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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
MB
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Rösrath

Bewertungen

Insgesamt 439 Bewertungen
Bewertung vom 24.09.2023
Kein guter Mann
Izquierdo, Andreas

Kein guter Mann


ausgezeichnet

Ein wunderbares Buch. Man ahnt es schon fast, liest man den Titel von Andreas Izquierdos neuem Roman "Kein guter Mann" - das ist nur die Oberflächenbeschreibung einer komplexen Figur, in der sich dem Leser spätestens am Ende der Geschichte 'ein guter Mann' offenbart. Und wer das eine oder andere Werk des Autors kennt wird wissen, dass die knapp 400 Seiten nicht nur eine hochemotionale Geschichte enthält, sondern auch eine Botschaft an die Lesenden, nämlich den Menschen immer auch auf dem Hintergrund seiner Lebensgeschichte zu betrachten, weil das nämlich hilft, sein aktuelles Verhalten zu verstehen und einordnen zu können. So ahnt man schon auf den ersten Seiten, dass der gealterte Postbote Walter nicht einfach nur ein unangenehmer Zeitgenosse ist, sondern dass irgendwann in dessen Leben irgendetwas dazu geführt hat, ihn so werden zu lassen: Von den meisten ungeliebt und wegen seines unangemessenen Verhaltens gegenüber 'Kunden' vom Postverteiler in der vorweihnachtlichen Zeit strafversetzt nach Engelskirchen, wo Walter die dort eintreffenden Briefe ans Christkind beantworten soll. Nach anfänglichem Unmut entsteht für Walter genau dort eine Aufgabe, die sein Leben verändern wird - Walter beginnt einen Briefwechsel mit dem Jungen Ben, der nicht ans Christkind geschrieben hat sondern dessen Briefe stets beginnen mit "Lieber Gott..." - was wiederum Walter anspricht, der sich in seinen Antwortschreiben unvermittelt in der Rolle von Gott sieht. Und schnell ist Walter klar, dass er Ben helfen muss. Wir erfahren dann auch Walters eigene Geschichte und verstehen nach und nach immer mehr die Hintergründe seines Soseins... und wie vielleicht das Schicksal (oder auch Gott) ihn mit Ben zusammengebracht hat, damit er eine alte Schuld begleichen kann und zumindest für sich selbst Frieden findet. Ein hochemotionales und keinesfalls kitschiges Buch für die Vorweihnachtszeit!

Bewertung vom 23.09.2023
Nichts in den Pflanzen
Haddada, Nora

Nichts in den Pflanzen


weniger gut

"Keine Ahnung, ich meine..." Diese und ähnlichlautende Formulierungen durchziehen zu Hauf Nora Haddadas Erstling "Nichts in den Pflanzen". Eine lahme Geschichte, in der recht wenig passiert. Nun gut: Eine Katze findet den Tod durch Ertränktwerden, die Ich-Erzählerin versucht ein Drehbuch zu schreiben; es gibt die zu erwartende Schreibblockade, mittelmäßige therapeutische Interventionen bei Schreibblockade haben wenig Erfolg; die Konkurrenz hinter der Pseudonettigkeit der Kunstschaffenden, die Oberflächlichkeit auf Partys, die ohne Alkohol nicht funktionieren würden; ein wenig Sex; doppelte Namen (der Leon und der Andere Leon); flache Dialoge mit oft nur angefangenen Sätzen, Sätzen, die nur andeuten, sprunghafte Gedanken; und zwischendurch immer wieder die Überlegungen der Protagonistin, die als Kolumnen sicher recht amüsant und auch treffsicher in ihrer (Gesellschafts-) Analyse sind, die Geschichte selbst aber nicht sonderlich bereichern. Und: Das wievielte Werk ist das eigentlich, in dem eine Autorin / ein Autor die Lesenden damit quält, an ihrer Schreibblockade teilhaben zu müssen... das gehört ins Tagebuch, aber da muss man nichts Gedrucktes draus machen. Auch die Figuren bleiben flach. Und von Beginn an durchziehen lästige Fliegen die Geschichte und nerven die Protagonistin - und da ist "nichts in den Pflanzen", die Fliegen müssen woanders herkommen. Aus dem Schreibwerkzeug (Computer) der Ich-Erzählerin Leila? Eine düstere Atmosphäre erschaffen sie, die nicht totzukriegenden Fliegen, bis ganz zuletzt... und eigentlich halten sich Fliegen ja bekanntlich ganz besonders gerne an Orten der Verwesung auf... Sorry - kein Lesevergnügen.

Bewertung vom 23.09.2023
Der Wald
Rode, Tibor

Der Wald


sehr gut

Near future. Mit "Der Wald - er tötet leise" ist Tibor Rode ein ungeheuer spannender Roman gelungen, der unsere existierende Wirklichkeit auf dem Paneten Erde mit denkbaren, durchaus möglichen Szenarien und einem guten Stück kreativer Autorenfreiheit kombiniert. Nach einem eher harmlosen Beginn - ein Haufen Menschen in der ganzen Welt erhalten scheinbar harmlose Päckchen mit Saatgut von einem unbekannten Absender zugeschickt- nimmt die Geschichte einen fulminanten Verlauf mit einem an keiner Stelle abbrechenden Spannungsbogen. Und das Rätsel der den Samen entwachsenden, gefährlichen und sich extrem schnell ausbreitenden Pflanze löst sich nicht so schnell auf; es geht um ganz altes Wissen über eine extrem gefährliche 'Urpflanze', die zum Schutz der Menscheit 'in Bernstein gefangen' an einem unerwarteten Ort aufgehoben wird, es geht um eine verschworene Gemeinschaft, die die Welt vor sich selbst schützen möchte, auch Goethe und sein Verhältnis zu China spielt eine Rolle; und wie gefährlich es sein kann, eine KI zu beauftragen, den Wald vor den Menschen zu schützen... und am Ende scheint die Menschheit einen 'Reset' gerade noch in letzter Sekunde abgewendet zu haben, jedoch... Unbedingte Leseempfehlung für ein verregnetes Wochenende!!!

Bewertung vom 17.09.2023
Nachts erzähle ich dir alles
Landsteiner, Anika

Nachts erzähle ich dir alles


gut

Nett erzählt. Durchaus. Aber schon zwei Tage nachdem ich die letzten Seiten von Anika Landsteiners neuem Roman "Nachts erzähle ich dir alles" gelesen habe, verblasst die Erinnerung schon ziemlich; was ich bedauerlich finde, zumal mir der Vorgängerroman "So wie du mich kennst" recht gut gefallen hat. Ich suche noch nach einer Erklärung für das soeben beschriebene Phänomen. War es die Geschichte, die zu wenig 'drive' hatte? Ja, da ist was dran! Waren es die Personen, die mir in ihren Konflikten zu wenig ausgeleuchtet waren? Ja, da ist auch was dran! Waren es die Themen? Nein - die hatten Potenzial: Nach der Trennung von ihrer Partnerin befindet sich Léa in einer unklaren Lebenssituation und beschließt, ihr Berliner Café für den anstehenden Sommer zurückzulassen und sich erst einmal in das 'Familienanwesen' an der südfranzösischen Mittelmeerküste zurückzuziehen. Wie zu erwarten, wird sie mit Ereignissen konfrontiert, die ihr einen neuen Blick auf ihr Leben ermöglichen. Am Abend ihrer Ankunft trifft sie auf ein junges Mädchen, was noch in derselben Nacht zu Tode kommt; Émile, der Bruder des Mädchens und populärer Podcaster in Frankreich will mehr über seine verstorbene, jüngere Schwester erfahren; Émile und Léa kommen sich näher, aber es bleibt alles etwas vage und unsicher, als wenn es da eine Angst vor dem Leben gäbe; und von Claire, die das Haus an der Küste in Ordnung hält, erfährt Léa einiges über die Vergangenheit ihrer Mutter und auch über sich. Ob Léa für sich in diesem Sommer einen neuen Weg gefunden hat? Vielleicht ist die Geschichte aber einfach nur ein ganz simpler Ausschnitt aus irgendeinem Leben, ein Ausschnitt der auch ein wenig einen Wendepunkt darstellt. Und wahrscheinlich gibt es im Leben auch nicht immer unbedingt die ganz radikale Wende, viel wahrscheinlicher eine allmähliche - und genau das können wir in "Nachts erzähle ich dir alles" miterleben.

Bewertung vom 09.09.2023
Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
Knecht, Doris

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe


sehr gut

Patchwork. Viele kleine Puzzlesteinchen, die ein Leben ausmachen. Das Leben in seiner Gesamtheit kann sowieso nicht erzählt werden und zudem ist eine Lebenserzählung immer auch Spiegelbild der gegenwärtigen Befindlichkeit, die sich förmlich wie ein 'Stimmungsschleier' über Auswahl und Bewertung von Lebensepisoden legt. In kurzen Kapiteln erinnert und resümiert Doris Knecht in ihrem aktuellen Roman (?) "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" Episoden aus ihrem Leben - die kleinen und die größeren Dinge... der Hund, die Sonnenbrille, die familiäre Situation, ddie Kinder, die Eltern. Anlass für Besinnung und Rückbesinnung ist der anstehende Auszug der Kinder und die Notwendigkeit, eine neue Wohnung zu beziehen. Eine nicht untypische Krise innerhalb des Familienzyklus - die Krise des 'empty nest'. Doris Knecht nutzt den Anlass für eine Rückbesinnung und Bilanz; auch das Vergessene wird erzählt, weil erst die Lücken den Erinnerungsbausteinen ihre Kontur verleihen und sie fassbar, begreifbar machen. Und am Ende, nach einigem Hadern, kann die Autorin das Gewesene akzeptieren und nach forne schauen. Krisen können wandeln. Und Doris Knecht lässt uns Zeugen dieses Prozesses sein. Ich hatte zunächst ein wenig Mühe, mich einzulassen, bin am Ende aber zu einem dankbaren Zeugen geworden.

Bewertung vom 04.09.2023
Vom Ende der Nacht
Daverley, Claire

Vom Ende der Nacht


sehr gut

Give it a chance! Anfangs hatte ich den Impuls, das Buch schnell wieder zur Seite zu legen, erschien es doch ein wenig schnulzig und vorhersehbar - zwei junge Menschen, Rosie und Will, natürlich recht gegensätzlich.. sie, die strebsame und sehr ordentliche Rosie mit der milden Zwangsstörung, dabei durchaus musisch veranlagt, in einem nach außen hin sehr korrekten, auf Konventionen bedachten Elternhaus herangewachsen, selbstverständlich gut in der Schule... er, der unangepasste Motorradschrauber Will, der im günstigsten Fall Betriebsanleitungen liest, eher im Hier & Jetzt als in einer erstrebenswerten Zukunft verortet ist, mit seiner Lederjacke Schwarm der Mädchen und sich diesen gegenüber nicht gerade abgeneigt zeigt, schon früh von Vater und Mutter verlassen, bei Grandma lebend... Eigentlich Standard für eine Netflix-Serie, die man schon morgen vergessen haben wird. Gleichwohl ist es Claire Daverley in ihrem Erstling "Vom Ende der Nacht" gelungen, mich bis zur letzten Seite lesen zu lassen. Aber warum eigentlich? Wo der erste Eindruck doch nicht der beste war... Die Autorin hat sich von Kapitel zu Kapitel mehr 'reingefuchst' in die Geschichte, sie ist beständig besser geworden im Schreibprozess und es ist zunehmend spürbar, in welchem Ausmaß es ihr eine Herzensangelegenheit war, genau diese Geschichte niederzuschreiben... und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass die Autorin ganz viel von sich selbst reingegeben hat; der eher flache Beginn gewinnt zunehmend an Tiefe... und es ist schon beachtlich, wieviele Male es zwischen Rosie und Will nicht klappt... und was die jeweiligen Hinderungsgründe sind. Und anders als andere 'Liebesschnulzen' strebt diese Geschichte keinem vorhersehbaren 'happy end' entgegen, was die Story zwar von Wolke 7 runterplumpsen lässt, sie aber dafür (fast) in der Realität ansiedelt. Eigentlich 3 Punkte von 5 - doch 'give it a chance' meint: 4 Punkte!!! Was viel mehr ist, als die deutschen Beiträge in den letzten Jahren beim ESC erreicht haben ;-))

Bewertung vom 24.08.2023
Tasmanien
Giordano, Paolo

Tasmanien


sehr gut

Ein großer Aufschlag. Man braucht schon eine funktionierende 'Hoffnungsstruktur' (ein Begriff, den der Ich-Erzähler Paolo auf den letzten Seiten erfährt), um Mut und Glauben an ein Überleben der Menschheit nicht zu verlieren. Mit "Tasmanien" hat Paolo Giordano einen Roman geschrieben, der nicht nur eine erzählte Geschichte, sondern vorallem ein erschreckendes Abbild unserer gegenwärtigen Welt ist. Im Mittelpunkt steht Paolo, dessen Beziehung aus den Fugen gerät - genau wie die Welt. Auch in seinem privaten Umfeld erlebt er Scheitern, Zynismus, Kontroversen und Entzweiung. Die Beziehungen der Menschen untereinander scheinen nicht mehr zu funktionieren und die Beziehung der Menschen zur Welt, dem Heimatplaneten, ist gestört. Der Autor wählt als eine Rahmenhandlung den Paolos Besuch der Weltklimakonferenz in Paris, als eine andere das Buchprojekt des Protagonisten, der in anderer Form über den Atombombenabwurf über Hiroshima und Nagasaki schreiben möchte. Die eigentliche Erzählung streckt sich von den Tagen der Terroranschläge in Paris 2015 bis in die Gegenwart hinein - sich zuspitzende Krisen in einer hochkomplexen und immer weniger beherrschbaren Welt. Daran geknüpft die ganz private Hoffnung auf einen Sehnsuchtsort ("Tasmanien"), an dem man frei und zukunftssicher leben kann. "Die Dinge, die man tut, wenn einen niemand sieht: War das nicht genug, um weiterzumachen? Tanzen, sich für nichts verantwortlich fühlen, leben für den Moment der Euphorie." Dafür bräuchte es von uns allen wohl ein Übermaß an Verdrängungsenergie. Und was sagt uns Paolo am Ende: "Ich schreibe über alles, was mich zum Weinen gebracht hat. "Ein Buch, das gelesen werden muss!!!

Bewertung vom 21.08.2023
Die Einladung
Cline, Emma

Die Einladung


ausgezeichnet

Atmosphärisch dicht. Genau das ist der neue Roman von Emma Cline - "Die Einladung". Die Story ist eigentlich recht simpel, vielleicht auch schon vielfach von anderen erzählt: Die zweiunundzwanzigjährige Alex weiß nicht so recht etwas mit ihrem Leben anzufangen, hat keinen Zugang zu ihren eigenen Emotionen, einen ziemlichen Empathiemangel, aber ausreichend Antennen dafür, andere Menschen für sich zu gewinnen, die sie dann für eigene Zwecke auszunutzen weiß. Natürlich macht sie sich damit keine Freunde, wird aus WG's geworfen und bekommt Freundschaften aufgekündigt. Dann hat sie den wohlsituierten und wesentlich lebensälteren Simon kennengelernt, ihr Leben scheint abgesichert und Simon kann mit einer jungen und hübschen Frau an seiner Seite aufwarten; das schöne Konstrukt, der so scheinheilige Tauschhandel 'Wohlstand gegen Jugend', platzt auf einer Party von Simon, als Alex sich ziemlich unangemessen benimmt und für Simon für fünf Tage - bis zum nächsten großen Fest vor die Tür geworfen wird. Und der Großteil des Romans beschreibt, wie Alex genau diese fünf Tage zubringt, wie sie - schlafplatzlos und ohne Mittel, dazu noch mit einem defekten Handy, gefordert ist, sich irgendwo bei anderen 'einzuschleichen', um die Zeit gut rumzubekommen. Alles läuft für Alex auf das Ende der fünf Tage hinaus - dann wird sie zurückkehren und Simon gegenüber in ihrem jugendlichen Glanz erstrahlen und ihr Leben wird wieder zurückgefunden haben in seine alte Ordnung. Das Buch kann man lesen als eine Geschichte über eine junge Frau, die andere nur für eigene Zwecke ausnutzt. Dann wird die Geschichte nicht sonderlich gefallen. Man kann es aber auch lesen als den Versuch einer verzweifelten Person, das eigene Leben auf die Kette zu bekommen, als den Versuch, eine Selbstillusion aufrecht zu erhalten. Ich habe schon lange nicht mehr eine derart subtil aufgebaute Geschichte gelesen, die sich ab der ersten Seite in Richtung eines existenziellen Scheiterns hin zuspitz. Zudem versteht es Emma Cline mit ihren treffsicheren Beschreibungen, die Welt der Schönheit und des Reichtums zu dekonstruieren... und nimmt uns Lesenden vielleicht auch die eine oder andere Illusion.

Bewertung vom 18.08.2023
Das Versprechen / Ein mörderisches Paar Bd.1
Wolf, Klaus-Peter

Das Versprechen / Ein mörderisches Paar Bd.1


sehr gut

Vergnüglich. Ob des Buchcovers war ich zunächst ziemlich skeptisch und habe mich gefragt, was mich da wohl erwarten würde. Und es wird in dem Krimi "Ein mörderisches Paar. Das Versprechen" von Klaus-Peter Wolf tatsächlich eine Menge Fisch und anderes Seegetier konsumiert... aber im Roman selbst spielen eher Luxusjachten als Fischerboote eine Rolle. Und wer kann sich wohl eine Luxusjagd leisten? Und neben vielen anderen teuren Dingen auch zwei durchtrainierte Leibwächterinnen? Na? Genau - ein Obergauner, der betrügt was das Zeug hält, viele Firmen besitzt und ein ganz besonders dreckiges Geschäft pflegt - den Drogenhandel mit der Zielgruppe 'Schüler:innen'. Da hat dieser Mensch aber nicht mit dem 'Mörderischen Paar' gerechnet, die sich als Weltverbesserer verstehen und die Bösewichte dieser Welt auf ihre sehr eigene Art ins Jenseits befördern. Nicht immer zum Ärger der etwas lahmen und mit sich selbst beschäftigten, ostfriesischen Polizei. Ein Krimi mit Pfiff & Coolness, der die Leserschaft einlädt, mit den 'mörderischen Guten' zu sympathisieren... was wirklich viel Freude bereitet. Bin schon heute gespannt auf die bereits angekündigte Fortsetzung.

Bewertung vom 18.08.2023
Treacle Walker
Garner, Alan

Treacle Walker


weniger gut

Zwiespältig. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das recht kurze Büchlein "Treacle Walker. Der Wanderheiler" des schon in die Jahre gekommenen Autors Alan Garner fängt sehr vielversprechend an... mit Wortwitz und einem guten Schuss Magie, mit zwei Protagonisten, denen man wahnsinnig gerne durch alle möglichen Abenteuer gefolgt wäre... (In meiner Fantasie habe ich dem Namen des Verlages erlaubt, meine Vorfreude auf stundenlange Versenkung in eine fantasievolle und abwechslungsreiche Geschichte zu stimulieren: 'Hobbit Presse' bei Klett-Cotta)... und die beiden Hauptpersonen haben sogar echtes Potenzial: Der alleinlebende kleine Junge Joseph Coppock - in einem Alter, in dem die Welt noch Wunder bereithält, welche Erwachsene schon lange nicht mehr sehen, und zudem kann Joseph aufgrund einer Seheinschränkung mit beiden Augen Unterschiedliches wahrnehmen - und Joseph liest Comics, welche die Grenze zur Wirklichkeit durchlässig machen; und da ist der alte Treacle Walker, der auf seinem Gefährt mit wundersamen Gegenständen unterwegs ist und eines morgens vor Josephs Fenster auftaucht... Ansprechender Schreibstil, aber die Geschichte zerfasert nach dem guten Auftakt immer mehr zu einer Ansammlung von Versatzstücken, was auch an den stellenweise sehr kurzen Kapitel deutlich wird. Man könnte meinen, der Autor habe 'aus Versehen' Einzelteile zu einem noch nicht ausgereiften Plot veröffentlicht.