistinnen sind mehrdimensional und sympathisch beschrieben. Der Kampf gegen Widerstände und der damit verbundene Mut wechseln sich mit Passagen ab, in denen die Hauptcharaktere keine Kraft mehr haben und fast aufgeben wollen. Die Entwicklung der Charaktere ist detailliert beschrieben und wirkt realistisch und nicht romantisch oder gar fantastisch. Auch die Freundschaft zwischen den Dreien wirkt nicht unrealistisch, obwohl sie aus so unterschiedlichen Verhältnissen kommen. Der Schreibstil lässt sich gut lesen und ich bin gerne dabeigeblieben.

Ich habe auf den etwa 450 Seiten sehr viel gelernt, in erster Linie über Berlin bzw. Preußen und die gesellschaftlichen Verhältnisse in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg. Aber auch im Bereich Physik und der Entwicklung der wissenschaftlichen Gebiete habe ich dazugelernt. Wirklich lesenswert und lehrreich sind die Anmerkungen der Autorin am Ende des Romans.

Insgesamt hat mich „Unter den Linden 6“ positiv überrascht und bis auf wenige kurze Passagen sehr überzeugt.

Bewertung vom 24.06.2020
Die Herren der Zeit / Inspector Ayala ermittelt Bd.3
Garcia Saenz, Eva;Garcia Saenz, Eva

Die Herren der Zeit / Inspector Ayala ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Toller Abschluss der Trilogie

In Vitoria sind Unai Lopez de Ayala alias Kraken und seine KollegInnen auf der Suche nach zwei verschwundenen Schwestern. Dann wird ein Toter während einer Literaturveranstaltung, zu dem sich in aller Munde befindenden historischen Buch „Die Herren der Zeit“, gefunden. Schnell wird klar, dass sich die Mordmethode an dem im Mittelalter spielenden Roman orientiert. Neben den aktuellen Ereignissen gibt es in einem zweiten Erzählstrang eben diese Auszüge aus dem historischen Buch, in denen die Begebenheiten aus dem 12. Jahrhundert beschrieben werden.

Mir hat der dritte Teil um Unai und Estibaliz sehr gut gefallen. Von Beginn an war ich gefesselt und der Spannungsbogen ist nicht abgerissen. Die ProtagonistInnen sind mir über die drei Romane ans Herz gewachsen. Auch in „Die Herren der Zeit“ bekommen die Hauptcharaktere viel Raum für private und nicht ermittlungsbezogene Fragen und werden liebevoll beschrieben. Für mich ist das Buch nicht nur ein Krimi, sondern auch bildhafte Beschreibung der Stadt Vitoria und detaillierte Charakterzeichnung und -entwicklung.

Zwischendurch habe ich die vielen Personen und Stammbäume bzw. die Familienkonstellationen als sehr komplex wahrgenommen, sodass ich nach Lesepausen kurz gebraucht habe, um mich wieder einzufinden. Wenn ich etwas Zeit hatte und mich komplett auf die Geschichte konzentrieren konnte, habe ich den historischen Kontext aber - wie in den beiden Teilen zuvor - sehr schätzen können. Als Leserin habe ich einen weitreichenden Eindruck von Vitoria im 12. Jahrhundert und den zu dieser Zeit herrschenden Machtkämpfen sowie des alltäglichen Leben damals gewonnen.

Es ist schade, dass die so spannende Trilogie um die liebenswürdigen ProtagonistInnen nun beendet ist. Ein kleiner Trost ist das für mein Empfinden stimmige Finale. „Die Herren der Zeit“ hat mich voll überzeugt.