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R. S.

Bewertungen

Insgesamt 182 Bewertungen
Bewertung vom 30.08.2022
Die Stimme meiner Schwester
Vieira Junior, Itamar

Die Stimme meiner Schwester


sehr gut

Das Erbe der Sklaverei in Brasilien - eindrucksvoll erzählt

„Die Stimme meiner Schwester“ von Itamar Vieira Junior ist ein beeindruckender und bewegender Roman über das Erbe der Sklaverei in Brasilien.
Erzählt wird die Geschichte zweier Schwestern, Bibiana und Belonísia, die durch ein schicksalhaftes Ereignis in ihrer Kindheit eng miteinander verbunden sind. Beide sind Nachkommen ehemaliger afrikanischer Sklaven und gehören der Gemeinschaft der Quilombolos an. Schauplatz der Handlung ist die fiktive Farm Agua Negra im Nordosten von Brasilien. Allgegenwärtig in der Erzählung ist der Glaube der Quilombolos mit all seinen mystischen Elementen und ihre tiefe Verbindung mit dem Land, auf dem sie leben und arbeiten.

Aufgeteilt in drei Teile, beginnt der Roman damit, dass man Sicht der einen Schwester Zeuge wird, wie die andere sich beim Spielen mit einem Messer aus Versehen die Zunge abschneidet. Erzählt erst aus Sicht der einen, dann der anderen Schwester, folgt man Bibiana und Belonísia beim Erwachsen werden und wie sie das harte Leben auf der Farm meistern. Durch ihre Augen gewinnt man einen Einblick in die Unterdrückung und Ungerechtigkeiten, denen sie als Frauen und als Arbeiter auf der Farm ausgesetzt sind. Im Gegensatz zu Belonísia, die sich mit dem harten Leben arrangiert hat, will Bibiana die Situation nicht länger hinnehmen. Sie beginnt zusammen mit ihrem Ehemann, die anderen Arbeiter von Água Negra zu organisieren und fordert ihre Rechte für das Land ein, auf dem deren Familien jahrzehntelang gearbeitet haben, das ihnen aber nicht gehört. Der Kampf um die Befreiung von Ausbeutung und Knechtschaft hat jedoch einen menschlichen Preis.

„Die Stimme meiner Schwester“ ist ein Roman, der erst nach und nach seine ganze Kraft entfaltet, dann aber einen nicht mehr loslässt. Mittels seines kraftvollen und atmosphärischen Schreibstils versetzt der Autor einen in die Siedlung von Bibiana und Belonísia und vermittelt so ein authentisches und einfühlsames Bild vom Leben der Quilombolos. Ein Roman, der den Unterdrückten eine Stimme gibt und die Frauen in den Mittelpunkt stellt. Lesenswert!

Bewertung vom 29.08.2022
Das Zuhause
Coccia, Emanuele

Das Zuhause


gut

Philosophische Reise durch die eigenen vier Wände

Emanuele Coccias „Das Zuhause“ ist ein kompaktes und facettenreiches Buch über den häuslichen Raum, den wir Menschen als Zuhause bezeichnen. Der Autor erklärt darin auf philosophische-analytische Weise, welche materielle, strukturelle und psychologische Bedeutung die verschiedenen Räume, teils auch das Inventar sowie Flur, Garten und Terrasse für den Menschen haben. Seine philosophischen Ausführungen lassen einen nicht nur über das Zuhause an sich und seinen moralischen Wert nachdenken, sondern auch über viele andere Themen wie Geschlecht, Liebe, Identität und Elternschaft, wobei mir manchmal der Zusammenhang zum Thema Zuhause fehlte.
Gelegentlich schweift der Autor auch vom Thema ab, wird zu theoretisch oder verliert sich in Nebensächlichkeiten, wodurch man leider schnell den roten Faden verliert. Erschwerend für das Textverständnis kommt hinzu, dass der Autor sich vorwiegend eines gehobenen Sprachstils mit langen und verschachtelten Sätzen bedient. Von Vorteil ist hierbei, dass die Kapitel nicht zu lang sind und thematisch nicht aufeinander aufbauen, sodass man die Kapitel überspringen kann, die einem nicht zusagen.

Insgesamt ist „Das Zuhause“ von Emanuele Coccia ein interessantes und zum Nachdenken inspirierendes Buch, bei dem aber manchmal der Eindruck entsteht, dass sich der Autor ein wenig zu sehr im philosophischen Aspekt des Hauses verliert und daher die Konzepte auf die Leser*innen etwas abstrakt wirken bzw. dass sich kein eindeutiger Zusammenhang zum überordnenden Thema des Zuhauses erkennen lässt. Daher eher nur für Liebhaber philosophischer Texte zu empfehlen.

Bewertung vom 29.08.2022
Sturmrot / Eira Sjödin Bd.1
Alsterdal, Tove

Sturmrot / Eira Sjödin Bd.1


gut

Nordic-Langeweile statt Nordic-Noir

2.5/5

„Sturmrot“ von Tove Alsterdal ist ein Schwedenkrimi, der aus Sicht verschiedener Charaktere erzählt wird und ist der erste Band einer neuen Reihe um die Polizistin Eira Sjödin.
Die Handlung beginnt damit, dass Olof Hagström auf seiner Fahrt entlang der Nordküste Schwedens einen Impuls folgt und seinen Vater und seinem Heimatort nach langer Abwesenheit einen Besuch abstattet, wo er vor 20 Jahren ein Verbrechen begangen haben soll. Der damals 14-jährige Olof hat gestanden, dass er ein Mädchen namens Lina Stavred vergewaltigt und ermordet hat, woraufhin er in ein Jugendheim untergebracht wurde. Als er jedoch in seinem Elternhaus ankommt, findet er seinen Vater tot in der Badewanne auf. Wer hat ihn ermordet und warum? Gibt es einen Zusammenhang zu dem Fall vor 20 Jahren? Die Polizistin Eira Sjödin macht sich auf die Suche nach dem Mörder und dem Motiv. Ihre Nachforschungen führt sie zurück in die Vergangenheit zum Fall Lina und sie muss feststellen, dass es auch familiäre Verbindungen zu dem Fall gibt.

Die Prämisse von „Sturmrot“ war vielversprechend, aber leider war es nicht so fesselnd, wie ich mir erhofft habe. Der Klappentext macht Lust auf einen atmosphärischen, spannenden und mysteriösen Krimi, doch außer der stimmungsvollen Atmosphäre wurde der Kriminalroman meinen Vorstellungen nicht gerecht.
Die Handlung war zwar gut erdacht und anfangs kam durchaus Spannung auf, aber ab etwa der Hälfte des Buches hat die Handlung stark mäandert und verlor sich in Nebensächlichkeiten, sodass das Mysterium hinter dem Kriminalfall für mich seinen Reiz verlor. Auch litt der Spannungsbogen darunter, dass man ziemlich schnell erahnen kann, was sich vor 20 Jahren wirklich ereignet hat.
Darüber hinaus blieben auch die Charaktere, Haupt- wie Nebencharaktere, ziemlich blass und eindimensional, der Charakterzeichnung fehlte es eindeutig an Tiefe. Besonders mit der Protagonistin Eira Sjödin wurde ich nicht richtig warm und ich empfand sie als Ermittlerin unprofessionell.

Alles in allem für mich ein Schweden-Krimi, der dessen Vorschusslorbeeren nicht gerecht wurde und statt für Spannung eher für Langeweile sorgte.

Bewertung vom 27.08.2022
Freundin bleibst du immer
Obaro, Tomi

Freundin bleibst du immer


weniger gut

Verschenktes Potenzial

2.5/5

In „Freundin bleibst du immer“ von Tomi Obaro geht es, wie der Titel schon andeutet, um das Thema Freundschaft, konkret um die Freundschaft zwischen drei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Durchaus unterhaltsam und kurzweilig wird auf knapp über 300 Seiten erzählt, wie die drei Freundinnen Enitan, Zainab und Funmi nach 30 Jahren wieder in Lagos zusammenkommen, um die Hochzeit von Destiny, Funmis Tochter, zu feiern.
Die Geschichte ist aufgeteilt in zwei Zeitstränge, einer in der Gegenwart mit Destinys Hochzeit und einer in den 80er-Jahren, als sich die drei Frauen an der Universität von Lagos kennenlernten und im Verlauf ihres Studiums zu besten Freundinnen wurden. Dabei wird neben dem Kennenlernen der drei auch auf deren Liebeserfahrungen an der Uni, was nach ihren Abschlüssen passiert ist sowie auf die politische Situation eingegangen. In der Gegenwart stehen neben der Freundschaft die Themen Mutter-Tochter-Beziehung und Generationenkonflikte im Fokus.

Doch leider konnte der Roman mich in Bezug auf das Thema der Freundschaft zwischen Enitan, Zainab und Funmi nicht wirklich überzeugen. Zu keiner Zeit war für mich eine tiefe emotionale Verbindung zwischen den dreien spürbar, beim Lesen hatte ich eher das Gefühl, das einem erzählt wird, dass sie beste Freundinnen sind und nicht das gezeigt wird, was ihre Freundschaft nun eigentlich so besonders macht. So hätte ich mir z. B. im Erzählteil, der in der Vergangenheit spielt, gewünscht, dass mehr auf ihre Freundschaft als auf ihre romantischen Erfahrungen eingegangen wäre.
Auch in der Gegenwart blieb vieles nur oberflächlich und wurde nicht tiefergehend behandelt. Besonders die Beschreibung der Hochzeit von Destiny nahm im letzten Teil viel Platz in Anspruch, ohne außer einen atmosphärischen und authentischen Einblick in die nigerianische Kultur zu geben, etwas großartig zur Handlung beizusteuern.

So bleibt nach Beenden der Lektüre eher ein Gefühl der Enttäuschung zurück. Die Prämisse war toll und das Potenzial war vorhanden, aber außer dem facettenreichen und faszinierenden Einblick in die Gesellschaft und Kultur von Nigeria konnte mich der Roman in Bezug auf das Thema Freundschaft nicht wirklich überzeugen. Vieles wurde nur angedeutet oder oberflächlich behandelt, sodass es dem Roman insgesamt einfach an Tiefe fehlt.

Bewertung vom 26.08.2022
Blutige Stufen / Detective Robert Hunter Bd.12
Carter, Chris

Blutige Stufen / Detective Robert Hunter Bd.12


sehr gut

Ein Mentor, der einem das Fürchten lehrt

In Chris Carters neuen spannenden Thriller “Blutige Stufen” trifft man auf ein einen Mörder, der sich selbst der Mentor nennt und bei seinen Verbrechen so bösartig und akribisch vorgeht, das nicht nur die Leser*innen sondern auch die einiges an Grausamkeiten gewöhnten Detective Robert Hunter, sein Partner Detective Carlos Garcia und das restliche Team der UV-Einheit des LAPD an ihre Belastungsgrenze gebracht werden. Der Mörder lebt von der Angst seiner Opfer, foltert diese auf brutalste Art und Weise, bis sie schließlich tot sind. Zusätzlich hinterlässt er immer einen Teil eines Gedichtes bei der Leiche, auf das sich Hunter zunächst keinen Reim machen kann. Doch quält er nicht nur seine Opfer, sondern auch die Angehörigen, indem kurz nach dem Mord eine Videobotschaft an diese sendet, deren Inhalt so grausam ist, dass es sie um den Verstand bringt. Zunächst ohne Spur, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, der dann in einem großen Showdown endet.

Robert Hunters 12. Fall ist blutig, grausam, fesselnd von Anfang bis Ende und definitiv nichts für schwache Nerven. So angewidert man von dem grausamen Vorgehen des Mörders auch sein mag, Carter schafft es mit seinem atmosphärische düsteren Schreibstil und einer wendungsreichen Handlung einen in seinen Bann zu ziehen, sodass man nicht aufhören kann zu lesen. Beim Lesen positiv aufgefallen ist mir auch, dass nicht nur auf die Morde eingegangen wird, sondern auch auf deren psychische Auswirkungen auf die Hinterbliebenen. Mit entsprechender Sensibilität werden hierbei Themen wie Trauer, Trauma und Selbstmord angesprochen und teils auch ausführlicher behandelt.

Leider passt jedoch die Grausamkeit des Mentors nicht ganz mit seinem Motiv hinter seinen Taten überein, meiner Meinung nach ist seine Reaktion zu extrem, wodurch die Glaubwürdigkeit der Handlung im Nachhinein etwas leidet. Nichtsdestotrotz ist „Blutige Stufen“ ein blutiger und fesselnder Psychothriller, bei dem Fans von Chris Carter definitiv auf ihre Kosten kommen.

Bewertung vom 25.08.2022
Das neunte Gemälde / Lennard Lomberg Bd.1
Storm, Andreas

Das neunte Gemälde / Lennard Lomberg Bd.1


sehr gut

Fesselnder Krimi über NS-Raubkunst

Im April 2016, erhält der Kunstexperte Dr. Lennard Lomberg einen mysteriösen Anruf von einen gewissen Monsieur Dupret. Dupret ruft ihn im Auftrag einer Stiftung an, die ein kubistisches Gemälde, bei dem es sich um NS-Raubkunst handelt, zurückgeben will und an dem Lomberg persönliches Interesse hat. Mehr Informationen sollen bei einem weiteren Treffen geliefert werden, doch zudem kommt es nicht, denn bevor er sich mit Dupret treffen kann, wird dieser tot aufgefunden und das BKA steht vor seiner Tür und verdächtigt Lomberg mehr über den Fall zu wissen. Infolgedessen begibt sich Lomber auf die Suche nach Antworten und kommt so einem dunklen Familiengeheimnis auf die Spur.

Auf drei Zeitebenen und in mehreren Handlungssträngen wird dann das Rätsel um das neunte Gemälde nach und nach aufgelöst, und die Geschichte, die sich dahinter verbirgt, hat es in sich. Als Leserin reist man in die Vergangenheit nach Paris zur Zeit der deutschen Besatzung in die junge Bundesrepublik und in die Gegenwart, wo man Lomberg quer durch Europa dabei begleitet, wie er Lichts ins Dunkle bringt. Unterstützung erhält er auch durch seine Tochter und der Kriminalrätin Sina Röhm. Es geht um Beutekunst und die Rolle, die Lombergs Vater in Paris gespielt hat und wie er in den 60er-Jahren dann Karriere machte.

Die Handlung ist komplex aber logisch aufgebaut und wenn man sich an den leicht anspruchsvollen und dialoglastigen Schreibstil gewöhnt hat, ist es schwer sich dem Bann des Buches zu entziehen. Dem Autor ist es hierbei auch gut gelungen, geschichtliche Fakten und Ereignisse gut mit fiktiven Inhalten zu mischen, sodass authentische Charaktere und eine glaubwürdige Geschichte entstanden sind, die sich so auch in Wirklichkeit so hätte zutragen können.

Alles in allem ist „Das neunte Gemälde“ von Andreas Storm ein vielschichtiger Krimi, der vor allem durch seine interessanten und gut gezeichneten Charaktere sowie einer gut konstruierten und fesselnden Handlung überzeugen kann. Klare Leseempfehlung für all diejenigen, die sich für Kunst, insbesondere Raubkunst, interessieren und Fans von anspruchsvollen Krimis sind.

Bewertung vom 25.08.2022
Schlangen im Garten
vor Schulte, Stefanie

Schlangen im Garten


sehr gut

Trauer surreal dargestellt

3.5/5

Familie Mohn trauert, denn sie hat die Mutter Johanne verloren. Doch die Art und Weise, wie sie trauert, gefällt nicht jedem, dass Traueramt melden sich bei ihnen und sie stehen im Verdacht, die Trauerarbeit zu verschleppen. Doch der Vater Adam und die Kinder Linne, Steve und Micha halten sich nicht daran. Sie wollen und können noch nicht Abschied nehmen von ihrer Mutter, haben sie doch Angst, sie zu vergessen. Familie Mohn will die Erinnerung an Johanne wachhalten und das mutet mitunter sehr skurril an, da werden z. B. Tagebucheinträge der Mutter gegessen, um sie in Erinnerung zu behalten, auch scheinen die Dinge der Familie Mohn um Johanne zu trauern.

All das wird in einer surrealen und märchenhaften Geschichte erzählt, bei der man manchmal zweimal lesen muss oder pausieren muss, um das Geschriebene auf einen wirken zu lassen. Ausdrucksstark und voller Metaphern wird der Trauerprozess der Familie aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Als Leser*in ist man fasziniert, teilweise aber auch verwirrt.

Es ist kein rein trauriges oder bedrückendes Buch, auch wenn es um Trauer geht, sondern auch ein Buch voller Liebe und Hoffnung auf bessere Zeiten. Wie die ganze Familie in der Trauer wieder einander näherkommt, sich nach außen hin öffnet und Johanne in Geschichten weiterleben lässt, zeigt dies deutlich.

„Schlangen im Garten“ von Stefanie vor Schulte ist ein eigenwilliges, aber kraftvolles Buch über Trauer, das einen nach Beenden des Buches noch länger begleiten wird. Aber sicherlich auch ein Buch nicht für jedermann, den der poetisch, aber teils distanziert und abgehakte Schreibstil sowie das skurrile märchenhafte der Geschichte machen das Lesen nicht leicht. Ein Roman, auf dem man sich einlassen muss, damit er seine Wirkung entfalten kann, doch es lohnt sich.

Bewertung vom 19.08.2022
Todesspiel. Die Nordseite des Herzens
Redondo, Dolores

Todesspiel. Die Nordseite des Herzens


ausgezeichnet

Atmosphärischer und mystischer Psychothriller

In den USA treibt ein Serienmörder sein Unwesen, der auch der „Komponist“ genannt wird. Er ermordet ganze Familien und zwar immer mit der Waffe des Vaters und richtet seine Opfer nach Norden aus. Er tarnt seine Morde als Unfälle, indem er Naturkatastrophen wie Hurrikans benutzt, um so den Eindruck zu erwecken, die Verwüstungen des Sturmes hätten sie umgebracht. Amaia Salazar ist eine Subinspectora aus Spanien, die beim FBI trainiert, als der zweite Mordfall bekannt wird. Aufgrund ihrer einzigartigen Sichtweise und Intelligenz wird sie von Aloisius Dupree, einem FBI-Agenten, ausgewählt, um den Mörder zu fangen. Aber sie ist nicht nur auf der Jagd nach dem Mörder, sie muss auch Hurrikan Katrina überleben sowie bedingt durch ein Familienereignis sich den aufkommenden schrecklichen und teils verstörenden Erinnerungen aus ihrer Kindheit in Spanien stellen. Dann ist da auch noch Dupree, ihr FBI-Mentor, der seine eigenen Ermittlungen in einem für ihm wichtigen Fall durchführt.

Gleich von Beginn an zieht der Thriller einen in seinen Bann und schafft es auf über 600 Seiten die Spannung konstant hochzuhalten. Seine Stärken liegen in der glaubhaften, teils auch psychologischen Charakterzeichnung aller handelnden Personen und der atmosphärischen sowie authentischen Beschreibung des Hurrikans Katrina und seinen Auswirkungen sowie der mythischen und okkultistischen Elemente.
Besonders gut gefallen hat mir Subinspectora Amaia. Sie hat eine große Intuition wie einen sechsten Sinn, wenn es um Verbrechen, Mörder und das Motiv des Mörders geht. Da sie von Orten kommt, an denen der Geist zu leben scheint und sich Monster in den Körpern der Menschen verstecken, ist sie die richtige Person, um dieses Verbrechen aufzuklären. Ihr Partner Dupree sieht sich in ihrem Verhalten und ihren Handlungen reflektiert und sie bilden ein Team, das mehr sehen kann als andere Menschen.
Auch der psychologische Aspekt der Handlung in Bezug auf die Täteranalyse sowie von menschlichen Verhalten in Momenten der Widrigkeiten werden mit einer bemerkenswerten Tiefe behandelt und machen den Thriller zu etwas Besonderen. Hier passt einfach alles zusammen.

Insgesamt ist „Todesspiel“ nicht nur ein atmosphärischer, düsterer und spannender Psychothriller über einen bösartigen Familienserienmörder, der sich in einer 18-jährigen Karriere trotz eines festgelegten Musters jeder Verfolgung entzieht, um dann doch schließlich von Amaia und Co. zu Strecke gebracht zu werden, sondern bietet er auch ein fesselndes und beängstigendes Porträt der Verwüstung und des Leids, die durch den Hurrikan Katrina verursacht wurden. Auch sind die mystischen Beschreibungen wie die baskischen Legenden und der Voodoo sehr lebhaft und glaubhaft dargestellt.

Klare Leseempfehlung für alle, die komplexe und außergewöhnliche Psychothriller mögen.

Bewertung vom 19.08.2022
Prinzessin auf Probe / Tokyo ever after Bd.1
Jean, Emiko

Prinzessin auf Probe / Tokyo ever after Bd.1


sehr gut

Wenn Märchen wahr werden

Izumi „Izzy“ Tanaka hat sich immer irgendwie fremd gefühlt als japanisch-amerikanisch in ihrer kleinen Stadt im Norden von Kalifornien, in der sie mit allein mit ihrer Mutter lebt. Doch dann entdeckt sie eines Tages zufällig einen Hinweis auf die Identität ihres bis dahin unbekannten Vater… Ihr Vater ist niemand Geringeres als seine Hoheit der japanische Kronprinz persönlich. Ehe sie sich versieht, befindet sie sich als japanische Kronprinzessin auf dem Weg nach Japan, um dort ihren Vater näher kennenzulernen, sowie Land und Leute. Doch dort angekommen merkt Izzy, dass es nicht so einfach ist, Prinzessin zu sein und dass auch nicht alle nur ihr Bestes wollen. Bald findet sie sich zwischen zwei Welten gefangen – zwischen der normalen bürgerlichen Izzy und der royalen Prinzessin Izumi. Auch fühlt sie sich nicht japanisch genug für Japan. Wäre das alles nicht schon genug, ist da noch ihr Bodyguard Akio, den sie zwar anfangs gar nicht leiden mag, aber eigentlich doch gar nicht so schlecht ist… Drama, Intrigen und Gefühlschaos sind vorprogrammiert.

Aus der Ich-Perspektive von Izzy erzählt, taucht man gemeinsam mit Izzy in das neue Leben als Prinzessin ein, mit all ihren schönen und schlechten Seiten. Nebenbei bekommt man auch einen authentischen wirkenden Einblick in die japanische Kultur, streift durch Tokio und gewinnt einen Eindruck vom Leben in Japan. Humorvoll und angenehm geschrieben, macht es Spaß dabei zuzusehen wie aus der anfangs teils etwas naiven Izzy eine selbstbewusste junge Frau wird. Sie ist nicht perfekt und macht teils auch dumme Fehler, aber sie kommt glaubhaft und liebevoll rüber.
Toll sind auch die schönen Freundschafts- und Familienmomente, die ohne großartiges künstliches Drama auskamen. Jedoch hätte manches vertieft werden können. Besonders die Vater-Tochter-Beziehung wurde gut dargestellt. Herrscht anfangs noch Unsicherheit im gemeinsamen Umgang miteinander vor, nähern sich beide langsam an und lernen sich immer besser kennen. Das Gleiche gilt auch in Bezug auf auf Akio, ihren Bodyguard. Nur stehen da Gefühle anderer Art wie Herzklopfen und Schmetterlinge im Bauch nach und nach immer mehr im Vordergrund. Vor allem ihre Momente allein sind einfach nur süß.

„Tokyo ever after“ liest sich wie ein modernes japanisches Märchen. Es ist bei Weitem nicht perfekt, besonders die Handlung hat paar Schwächen in Bezug auf Tiefe und Glaubhaftigkeit. Ebenso bleiben manche Nebencharaktere etwas zu blass, aber insgesamt ist es ein unterhaltsames und gefühlvolles Jugendbuch mit Anklängen an „Plötzlich Prinzessin“.

Bewertung vom 17.08.2022
Die Passage nach Maskat
Rademacher, Cay

Die Passage nach Maskat


sehr gut

Wenn eine Seereise zum Albtraum wird

Spätsommer 1929, Marseille: Der Fotograf Theodor Jung begibt sich gemeinsam mit seiner Frau Dora Rosterg und den Schwiegereltern auf das Luxuskreuzfahrtschiff Champollion mit Maskat als Zielhafen ihrer Reise. Jung erhofft sich von der Reise, dass sie seine Ehe wieder aufleben lässt und zu Beginn scheint auch alles gut zu verlaufen, einmal abgesehen von den Anfeindungen und Vorbehalte seiner Schwiegereltern ihm gegenüber, bis jedoch Dora plötzlich spurlos verschwindet. Das Seltsamem, niemand will Dora überhaupt je auf dem Schiff gesehen habe, auch sind alle Spuren, die sie auf dem Schiff hinterlassen hat, verschwunden. Angeblich befindet sich Dora auch noch in Berlin und kümmert sich um das Gewürzgeschäft der Familie. Hat Jung sich alles nur eingebildet? Doch mit der Zeit häufen sich die Geheimnisse rund um Dora und ihre Familie, auch scheinen andere Schiffsgäste etwas zu verbergen und so macht sich Jung gemeinsam mit der Stewardess Fanny auf der Suche nach Antworten hinter Doras mysteriösen Verschwinden.

Anfangs noch etwas gemächlich folgt man Jung auf dem Schiff entlang und gewinnt einen Eindruck von der Stimmung und den Gästen an Bord, unter denen sich berühmten Persönlichkeiten über Boxer bis hin zu zwielichtigen Geschäftsmännern befinden. Als dann jedoch Dora verschwindet, nimmt die Geschichte immer mehr an Tempo auf und verliert dieses auch nicht mehr bis zum spannenden Ende. Des Weiteren sorgt das Mysterium um Doras Verschwinden für einen konstant hohen Spannungsbogen.

Die Stärke des Romans liegt eindeutig in der Authentizität der Orts- und Zustandsbeschreibung sowie der Charakterzeichnung. Rademacher lässt die Stimmung der damaligen Zeit aufleben und schafft lebendige und vielschichtige Charaktere. So wird z. B. auch die gesellschaftliche Situation wie die Unterschiede zwischen erster und dritter Klasse angesprochen oder auch der Hass zwischen Deutschen und Franzosen.
Auch die gut konstruierte Kriminalhandlung enttäuscht nicht und hat es in sich, auch wenn mit kleinen Schwächen, die jedoch dem Lesevergnügen nicht schaden.

Mit „Die Passage nach Maskat“ hat Cay Rademacher einen fesselnden Mix aus historischem Roman und Krimi vorgelegt, der vor allem durch seinen atmosphärischen und detailreichen Schreibstil in Bezug auf Szenen- und Charakterbeschreibung sowie einer gut durchdachten und wendungsreichen Handlung zu überzeugen weiß.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.