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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
ElliP
Wohnort: 
Hessen

Bewertungen

Insgesamt 144 Bewertungen
Bewertung vom 14.05.2021
Der Verdrüssliche
Holzmair, Eva

Der Verdrüssliche


ausgezeichnet

Der Mensch ist gut, nur die Leut‘ sind schlecht (Nestroy).

Ein grandioses Lesevergnügen, bei dem der Leser selbst aktiv werden und mitdenken muss.
Die drei Erzählstränge – fantasievoll, anregend und intelligent – sind miteinander verwoben, was sich erst nach und nach offenbart.

Ein besonders skurriler und famoser Erzähler ist der titelgebende Charakterkopf, der so viel erlebt, über die Jahrhunderte hinweg als genauer Beobachter die Welt und seine Umgebung betrachtet und Schlüsse gezogen hat – ein redseliger Alter, der sein Hier und Jetzt immer wieder forsch bezwingt und mit der Zeit geht – that’s the way you do it. Dann erleben wir die kluge, gezeichnete Carola, Frau Dr. Hofrätin, die sich noch einmal abschließend ihrer Lieblingsaufgabe widmet. Das Trio komplettiert Gitta, die empfindsame, fragile und talentierte Künstlerin, die dabei ist, das Leben zu üben und zu meistern.
Jeder ist auf seine Art und Weise gefangen und begrenzt, versteht es aber auch mit unterschiedlichen Ausdrucksmitteln sich zu offenbaren und mit der Welt in Kontakt zu treten. Und alle drei verbindet eine große Leidenschaft…
Es geht um Kunst, um Kommerz, die Welt der Museen und der Meisterwerke, um Kunstmäzene, Raubkunst, Nazigrößen, Katzen und Ratten, Schein und Sein, letztendlich um das Wahre und Echte im Leben.

Spannend wie ein Thriller liest sich dieser Roman, peu a peu verfolgen wir den Weg des Verdrüsslichen und finden heraus, ob er schon bei seinem letzten Ziel angekommen ist und sein Glück finden kann.

Bewertung vom 08.05.2021
Alles, was passieren wird
Hacker, Katharina

Alles, was passieren wird


sehr gut

Weißt du, es ist schön hier, aber es geht auch einiges schief.

Ein zärtlicher Jugendroman, der viele große Themen behandelt: ein Buch über Wahrheit, Vertrauen, Freundschaft, Abschied und Neubeginn.
Wir begleiten das Mädchen Iris nach dem Tod der geliebten Mutter, die immer wieder in ihren Träumen und Gedanken auftaucht. Iris versucht mit dieser schwierigen Situation zurechtzukommen, aber es hat sich einfach alles verändert. Die Trauerbewältigung fällt nicht nur ihr schwer, auch der Vater leidet, die Kommunikation zu ihm und auch zu ihrer besten Freundin ist teilweise unmöglich und gestört und alles steht auf dem Spiel. Eindeutig ist nur die riesige Leerstelle, das Fehlen der Mutter und Ehefrau, dem Zentrum der Familie, die ihnen zu schaffen macht…
Aus der Perspektive der Ich-Erzählerin nehmen wir an ihren Ängsten, Gedanken und Hoffnungen teil, die Welt der Erwachsenen wirkt immer wieder gestört und falsch – warum nur muss vieles so vieles im Leben schieflaufen?
Katharina Hacker versteht es, sich ganz unaufgeregt und einfühlsam in die junge Heldin zu versetzen, sie wächst dem Leser ans Herz und ihre Sorgen sind so nachvollziehbar. „Ich wünschte mir so sehr, ich hätte meine Mutter fragen können, ob sie sich auch wirklich nicht verraten fühlte, wenn ich wieder glücklich wäre.“
Ein emotionales, spannendes Leseerlebnis besonders auch für alle Pferde- und Hundefans, die schon immer wussten, dass Tiere einen besonderen Zugang zu Menschen haben und eine große Bereicherung für das seelische Gleichgewicht darstellen können.

Bewertung vom 05.05.2021
Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte
T_îbuleac, Tatiana;Tîbuleac, Tatiana

Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte


ausgezeichnet

„Wir waren nicht normal“
Die Chronologie des Sommers - Erinnerungsfetzen, Träume, Ängste, existenzielle Gefühle, Alles und Nichts …
In dieser unerwünschten Aus-Zeit passiert das Unerwartete: Aleksy und seiner Mutter verbringen die Ferien miteinander in Frankreich und betreten unbekanntes Terrain. Die wenigen gemeinsamen Wochen verändern ihre gestörte Beziehung grundlegend, sie entdecken den anderen ohne Maske, aber können die mannigfachen Verletzungen geheilt werden? Die typischen Rollen müssen getauscht werden: Der Sohn übernimmt Verantwortung für die Verletzliche und konzentriert sich nicht mehr nur auf die eigene Erlebniswelt und die eigene Person. Die Vergangenheit wird neu gesichtet, neu bewertet, aber nicht alle Erlebnisse, Tod, Lüge, Schuld können ohne Schmerz einfach vergessen werden.
Der Sommer des Abschieds ist auch ein Neubeginn und eine Metamorphose, rückblickend Ausgangspunkt einer Entwicklung, die das ganze Leben verändert. Nach und nach verschärft sich der Blick auf das Ganze; zuerst unverständlich werden die Splitter und Scherben zusammengesetzt und die Geschichte hinter den verschiedenen Momentaufnahmen tritt immer deutlicher hervor: eine Familie jenseits der Normalität, eine Familie ohne Liebe und Zuneigung, ohne Zukunft.
Aleksy, ein unglaublicher Protagonist voller Wiedersprüche, Aggressionen, Sprachgewalt, Lebensgier, Fatalismus, Eigensinn und so vieles mehr. Die Sprache ist entsprechend ausdrucksstark - voller Magie, ungewöhnlicher Ausdrücke und Vergleiche – mal kraftstrotzend, brutal, offen und dann wieder ganz zärtlich und voller Poesie.
Ein unglaublicher Roman, eine Geschichte, die berührt, die einen nicht loslässt, ein Sog, faszinierend, intensiv, verstörend.

Bewertung vom 29.04.2021
Über dem Cäcilienpark
van Hooven, Andreas

Über dem Cäcilienpark


sehr gut

Geschichten vom kleinen, großen Glück

Ein kleines Buch, das von den ganz großen Themen handelt: Freundschaft, Liebe, Konkurrenz, Angst, Distanz und Nähe, Leben und Tod.

Ein kleines, ruhiges Buch über den Alltag in der Ausnahme, den Alltag in der Corona-Krise. Bevölkert werden die Geschichten mit ganz gewöhnlichen Menschen, die ihren Mann oder ihre Frau in dieser unsicheren Zeit stehen, die versuchen, sich mit dieser Situation zu arrangieren und das Beste daraus zu machen. Jeder auf seine Art, so wie er es gewohnt ist oder wie er es gelernt hat, neue Schritte werden gewagt, Grenzen und Hürden überwunden.
Andreas van Hooven entwickelt sympathische Charaktere, die sich behaupten müssen und deren Sorgen so nachvollziehbar sind: der verliebte Paketbote, die angeschlagene Verkäuferin, die träumende Großmutter, der arbeitslose Musiker, das Mathematikgenie in der Geschlossenen und viele mehr. Der Leser begleitet sie auf einem kurzen Stück ihres Weges, Momentaufnahmen der Gegenwart. Wie sie sich weiterentwickeln? Kommt die Liebe zu ihrem Recht? Gibt es noch Hoffnung nach dem Unfall? Wieviel Zeit bleibt um zu finden, zu richten, zu beheben? Wieviel Zeit bleibt, um glücklich zu sein?
Eine gelungene Sammlung von Kurzgeschichten, die innehalten lassen, die die richtigen Fragen stellen und keine Antworten liefern - die müssen wir selbst finden!