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Renas Wortwelt

Bewertungen

Insgesamt 172 Bewertungen
Bewertung vom 31.01.2024
Das Mörderarchiv Bd.1
Perrin, Kristen

Das Mörderarchiv Bd.1


sehr gut

Allein diese ungewöhnliche Idee weckt die Neugier auf den unterhaltsamen Roman aus England. Eine Frau, deren eigene Ermordung vorhergesagt wurde, sammelt ihr Leben lang Beweise, Verdächtigungen und Spuren auf den- oder diejenige, die sie irgendwann einmal ermorden würde.
Schließlich legt sie sogar testamentarisch fest, dass nur der oder die sie beerben wird, der diesen Mord aufklärt. Was naturgemäß dazu führt, dass sich all die potentiellen Erben – die natürlich gleichermaßen die naheliegendsten Verdächtigen sind – beeilen, den Mörder dingfest zu machen.
Zu diesen möglichen Erben gehört Annie, Großnichte der Ermordeten Frances. Annie ist ihrer Großtante nie begegnet, sie lebt in London mit ihrer Mutter allerdings in deren Haus. Dort im Keller wurden und werden immer noch viele Koffer und Kisten von Frances aufbewahrt. Falls es Annie nicht gelingt, den Mörder zu finden, würden also auch sie und ihre Mutter das Dach über dem Kopf verlieren.
Zweiter möglicher Erbe ist ein Stiefneffe der Verstorbenen. Außerdem treten auf: Der Anwalt der Toten, sein Schnösel von Sohn, ein attraktiver Kommissar und viele Dorfbewohner, die alle auf die eine oder andere Weise in den Fall verstrickt sein können.
Auf zwei Zeitebenen erzählt Kristen Perrin, deren erster Roman für Erwachsene das Buch ist, von den Ereignissen. Das aktuelle Geschehen verfolgen wir aus der Perspektive der Ich-Erzählerin Annie, die unvoreingenommen und durchaus burschikos an die Sache herangeht. Die zweite Zeitebene erzählt von Frances, beginnend in ihrer Teenagerzeit, als man ihr ihren eigenen Mord prophezeite. In vielen Tagebucheinträgen erfährt man so vom damaligen Verschwinden einer Freundin Frances‘ und den Verwicklungen der anderen Jugendlichen und vor allem der Familie des Landguts, auf welchem Frances später lebte und starb.
Die Geschichte ist ausgesprochen unterhaltsam, witzig, lebendig, spannend. Der Schreibstil ist ungemein flüssig, nie langweilt man sich bei der Lektüre, selten ist ein Wort zu viel. Die Autorin hält sich nicht auf mit Nebenschauplätzen, mit zu viel Beschreibung, zu viel Tiefgang. Die Figuren sind sympathisch, nicht ganz klischeefrei, aber in ihren Absonderlichkeiten liebenswert. Die Auflösung schließlich ist kaum vorhersehbar, weil sehr gut konstruiert.
Es gibt allerdings einige grobe Schnitzer, Fehler in der Chronologie oder anderer Art, die aus der Lektüre herausreißen, ungemein verwirren, bis man sie als solchen Fehler erkennt. Das tut der Freude über den Lesespaß zwar keinen Abbruch, hätte aber durch ein sorgfältiges Lektorat sicher vermieden werden können.
Kristen Perrin - Das Mörderarchiv
aus dem Englischen von Susann Rehlein
Rowohlt polaris, Januar 2024
Taschenbuch, 396 Seiten, 18,00 €

Bewertung vom 29.01.2024
KUNTH Bildband Ganz große Kunst
KUNTH Verlag

KUNTH Bildband Ganz große Kunst


sehr gut

Wer ein Museum besucht oder eine Opernaufführung, der konzentriert sich auf das Innere der Gebäude, die er oder sie dazu aufsucht, auf das, was drinnen gezeigt wird. Doch die Gebäude selbst sind auch Kunst, sind Kunststätten, die sehenswert sind.
Genau dieser „großen“ Kunst widmet sich der neue Bildband aus dem Kunth-Verlag. Und wieder sind es nicht nur die faszinierenden Fotos, die sprachlos machen, sondern auch die Art, wie der Verlag diesmal die Ansichten und Texte sortiert. Nach Farben nämlich, wie in einem Regenbogen werden die Museen, Opernhäuser, Theater von Violett über Rot, Rosa, Braun und Grau bis Weiß bestimmten Farben zugeordnet. Das mag willkürlich erscheinen, macht aber Sinn, wenn man sich darauf einlässt und die jeweiligen Farben auf sich wirken lässt.
Rund um die Welt führt das Buch, zeigt zu verschiedenen Blautönen das Wallraff-Richartz-Museum in Köln wie auch das Operahuset in Oslo. Naheliegenderweise ist das Kapitel Gold das umfassendste, nahe gefolgt von Weiß, sind doch beide Farben die sicher meistverwendeten in gerade solchen Stätten wie Museen und Theatern, und zwar innen wie außen.
Unter Rot findet sich unter anderem der Musikverein in Wien, den fast jeder kennt von den jährlichen Neujahrskonzerten, aber auch das Victoria & Albert Museum in London. Ebenfalls in London das weltberühmte Shakespeare’s Globe Theatre, welches der Farbe Braun zugeordnet ist.
Allen großformatigen Fotos sind kurze Texte beigegeben, die knapp und übersichtlich einige Informationen zum jeweiligen Gebäude geben. Mag sich mancher mehr Details wünschen, so wären sie doch hier meiner Meinung nach überzählig, da doch die Fotos wirken sollen. Sicher kann man fehlende Informationen anderweitig finden. Doch zwischen die einzelnen Gebäude sind auch immer wieder kurze Texte eingefügt, mal über die Anzahl der Sitzplätze in den größten Opernhäusern der Welt, mal über den eben erwähnten Shakespeare.
Besonders interessant schien mir in diesem Buch auch der Aspekt, wie Städte und Nationen doch Wert auf ihre Kultur und ihre Kunst legen und das in der Gestaltung der dafür geschaffenen Häuser zum Ausdruck bringen. Sind doch etliche der gezeigten Museen und Opernhäuser geradezu bombastisch, überwältigend, manchmal erdrückend geradezu.
Ein wirklich sehenswerter Bildband, sehr zu empfehlen.
Ganz große Kunst
Kunth Verlag, November 2023
Gebundene Ausgabe, 240 Seiten, 32,95 €

Bewertung vom 26.01.2024
Schneesturm
Walsh, Tríona

Schneesturm


sehr gut

Zum 10. Todestag ihres Mannes reisen die früheren Freunde der Inselpolizistin Cara an. Man hat sich lange nicht gesehen, ist sich fremd geworden. Sturm und Schnee schneiden die Insel vom Festland ab, da wird eine Leiche gefunden, jemand aus ihrem Kreis wurde ermordet.
Das ist das Setting dieses soliden Krimis – für einen Thriller fehlt es meiner Meinung nach an einigen weiteren Zutaten – dessen Handlung sich binnen weniger Tage zwischen Weihnachten und Neujahr abspielt.
Vor 10 Jahren kam Caras Ehemann auf See ums Leben. Danach brachen drei der sechs Freunde ihre Zelte auf der Insel ab, nur Maura blieb, die Lehrerin im Ort. Nun kommen Seamus, Caras Schwager, Ferdy und Sorcha zurück, um den 10. Todestag zu begehen. Doch dann gibt es einen Todesfall und schnell wird klar, einer oder eine aus der Gruppe muss der Mörder bzw. die Mörderin sein.
Cara, einzige Polizistin auf der spärlich bewohnten Insel, versucht ihr bestes, die Tat aufzuklären, zweifelt immer wieder an den Dingen, die sie herausfindet. Immer wieder fühlen sich alle bedroht, es geschehen merkwürdige Ereignisse, Drohungen werden ausgesprochen und alte Animositäten brechen auf.
Das Ganze wird einigermaßen spannend erzählt, mit vielen, immer neuen Wendungen, was angesichts des begrenzten Personentableaus recht geschickt ist. Verwirrung entsteht, auch das von der Autorin sehr gekonnt gemacht, durch ein Filmteam, dass das Leben von Seamus verfilmen soll und dessen Schauspieler den wahren Figuren zum Verwechseln ähnlich sehen.
Dennoch, trotz der immer neuen Spuren und Verdächtigungen, hat man als Leserin recht früh eine Ahnung, wer den Mord begangen haben könnte. Dass am Ende Cara plötzlich, ohne dass sich dies in den vorherigen Szenen angedeutet hätte, den Fall aufklärt, ist dann doch ein wenig überraschend. Erinnert in seiner Art an die altmodischen Krimis, in welchen der Detektiv an Ende alle Verdächtigen versammelt und dann, wie ein Zauberer das Kaninchen, den Mörder aus dem Hut zaubert.
Die Beschreibungen der Wetterbedingungen und der Bedrohungen sind atmosphärisch dicht, die Dialoge passend und die Figuren plastisch. Die häufigen irischen Einsprengsel vermitteln zwar Lokalkolorit, stören aber den Lesefluss dann doch ziemlich. Davon abgesehen und trotz einiger Längen liest sich der Roman flott und fesselt bis zum Ende.
Triona Walsh – Schneesturm
aus dem Englischen von Birgit Schmitz
Fischer, Dezember 2023
Taschenbuch, 379 Seiten, 17,00 €

Bewertung vom 24.01.2024
Die Wolkengucker
Fritz, Kristina

Die Wolkengucker


sehr gut

Ein bisschen arg süßlich ist er ja schon, der neue Roman der deutschen Autorin, die hier unter einem ihrer vielen Pseudonyme schreibt. Die Geschichte um die Menschen, die sich zum Wolkengucken treffen und schnell zu einer Gruppe von Freunden werden, ist berührend, doch eben auch ziemlich kitschig und das Ende lässt sich früh erahnen.
Dennoch macht es Freude, von Matt und seiner kleinen Tochter Mia zu lesen, die um ihre verstorbene Frau bzw. Mutter trauern, von Wilma, der fast 90jährigen, steinreichen Villenbesitzerin, die um ihre kürzlich verstorbene beste Freundin trauert, von Ayla, Wilmas Putzfrau, die sie von besagter Freundin geerbt hat und von Ferdinand, Wilmas Nachbarn.
Margarete, Wilmas Freundin, war begeisterte Wolkenguckerin. Wilma selbst hingegen konnte dieser Beschäftigung nie etwas abgewinnen. Doch im Gedenken an die Verstorbene, die sie so schmerzlich vermisst, lädt sie öffentlich zum Wolkengucken in ihren Garten ein.
Die kleine Mia sieht ebenfalls gerne in den Himmel, entdeckt immer neue Figuren in den Wolken und so ist es keine Frage, dass sie ihren Vater dazu überredet, zu diesem Treffen zu gehen. Matt ist ein recht verschrobener Illustrator, der mit dem Leben nur schwer zurecht kommt.
Ferdinand, Wilmas Nachbar, kann so gar nicht mit anderen Menschen und beschimpft anfangs die Gruppe in Wilmas Garten ganz fürchterlich.
Ayla, die junge Putzfrau, die nun für Wilmas Haushalt und auch für Wilma sorgt, hat ständig Geldsorgen und leidet in ihrer fürchterlichen WG, in welche sie aus finanziellen Gründen ziehen musste.
Nach und nach kommen sich diese so unterschiedlichen Menschen näher, tauen auf, beginnen sich zu vertrauen, vertrauen sich ihre Geheimnisse an. So kommt es natürlich, wie es kommen muss: Aus der traurigen alten Dame wird eine gute Fee, aus dem miesepetrigen Nachbarn ein freundlicher Herr und aus Ayla und Matt…. Man ahnt es.
Der Roman ist flüssig und liest sich flott, ist nie langweilig oder langatmig. Aber leider ist er eben auch sehr märchenhaft, verlaufen die erwartbaren Entwicklungen der Figuren arg zügig, aber auch durchaus nachvollziehbar und anschaulich geschildert. Die Figuren sind sympathisch, wenn auch manches ein wenig dick aufgetragen ist. Es gibt viele Wiederholungen, sowohl inhaltlich wie auch sprachlich in Form von Wortwiederholungen in aufeinanderfolgenden Sätzen.
Fazit: Ein netter, unterhaltsamer Wohlfühlroman, den man trotz der kleinen Mängel gerne liest.
Kristina Fritz - Die Wolkengucker
Lübbe, Dezember 2023
Gebundene Ausgabe, 384 Seiten, 16,00 €

Bewertung vom 22.01.2024
Die Bundesrepublik
Gerhard, Paul,;Paul, Gerhard

Die Bundesrepublik


sehr gut

Die Geschichte eines Landes anhand von Fotos zu erzählen, ist vielleicht keine neue, aber in jedem Fall eine faszinierende Idee. Der Historiker Gerhard Paul ist darin ein sehr Erfahrener, hat er doch ähnliche Bücher bisher in großer Zahl veröffentlicht.
In drei große Kapitel unterteilt er sein Buch: Die Bonner Republik von 1949 bis 1989, die Berliner Republik von 1990 bis 2021 und die Ampelrepublik seit 2021. Ob man mit dieser Einteilung so ganz einverstanden ist, bleibt jedem selbst überlassen, mich hat sie anfangs doch irritiert. Die Regierung durch die Ampelkoalition macht in meinen Augen keine andere Republik aus Deutschland, von daher hadere ich etwas mit dieser Dreiteilung.
Dennoch fasziniert mich das Buch, denn es sind viele berühmte Fotos darin enthalten, ikonografische Fotos, wie der Mauerbau, der Kniefall Willi Brandts in Warschau, der Mauerfall, der verpackte Reichstag, um nur ein paar zu nennen. Doch es werden auch viele Plakate aus den unterschiedlichen Jahren gezeigt, es werden die Cover von bekannten Zeitschriften und Magazinen gezeigt, in der Regel alles Ansichten, die Geschichte schrieben.
Die drei Kapitel werden wieder unterteilt nach ganz verschiedenen, vielleicht manchmal überraschenden Themen. Da geht es um die Aufarbeitung des Nationalsozialismus, da geht es um die Zeit des Terrors durch die RAF. Da geht es um Kino und Fernsehen und deren Macht, die auch eine Macht der Bilder ist, was ganz im Besonderen für die Werbung gilt, der ebenfalls ein Unterkapitel gewidmet ist.
Im zweiten Teil, der sich mit der „Berliner Republik“ befasst, geht es um die Bilder der Regierenden und wie sie sich unterscheiden, um die „Bildunfälle“ mancher Politiker und welche Folgen das für die Jeweiligen hatte und es geht natürlich auch um die sogenannte Flüchtlingskrise, die ja nicht erst 2015 erfunden wurde. Man findet in dem Buch viele unangenehme Themen, an die man vielleicht lieber nicht so gerne erinnert wird, neben all den schönen Erinnerungen aus 75 Jahren Bundesrepublik.
Die Texte schwanken zwischen kurzen Bildbeschreibungen, Bildbewertungen und längeren Abschnitten, die bestimmte Aspekte genauer beleuchten. Das Buch ist sicher eines, das man nicht am Stück zur Gänze liest, sondern viel mehr je nach Thema und Interesse immer wieder einmal in die Hand nimmt. Als Überblick, als Chronik, als „Fotoalbum“ interessant, fesselnd, immer wieder überraschend und auf jeden Fall empfehlenswert.
Gerhard Paul - Die Bundesrepublik
wbg Theiss, November 2023
Gebundene Ausgabe, 598 Seiten, 60,00 €

Bewertung vom 15.01.2024
99 1/2 Orte in der Eifel
Kramp, Ralf

99 1/2 Orte in der Eifel


sehr gut

Wer diesen Autor kennt, weiß, dass man mit aller Art von Skurrilem und Überraschendem rechnen sollte. Seine Bücher sind komisch, kriminell gut und niemals langweilig.
Langweilig wären auch all diese 99 ½ Orte sicher nicht, würde man sie besuchen. Allerdings, ob man jemals dort an- und wenn, dann hinterher wieder dort fortkommt, das wäre die große Frage. Damit man sie überhaupt finden könnte, würde man sie denn suchen, gibt es sogar detaillierte Karten in diesem unterhaltsamen Buch.
Das einen zu so seltsamen Orten lockt wie „Die marodeste Straße in der Eifel“ oder zum „Nackenpickel, dem kleinsten Berg der Eifel“ oder dem „Flüsschen Harn“. Oder zu merkwürdigen Veranstaltungen wie „Die Rollator-Formel eins auf dem Onanierburg-Ring“, dem „Schilderwaldbaden am Rande der Autobahn“ oder der „Alljährlichen Wahl der Miss Damenbart“.
Man könnte sich aber auch die Anlagen der ehemaligen Maultrommelfabrik Plitsch & Klingel ansehen, gelegen zwischen den Dörfern Rotzbuckel und Schladderfeld. Ein junges Gründer-Ehepaar ist dort bestrebt, Moos mit Moos zu machen. Vielleicht könnte solches Moos ja sogar die Kunsthaarperücke vom Markt verdrängen?
Oder man lässt sich von Elfi Fussel, auf dem Rastplatz an der B51, die Zukunft orakeln. Oder besucht eine Vorstellung der Theatergruppe des Klosters Filzkragen.
Ein sehr abwechslungsreicher Führer durch die Eifel, wie man sie bisher sicher noch nicht kennt. Manchmal bleibt einem bei der Lektüre das Lachen jedoch fast im Halse stecken, so absonderlich oder gar beängstigend sind diese Ausflugstipps. Oder man bleibt am besten gleich daheim.
Ralf Kramp - 99 1/2 Orte in der Eifel
KBV, November 2023
Taschenbuch, 211 Seiten, 18,50 €

Bewertung vom 12.01.2024
Book Lovers - Die Liebe steckt zwischen den Zeilen
Henry, Emily

Book Lovers - Die Liebe steckt zwischen den Zeilen


gut

Die Bücher dieser Autorin verkaufen sich wie geschnitten Brot und erzählen doch immer nur wieder das Gleiche: Feinde, Ehemalige oder wahlweise alte Freunde werden ein Liebespaar. Vor dem Happy End werden einige Probleme eingebaut, die normalerweise vermutlich niemand zur Kenntnis nehmen würde.
So auch in diesem neuen Roman, der mir aber dennoch gegenüber ihren vorigen besser gefiel, denn diesmal ist der Schreibstil leichtfüßiger, die Dialoge spritziger und der Wortwitz prickelnder. Dennoch weiß man auf der ersten Seite, wie es enden wird.
Literaturagentin Nora ist ein Workaholic, einzig ihrer jüngeren Schwester Libby gelingt es, sie ab und zu von der Arbeit wegzulocken. Nora ist eine robuste junge Frau, die nichts anbrennen lässt und genaue Vorstellung hat, wie der Mann sein muss, der sie irgendwann einmal erobernd darf.
Beruflich hat sie mit dem Lektor Charlie zu tun, den sie als arrogant und überheblich ablehnt und mit dem sie sich von Anfang an heftige Wortgefechte liefert. Als Nora auf Libbys Wunsch mit dieser in eine winzige Kleinstadt fährt, um dort ein paar Wochen Urlaub zu machen, begegnet sie dort natürlich ausgerechnet dem Lektor Charlie. Er lehnt zwar die Bücher ab, deren Autorin Nora vertritt, will diese aber dennoch unbedingt lektorieren. Was dazu führt, dass die beiden sich ständig begegnen, auch weil Charlie in der Stadt aufgewachsen ist und sich dort natürlich besonders gut auskennt.
Es kommt, wie es kommen muss: Sie sinken sich in die Arme, merken, dass sie nicht zusammenpassen, gehen auseinander, können ohne einander nicht sein, und so weiter und so fort. Die Hürden , die sich zwischen den Beiden aufbauen, sind mühsam konstruiert, selbst verschuldet und so sinnentleert, dass man sich wirklich wundert, warum sich erwachsene Menschen mit solchen Winzigkeiten befassen. Wo man doch ohnehin weiß, dass sie sich am Ende kriegen und alles gut wird.
Zwischendrin gibt es reichlich Rückblicke und Analysen, warum die beiden und auch Libby sind, wie sie sind. Was sich wie immer aus der Vergangenheit erklärt und wie immer sind die Eltern schuld.
Einzig die bereits erwähnten munteren Dialoge machen wirklich Spaß, der Wortwitz, die spitzen Pfeile, die hin und her gehen, das liest man mit einem Grinsen im Gesicht.
Emily Henry - Die Liebe steckt zwischen den Zeilen
Knaur, Dezember 2023
Taschenbuch, 431 Seiten, 12,99 €

Bewertung vom 10.01.2024
Endling
Schreiber, Jasmin

Endling


sehr gut

Ein Endling ist das letzte Exemplar einer aussterbenden Art. Von dieser Gefahr des Aussterbens sind im Jahr 2041, der Zeit, in der dieser Roman spielt, viele Arten betroffen, viele sind bereits ausgestorben.
Ich-Erzählerin Zoe ist Biologin und forscht über Insekten. Sie geht auf in ihrem Beruf, hat sich geradezu verbissen in ihr Forschungsprojekt und sieht daher ihre weit entfernt lebende Familie nur selten. Doch als ihre alkoholkranke Mutter in eine Reha muss, ist Zoe gezwungen, heimzukehren. Sie muss sich sowohl um ihre sehr viel jüngere Schwester Hanna wie auch um ihre exzentrische Tante Auguste kümmern.
Hanna ist knapp sechzehn, aufmüpfig, typisch Teenager eben. Auguste ist ebenfalls Wissenschaftlerin und Dozentin an der Universität. Sie hat allerdings schon seit Jahren ihre Wohnung nicht mehr verlassen. Seit ihr Bruder, Zoes und Hannas Vater, an einer Pandemie verstarb. Seither fürchtet sie sich vor Ansteckung und alle, die ihre Wohnung betreten wollen, müssen sich gründlich und umfassend desinfizieren und Schutzkleidung tragen.
Zoe ist entsetzt über die Zustände zuhause und hat ein schlechtes Gewissen, dass sie so lange nicht dort war. Doch gelingt es ihr weder, Hanna zu bändigen, die ebenfalls mehr Alkohol konsumiert, als gut für sie ist, noch Auguste von ihrer Phobie zu heilen.
Da verschwindet Augustes beste Freundin Sophie spurlos. Auch sie ist Wissenschaftlerin, doch forscht sie über Frauen. Frauen werden im Jahr 2041 unterdrückt, haben kaum noch Rechte, dürfen nicht abtreiben, keine Führungspositionen übernehmen und mehr in dieser Art. Sophie hat sich dem nie gebeugt und wurde daher von der Obrigkeit verfolgt.
Auguste will Sophie finden und so begeben sich die drei Frauen gemeinsam auf die Suche. Die Reise führt sie über Italien bis nach Schweden, von gepflegten Weinbergen in die Wildnis der schwedischen Natur.
Der Roman ist fesselnd und spannend, vor allem die Hintergründe, die Beschreibungen der möglichen zukünftigen Zustände, sowohl politisch wie auch für die Natur und die Lebewesen. Das ist erschreckend, beängstigend, gerade auch wegen der Möglichkeit, dass es in der Tat so kommen könnte.
Die Protagonistinnen sind sympathisch und sehr authentisch geschildert. Der Konflikt zwischen Zoe und der sich vernachlässigt fühlenden Hanna ist nachvollziehbar und anschaulich dargestellt. Ein bisschen zu schnell hingegen vollzieht sich für mich die Wandlung Augustes, die ihre Phobie überwinden muss, um die Reise überhaupt antreten zu können.
Ab und zu gleitet der Roman ein wenig zu sehr ins Mystische ab, da verlor ich manchmal den Faden. Die wissenschaftlichen Aspekte, die die Autorin als Kennerin der Thematik einbaut, sind mir etwas zu ausführlich, auch gehören meiner Meinung nach die lateinischen Namen von Insekten und anderen Tieren nicht in einen belletristischen Text.
Das Thema der Behandlung von Frauen, der Mangel an Rechten, wird neben vielen anderen Themen, die der Roman abhandelt, wie Abtreibung, Vergewaltigung, Alkoholismus etc. nicht richtig zu Ende erzählt, auch ist die Geschichte damit etwas überfrachtet an Themen.
Insgesamt aber hat mir der Roman gut gefallen, stilistisch modern, sprachlich abwechslungsreich durch viele spannende Vergleiche.
Jasmin Schreiber – Endling
Eichborn, November 2023
Gebundene Ausgabe, 334 Seiten, 23,00 €

Bewertung vom 05.01.2024
Der Jahrestag
Bishop, Stephanie

Der Jahrestag


sehr gut

Selten ist man beim Lesen so nah dran an der Protagonistin, die hier auch die Ich-Erzählerin ist. So nah, ja fast in ihr drin und damit in ihren Gefühlen. Das macht diesen Roman so besonders und gleichzeitig auch so schwierig, will man sich nicht zu sehr hineinziehen lassen.
Die Schriftstellering J.B. Blackwood ist inzwischen sehr erfolgreich, soll sogar in Kürze mit einem renommierten Preis ausgezeichnet werden. Ihr Mann Patrick, der einiges älter ist als sie, ist hingegen eher auf dem absteigenden Ast, sein Erfolg ist rückläufig. Kennengelernt hat sich das Paar, als er ihr Professor an der Hochschule war.
Daraus resultierte eine unausgewogene Beziehung, in welcher er stets der dominierende, bestimmende Part war und sie ihm folgte. Was darin gipfelt, dass sie ihm nicht davon berichtet, dass sie diesen hohen Preis erhalten soll.
Zur Feier ihres Jahrestags und auch, um ihre Beziehung zu retten, gehen sie auf Kreuzfahrt. Das Schiff fährt durch arktische Meere, mit dem Ziel Japan. Doch während eines Sturms geht Patrick über Bord, kann nicht gerettet werden. Dem Unglück, für das es keine Zeugen gibt außer J.B. selbst, ging ein heftiger Streit zwischen den Beiden voraus.
J.B., die fassungslos ist über den Unfall, den Verlust, die völlig verloren ist, wird mehrfach von den Behörden verhört, muss schließlich eine Leiche identifizieren. Ihr zur Seite stehen ihre Agentin und eine weitere Mitarbeiterin. Trotz des Vorfalls reist J.B. nach New York, um den Preis entgegen zu nehmen. Doch statt über ihr Buch wollen alle nur über den Tod ihres Mannes sprechen.
Hierbei bekommt man einen interessanten Einblick in den Literaturbetrieb, über die Abläufe, den Druck und die Zwänge, die damit zusammenhängen.
All das wird ausschließlich aus der Sicht J.B. erzählt, mit vielen Rückblicken auf die Beziehung zwischen ihr und Patrick, von den Anfängen bis zum Unglück. Man erfährt vieles über die Abhängigkeit, in die sich diese Frau von ihrem Mann begeben hat, in die sie, ohne sich zu widersetzen, hineinwuchs. Und schließlich muss sich J.B. vor Gericht verantworten, wird für das Unglück zur Rechenschaft gezogen. Doch immer noch ist man als Leserin im Ungewissen, was tatsächlich geschah. Das macht diesen Handlungsstrang spannend. Und das Ende durchaus unvorhersehbar.
So nah ich beim Lesen dieser Frauenfigur kam, so fremd blieb sie mir am Ende dennoch. Es fiel mir schwer, Empathie für sie zu empfinden, da sie gleichzeitig auch recht kalt beschrieben ist. Daher hat mich dieser Roman zwiegespalten zurückgelassen: Einerseits die spannende Rahmenhandlung und die fesselnde Schilderung der unausgewogenen Paarbeziehung, andererseits diese kühle Protagonistin, deren Gefühle ich oft nicht nachempfinden konnte.
Stephanie Bishop - Der Jahrestag
aus dem Englischen von Kathrin Razum
dtv, November 2023
Gebundene Ausgabe, 464 Seiten, 26,00 €

Bewertung vom 03.01.2024
Betrug
Smith, Zadie

Betrug


sehr gut

So sehr ich mich für die Hauptfigur im Roman, die wunderbare Eliza Touchet, begeistern kann, so ratlos lässt mich das Buch ansonsten zurück. Auf mehreren Zeitebenen, in kurzen und sehr kurzen Episoden, in vielen Rückblicken erzählt die Autorin von Ereignissen im 19. Jahrhundert rund um die Schriftsteller Ainsworth, Dickens und deren Kreis.
Eliza Touchet ist die Cousine – oder was auch immer – von William Ainsworth. Sie lebt seit Jahren in seinem Haushalt, erträgt seine Launen und nun auch seine neue, sehr viel jüngere und ungebildete Frau. Eliza ist eine beeindruckende Figur, mit einer ganz besonderen, geradezu mikroskopischen Beobachtungsgabe gesegnet. Diese gestattet es ihr auch nicht, sich selbst falsch zu sehen, falsch einzuschätzen, sich und ihre Rolle.
Eliza, die sowohl ihren Vetter William Ainsworth wie auch dessen inzwischen verstorbene Frau Frances liebt, ist selbst verwitwet und hat kein Interesse daran, diesen Zustand zu ändern. In den zahlreichen, blitzlichtartigen Rückblenden erfahren wir, welches Leben sie geführt hat und was es bedeutet, neben einen missachteten Schriftsteller leben zu müssen. Ainsworth, der in steter Fehde mit Dickens lebt, ist ein enttäuschter alter Mann geworden.
Als roter Faden zieht sich der Prozess um einen vermeintlichen Betrüger durch den Roman. Sowohl Eliza wie auch Ainsworths neue Frau sind von diesen Vorgängen gefesselt und führen ebenso wie die gesamte Öffentlichkeit heiße Diskussionen über Recht oder Unrecht der Ansprüche dieses angeblich wieder aufgetauchten Erben einer reichen Lady.
Die Figur der Eliza steht für Emanzipation, sowohl der Frauen wie auch der Sklaven, sie steht für freie Sprache, offenes Denken. Die Beobachtungsgabe Elizas zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie ihre Beobachtungen mit fein geschliffenen, ironischen, ja fast sarkastischen Bemerkungen kommentiert. Auch sich selbst schätzt sie völlig richtig ein, was sie so besonders sympathisch macht.
Ansonsten hat mich der Roman recht ratlos zurückgelassen, habe ich mich doch immer wieder in den unzusammenhängenden Episoden verloren, deren zeitliche Zuordnung nicht immer möglich war, oft ganz fehlte. Außer man hat die entsprechenden Vorkenntnisse über die Zeit und ihre Literatur.
Stilistisch hingegen ist der Roman ein Diamant, die Sätze sind pointiert, fein ziseliert, gefeilt, poliert und faszinierend.
Zadie Smith – Betrug
aus dem Englischen von Tanja Handels
Kiepenheuer & Witsch, November 2023
Gebundene Ausgabe, 524 Seiten, 26,00 €