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Benutzername: 
takabayashi
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Berlin
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Vielleser

Bewertungen

Insgesamt 166 Bewertungen
Bewertung vom 20.04.2019
Rückwärtswalzer
Kaiser, Vea

Rückwärtswalzer


ausgezeichnet

Warmherzig, skurril, berührend und komisch - eine Familiengeschichte und ein Road-Trip

Mein erstes Buch von Vea Kaiser hat mich gleich überzeugt - ihre anderen Romane werde ich auch noch lesen!
Es geht um die österreichische Familie Prischinger, vor allem um die drei Schwestern Mirl, Wetti und Hedi und ihren Neffen Lorenz, einen zur Zeit gerade arbeitslosen jungen Schauspieler in einer Lebenskrise. Der Lebenspartner von Hedi, der jüngsten der drei Tanten, Willi aus Montenegro, ist überraschend gestorben. Hedi hatte ihm versprechen müssen, ihn in seiner Heimat zu begraben. Allerdings ist eine offizielle Überführung durch ein Bestattungsinstitut viel zu teuer, so dass die drei Tanten Lorenz überreden, mit ihnen im Panda Onkel Willi nach Montenegro zu transportieren, was natürlich höchst illegal ist. Doch Versprechen müssen gehalten werden und so brechen sie auf zu ihrer abenteuerlichen Reise. Diese Fahrt ist quasi die Rahmenhandlung, auch hier erfahren wir schon viel über die fünf Hauptprotagonisten (inklusive Onkel Willi) und diverse andere Familienmitglieder, auch aufgrund turbulenter Reiseerlebnisse und der Art, wie die einzelnen damit umgehen und durch die während der Fahrt geführten Gespräche. Dazwischen gibt es aber immer wieder ausgedehnte Kapitel mit Rückblenden auf Episoden aus dem Leben der einzelnen Personen, denen wir dadurch sehr nahe kommen. Das Motto bei den Prischingers hat immer geheißen: Keiner wird zurückgelassen, und von seinem Onkel Willi, der ihm sehr nahestand, hat Lorenz gelernt, dass man nicht jedem jede Geschichte erzählen kann. Manche Geschichten sind dafür da, dass man sie allen erzählt. Andere dafür, dass man sie nur mit wenigen ausgewählten Menschen teilt. Willis Tod und die Reise nach Montenegro haben bei allen Beteiligten viel in Bewegung gebracht und zu Veränderungen in ihrem Leben geführt. Mir sind diese etwas schrulligen Prischingers alle sehr ans Herz gewachsen und ich habe mich über den positiven Ausblick am Ende gefreut.
Diese warmherzige Familienchronik, in der auch der Humor nicht zu kurz kommt, läßt die einzelnen Familienmitglieder gleichberechtigt zu Wort kommen, zeigt uns ihre unterschiedlichen Lebenswege, die Fehler, die sie machen und wie sie diese zu korrigieren versuchen und wie sie trotz aller Unterschiede doch unverbrüchlich zusammenhalten. Man liest mit einem lachenden und einem weinenden Auge und wird insgesamt sehr gut und mit Tiefgang unterhalten.

Bewertung vom 12.04.2019
ALLES WAS ICH DIR GEBEN WILL
Redondo, Dolores

ALLES WAS ICH DIR GEBEN WILL


ausgezeichnet

Spannender Krimi und packendes Familiendrama aus Spanien
Der Schriftsteller Manuel erhält in Madrid Besuch von 2 Polizisten, die ihm die Nachricht vom Unfalltod seines Ehemanns Alvaro überbringen. Der Autounfall ist in Galicien passiert, was Manuel als Zeichen für eine Verwechslung deutet, denn Alvaro war geschäftlich in Barcelona, nicht in Galicien. Doch dann bricht seine Welt zusammen, als er erfährt, dass Alvaro Geheimnisse vor ihm hatte, der Spross einer galicischen Adelsfamilie war und eine Art Doppelleben führte.
Manuel fährt nach Galicien, trifft die feudale Adelsfamilie, die ihn mit Herablassung behandelt, und hat Zweifel daran, dass es nur ein Unfall und nicht Mord war. Auf eigene Faust macht er sich an die Aufklärung, wobei ihm der zunächst unsympathische frisch berentete Polizist der Guardia Civil, Nogueira, und ein Pater, der seinen Mann Alvaro seit der Schulzeit kannte, zur Seite stehen.
Der Genremix aus Familiendrama und Kriminalroman entfaltet sich über 600 Seiten, ein richtiger Wälzer also, der aber nie langweilig wird.
Manuel entdeckt allmählich, warum Alvaro diesen Teil seines Lebens vor ihm verborgen hielt. Es ging um ein Familiengeheimnis, das mit dem Thema Pädophilie innerhalb der katholischen Kirche zusammenhängt. Die Auflösung, wer tatsächlich für die Morde (es gab noch weitere) verantwortlich war, kam für mich sehr überraschend. Das Ende ist traurig, aber auch voller Hoffnung.
Die Autorin Dolores Redondo war mir bis dato unbekannt, ich werde sie aber von jetzt an im Auge behalten. Ein interessanter Einblick in das Leben spanischer Landadelskreise, ein fesselndes Familiendrama und ein Krimi, den man kaum aus der Hand legen mag: die letzten 200 Seiten habe ich in einer Nacht zuende gelesen. Unbedingte Leseempfehlung! (Das einzige, was mir fehlt, ist das Komma nach "Alles" im Titel!)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.04.2019
Eine eigene Zukunft
Dueñas, María

Eine eigene Zukunft


sehr gut

Drei spanische Schwestern im New York der 30er Jahre
Mit Begeisterung erinnere ich mich an Maria Duenas Roman "Wenn ich jetzt nicht gehe", und habe mich deshalb sehr gefreut, dass jetzt ein weiterer Roman von ihr veröffentlicht wird. Und zu Beginn hat die Autorin es auch wieder geschafft, mich mit ihrem Familienepos zu fesseln.
New York 1936: Erst vor kurzem hat Vater Emilio seine Frau und 3 Töchter nachkommen lassen, da sie in Spanien nach dem Tod ihrer Großmutter obdachlos geworden waren und er sich entschlossen hatte, endlich seßhaft zu werden und ein spanisches Lokal zu eröffnen - dabei konnte er die Hilfe seiner Familie gut gebrauchen. Doch die 3 Mädchen sind widerwillig nach New York gekommen, weigern sich, Englisch zu lernen und wollen wieder zurück nach Spanien. Dann, kurz nach der nicht sehr erfolgreichen Eröffnung des Restaurants, die Katastrophe: der Vater kommt durch einen Unfall ums Leben. Wie soll es nun für die Familie weitergehen?
Sollen sie die kleine Abfindung und die Schiffskarten für die Heimreise annehmen, die die Schifffahrtsgesellschaft, die den Unfall verschuldet hat, ihnen anbietet, oder sollen sie auf den windigen Anwalt hören, der ihnen verspricht, mit einer Klage viel mehr für sie rauszuholen? Eine Nachbarin macht sie mit einer Nonne bekannt, die Jura studiert hat. Diese Schwester Lito macht ihnen klar, dass der Anwalt zwar mehr Geld erstreiten könnte, dass das meiste davon aber in seiner eigenen Tasche landen würde und bietet der Familie an, sich selbst um ihren Fall zu kümmern. Und obwohl andererseits der Gedanke an eine sofortige Heimkehr ihnen verlockend erscheint, nehmen sie das Angebot der Nonne an.
Im Folgenden werden die drei Schwestern - jede auf ihre eigene Art - flügge und gewöhnen sich allmählich an die neue Umgebung. Sie machen Pläne, fallen dabei des öfteren auch auf die Nase, weil sie von Leuten aus ihrer Umgebung ausgenutzt und betrogen werden. Am Ende bleiben sie in New York und finden ihre "eigene Zukunft".
Die Handlung vermochte mich in ihrem Verlauf nicht mehr so sehr zu fesseln, vieles wird zu ausufernd abgehandelt und manches bleibt etwas wirr. Etwas weniger wäre hier vielleicht mehr gewesen, z.B. auch bei der hohen Zahl der handelnden Personen. Die Geschichte um den abgehalfterten spanischen Thronfolger fand ich zwar ganz interessant, sie wäre aber wohl für den Verlauf der Handlung nicht zwingend notwendig gewesen.
Ein kleineres Problem hatte ich mit der Sprache, wobei ich nicht weiß, ob das eventuell nur an der Übersetzung liegt: Ich gehe davon aus, dass die Autorin ihre drei Protagonistinnen mag, aber wenn sie deren Interaktionen miteinander oder mit anderen Personen beschreibt, fallen häufig Worte wie schreien, brüllen, kreischen, keifen, zetern, gackern, etc., die ich als eher negativ empfinde und die die Schwestern manchmal fast unsympathisch wirken lassen. Sicher passen die Worte manchmal, aber für meinen Geschmack fielen sie hier zu häufig.
Insgesamt ein gut lesbarer, interessanter historischer Roman, der aber nicht ganz so fesselnd ist, wie "Wenn ich jetzt nicht gehe".

Bewertung vom 30.03.2019
Ein perfider Plan / Hawthorne ermittelt Bd.1
Horowitz, Anthony

Ein perfider Plan / Hawthorne ermittelt Bd.1


sehr gut

Originelle Idee deren Umsetzung nicht durchgängig überzeugt
Das Besondere an diesem Krimi ist, dass der Autor selbst als Protagonist in die Handlung einbezogen ist und zwar in seiner realen Persona als Autor Anthony Horowitz.
Der Ex-Polizist Hawthorne, den Drehbuchautor Horowitz bei den Dreharbeiten einer Fernsehserie kennengelernt hat, bittet Horowitz, ein Buch über seinen aktuellen Fall zu verfassen. Hawthorne wird in besonders kniffligen Fällen noch von der Polizei zu den Ermittlungen hinzugezogen. Horowitz ist von der Idee nicht übermäßig angetan, lässt sich aber schließlich doch überreden.
Es geht um den Mord an Diana Cowper, die eines Tages zu einem Beerdigungsinstitut ging, alle Details für ihre zukünftige Beerdigung festlegte und dann nur wenige Stunden später in ihrer Wohnung ermordet wurde. Warum? Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Vorkehrungen für diese Beerdigung und dem Mord? Hatte sie geahnt, dass sie ermordet werden sollte? Zur Beerdigung reist auch Dianas Sohn Damian aus Amerika an, der ein beliebter und prominenter Schauspieler ist.
Es bietet sich ein Zusammenhang an mit einem Vorfall, in den die Cowpers vor zehn Jahren verwickelt waren: Diana Cowper hatte zwei achtjährige Jungen angefahren, die plötzlich auf die Straße liefen. Der eine starb, der andere blieb schwerbehindert am Leben. Diana wurde freigesprochen, was die Eltern der beiden Jungen als große Ungerechtigkeit empfanden.
Hawthorne und Horowitz sind ein Gespann, das an Holmes und Dr. Watson erinnert. Hawthorne ist Horowitz immer ein paar Schritte voraus und hält Horowitz ziemlich auf Abstand, so dass dieser sich fragt, wie er ein Buch über einen Mann schreiben soll, den er kaum kennt und den er auch nicht besonders mag. Denn Hawthorne kommt ziemlich arrogant und selbstgefällig daher, nicht gerade sympathisch. Er ist sehr verschlossen, sowohl was seine Person als auch was den Fall angeht. Nach einer Weile sieht Horowitz sich regelrecht im Wettstreit mit ihm, ermittelt selbständig und versucht, etwas vor Hawthorne herauszubekommen. Meistens jedoch muss er nur Hawthorne zu diversen Vernehmungen begleiten, den Mund halten und Protokoll führen.
Die Beschreibung dieser Ermittlungen steht im Wechsel mit Horowitz‘ Überlegungen, wie er aus diesem Material ein Buch machen kann oder zum Beispiel einem Exkurs über eine geplante Zusammenarbeit mit Steven Spielberg. Das liest sich zwar auch recht amüsant, unterbricht jedoch den Spannungsbogen, so dass ich zwischendurch einige Hänger hatte. Am Schluss nimmt die Erzählung jedoch wieder gehörig Fahrt auf, der Fall ist sehr spannend, gut durchdacht und wird überzeugend aufgelöst.
Ich könnte mir vorstellen, dass der nächste Fall von Hawthorne/Horowitz noch runder läuft und werde ihn auf jeden Fall wieder lesen.

Bewertung vom 22.03.2019
Das Echo der Wahrheit
Chirovici, Eugene

Das Echo der Wahrheit


sehr gut

Erinnerungslücken und subjektive Wahrheiten
Ein spannender und interessanter Roman um die Aufklärung eines Mordes vor 30 Jahren an einem Abend in Paris.
Der New Yorker Psychiater und Psychotherapeut James Cobb wird nach einem Vortrag von dem tödlich erkrankten Multimillionär Joshua Fleischer angesprochen und gebeten, ein paar Tage zu ihm nach Maine zu kommen, um ihm per Hypnose zu helfen, die Ereignisse an jenem Abend in Paris zu beleuchten. Fleischers Erinnerungen sind lückenhaft und er befürchtet, damals einen Mord begangen zu haben. Bevor er stirbt, möchter er darüber Klarheit gewinnen. Sein ganzes erwachsenes Leben hat der erfolgreiche Finanzexperte sich als Philanthrop gezeigt und mit seinem Geld viel Gutes getan. Alles, um sich von der vermeintlichen Schuld reinzuwaschen? In Fleischers Erzählung spielen noch zwei weitere Personen eine wesentliche Rolle, sein Kommilitone und Mitbewohner Abe Hale und die Französin Simone, in die die beiden jungen Männer anscheinend verliebt waren.
In Cobbs eigenem Leben gibt es auch ein dunkles Kapitel: vor etwa drei Jahren hatte er eine Patientin, Julie, mit der er sich - entgegen aller Konventionen seines Berufsstandes - auf eine intime Beziehung eingelassen hatte. Diese Patientin beging später Selbstmord, woran Julies Eltern ihm die Schuld gaben; jedoch wurden die Ermittlungen gegen ihn im Endeffekt ohne Anklage wieder eingestellt.
Im Zuge von Fleischers Therapiesitzungen werden Cobbs Erinnerungen und Schuldgefühle wiederbelebt. Fleischer stirbt, bevor der damalige Abend rekonstruiert werden konnte, aber Cobb forscht nach seinem Tode trotzdem wie besessen weiter, fliegt sogar nach Paris.
Wie auch schon beim "Buch der Spiegel" schafft E.O. Chirovici es wieder, den Leser (jedenfalls mich) sofort zu fesseln und in die Handlung hineinzuziehen. Es liest sich sehr spannend, wir erfahren immer mehr kleine Puzzleteile, die sich teilweise aber auch widersprechen. Die endgültige Auflösung wirkt dann nach dem vorangegangenen Spannungsaufbau allerdings etwas enttäuschend, fade und auch konstruiert. Trotzdem eine spannende Lektüre, die einen bis zum Ende gefangen hält und der Schreibstil des Autors liest sich sehr angenehm und flüssig.
Also insgesamt eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 22.03.2019
Der Hunger der Lebenden / Friederike Matthée Bd.2
Sauer, Beate

Der Hunger der Lebenden / Friederike Matthée Bd.2


sehr gut

Krimi im Köln der Nachkriegszeit
Den ersten Band der Reihe kenne ich nicht, aber das ist auch nicht nötig, um in die Handlung einzusteigen. Die großbürgerlich in Königsberg aufgewachsene Friederike Matthée lebt nach der Flucht aus der Heimat mit ihrer Mutter nun in einer Schrebergartensiedlung in Köln. Sie hat sich der relativ neuen weiblichen Polizei angeschlossen und wird nun in den Fall einer ermordeten Gutsherrin im Bergischen Land verwickelt. Gleichzeitig werden in derselben Gegend die Leichen dreier junger englischer Soldaten gefunden, wodurch Richard Davies ins Spiel kommt, ein Angehöriger der britischen Militärpolizei. Friederike hat in ihrem ersten Fall schon mit ihm zusammengearbeitet und fühlt sich zu dem verschlossenen Mann hingezogen. Er ist eigentlich deutscher Jude, konnte aber durch einen der letzten Kindertransporte nach England 1939 dem Holocaust entkommen. Seine Eltern sind jedoch im KZ zu Tode gekommen. Auch Friederike hat ihr Päckchen zu tragen: ihr Vater ist in Rußland gefallen, ihr Bruder Hans gilt als vermisst.
Es liest sich sehr spannend, wie die Ermittler immer wieder Fährten folgen, daraus falsche Schlüsse ziehen, diese dann verwerfen bis sie endlich die Puzzleteile richtig zusammensetzen können. Auch in der Beziehung der beiden gibt es ein stetes Auf un Ab, denn Davies ist in seiner Ablehnung alles Deutschen und seiner Zuneigung zu Friederike hin und her gerissen. Die Atmosphäre und Stimmung der Nachkriegswirren wird von der Autorin sehr anschaulich gezeichnet - eine fremde Welt für jemanden, der selbst nie einen Krieg miterlebt hat. Ein sehr spannender und informativer historischer Krimi, eine sehr lohnende Lektüre die fesselt und unterhält.

Bewertung vom 05.03.2019
Ein Tropfen vom Glück
Laurain, Antoine

Ein Tropfen vom Glück


ausgezeichnet

Reizvolle Pariser Variante des Zeitreise-Sujets
Es beginnt mit einer UFO-Sichtung durch einen französischen Winzer im Jahr 1954 und dem Verschwinden dieses Mannes im Jahre 1978, nachdem er am Vortag mit seinen Enkeln den Film "Unheimliche Begegnung der dritten Art" angeschaut und daraufhin zur Feier des Tages eine Flasche 1954er Wein geköpft hatte. Dann lernen wir den Amerikaner Bob Brown kennen, der 2017 endlich seinen Lebenstraum verwirklicht, nach Paris zu fliegen. Allerdings leider ohne seine Frau Goldie, die erkrankt ist und im Koma liegt. Und in Paris treffen wir die junge Restauratorin Magalie, die aussieht wie Abby aus der Fernsehserie Navy CIS; ihren schüchternen Nachbarn den Barkeeper Julien, der heimlich in sie verliebt ist; und schließlich Hubert Larnaudie, den letzten Angehörigen der Familie, die das Pariser Bürgerhaus, in dem 2017 unsere vier Protagonisten zusammentreffen, ursprünglich erbaut hat.
Hubert war im Keller gewesem und dabei war ihm zufällig eine Flasche Wein aus dem Jahre 1954 aufgefallen. Plötzlich hörte er Geräusche - ein Einbruch in einem Nachbarkeller! Die Diebe, die ihn auch bemerkt hatten, schlossen ihn ein und flohen. Die anderen 3 Hausbewohner (Bob war über Airbnb dorthin gelangt) retteten ihn und man trank zur Feier des Tages den Rotwein aus dem Jahre 1954. Danach trennten sie sich, aber am nächste Morgen war alles anders ... Die Vier realisieren nach und nach alle, dass sie im Paris des Jahres 1954 gelandet sind. Julien ist übrigens ein Enkel des besagten verschwundenen Winzers, hat sich mit dem Thema UFOs ausgiebig beschäftigt und hat eine Idee, wen man um Rat fragen kann, um ins Jahr 2017 zurückzukehren. Das Ganze erinnert ein wenig an Woody Allens MIDNIGHT IN PARIS, die Erlebnisse und das Zusammentreffen mit berühmten Zeitgenossen wie u.a. Edith Piaf und Jean Gabin lesen sich äüßerst amüsant, ein ausgesprochener Feelgood-Roman, jedoch nicht ohne Tiefgang. Durch dieses außergewöhnliche Ereignis erschüttert, machen sich die vier Reisegenossen auch Gedanken über ihr Leben und diese Zeitreise wird sie und ihr Lebenskonzept nachhaltig verändern. Für einen von ihnen geschieht sogar ein veritables Wunder. Ein unterhaltsames, liebenswertes und warmherziges Buch!

Bewertung vom 05.03.2019
Lago Mortale / Simon Strasser Bd.1
Conti, Giulia

Lago Mortale / Simon Strasser Bd.1


sehr gut

Richtig netter Regionalkrimi
Genau meine Art von Krimi: Viel Lokalkolorit, etwas Humor, ein spannender, aber nicht allzu brutaler Mordfall.
Ein guter Einstieg in eine neue Krimireihe: der sympathische Protagonist, Simon Strasser, lebt am Lago d’Orta im Piemont, einer Gegend, die von Regionalkrimis bislang - soweit ich weiß - noch nicht behandelt wurde. Er kommt aus Deutschland, hatte aber eine italienische Mutter. Seine Tätigkeit als Polizeireporter in Frankfurt wurde ihm zu stressig, so dass er sich seinen Traum erfüllte ins Piemont umzusiedeln, wo er nun als freier Journalist für diverse deutsche Zeitungen schreibt. Bei ihm lebt die erwachsene Tochter seiner ehemaligen Lebensgefährtin, die ihn quasi als Vater betrachtet.
Simon wundert sich über eine anscheinend herrenlos auf dem See herumschlingernde Yacht, fährt mit dem Kanu dorthin und entdeckt die Leiche des Sohnes einer ortsansässigen Unternehmerdynastie, der ein sehr guter und erfahrener Segler war. Unfall oder Mord? Simon ruft die Polizei, aber seine eigene Spürnase hat nun auch die Witterung aufgenommen.
Er forscht selber nach und ist der charmanten Kommissarin, die er sehr mag, immer ein paar Schritte voraus. Dabei unternimmt er mit einem Journalistenfreund ausgiebige Touren durch das Piemont. Im rasanten Finale wird es sehr spannend und Simon, der sich recht leichtsinnig in Gefahr gebracht hat, kommt gerade noch einmal davon.
Der Fall wird komplett aufgeklärt, es bleiben keine Fragen offen. Da dies der erste Fall einer Serie ist, lernen wir Simon und sein Umfeld ausführlich kennen. Mir hat dieses sehr flüssig geschriebene, gut lesbare Krimidebut sehr gut gefallen. Nichts für hard-boiled Fans vermutlich, aber für Cosy-Freunde eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 01.03.2019
Die Leben danach
Pierce, Thomas

Die Leben danach


weniger gut

Hat mir die Leselust genommen!
Der erst dreiunddreißigjährige Jim Byrd bekommt nach einem fünfminütigen Herzstillstand ein HeartNet, einen implantierten Defibrillator, modernste Spitzentechnologie. Jim ist enttäuscht, dass er gar keine Erinnerungen an diesen Zustand hat, kein Licht am Ende des Tunnels, keine typischerweise berichteten Nahtod-Erfahrungen - nichts! Er hat das Gefühl, jetzt mehr aus seinem Leben machen zu müssen, keine Zeit zu verschwenden. So geht die Geschichte los, geschrieben in einem entspannten, gut lesbaren, launigen Schreibstil. Leider kann das, was danach folgt, die Versprechen des Anfangs und des Verlagstextes nicht halten. Noch selten habe ich mich so durch einen Text gequält – normalerweise lese ich gern, viel und schnell, aber hier musste ich mich regelrecht dazu zwingen, weiterzulesen und habe schließlich irgendwo nach der Hälfte dann doch aufgegeben. Die Kirche der Suchenden mit ihren Hologrammen, die Geistersuche im Tex-Mex-Restaurant, der brennende Hund, die Beziehung zu seiner Mutter – das alles wirkte so wirr und ich wartete vergeblich auf ein Element, das dies alles zusammenführt und erklärt. Auch Jims Leben mit Annie und ihrer Tochter erschien mir trostlos und langweilig, nichts von Aufbruchstimmung nach dem Nahtod-Erlebnis. Ich kann nicht entschlüsseln, was der Autor eigentlich aussagen will. Ich sehe, dass es auch diverse 4 + 5 – Sterne-Rezensionen gibt, der Roman also durchaus bei manchen Lesern ins Schwarze trifft, aber ich kann ihn leider nicht empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.02.2019
Allee unserer Träume
Gerold, Ulrike;Hänel, Wolfram

Allee unserer Träume


gut

Etwas holzschnittartig

Der Klappentext klang nach einer richtig guten Geschichte aus dem 20. Jahrhundert. Gerade auch weil sie vorwiegend in (Ost-)Berlin handelt, interessierte die Geschichte mich als (West-)Berlinerin besonders.
Die Hauptperson ist Ilse Schellhaas, 1922 in Thüringen geboren. Sie und ihre Schwester Marga wachsen nach der Scheidung der Eltern bei der Mutter auf, aber Ilse hängt auch sehr an ihrem Vater, einem Architekten und Bauunternehmer, den sie bewundert und von dem sie die Leidenschaft für die Architektur übernommen hat. Sie setzt sich gegen einen gewissen familiären Widerstand durch, macht Abitur, geht zum Studium nach Weimar und gerät dann in die Wirren der Nazizeit und des zweiten Weltkrieges.
Der Roman spielt abwechselnd auf 2 Zeitebenen: einerseits im Ostberlin der Jahre 1950 - 53, als es Ilse gelingt, ins Planungskollektiv für die erste sozialistische Prachtstraße - die Stalin- bzw. später dann Karl-Marx-Allee - aufgenommen zu werden; andererseits in Rückblicken auf Ilses Entwicklung und Schicksal ab dem Jahr 1932.
Die Grundidee ist sehr gut und die Geschichte historisch interessant, aber die Umsetzung vermochte mich nicht immer zu fesseln, manche Passagen zogen sich recht zähflüssig in die Länge. Im Vordergrund stehen immer Ilse und die Bauarbeiten, denen Ilse sich mit Leib und Seele voller Begeisterung verschrieben hat. Aber es gibt auch zahlreiche andere Figuren, deren Leben mit dem Ilses verwoben ist, die aber oft wie am Reißbrett entworfen wirken und jeweils eine Funktion für den Fortgang der Geschichte haben. Das ist gewiss in Romanen häufiger der Fall, aber hier nehmen sie leider oft nicht wirklich Konturen an, erwachen nicht zum Leben. Die Lektüre von Richard Dübells Jahrhundertsturm-Trilogie hat mich für das Genre der historischen Romane begeistert, er versteht es meisterhaft, historische Fakten und Personen mit fiktiven menschlichen Schicksalen in genau der richtigen Balance zu verbinden, so dass man viel über die jeweilige Epoche erfährt, aber sich auch mit den Protagonisten identifizieren, mit ihnen mitfiebern und sich mit ihnen freuen kann. Diese Qualität habe ich hier vermisst, ich habe mich eher wie ein distanzierter Beobachter gefühlt. Bei Dübell war ich ganz traurig, wenn das Buch zuende war (obwohl mit 700 - 1000 Seiten sehr voluminös), hier habe ich immer mal wieder überprüft, wie viele von den 550 Seiten ich denn noch vor mir hatte...
Der Roman wirkte mit zu vielen Themen, Ereignissen und Personen auch etwas überfrachtet, die Bauarbeiten z.B. nahmen eine etwas zu beherrschende Rolle ein im zweiten Teil und eine gewisse Straffung und Kürzung hätte dem Roman möglicherweise gut getan.
Trotzdem ist es kein schlechtes Buch, die Geschichte, die sich an das Leben der Mutter des männlichen Teils des Autorenpaares anlehnt, ist durchaus interessant, nur die menschlichen Schicksale erschienen mir hin und wieder zu konstruiert und ließen mich auch häufig kalt.