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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Magda
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 314 Bewertungen
Bewertung vom 15.08.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


gut

Pi mal Daumen ist bereits das dritte Buch, das ich von der Autorin gelesen habe, aber leider nicht das beste. Meiner Meinung nach ist mathematisches Verständnis vonnöten, um die Geschichte zu verstehen.
Oscar ist 17 und studiert bereits Mathematik. Er lebt in seiner eigenen Welt und ist nicht an sozialen Kontakten interessiert – bis sich Moni Kosinsky seiner annimmt. Moni ist 53 und ist Oscars Kommilitonin. Unter den Studierenden fällt sie nicht nur aufgrund ihres Alters, sondern auch aufgrund ihres sexy Outfits auf wie ein bunter Vogel. Sie nimmt Oscar unter ihre Fittiche. Neben dem Studium hat Moni mehrere Jobs und kümmert sich außerdem um ihre drei Enkelkinder, Keanu, den Jüngsten nimmt sie sogar mit zu den Vorlesungen.
Oscars Idol ist der berühmte Mathematik-Professor Daniel Johannsen. Er unterrichtet an Oscars und Monis Uni und ist der Grund dafür, dass Oscar sich ausgerechnet für diese Universität entschieden hatte. Nachdem er Moni beim Kaffeetrinken mit dem Professor gesehen hat, nimmt er sie und ihre ganze Sippe unter die Lupe, sie wird zu seinem Forschungsprojekt.
Monis Familie wird als sehr proletenhaft und einfach dargestellt, alle Klischees werden bedient. Einzig mit Monis zwei Enkelsöhnen kann Oscar was anfangen, Quentin ist ein Mathe-Genie und in Justin verliebt er sich ein bisschen.
Apropos Klischees –das Buch ist voll davon. Zuerst habe ich mich noch amüsiert, doch nach und nach wurde mir die Geschichte zu unrealistisch und konstruiert. Das Buch gefällt mit Sicherheit LeserInnen, die was von Mathe verstehen, ein gewisses Grundverständnis wird vorausgesetzt. Das Ende habe ich nicht verstanden, mit Dimensionen und Pyramiden kann ich nichts anfangen, deswegen spreche ich nur eine bedingte Leseempfehlung aus.

Bewertung vom 15.08.2024
Genau so, wie es immer war
Lombardo, Claire

Genau so, wie es immer war


ausgezeichnet

Ein tiefsinniger psychologischer Familien-, Frauen und Beziehungsroman, der sich um die 57jährige Julia, ihre fast erwachsenen Kinder, ihren Mann Mark und das schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter Anita dreht.
Julia steht an einem Wendepunkt ihres Lebens, ihre 17jährige Tochter Alma steht kurz vor ihrem Highschool-Abschluss und ihr 24jähriger Sohn Ben verkündet, dass er Vater wird und vorher seine Freundin Sunny heiraten will.
Als Julia beim Einkaufen zufällig Helen, einer alten Bekannten, begegnet, denkt sie über die Zeit nach, als Ben ein kleiner Junge und Helen ihre beste Freundin war. Sie erinnert sich an das Ereignis, das dazu geführt hatte, dass sie den Kontakt zu Helen abbrechen musste.
Ben möchte unbedingt Julias Mutter Anita zu seiner Hochzeit einladen. Julia hat seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter. Da sie für ihren geliebten Sohn jedoch alles tun würde, überwindet sie sich und lädt Anita zu der Feier ein.
Julia und Mark führen eine harmonische Ehe. „Dass sie ihn fand, war das größte Geschenk in ihrem Leben. Eigentlich gleicht es einem Wunder, dass sie einander gefunden haben, dass sie einander ausgleichen und gemeinsam so viel durchgestanden haben.“ (S. 244). Doch dann passiert etwas, das zu einer Ehekrise führt.
Die Kapitel spielen abwechselnd in der Gegenwart und der Vergangenheit. Im Jetzt stürzt Julia sich in die Hochzeitsvorbereitungen, obwohl sie von ihrer zukünftigen Schwiegertochter zunächst nicht sehr begeistert ist.
Auch das Geheimnis um Julias selten anwesenden Vater wird enthüllt. Dieser ist aus ihrem Leben verschwunden, als sie elf Jahre alt war.
Der Familienroman hat mir sehr gut gefallen, Julias und Anitas Persönlichkeiten werden psychologisch durchleuchtet und offengelegt. Während des Lesens habe ich mit Julia gelitten, sie hatte eine traurige Kindheit mit einer Mutter, die wenig Zeit für sie hatte, und einem Vater, der nur sporadisch auftauchte und irgendwann ganz aus ihrem Leben verschwunden ist.
Der Roman endet mit Bens und Sunnys Hochzeit. Die Beschreibung von Julias Gefühlen ist sehr emotional, ich war zu Tränen gerührt. Die lange überfällige Aussprache von Mutter und Tochter fand ich großartig. Einen weiteren emotionalen Moment hatte ich am Ende bei der Zusammenfassung der Geschehnisse, die sich in den Jahren nach der Hochzeit ereignet haben. Von mir gibt es eine Leseempfehlung für diesen großartigen, hochemotionalen Familienroman.

Bewertung vom 14.08.2024
Der Honigmann
Huth, Peter

Der Honigmann


ausgezeichnet

Der Honigmann ist ein Roman über die Zerstörung einer Kleinstadtidylle, der mir sehr gut gefallen hat.
Tim und Fine mit Tochter Carla, Katja und Robert mit Nick und Justus sowie Albert und Louisa mit ihren drei Kindern wohnen in einer kleinen idyllischen Siedlung. Hinter den Gärten fließt der Fischbach, der auch Namensgeber des Ortes ist. Die Kinder sind im Grundschulalter und spielen miteinander bei regelmäßig stattfindenden gemeinsamen Grillabenden. Sie besuchen die nahe gelegene Friedrichschule - „Hier und nirgendwo anders war Bullerbü.“
Neben der Schule hat ein kleiner Laden aufgemacht, in dem ein älterer Herr Honig in allen Variationen und Dekoartikel verkauft. Katjas und Roberts Sohn 10jähriger Sohn Justus hilft gern in dem Lädchen aus, da er sich sehr gut mit dem „Honigmann“ versteht.
Eines Tages stellt eine Mutter der Friedrichschule, die sich für Bienen und die Imkerei interessiert, Nachforschungen über den Honigmann an. Dabei kommt heraus, dass er vorbestraft ist und im Gefängnis war.
Fine erstellt eine WhatsApp-Gruppe mit dem Namen „Fischbach-Mütter“ für „alle Mütter, die sich von dem Honigmann bedroht fühlen. Wir müssen etwas tun. Bevor etwas geschieht! Bitte teilt, dass es diese Gruppe gibt.“ - Die Hetzjagd auf den Honigmann beginnt.
Neben den „Fischbach-Müttern“ und Vätern beteiligen sich noch viele andere Menschen an der Hetzkampagne: Der Dorfpolizist, der aus der Großstadt gekommen ist und daran gewöhnt ist, in Fischbach eine ruhige Kugel zu schieben, der Schuldirektor mit seiner Stellvertreterin und der Besitzer der Dorfkneipe.
Dann geschieht etwas, das zu einer 180-Grad-Wendung führt: Der Täter wird zum Opfer und Fine zur Angeklagten.
Der Autor gewährt tiefe Einblicke in die Psyche der drei Paare, ihre Gedanken und Handlungen. Der Honigmann selbst kommt nicht zu Wort, was mich aber nicht gestört hat.
Der Schreibstil ist relativ nüchtern, aber authentisch, ab der Hälfte konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen, da ich unbedingt erfahren wollte, wie die Geschichte endet. Der Epilog bildet einen schönen Abschluss. Wer Einblicke in die stetige Zerstörung einer Idylle bekommen möchte, wird an Der Honigmann seine/ihre Freude haben.

Bewertung vom 13.08.2024
Cascadia
Phillips, Julia

Cascadia


sehr gut

Cascadia ist mein erstes Buch der Autorin. Der Originaltitel „Bear“ weist bereits daraufhin hin, dass ein Bär im Mittelpunkt der Geschichte steht.
Sam (28) und Elena (30) leben seit ihrer Geburt mit ihrer alleinerziehenden Mutter auf der San Juan Island. Die Mutter ist schwer krank und wird von ihren Töchtern gepflegt. Nur wegen ihr bleiben die beiden in dem kleinen, ärmlichen Häuschen auf der Insel, ihr Traum ist es, woanders ein neues Leben anzufangen.
Sam arbeitet auf der Fähre im Bistro und Elena im Golfclub. Während der Pandemie hatte nur Elena Geld verdienen können. Die medizinische Behandlung und die Medikamente für die Mutter verschlingen unheimlich viel Geld.
Eines Tages entdecken sie vor ihrem Haus einen Bären. Kurz davor hatte Sam gesehen, wie er an der Fähre entlang zur Insel geschwommen ist. Die beiden Schwestern reagieren völlig unterschiedlich – Sam bekommt Panik und ängstigt sich zu Tode, während Elena von dem wilden Tier fasziniert ist und seine Nähe sucht.
S. 107: „Sie hatte die ganze Woche daran gedacht, wie es gewesen war, ihm im Wald zu begegnen. Sein massiger Körper zwischen den Bäumen. Sein Blick. Sie hatte jeden Blutstropfen im Körper gespürt, als er sie ansah. … Sie hatte sich lebendig gefühlt – als wären der Bär und sie die einzigen Lebewesen auf der Welt.“
Sam setzt sich mit der Washingtoner Jagd- und Fischereibehörde in Verbindung und lässt sich über das richtige Verhalten im Umgang mit Bären beraten. Elena hingegen sucht nach dem Bären und lockt ihn mit Nahrungsmitteln an.
In Madeline von der Jagdbehörde und ihrem Nachbarn Danny findet Sam Verbündete in ihrem Vorgehen gegen den Bären.
Der Bär löst die erste heftige Auseinandersetzung zwischen den Schwestern in ihrem bis dahin sehr harmonischen Zusammenleben aus. Elena war für Sam immer ein Vorbild und bisher hatte Sam immer alles so gemacht, wie Elena es wollte.
Die Darstellung der konträren Verhaltensweisen der beiden Schwestern gegenüber dem Bären fand ich faszinierend. Unfassbar, welche Lawine der Bär mit seinem Auftauchen ausgelöst hatte. Geheimnisse kamen ans Licht, die dazu führten, dass Sams Träume, genauso wie die innige schwesterliche Beziehung, zerplatzt sind.
Das Ende hat mich sehr überrascht, damit habe ich nicht gerechnet. Den Schreibstil der Autorin mochte ich sehr. Aufgrund der im Buch vorherrschenden deprimierenden Atmosphäre ziehe ich einen Stern ab. Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, und ich empfehle es gern weiter.

Bewertung vom 12.08.2024
Ava liebt noch
Zischke, Vera

Ava liebt noch


ausgezeichnet

Ava liebt noch – der Titel passt perfekt zu dieser wunderschönen Liebesgeschichte, die mich gefesselt und begeistert hat.
Ava ist 43, als sie sich in den 24jährigen Kieran verliebt. Bei ihr ist es Liebe auf den ersten Blick. Als sie ihn kennenlernt, ist sie in einem Teufelskreis aus Haushalt, Kinder und Küche gefangen. Ihr Mann unterstützt sie überhaupt nicht, er sieht seine Aufgabe einzig darin, viel Geld zu verdienen, um der Familie einen hohen Lebensstandard zu sichern. Kein Wunder, dass Ava mit ihren drei Kindern - der Jüngste ist erst fünf - am Ende ihrer Kräfte ist.
Sie wehrt sich gegen ihre Gefühle für Kieran, an erster Stelle stehen für sie ihre drei Kinder, denen sie ein harmonisches Familienlieben bieten möchte. Sie leben in einer Kleinstadt, und Ava möchte ihre Familie nicht dem Klatsch und Tratsch aussetzen.
In einigen Kapiteln wird auch Kierans Perspektive dargestellt, so dass kein Zweifel besteht, dass auch er Ava mit Haut und Haaren verfallen ist.
Wir begleiten Ava und Kieran über 20 Jahre. Kieran macht Karriere als Journalist und lebt einige Jahre in New York. Auch Ava geht in ihren Beruf als Lektorin zurück und findet in ihrer Kollegin Britta eine gute Freundin.
Der Schreibstil und die Geschichte haben mir sehr gut gefallen, ich konnte mich sehr gut in Ava hineinversetzen, ihre Gefühle als Mutter von drei Kindern kann jede Mutter nachvollziehen, einerseits eine große Erschöpfung, andererseits eine unendliche Liebe zum Nachwuchs, und im Gegensatz dazu Befreiung und Erlösung in der Leidenschaft und Hingabe zu Kieran.
Eine Liebesgeschichte, die mir in Erinnerung bleiben wird und die einen Ehrenplatz in meinem Regal bekommen wird, direkt neben „Die Liebe an miesen Tagen“ von Ewald Arenz. Ich freue mich jetzt schon auf weitere Bücher von Vera Zischke.
Zum Schluss möchte ich eine Passage von einer der letzten Seiten zitieren: „Was wäre, wenn wir im gleichen Jahr geboren worden wären und uns mit Anfang zwanzig gegenübergestanden hätten? Hätte ich ihn damals schon so tief lieben können? Und wenn ja: Hätte dann nicht eine junge Frau, die unbedingt Kinder und Familie haben wollte, einem jungen Mann gegenübergestanden, der genau das nicht wollte?“

Bewertung vom 08.08.2024
Ex-Wife
Parrott, Ursula

Ex-Wife


weniger gut

Der Neuauflage des bereits vor hundert Jahren veröffentlichten Romans konnte ich nicht viel abgewinnen.
Patricia wird im Alter von 24 Jahren von ihrem Mann Peter verlassen. Sie stürzt sich in amouröse Abenteuer, ihr Herz hängt aber noch an ihrem Ex-Mann. Nichts wünscht sie sich sehnlicher, als dass er zu ihr zurückkommt.
Sie zieht zu ihrer Freundin Lucia, gemeinsam gehen sie fast jeden Abend aus und lernen Männer kennen, mit denen sie Affären haben.
Der Roman ist recht emotionslos, traumatische Erlebnisse wie der Tod ihres Kindes und eine Abtreibung lassen Patricia ziemlich kalt, dafür leidet sie unendlich, wenn sie Peter mit einer neuen Freundin sieht. Ich fand sie sehr oberflächlich und unsympathisch, die meisten Gedanken hat sie sich um Peter und seine Freundinnen, ihr Aussehen und ihr Gewicht gemacht.
Vermisst habe ich einen Bezug zu der Zeit, in der die Handlung spielt – das Einzige, das darauf hinwies, waren die Flüsterkneipen aus der Zeit der Prohibition.
Auch der Handlungsort New York wurde nicht besonders herausgestellt, bis auf eine kurze Erwähnung der Grand Central Station, wo Patricia ihren Liebhaber verabschiedet.
Ich habe mir von einem Roman, der in den 1920er Jahren in New York spielt, viel mehr versprochen und bin enttäuscht worden.

Bewertung vom 06.08.2024
Im Nordwind / Nordwind-Saga Bd.1
Georg, Miriam

Im Nordwind / Nordwind-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Auf die neue Dilogie von Miriam Georg habe ich mich schon sehr gefreut, und auch Im Nordwind konnte mich begeistern und fesseln.
Die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen, 1896 und 1913. Alice wird von ihrem Mann Henk misshandelt. Er versäuft sowohl seinen als Alice‘ Lohn in der Wirtschaft und zeigt kaum Interesse an der 5jährigen Rosa.
1913: Alice bittet John Reeven um juristischen Beistand, sie möchte sich scheiden lassen. John lebt in einer hochherrschaftlichen Hamburger Villa mit seinem Bruder Julius, den Eltern Theodor und Gesa und Großvater Eugen. John warnt Alice, dass ihre Aussichten, das Sorgerecht für ihre Tochter zu bekommen sehr gering sind. Hinzu kommt, dass ihre Vergangenheit auf eventuelles Fehlverhalten durchleuchtet wird. Letzteres ist ein Problem, da in Alice‘ Vergangenheit einiges vorgefallen ist, was nicht bekannt werden darf. Obwohl John Evelyn heiraten soll, verliebt er sich in Alice.
1896: Im Alter von zwölf Jahren wird Christina von ihren Eltern an die Familie eines Pastors in der Nordmarsch verkauft. Sie soll die schwerkranke Frau des Pastors pflegen, doch bald wird ihr ihre Schönheit zum Verhängnis, sie muss das Haus des Pastors verlassen und nach Hamburg gehen.
Theodor ist schwer krank und nicht mehr in der Lage, sich um seine Geschäfte – eine Bank und eine Brauerei – zu kümmern. Julius ergreift die Gelegenheit, die Geschäfte seines Vaters weiterzuführen, allerdings nicht in dessen Sinne.
Es war so schön, der Ärztin Emma Wilson wieder zu begegnen. Die junge Frau wird von Theodors Tochter Blanche gebeten, Theodor zu untersuchen. Im Gegensatz zum langjährigen Hausarzt der Familie, findet Emma die Ursache seiner Beschwerden heraus und stellt eine verhängnisvolle Diagnose.
Julius‘ Frau Marlies ist heimlich in John verliebt, Blanche führt eine unglückliche Ehe und würde auch gern wie Alice den Mut aufbringen, eine Scheidung in die Wege zu leiten.
Es bleiben viele Fragen offen, Christinas/Alice‘ Geschichte ist nicht auserzählt. Wie gut, dass Band 2 bereits im Oktober erscheint.
In ihrem Roman weist Miriam Georg auf die mangelnden Rechte der Frauen in der von Männern beherrschten Gesellschaft hin. Körperliche Züchtigung in der Ehe war an der Tagesordnung und nicht strafbar. Es war für die miserabel bezahlten Frauen kaum möglich, für sich und ihre Kinder ein Auskommen zu sichern.
Die Autorin hat wieder einen wunderbaren, von der ersten bis zur letzten Seite packenden Roman vorgelegt, der von mir die maximale Anzahl an Sternen und eine große Leseempfehlung bekommt.

Bewertung vom 31.07.2024
Der Bademeister ohne Himmel
Pellini, Petra

Der Bademeister ohne Himmel


ausgezeichnet

Was für ein tolles Debüt! Obwohl nicht viel passiert, konnte mich der Roman von der ersten bis zur letzten Seite packen.
Linda ist erst 15 und bereits lebensmüde. Sie findet, dass das Leben mit ihrer Mutter nicht viel Schönes bietet. Zu ihrer Mutter hat sie kein gutes Verhältnis, und es wird nicht besser, als diese ihren neuen Freund mit nach Hause bringt. Aufgrund seines Berufes nennt Linda ihn „Der Bestatter“. Ein Lichtblick ist die Aussicht auf einen Urlaub auf Gran Canaria, zu dem der Bestatter auch Linda einladen will. Linda und ihre Mutter waren noch nie am Meer.
Die Tochter ihres demenzkranken Nachbarn Hubert bittet Linda, ihn mittwochs zu besuchen und mit ihm ein paar Stunden zu verbringen. Sie mag den älteren Herren und bemüht sich, ihm Freude zu bereiten, geht im Gespräch auf ihn und seine Erinnerungen ein, spielt ihm Tonbandaufnahmen vom Schwimmbad vor und setzt sogar durch, dass er einen Ausflug an den See macht. Sie findet es furchtbar traurig, dass Hubert, der sein Leben lang als Bademeister an der frischen Luft verbracht hatte, nur noch zu Arztterminen aus dem Haus geht.
Lindas einziger Freund Kevin ist ebenfalls kein fröhlicher junger Mensch. Er glaubt fest daran, dass die Welt auf eine Katastrophe zurast und verbringt seine Tage vor dem Computer. Linda und er sind beide ohne einen Vater aufgewachsen, die beiden sind sich einig: „In der Kindheit passiert viel Dummes. Man sollte erwachsen geboren werden.“ (S. 63).
Huberts polnische Pflegerin Ewa ist für mich der Star der Geschichte. Obwohl sie seit vielen Jahren kranke Menschen bis zu ihrem Tod pflegt und begleitet, hat sie ein sonniges Gemüt. Sie findet Halt im Glauben, und ihr zweitgrößter Wunsch ist eine Wallfahrt nach Tschenstochau zur Schwarzen Madonna. Der größte Wunsch ist es, ihre zweite Hälfte zu finden.
Der Schreibstil der Autorin ist sehr authentisch, ich konnte mich gut in die 15jährige Linda und ihre Gedankenwelt hineinversetzen. Das Ende ist traurig und schön zugleich, ein guter Abschluss dieses wunderbaren Coming of Age-Debütromans. Trotz der schwierigen Themen Demenz und Depressionen hat mich das Buch nicht bedrückt, sondern optimistisch und positiv gestimmt. Von mir eine große Leseempfehlung.

Bewertung vom 31.07.2024
Signum / Stormland Bd.2
Lindqvist, John Ajvide

Signum / Stormland Bd.2


ausgezeichnet

„Signum“ ist der zweite Band der Mittsommer-Reihe um die Schriftstellerin und ehemalige Polizistin Julia Malmros und ihren Liebhaber, den Hacker Kim Ribbing.
Band 1 „Refugium“ habe ich bereits vor einem Jahr gelesen, trotzdem war ich sofort wieder mitten drin im Geschehen. Im Laufe der Handlung kommen einige Hinweise auf die Ereignisse aus dem Vorgängerband, so dass man SIGNUM auch lesen kann, ohne REFUGIUM gelesen zu haben.
Nach dem Tod seiner Eltern und seines Großvaters einige Jahre zuvor wurde Kim Ribbing vom Psychiater Dr. Martin Rudberg behandelt bzw. eher misshandelt. Um seine Beweggründe für die Misshandlungen zu erfahren, beschließt Kim, seinen Peiniger zu entführen und einige Tage gefangen zu halten.
Währenddessen hat Astrid Helander Kims Angebot angenommen, in seinem Haus ein Zimmer zu bewohnen. Astrids und Kims Geschichten zeigen Parallelen auf, beide haben als Jugendliche ihre Eltern durch einen Mordanschlag verloren.
Julia Malmros trifft sich nach wie vor mit Kim, auch wenn sie nicht genau weiß, ob sie eine Beziehung oder nur eine Affäre haben. Sie überlegt, ob sie die rechtsradikale Bewegung der „Wahren Schweden“ in ihrem nächsten Buch thematisieren soll.
Band 2 hat mir sogar noch besser gefallen als der Vorgänger. Ich mag Julia und Kim, aber am sympathischsten und faszinierendsten finde ich die 14jährige Astrid. Ich habe mich über die Tricks, mit denen sie ihre Ziele erreicht hatte, köstlich amüsiert. Als militante Veganerin kämpft sie gegen Massentierhaltung und isst keine tierischen Produkte.
Sehr unterhaltsam fand ich die Treffen von Julia und Irma Ryding. Die 82jährige Irma und Julia sind beste Freundinnen und überlegen, ihr nächstes Buch zusammen zu schreiben. Irma will alles über Julias und Kims Beziehung wissen und kommentiert Julias Erzählungen mit einem herrlich trockenen Humor.
Mit den Polizisten Jonny Munther und Christof Adler hat der Autor zwei wunderbare Nebencharaktere geschaffen, die mich oft zum Schmunzeln gebracht haben. Jonny ist Julias Ex-Mann, er hasst Kim Ridding und bemüht sich nach Kräften, ihn zu überführen.
Ich freue mich schon auf den nächsten Band der Reihe und ein Wiedersehen mit Julia, Kim und Astrid. Von mir eine große Leseempfehlung für alle, die gern skandinavische Krimis und/oder Thriller lesen.

Bewertung vom 23.07.2024
Die Blütenfreundinnen Bd.1
Martin, Ellen

Die Blütenfreundinnen Bd.1


sehr gut

Es handelt sich um den Auftakt einer Reihe über vier Single-Frauen im Alter zwischen Mitte vierzig und Mitte fünfzig.
Kristin ist Innenarchitektin. Ihr Mann Holger, von dem sie seit Jahren getrennt ist, hat ihr einen Auftrag in München vermittelt. In letzter Zeit glaubt sie, mittlerweile zum alten Eisen zu gehören, sie bekommt kaum noch Aufträge, da diese ihrer Meinung nach an jüngere, hippe Kolleg*Innen vergeben werden.
Lena ist Apothekerin und Mutter eines erwachsenen Sohnes. Über eine Dating-Plattform hat sie Benno kennengelernt, in München will sie ihn persönlich kennenlernen.
Nicole ist seit zwei Jahren Witwe, ihre Tochter wohnt mit Mann und den beiden Kindern im Dachgeschoss ihres Hauses. Nicole kümmert sich regelmäßig um ihre beiden Enkel, was jedoch als selbstverständlich hingenommen und ihr nicht gedankt wird.
Die drei Frauen müssen nach Hamburg bzw. in die Lüneburger Heide, und die Bahn streikt, zu dritt leihen sie sich das letzte noch verfügbare Auto. Sie verstehen sich so gut, dass sie beschließen, sich wiederzusehen. Sie verabreden sich zu einem gemeinsamen Kochabend.
Toni ist Altenpflegerin und Nicoles Schwägerin, die Schwester ihres verstorbenen Mannes. Die beiden Frauen wohnen nicht weit voneinander entfernt. Toni erwischt ihren Lebensgefährten beim Seitensprung und erfährt fast zeitgleich von seinem Lottogewinn. Sie sorgt dafür, dass das Geld auf ihr Konto überwiesen wird, und das ganz ohne schlechtes Gewissen, denn schließlich habe er das Lotterielos von ihrem Geld gekauft.
In den Kapiteln steht abwechselnd jeweils eine der vier Frauen im Mittelpunkt. Auch wenn ich Toni am wenigsten sympathisch fand, fand ich ihre Geschichte am interessantesten. Wir erleben sie in ihrem Alltag als Altenpflegerin, wo sie viel Herz zeigt und sich rührend um einen neuen Heimbewohner kümmert, der gegen seinen Willen ins Heim verfrachtet wurde.
Ich bin gespannt, wie es mit den vier Frauen weitergeht, wie Nicole das Problem mit ihrer Familie löst, ob Lena sich neu verliebt und ihre Apotheke retten kann, und am meisten interessiert mich, ob Toni es wirklich schafft, ihrem Ex den Lotteriegewinn vorzuenthalten.
Ich mag die Reihe und werde sie weiterverfolgen. Eine Leseempfehlung spreche ich insbesondere für Frauen im Alter der vier Protagonistinnen aus.