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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 754 Bewertungen
Bewertung vom 01.10.2021
Gendergaga
Kelle, Birgit

Gendergaga


ausgezeichnet

Alles GAGA oder?

Lt. Wikipedia ist Ideologie „eine Weltanschauung, die einen hohen Anspruch auf Wahrheit erhebt und die für abweichende Lehrmeinungen kaum noch offen ist. Im gesellschaftlichen Sinn werden aus solchen 'erstarrten Lehrmeinungen' ideologische Normen, von der die Mehrzahl der Beteiligten zutiefst überzeugt sind. Die Grundannahmen oder Auswirkungen werden nicht hinterfragt.“

Gender Mainstreaming erfüllt die Voraussetzungen einer Ideologie. Hinzu kommt, dass es Gender Mainstreaming an einer wissenschaftlichen Grundlage mangelt. Die fehlende kritische gesellschaftliche Reflexion hat ein Kunstgebilde entstehen lassen, von dem man heute, aus dem Blickwinkel des gesunden Menschenverstandes heraus betrachtet, nicht mehr weiß, ob man darüber lachen oder weinen soll. Absurdistan lässt grüßen.

Autorin Birgit Kelle greift das Thema auf und entwickelt eine Satire mit hohem Unterhaltungswert. Das satirische besteht darin, dass es eigentlich gar keine Satire ist. Die Beispiele sind real. Da es zudem um Steuergelder in hohem Ausmaß geht („200 [Gender-]Lehrstühle im deutschsprachigen Raum“ (143)), wird es Zeit für eine kritische Reflexion. Diese ist aus der Politik derzeit nicht zu erwarten.

Kelle versteht es, die Widersprüche und Kuriositäten dieser Ideologie auf den Punkt zu bringen. Dazu gehört z.B., „dass die Gender-Aktivistinnen das biologische Geschlecht ständig als irrelevante 'determinierende' und damit unterdrückende Kategorie abschaffen wollen, gleichzeitig in der Frauenfrage aber immer explizit auf ihrer biologischen Weiblichkeit beharren“ (11) oder der „Friedhof nur für Lesben am Prenzlauer Berg“ (112). Die Nationalhymne der Österreicher wurde, und das ist kein Fake, gendersensibel umgedichtet.

In dem ganzen Genderwahn wird die Rolle der Frau im Islam vernachlässigt. Dabei gibt es dort reichlich Diskussionsbedarf. Kelle streift dieses Thema nur kurz. (140) Mit Gender ist es so, wie mit den Freihandelsabkommen. Wenn das Volk nicht gefragt wird, gibt es Widerstand. Man muss der Autorin gratulieren zu diesem mutigen Buch, in dem ein Thema kritisch behandelt wird, dem sich unsere Politik längst untergeordnet hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.09.2021
Das Gewicht der Worte
Mercier, Pascal

Das Gewicht der Worte


gut

Eine geistreiche leise Geschichte

„Weißt du, was mir [Simon Leyland] daran am besten gefällt? Dass die Erzählung so unspektakulär ist. Das nichts Heftiges passiert, kein lautes Drama.“

Simon Leyland ist ein sprachlich gewandter Übersetzer, der den Ehrgeiz hat, alle Sprachen im Mittelmeerraum zu erlernen. Irgendwann entschließt er sich, selbst ein Buch zu schreiben. Der Auszug passt auf seinen Protagonisten Fontaine, aber auch darauf, wie Autor Pascal Mercier das Leben seines Protagonisten Simon Leyland darstellt.

Auf Basis der Ereignisse (seine Fehldiagnose, Tod seiner Frau Livia) hätte man ein Drama entwerfen können. Mercier hat es vorgezogen, einen Mikrokosmos zu kreieren, in dem Gedanken und Erinnerungen dominieren, der von Freundschaften handelt und in dem Schicksalsschläge auf eine sanfte Art und Weise behandelt werden.

Elf Wochen Ungewissheit über sein eigenes Schicksal verändern Leylands Leben. Er verkauft im Hinblick auf seinen zu erwartenden baldigen Tod aufgrund eines Hirntumors seinen von Livia geerbten Triester Verlag und sortiert sein Leben neu. Seinen Arzt, Dr. Leonardi, konfrontiert er mit der Fehldiagnose aufgrund der vertauschten Röntgenbilder.

Mercier stellt zahlreiche Personen aus Leylands Umfeld vor, so seine Kinder Sidney und Sophia, seinen Nachbarn und Freund Kenneth Burke, den ehemaligen Häftling Andrej Kuzmin, die Autorin Francesca Marchese, um nur Beispiele zu benennen. Die Verflechtungen zwischen den Personen sowie deren Motive werden deutlich.

Ereignisse werden in den zahlreichen Briefen, die Leyland an seine verstorbene Frau schreibt, reflektiert. Das führt zu Wiederholungen. Die Erzählungen wirken teilweise in die Länge gezogen. Insofern wird nicht jedermann durch diesen Schreibstil angesprochen. Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und Moral sind Themen, dennoch hat mich das „Gewicht der Worte“ nicht wirklich überzeugt.

Bewertung vom 17.09.2021
Komisch, alles chemisch!
Nguyen-Kim, Mai Thi

Komisch, alles chemisch!


ausgezeichnet

„Komisch, alles chemisch!“ ist ein populärwissenschaftliches Aufklärungsbuch über chemische Prozesse im Alltag. Mai Thi Nguyen-Kim, promovierte Chemikerin, sieht ihre Aufgabe in der journalistischen Aufbereitung und Vermittlung wissenschaftlicher Themen. Dabei geht es ihr nicht nur um sachliche Aufklärungsarbeit, sondern sie möchte Menschen für Naturwissenschaften, genauer gesagt für naturwissenschaftliches Denken, begeistern. Mehr Leidenschaft für das Sachliche ist ihre Devise.

Um Menschen zu erreichen, greift sie auf Situationen des Alltags in Küche, Bad und Bus zurück, die sie humorvoll aufbereitet. Dazwischen streut sie Grundlagen über den Aufbau von Atomen und Molekülen, über chemische Reaktionen und Bindungsarten, über Thermodynamik und Chaos in der Natur, ein. Den Leserinnen und Lesern werden, während sie noch über die Erläuterungen zu Zahnpasta, Seife und Duschgel nachdenken, naturwissenschaftliche Modelle in vereinfachter Form vorgestellt.

Besonders gefallen haben mir die Einblicke in die Grundlagen der naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung und in den ernüchternden Alltag an Hochschulen. Was heißt „wissenschaftlich belegt“? Die Autorin erläutert die Vorteile randomisierter kontrollierter Studien. Je weiter man sich von den Naturwissenschaften entfernt und je mehr der Mensch bzw. sein Verhalten selbst zum Objekt der Untersuchungen wird (siehe Psychologie), umso unsicherer werden die Ergebnisse von Studien.

Die Chemie ist keine isolierte Wissenschaft, so das Ergebnis. Sie wechselwirkt mit Physik, Biologie und Medizin und sie bestimmt unseren Alltag. Die Autorin erläutert nicht nur chemische Prozesse in Alltagssituationen, sie macht auch im positiven Sinne Werbung für Naturwissenschaften, insbesondere für die oft kritischer Berichterstattung ausgesetzte Chemie. Zu guter Letzt wird im Buch auch das Geheimnis des ewig haltbaren Monsterburgers auf einfache Weise gelüftet.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.09.2021
Kopf frei!
Busch, Volker

Kopf frei!


sehr gut

Wie bekommen wir den Kopf frei? Wir leben in einer Welt, in der wir mit Informationen überschwemmt werden. Unsere Medien sorgen für eine 24 Stunden- Berieselung, E-Mails und Soziale Medien takten unseren Alltag. Wir sind nicht mehr in der Lage, uns auf eine Sache zu konzentrieren, wir neigen zu Oberflächlichkeit und Vergesslichkeit.

Volker Busch, Neurologe und Psychiater, beschreibt die typischen Probleme des Informationszeitalters und bietet Lösungen an, wie wir den Lichtkegel der Aufmerksamkeit bewusst steuern können. Die kleine Geschichte von der Grille unter dem Efeu (35) ist in diesem Zusammenhang sehr lehrreich.

Der Autor knüpft an Dijksterhuis an [1], wenn er schreibt, dass unsere Wahrnehmung und Erinnerung stark von unserer selektiven Aufmerksamkeit abhängen und das Gehirn das meiste herausfiltert. Er erläutert, wie die Wahrnehmung trainiert, wie die Beobachtungsgabe verbessert werden kann.

Der Mensch ist nicht geeignet für Multitasking, erkannte bereits Manfred Spitzer [2]. Das Gegenteil ist Konzentration auf eine Sache. Diese ist für viele Tätigkeiten zwingend erforderlich und Busch macht deutlich, wie Konzentration auf eine Sache trainiert werden kann, wie ablenkende Impulse kontrolliert werden können.

Es geht in diesem Buch aber nicht nur um Aufmerksamkeit auf eine Sache in der Außenwelt, sondern auch um nach innen gerichtete Aufmerksamkeit, die Voraussetzung für Kreativität ist. Beim Blick ins Kaminfeuer, wenn der Mensch anfängt zu träumen, können Ideen reifen. Unbewusste Vorerfahrungen führen zu neuen Ideen.

Am Ende des Buches wagt der Autor einen Blick in die Zukunft. Wir müssen mündig werden im Umgang mit Medien und Verantwortung für uns selbst übernehmen. „Klarheit, Konzentration und Kreativität sind die herausragenden Merkmale menschlicher Intelligenz, deren wichtigste Voraussetzung die Steuerung unserer Aufmerksamkeit ist.“ (264)

[1] Ap Dijksterhuis: Das kluge Unbewusste
[2] Manfred Spitzer: Cyberkrank!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.09.2021
Wo die wilden Väter wohnen
Kern, Björn

Wo die wilden Väter wohnen


sehr gut

Das Landleben ist anders

„Niemand hatte die Absicht, einen Fisch zu fangen!“, ist das Motto bei den Angelversuchen von Vater Björn und Tochter Sophie, denn was macht man mit einem Fisch, der tatsächlich anbeißt? Vater und Tochter sind überfordert. Da hilft nur ein Beitrag im Internet „Fischausnehmen für Städter“.

Ja, das Landleben ist anders. Björn Kern hat sich einen Traum erfüllt und ist mit seiner Familie aufs Land gezogen. Er lebt nunmehr im Oderbruch, Landkreis Märkisch-Oderland, im Osten Brandenburgs. Wer in der Großstadt Berlin gewohnt hat, muss sich im Dorf erst akklimatisieren.

Das gilt für Vater Björn, aber weniger für Tochter Sophie, die sich schnell an ihre neue Umgebung gewöhnt und neue Freundinnen in Schule und Freizeit findet. Der Autor beschreibt den unkomplizierten Umgang miteinander beim Baden oder Zelten und die Abenteuer auf dem Land.

Es gibt auch die besinnlichen Momente, wenn Vater und Tochter mal wieder an der Bushaltestelle sitzen und in intensive Gespräche vertieft sind, während sie vergeblich auf den Bus warten. Es entsteht der Eindruck, dass es in den kleinen Geschichten insbesondere um die Vater- Tochter- Beziehung geht.

Das Buch gliedert sich in einundzwanzig einzelne Episoden, in denen der Autor auf humorvolle Art und Weise über seine Erlebnisse berichtet. Die mit viel wörtlicher Rede angereicherten Szenen wirken authentisch und lebensnah. Freiheit und Einfachheit sind Merkmale des Landlebens. Erfahrungen sind wichtig, dann bleibt der Erfolg nicht aus.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.08.2021
Beutelspacher, Albrecht

"Das ist o. B. d. A. trivial!"


gut

Saubere Formulierung mathematischer Gedanken

Der Autor Albrecht Beutelspacher ist Professor für Mathematik. In diesem schmalen Büchlein erläutert er grundlegende Fachwörter aus der Mathematik und gibt Formulierungshilfen für mathematische Texte. Ziel ist der fachgerechte Umgang mit mathematischen Begriffen.

Das Buch hilft insbesondere Studenten, in die Formalismen der Mathematik einzutauchen. Der Autor nennt Beispiele für korrekte und für fehlerhafte Formulierungen. Die Beispiele bieten eine gute Orientierung. Übungsaufgaben sollen den Stoff vertiefen. Leider fehlen hier die Musterlösungen.

Der Aufbau wirkt unstrukturiert, eher anekdotisch, so, als ob der Autor praktische Beispiele aus Übungsaufgaben und Diplomarbeiten zusammengetragen hätte, um daran Fehler aufzuzeigen. Dennoch ist das Büchlein lehrreich. Leser werden sensibilisiert, Fallstricke in mathematischen Formulierungen zu erkennen.

Bewertung vom 23.07.2021
Unser Kosmos
Sagan, Carl

Unser Kosmos


ausgezeichnet

Der Klassiker „Unser Kosmos“ entstand aus der gleichnamigen Fernsehserie von 1983. Es ist das meistverkaufte englischsprachige Wissenschaftsbuch. Autor Carl Sagan war Astronom, Astrophysiker, Exobiologe und Fernsehmoderator. Im Vorwort unterstreicht er, dass Wissenschaft erforderlich ist, um als Menschheit zu überleben, aber auch, dass sie ein Vergnügen ist, weil wir am Begreifen Freude finden. Der Autor möchte Ideen und Methoden der Wissenschaft verständlich vermitteln.

Bereits der griechische Gelehrte Eratosthenes beschäftigte sich mit der Vermessung der Erde und nutzte Schatten und Spiegelungen im Brunnen, um den Umfang des Planeten zu bestimmen. Damit ist belegt, dass bereits die Wissenschaftler der Antike die Erde für eine Kugel hielten. Sagan beschreibt, wie im Laufe der Jahrhunderte die Welt umsegelt und jeder Winkel der Erde erforscht wurde. Das Wissen der Antike war in der Bibliothek in Alexandria gespeichert, die leider zerstört wurde.

Sagan widmet sich Darwins „Entstehung der Arten“, er erläutert die Mechanismen der Evolution und die Versuche der Menschheit, die Natur durch Domestikation zu verändern. Die Einflussnahme gipfelt in den Versuchen Stanley Millers, die grundlegenden biologischen Lebensbausteine unter Laborbedingungen zu erzeugen, indem die Uratmosphäre simuliert und mit Blitzen beschossen wird. Sagan zeichnet wichtige Stationen der Menschheitsgeschichte nach.

Von der Erde geht es in den Weltraum. Sagan erläutert die Sternbilder des Nachthimmels und ihre Bedeutung für die frühe Menschheit. Mystizismus und Aberglaube entstanden, wurden aber im Laufe der Jahrhunderte durch kluge Köpfe wie Kopernikus, Kepler, Brahe und Newton durch wissenschaftliche Erkenntnisse auf Basis empirischer Messungen und Beobachtungen ersetzt. Dabei war selbst Newton klar, dass „der große Ozean der Wahrheit gänzlich unerforscht vor ihm liegt“. (82)

Sagan erläutert die Erforschung des Sonnensystems, beschreibt die Verhältnisse auf Venus, Mars und Jupiter und die Versuche mittels Teleskop und später mittels Sonden, die Erkenntnisse zu erweitern. Manche Vorstellungen (z.B. Marskanäle) wurden revidiert. Der Höhepunkt war der bemannte Raumflug zum Mond im Jahre 1969. Bei der Euphorie konnte man leicht vergessen, dass interstellare Reisen aufgrund der Dimensionen des Weltraums unsere technologischen Möglichkeiten überschreiten.

Wenn es um Reisen durch Raum und Zeit geht, dürfen Ausführungen zu Albert Einstein nicht fehlen, der unser Weltbild revolutionierte. Er ordnete unsere Vorstellungen von Raum, Zeit, Gravitation und Geschwindigkeit neu und entwickelte mit SRT und ART Grundlagen, deren Verständnis auch hundert Jahre nach ihrer Entdeckung unser Vorstellungsvermögen überfordern. Ein Blick in den Weltraum ist ein Blick in die tiefe Vergangenheit.

Auch wenn Schätzungen die Vermutung stützen, dass es im All eine Vielzahl belebter Planeten geben muss, so bilden Raum und Zeit unüberwindbare Grenzen, sodass es nahezu ausgeschlossen ist, jemals Kontakt zu bekommen. Wie sollte auch eine Kontaktaufnahme aussehen, zu einer Zivilisation, die z.B. dreihundert Lichtjahre von uns entfernt ist? Dennoch handelt es sich um ein Thema, welches Sagan fasziniert hat, sodass er die Möglichkeiten der Entstehung außerirdischen Lebens erforscht hat.

Carl Sagan hat ein Buch geschrieben, welches die Leser in den Bann zieht. Es ist die lebhafte Geschichte einer neugierigen sich bewusst entwickelnden Menschheit, die ihre Umgebung einschließlich sich selbst erforscht und dabei den Horizont immer weiter nach außen verschiebt. Das Buch ist vierzig Jahre alt und die Naturwissenschaften entwickeln sich weiter. Dennoch handelt es sich um ein Grundlagenwerk, welches Interesse weckt und auch heute noch zu empfehlen ist.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.07.2021
Die Sehnsucht des Vorlesers
Didierlaurent, Jean-Paul

Die Sehnsucht des Vorlesers


sehr gut

Ein Roman über liebenswerte Außenseiter

Das besondere an diesem Roman ist das Spiel mit Gegensätzen. Protagonist Guylain Vignolles liebt Bücher, arbeitet aber in einer Fabrik, in der er täglich gewaltige Mengen an Büchern schreddern muss. Er ist schüchtern und sensibel, möchte sich am Liebsten unsichtbar machen, dennoch traut er sich, fremden Menschen im Zug Geschichten vorzulesen.

Die Zuhörer sind seltsamerweise angetan von der kostenlosen Vorlesestunde, auch wenn es sich nur um teilweise belanglose Fragmente von Geschichten handelt. Guylain ist naiv, aber auch einfühlsam. Seine Freunde sind kauzig und in ihrer Art extrem. Es gibt Autoren, die legen keinen Wert auf die Charakterisierung ihrer Protagonisten. Bei Didierlaurent stehen die Menschen mit ihren Eigenarten im Fokus.

Die Liebe zur Literatur wird in vielen Werken zum Ausdruck gebracht, auch gibt es zahlreiche romantische Romane. Didierlaurents Roman wirkt wie eine Parodie auf die Liebe zur Literatur und auf die Romantik. Guylan ist eher das Gegenteil eines Romantikers und die Sprache mit ihren Fäkalausdrücken trägt ihren Teil dazu bei. Er verliebt sich in eine Frau, die ebenso wie er selbst mit dem Beruf unzufrieden ist, Interesse an Geschichten hat und aus ihrem Umfeld nicht ausbrechen kann.

Didierlaurent schafft durch seine Charaktere und das Umfeld Atmosphäre, wie es vergleichsweise im deutschsprachigen Raum Wilhelm Genazino gelingt. Statt des traumtänzerischen Elements genazinoscher Charaktere ist es bei Didierlaurent der französische Charme, der trotz aller Derbheit (auch ein Gegensatz) in den Roman einfließt. Gemeinsam ist ihnen die nachsichtige Behandlung von Außenseitern der Gesellschaft.

Die Handlung selbst wirkt wie ein Fragment aus einer umfassenden Geschichte. Weitere Ausführungen und Verschneidungen zu den Figuren Kowalski und Brunner wären denkbar gewesen, auch hat die Geschichte am Schluss eigentlich erst begonnen. Wie geht es weiter? Es bleiben viele Fragen offen. Der Roman wirkt gleichzeitig einfach strukturiert und tiefsinnig. Das macht ihn sympathisch. Er handelt von Sehnsucht, wie es der Titel verspricht und ich bin sicher, dass wir von diesem Autor noch mehr hören werden.

Bewertung vom 07.06.2021
Bis wir uns wieder begegnen
Hyde, Catherine Ryan

Bis wir uns wieder begegnen


gut

Freundschaft kennt keine Grenzen

Die Geschichte spielt im Jahre 1959 in einem kleinen Ort in Texas. Catherine Ryan Hyde behandelt in ihrem Roman eine Vielzahl sozialer Themen, die auch heute – nicht nur in den USA - aktuell sind.

Die Ärztin Dr. Lucy Armstrong hat sich zurückgezogen und behandelt vorwiegend nur noch Tiere, weil ihr dörfliches Umfeld einer alleinstehenden selbstständigen Frau misstrauisch gegenübersteht.

Der 12-jährige Pete Solomon leidet unter seinem tyrannischen Vater, der ihn misshandelt. Er ist ein Junge mit Prinzipien, der viel Wert auf echte Freundschaft legt und sich für das Wohl verletzter Tiere einsetzt.

Der farbige Calvin Bell und sein Sohn Justin sind erst vor wenigen Tagen in das Dorf gezogen und machen böse Erfahrungen mit Gewalt und Rassendiskriminierung. Die Gesellschaft ist ihnen gegenüber feindlich gestimmt.

Das Leben von Lucy Armstrong ändert sich, als eines Tages Pete mit einem verletzten Wolfshund bei ihr vor der Haustür steht. Pete lernt unterwegs den etwas jüngeren Justin kennen und befreundet sich mit ihm. Das hat für beide Folgen.

Hinzu kommt, dass sich eine juristisch verbotene und gesellschaftlich verachtete Liebe zwischen der Ärztin und Calvin Bell entwickelt, die im Zuge der Entwicklung auf eine harte Probe gestellt wird.

Das sind Themen, mit denen ganze Bibliotheken gefüllt werden können. Insofern kommen einige Beschreibungen zu kurz. Das Vorleben von Petes Vater hätte mich interessiert und auch die Hintergründe, warum Calvin Bell umgezogen ist.

Die Liebesbeziehung zwischen Calvin Bell und Lucy Armstrong entsteht nach dem ersten Kontakt ohne Entwicklung urplötzlich. Und auch das feindliche gesellschaftliche Umfeld wird nur punktuell betrachtet. Der Feind hat, abgesehen von Petes Vater, kein Gesicht.

Der Fokus liegt auf den genannten Protagonisten, insbesondere auf Pete und Lucy Armstrong und deren Sicht der Dinge. Die gesellschaftlichen Spannungen hätten viel umfassender und differenzierter beschrieben und analysiert werden können.

Insofern wirkt der sehr wohl lesenswerte Roman ein wenig klischeehaft und vorhersehbar. Ein Lichtblick ist der Wolfshund Prinz, der die wichtigen Tugenden Unabhängigkeit, Freundschaft und Freiheit verkörpert.

Bewertung vom 19.05.2021
Die 100 besten Eco Hacks
Schickling, Katarina

Die 100 besten Eco Hacks


sehr gut

Tipps für einen schonenden Umgang mit Ressourcen

Mit den Auswirkungen ökologischer Misswirtschaft haben sich bereits in den 1970er und 1980er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Aufklärer wie Heinz Haber und Hoimar von Ditfurth beschäftigt. Unbegrenztes Wachstum kann es bei endlichen Ressourcen nicht geben. Eine Balance zwischen Ökonomie und Ökologie ist erforderlich.

Maßnahmen, die seit dem ergriffen wurden, um gegenzusteuern, reichen nicht aus. Der Klimawandel schreitet voran, die Weltmeere werden vermüllt und die tropischen Regenwälder abgeholzt. Die Probleme sind global und erfordern globale Antworten. Was aber kann der Einzelne in seinem eigenen kleinen Umfeld tun?

Mit dieser Frage beschäftigt sich Autorin Katarina Schickling in ihrem Ratgeber, der unter dem Motto Nachhaltigkeit steht. Sie gibt in übersichtlicher Form Tipps, wie man klimaschonend isst, Müll reduziert, ökologisch verreist, Energie einspart und wie man beim Konsum die CO2 Bilanz verbessert.

Viele Vorschläge können mit wenig Aufwand umgesetzt werden. Mit unseren Kaufentscheidungen beeinflussen wir "was" und "wie" produziert wird. Nicht erst Corona hat uns gelehrt, wie wichtig eine regionale Versorgung mit Lebensmitteln ist. Reparieren statt wegwerfen, spart Ressourcen und Geld.

Auch wenn manche Tipps bekannt sind, müssen sie in den Fokus gerückt werden. Das einzige, was – im Verhältnis zu anderen Vorschlägen - überrascht, ist das Herunterspielen positiver Auswirkungen eines Tempolimits. Gelten "geringe" Auswirkungen nicht auch für einige der anderen genannten Maßnahmen?