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Bücherfreundin

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Insgesamt 328 Bewertungen
Bewertung vom 24.10.2023
Der Trip - Du hast dich frei gefühlt. Bis er dich fand.
Strobel, Arno

Der Trip - Du hast dich frei gefühlt. Bis er dich fand.


sehr gut

Spannender Psychothriller
In "Der Trip", dem aktuellen Psychothriller von Arno Strobel, steht die forensische Psychologin Evelyn Jancke im Mittelpunkt. Sie leidet unter dem mysteriösen Verschwinden ihres Bruders Fabian, hat Albträume und stürzt sich in flüchtige Abenteuer. Evelyn hatte seit dem tödlichen Unfall ihres Vaters vor vielen Jahren ein sehr enges Verhältnis zu Fabian. Er war immer für sie da und half ihr in Notlagen. Vor zwei Jahren befanden sich Fabian und seine Ehefrau Isabel mit ihrem Wohnmobil auf dem Weg nach Spanien. Seit Fabians letzter Nachricht aus Frankreich fehlt jede Spur des Paares, die polizeilichen Ermittlungen blieben ergebnislos. 

Evelyn arbeitet mit Kriminalhauptkommissar Gerhard Tillmann zusammen, seit in Norddeutschland innerhalb von 9 Wochen fünf Menschen brutal auf Campingplätzen oder Wohnmobilstellplätzen ermordet wurden. Die Polizei geht von einem Serienmörder aus, und es wird eine Sonderkommission gebildet. Als Evelyn glaubt, auf einem Phantombild des Täters ihren verschollenen Bruder zu erkennen, begibt sie sich gemeinsam mit Gerhard, dem sie nach dem Ende ihrer privaten Beziehung noch freundschaftlich verbunden ist, auf die Suche nach dem Mörder.

Mir hat der gut durchdachte Thriller sehr gut gefallen. Er ist in schönem Schreibstil geschrieben und liest sich schnell und flüssig. Der Einstieg ist herzzerreißend, und es wird so spannend, dass ich das Buch in fast einem Rutsch ausgelesen habe. Die Spannung steigert sich immer weiter, auch dadurch, dass wir auf einem zweiten Handlungsstrang, dessen kurze Abschnitte in Kursivschrift dargestellt werden, in das Leben und die Gedankenwelt des Täters blicken können. Es gab einige Wendungen, und das Ende hat mich sehr überrascht. Obwohl die Ermittlungsarbeit von Evelyn und Gerhard in meinen Augen nicht immer professionell verlief, habe ich sie auf ihrer Jagd nach dem Täter gern begleitet und mich gut unterhalten gefühlt.  

Leseempfehlung für diesen spannenden Psychothriller! 

Bewertung vom 20.10.2023
Zwischen euch verschwinden
Lerchbaum, Gudrun

Zwischen euch verschwinden


sehr gut

Krimihandlung und Gesellschaftskritik
Die 41-jährige Maria Arnold ist nach dem Schlaganfall ihrer Mutter zu ihr gezogen und hat sie 4 1/2 Jahre lang gepflegt. Nun ist die Mutter gestorben. Maria fährt zu einem Café und gönnt sich dort ein üppiges Frühstück. Anschließend nimmt sie sich ein Hotelzimmer und verbringt die Nacht mit dem Kellner Dragan. Am nächsten Tag fährt sie zurück zum Haus der Mutter. Vorher sucht sie die Bank auf und räumt die Konten der Mutter leer. Als sie zuhause ankommt, sieht sie einen Polizeiwagen und das Auto des Hausarztes vor dem Haus stehen. Sie gerät in Panik, verlässt ihr Auto, entsorgt das Handy und fährt nach Linz. Dort kauft sie sich neue Kleidung und lässt sich ihre Haare kurz schneiden und blond färben.

Wir begleiten Maria auf ihrer Flucht, erleben ihre wechselnden Identitäten und temporären Arbeitsverhältnisse. Dabei wird sie mehr als einmal schamlos ausgenutzt, ausgebeutet - auch sexuell - und erpresst. Sie erduldet vieles, und es dauert lange, bis sie sich endlich zur Wehr setzt und erneut untertauchen muss.

Die Geschichte ist in mitreißendem, schönem Sprachstil geschrieben und hat mich von der ersten Seite an gefesselt. In vielen Situationen habe ich mit Maria mitgelitten, konnte allerdings ihre Handlungsweise nicht immer nachvollziehen. Gudrun Lerchbaum hat mich geschickt auf eine falsche Fährte geführt, denn manches ist nicht so, wie es scheint. Der Roman verbindet geschickt eine Krimihandlung mit Gesellschaftskritik und lässt uns darüber nachdenken, in welcher prekären Situation sich Pflegekräfte und schwarz arbeitende Servicekräfte häufig befinden. Hier liegt leider noch vieles im Argen, hier muss mehr für den Schutz von Frauen getan werden.

Ich habe das Buch sehr gern gelesen, es ist spannend, mitreißend und wird mich sicherlich noch eine Weile beschäftigen. Leseempfehlung!

Bewertung vom 20.10.2023
Florence Butterfield und die Nachtschwalbe
Fletcher, Susan

Florence Butterfield und die Nachtschwalbe


ausgezeichnet

Ein bewegtes Leben und ein Kriminalfall
Es ist Liebe auf den ersten Blick, als Florence Butterfield zum ersten Mal die Seniorenresidenz Babbington Hall sieht. Nach der Amputation ihres linken Unterschenkels infolge eines Sturzes kann die 87-Jährige nicht mehr in ihrem Cottage wohnen bleiben und zieht um. Sie fühlt sich wohl in der neuen Umgebung, genießt die Annehmlichkeiten und hält sich gern im großen Garten inmitten vieler Bäume und blühender Blumen auf. Mit ihrem freundlichen und optimistischen Wesen ist sie bei ihren Mitbewohnern und beim Personal beliebt. Auch die Heimleiterin Renata schätzt Florrie und vertraut ihr an, dass sie verliebt sei und von einer Reise nach Paris träume. In der Nacht stürzt Renata aus einem Fenster ihrer im 3. Stock gelegenen Wohnung. Florrie kann nicht glauben, dass Renata sich das Leben nehmen wollte und begibt sich gemeinsam mit Stanhope, einem Mitbewohner und ehemaligem Lateinlehrer, auf Spurensuche.

Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Die erste Zeitebene spielt im Hier und Jetzt, auf der zweiten Zeitebene begleiten wir Florrie durch ihr abenteuerliches und ereignisreiches Leben. Sie verlässt ihr Elternhaus mit 17 Jahren, um in der Pariser Botschaft zu arbeiten. Später geht sie nach Nizza, von dort aus nach Zermatt. Nach und nach blättert sich Florries Leben auf, wir erleben ihre Höhen und Tiefen, ihre Schicksalsschläge, aber auch viele glückliche Momente.

Schon in ihrem Buch "Lass mich dir von einem Mann erzählen, den ich kannte" hat mich Susan Fletcher mit ihrem wunderbaren und ruhigen Schreibstil begeistert. Das ist auch bei diesem Buch nicht anders. Die Autorin beschreibt die Charaktere so authentisch und bildhaft, dass ich sie mir gut vorstellen konnte. Neben der liebenswerten Florrie und Stanhope hatte ich eine weitere Lieblingsfigur: den sympathischen Victor. Die Krimihandlung des Buches hat mir zwar bis zur überraschenden Auflösung gut gefallen, jedoch zog mich Florries berührende Lebensgeschichte deutlich mehr in ihren Bann. 

Ich habe den Roman sehr gern gelesen, er war spannend und hat mich gleichermaßen gefesselt und berührt. 

Bewertung vom 17.10.2023
Die Welt war voller Fragen
Dutzler, Herbert

Die Welt war voller Fragen


ausgezeichnet

Unterhaltsame Reise ins Österreich der sechziger Jahre
In seinem neuen Buch "Die Welt war voller Fragen" erzählt der österreichische Autor Herbert Dutzler die Geschichte des kleinen Siegfried Niedermayr im Österreich der sechziger Jahre. Das Buch knüpft an den Vorgängerroman "Die Welt war eine Murmel" an, als Siegfried gerade die Volksschule beendet hat und sich aufs Gymnasium freut. Beide Bücher können gut unabhängig voneinander gelesen werden.

Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen. Im Hier und Jetzt begleiten wir den erwachsenen Siegfried, der nach dem Tod seiner Mutter das Elternhaus ausräumt, was in ihm viele Erinnerungen weckt.

Auf der Vergangenheitsebene beschreibt der 10-jährige Ich-Erzähler Siegfried seinen Alltag in der Schule und das Zusammenleben mit seiner Familie. Gemeinsam mit seinen Eltern Adolf und Edeltraud sowie der jüngeren Schwester Uschi lebt er in einem alten Bauernhaus. Das Obergeschoss des Hauses bewohnen Adolfs Eltern.
Siegfried ist ein pfiffiger und wissbegieriger Junge, der beim Kochen hilft, leidenschaftlich gern die Bücher von Karl May liest und der Mondlandung entgegenfiebert. Er erlebt sein erstes Schuljahr auf dem Gymnasium und muss die bittere Erfahrung machen, dass sein Wissensdurst nicht bei allen Lehrern gut ankommt, dass er sich sogar großen Ärger damit einhandelt.
Auch innerhalb der Familie gibt es Probleme, als Siegfrieds Mutter den Wunsch äußert, wieder arbeiten zu gehen, ein Ding der Unmöglichkeit für Adolf. Und obendrein wünscht sie sich nicht nur ein Auto für die Familie, sondern will sogar den Führerschein machen ...

Es hat mir sehr gut gefallen, in die mir vertraute Welt der sechziger Jahre einzutauchen, als der Haushalt noch Frauensache und es verpönt war, dass Frauen einen Beruf ausübten und sogar den Führerschein machten. Die Erziehung sowohl zuhause als auch in der Schule war autoritär, ein Kind hatte folgsam zu sein und den Mund zu halten. Sehr zum Schmunzeln gebracht hat mich die Beschreibung des Weihnachtsfestes im Hause Niedermayr. In dem Buch geht es neben der Emanzipation der Frauen auch um ein Familiengeheimnis und den Umgang mit Lehrern, die eine Nazivergangenheit hatten.

Der Lesefunke ist bereits auf der ersten Seite auf mich übergesprungen, ich war sehr angetan von dem schönen Sprachstil und der Geschichte, die mit viel Herz und Humor erzählt wird. Dem Autor ist es gelungen, die Charaktere bildhaft und authentisch zu skizzieren. Ich habe den kleinen, pfiffigen Siegfried sofort ins Herz geschlossen, und ich mochte den erwachsenen Siegfried, der sich viel Zeit für das Ausräumen seines Elternhauses nimmt und dabei seinen Erinnerungen nachhängt. Der Wechsel von der Vergangenheit in die Gegenwart ist durch die Kursivschrift gut zu erkennen.

5 Sterne von mir und absolute Leseempfehlung für diese großartige und wunderbar erzählte Geschichte!

Bewertung vom 15.10.2023
Die Einladung
Cline, Emma

Die Einladung


sehr gut

Obdachlos in den Hamptons
Nach ihrem erfolgreichen Debütroman "The Girls" hat die amerikanische Autorin Emma Cline nun ihr Buch "Die Einladung" vorgelegt.
 
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die 22-jährige Alex. Sie lebt in den Tag hinein und verdient ihr Geld als Callgirl. Bei ihren WG-Mitbewohnern hat sie Mietschulden, und auch ihr Exfreund Dom ist nicht gut auf sie zu sprechen. Da trifft es sich gut, dass sie den vermögenden Kunsthändler Simon kennenlernt. Er ist in den Fünfzigern und beschenkt Alex mit teuren Kleidungsstücken und Schmuck. Seine Einladung, ihn für den Monat August in sein Sommerhaus in den Hamptons zu begleiten, nimmt sie mit Freuden an und genießt den Luxus, der ihr dort geboten wird. Auf einer Party bei Simons Freunden kommt es zu einem Zwischenfall, aufgrund dessen Simon Alex am nächsten Morgen vor die Tür setzt.
 
Alex plant nun, die fünf Tage bis zu Simons traditioneller Labor Day-Party, bei der sie ihn mit ihrer Anwesenheit überraschen möchte, irgendwie zu überbrücken. Sie ist davon überzeugt, dass er sie liebt und wieder bei sich aufnimmt. Leider ist sie nahezu mittellos und führt nur eine Tasche mit sich, in der sich die Kleidung befindet, die Simon ihr geschenkt hat, und einige Gegenstände, die sie gestohlen hat. 
 
Es ist mir schwer gefallen, Zugang zu Alex zu finden. Wir erfahren nicht sehr viel über sie und ihre Vergangenheit, ihre Motive bleiben im Dunkeln. Mit ihrem Charme, ihrer Schönheit und Dreistigkeit schafft sie es immer wieder, Anschluss zu finden. Ihr Ziel ist es, auch zu den Schönen und Reichen zu gehören, aber sie wird nur als Simons austauschbare Freundin auf Zeit wahrgenommen und wenig beachtet. Selbst das Hauspersonal schaut auf sie herab. Sie ist nicht sympathisch, sie ist tablettensüchtig, lügt, stiehlt und betrügt, versucht, ihre Mitmenschen zu manipulieren. Einblicke in ihre Gefühlswelt bleiben uns verwehrt, lediglich Jack und Margaret zeigt sie ihre fürsorgliche Seite. Trotzdem tat sie mir leid bei ihren verzweifelten Bemühungen, Wege aus ihrer Obdachlosigkeit zu finden. 
 
Das Buch ist in klarer und beeindruckender Sprache geschrieben, es liest sich sehr flüssig bis zum - leider für mich - enttäuschenden Ende. 

Bewertung vom 12.10.2023
Zeiten der Langeweile
Becker, Jenifer

Zeiten der Langeweile


gut

Rückzug aus dem Internet
In ihrem Debütroman "Zeiten der Langeweile" erzählt Jenifer Becker die Geschichte der 34-jährigen promovierten Kulturwissenschaftlerin Mila, die im Oktober 2021 den Entschluss fasst, offline zu gehen. Sie will online nicht mehr gesehen werden und auch niemanden sehen. Also beginnt sie mit der Löschung ihrer Accounts in den sozialen Medien. Ersatzweise konsumiert sie daraufhin zunächst verstärkt YouTube-Videos. Nach und nach löscht sie sich immer mehr aus dem Internet, tilgt alle Spuren von sich im Netz, streamt nicht mehr, verzichtet auf Online-Banking und Online-Shopping. Ihr Smartphone ersetzt sie durch ein einfaches Handy, mit dem sie lediglich telefonieren und SMS verschicken kann. Ihre Aktion hat zur Folge, dass sie sich zunehmend langweilt. Sie hat sich eine berufliche Auszeit genommen und ist in den Sozialen Medien für andere nicht mehr erreichbar. Langsam beginnt sie zu vereinsamen ...
 
Die Autorin zeigt in ihrem Buch auf, was geschieht, wenn man sich aus dem Internet löscht, und was mit Kontakten passiert, die in den Sozialen Medien bisher eifrig gepflegt wurden. Das ist sehr interessant beschrieben, und ich fand es erschreckend, wie schnell es aufgrund andauernder Internetabwesenheit innerhalb kurzer Zeit zur Isolation kommen kann. 

Vor dem Hintergrund aktueller Themen, wie der Coronapandemie und dem Ukrainekrieg, begleiten wir Mila durch ihren Alltag und blicken in ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Wir erleben auch ihren Frust darüber, dass sie anscheinend von niemandem im Netz vermisst wird und ihre zunehmende Angst vor jeglicher Strahlenbelastung.
 
Das Buch liest sich für mich nur teilweise flüssig, zahlreiche Abkürzungen und Begriffe aus der digitalen Welt haben meinen Lesefluss immer wieder gebremst. Ich fand die Grundidee des Romans sehr interessant und habe mich auf die Lektüre gefreut. Das Buch ließ mich nicht nur meinen eigenen Internetkonsum auf den Prüfstand stellen, sondern machte mich auch hinsichtlich der Themen allgemeines Konsumverhalten und ökologischer Fußabdruck nachdenklich. Die vielen, mir unbekannten Begriffe, haben meine Lesefreude allerdings deutlich getrübt. 
 
Ich empfehle das Buch jungen Lesern, die mit dem Internet aufgewachsen sind und sich mit den Fachbegriffen der digitalen Welt gut auskennen.

Bewertung vom 10.10.2023
Ich bin Frida / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.23
Bernard, Caroline

Ich bin Frida / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.23


sehr gut

Starke Frau und faszinierende Künstlerin
Mit "Ich bin Frida" legt Caroline Bernard nach "Frida Kahlo und die Farben des Lebens" ihren zweiten Roman über die mexikanische Künstlerin vor. Diesmal widmet sie sich jedoch nur einer kurzen Zeitspanne aus Frida Kahlos Leben. Die Handlung beginnt im August 1938 und endet Ende März 1939.

Frida ist 31 Jahre alt und seit 10 Jahren mit Diego Rivera, dem berühmten mexikanischen Maler, verheiratet. Sie führt den Haushalt, kocht für Diego, unterstützt ihn bei seiner Arbeit und hat seinetwegen ihre eigenen Ambitionen als Künstlerin zurückgestellt. Diego hat zahlreiche Affären, dennoch liebt sie ihn. Als er sie wieder einmal enttäuscht, beschließt sie, nicht länger nur seine Muse zu sein. Sie will sich von Diego finanziell und emotional emanzipieren, will nicht länger in seinem Schatten stehen. Frida kocht nicht mehr für ihren Mann und widmet sich nun ihrer eigenen Kunst. Bald schon erhält sie das Angebot, ihre Bilder in der Galerie von Julien Levy in New York auszustellen.

Die Autorin nimmt uns mit auf Fridas Reisen nach New York und Paris. Wir erleben Fridas triumphale erste Ausstellung in New York und ihre Wiederbegegnung mit Nickolas Muray. Der Fotograf verliebt sich in die schöne Künstlerin und wünscht sich eine gemeinsame Zukunft mit ihr. Frida erwidert zwar Nicks Liebe, aber sie liebt auch Diego und fühlt sich ihm trotz seiner Eskapaden tief verbunden. 

Caroline Bernard beschreibt diese intensive Phase von Frida mit viel Empathie. Die Künstlerin hat nach ihrem schweren Unfall immer wieder große gesundheitliche Probleme, kämpft mit körperlichen Einschränkungen. Trotzdem verfolgt sie mit viel Leidenschaft ihr Ziel, frei und unabhängig zu sein. Sie ist sehr willensstark und will der Welt beweisen, dass nicht nur Diego malen kann. Frida, die weiß, dass sie nicht mehr lange leben wird, brennt nicht nur für ihre Kunst, sie genießt auch das Leben und gestattet sich Affären.          

Ich habe das Buch gern gelesen, auch wenn es leider nur eine sehr kurze Zeitspanne umfasst. Es liest sich leicht und sehr flüssig und lässt uns tief in Fridas Gedanken- und Gefühlswelt blicken, ihre Höhen und Tiefen miterleben. Ich fand es sehr spannend, vieles über die Welt der Kunst zu erfahren und Persönlichkeiten der damaligen Zeit, wie Picasso und Josephine Baker, zu begegnen. Erwähnen möchte ich auch das lesenswerte Nachwort am Ende des Buchs und die Liste der wichtigsten Bilder von Frida Kahlo, die in New York und Paris ausgestellt wurden. 

Bewertung vom 07.10.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


ausgezeichnet

Fesselnder und tiefgründiger Roman
In seinem neuen Roman widmet sich Daniel Kehlmann dem Leben des Regisseurs Georg Wilhelm Pabst, kurz G.W. Pabst genannt. Pabst gelangte in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts zuerst mit seinen Stummfilmen, später mit Tonfilmen, zu großer Berühmtheit. Er drehte zahlreiche künstlerisch wertvolle Filme, die auch kommerziell erfolgreich waren. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, weilte der "Rote Pabst" mit seiner Frau Trude und dem gemeinsamen Sohn Jakob in Frankreich und zog später nach Hollywood. Er ließ sich überreden, den Film "A Modern Hero" zu drehen, mit dem er jedoch keinen Erfolg hatte. Wenige Jahre später ging er zurück nach Frankreich und drehte dort bis 1939 mehrere Filme. Seine Pläne, zurück nach Amerika zu gehen, konnte er wegen des Beginns des Zweiten Weltkriegs nicht mehr umsetzen. Er befand sich gerade mit seiner Familie im Haus der Mutter und durfte das Deutsche Reich nicht mehr verlassen. Bald schon setzte sich der Propagandaminister mit ihm in Verbindung ... 
 
Daniel Kehlmann lässt in seinem Roman Realität und Fiktion zu einer spannenden und berührenden Geschichte verschmelzen. Wir tauchen ein in die hochinteressante Welt des Films und begleiten den Regisseur während der dreißiger und vierziger Jahre. Dabei wählt der Autor unterschiedliche Perspektiven, so dass wir Pabst nicht nur aus seiner Sicht, sondern auch aus Sicht seiner Frau Trude, des Sohns Jakob und seines Assistenten erleben. Wir erleben, wie sich die Ehe von G.W. und Trude unter den veränderten Gegebenheiten entwickelt, und wir sehen Jakobs zunehmende Begeisterung für das totalitäre Regime. 
 
Ich fand es sehr spannend, hinter die Kulissen der Filmindustrie zu blicken und dabei auch den Filmgrößen der damaligen Zeit zu begegnen, wie Werner Krauß, Heinz Rühmann, Hilde Krahl und Werner Hinz. Auch das Verhältnis zu Leni Riefenstahl, die den Machthabern sehr verbunden war, wird beleuchtet. 
 
Das Buch ist in brillanter Sprache geschrieben, meisterhaft und authentisch beschreibt der Autor die interessanten Charaktere.
Die Geschichte über G.W. Pabst vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus ist erschütternd und fesselnd zugleich. Wir erleben seine innere Zerrissenheit, als er, das gefeierte Genie, das eigentlich nur Filme drehen möchte, nun unter Zwang für die Bavaria Film arbeiten und Propagandafilme für die Nazis drehen muss. Als Gegenleistung stellt ihm das Ministerium alle Mittel zur Verfügung, die er benötigt. 
Genial und packend wie einen Krimi erzählt der Autor die Episode über den Film "Der Fall Molander", die am Anfang des Buches mit Franz Wilzek, Pabsts damaligem Assistenten, beginnt und im Schlusskapitel ihr Ende findet.
 
Absolute Leseempfehlung für diesen fesselnden und tiefgründigen Roman!

Bewertung vom 05.10.2023
Zwischen Mauern
Fuchs, David

Zwischen Mauern


sehr gut

Fürsorge für alle Menschen am Ende ihres Lebens?
Im Mittelpunkt des neuen Romans von David Fuchs steht die junge Bankangestellte Meta Blum, die während ihres Urlaubs ihr Ehrenamt in einem Pflegeheim antritt, das bald geschlossen wird. Ihre Aufgabe ist es, in den kommenden Nächten am Bett des schwerkranken Herrn T. Sitzwache zu halten. Er schreit, wenn er allein ist, und wenn es dunkel ist. Im Pflegeheim sind nur noch zwei Stationen belegt, für die Nacht gibt es lediglich einen einzigen Pfleger, den engagierten Moses, der für 52 Personen zuständig ist. Der betreuende Arzt des Heims ist Dr. Wendelin Pomp, der bald in Rente gehen wird und nur noch gelegentlich in seiner Praxis arbeitet.

Meta hat im Umgang mit Herrn T. viel Geduld, singt Kinderlieder für ihn und liest ihm Märchen vor. Zu ihrer Freude beruhigt sich Herr T. und schläft bald ein. Als Moses ihr etwas Schlimmes über Herrn T.'s Vergangenheit erzählt, gerät Meta in einen Gewissenskonflikt. Soll sie weiter an Herrn T's Bett sitzen und seine Hand halten, oder soll sie gehen?

In seinem Roman stellt der Autor die zentrale Frage, ob ein Mensch, der einmal etwas Böses getan hat, es verdient hat, dass man ihn so behandelt wie jeden anderen Menschen. Verdienen alle Menschen die gleiche Fürsorge, unabhängig davon, wie sie ihr Leben gelebt haben?

Das Buch ist in 6 Kapitel mit kurzen Abschnitten gegliedert, jeder Nacht ist ein Kapitel gewidmet. Es ist in klarer Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Dem Autor ist es gelungen, nicht nur die bedrückende Atmosphäre im Pflegeheim, das keine Zukunft mehr hat, sondern auch den allgemeinen Pflegenotstand sehr treffend aufzuzeigen. Er beschreibt neben Moses' und Pomps professioneller Arbeit während der letzten Tage im Heim auch Metas Ringen um die richtige Entscheidung sehr eindrücklich. Neben Meta, Moses, Pomp und Herrn T. begegnen wir auf eine ganz besondere Weise Frau Else, die seit vielen Jahren im Heim lebte, und der Krankenschwester Angelika, die Tagesdienst hat.
Meta zeigt vom ersten Tag an sehr viel Einsatz und versucht, beruhigend auf Herrn T. einzuwirken und ihm seine Situation zu erleichtern. Das hat mich sehr berührt, ebenso wie Moses' Rituale vor der letzten Reise eines Bewohners.

Ich habe das Buch gern gelesen, hätte aber auch gern mehr über das Leben der Protagonisten erfahren.
Die Geschichte hat mich betroffen und nachdenklich gemacht - Leseempfehlung!

Bewertung vom 29.09.2023
Tränen, Liebe, Lebensgier
Hagen, Kimberly

Tränen, Liebe, Lebensgier


sehr gut

Schritt für Schritt in ein neues Leben
Der Langen Müller Verlag hat "Tränen Liebe Lebensgier", das aktuelle Buch von Kimberly Hagen, veröffentlicht. Es ist ein Trauertagebuch, das die Autorin nach dem Tod ihres Mannes über den Zeitraum eines Jahres geschrieben hat. Das Cover ist äußerst liebevoll gestaltet und zeigt eine Libelle, die für Kimberly Hagen eine tiefere Bedeutung bekommen hat. 
In einem herzlichen Vorwort erzählt Pfarrer Rainer Maria Schießler über seine Begegnungen mit der Autorin, die durch ihre Tätigkeit als Gesellschaftskolumnistin bei der Münchner Abendzeitung im süddeutschen Raum keine Unbekannte ist.
 
Kimberly und Clemens Hagen sind ein glückliches Paar, seit sie sich 13 Jahre zuvor auf dem Oktoberfest kennengelernt haben. Es ist bei beiden Liebe auf den ersten Blick, nur 5 Tage später zieht Clemens bei Kimberly ein. Am 10. April 2022 bricht ihre Welt zusammen, als sie vom Krankenhaus die Mitteilung erhält, dass ihr Mann nach einem Routineeingriff vollkommen unverhofft verstorben ist. Mit ihren 41 Jahren ist sie zur Witwe geworden, muss nun nicht nur die Beerdigung des geliebten Mannes organisieren und viele Entscheidungen treffen, sondern auch ihr Leben neu ordnen, ihrer Trauer Raum geben.
 
Die Autorin durchlebt unterschiedliche Phasen der Trauer und lässt uns durch ihre Tagebuchaufzeichnungen an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben. Auch ihre Ängste und Panikattacken beschreibt sie mit großer Offenheit.
Ein soziales Netz fängt sie auf, ihre Familie, die Freunde, sie sind immer da für Kimberly und helfen ihr mit viel Geduld und Liebe durch eine schwere Zeit. Sie lachen und weinen mit ihr, sie lenken sie ab durch unzählige Treffen und Unternehmungen, und sie tragen sie durch ihr erstes Jahr ohne den geliebten Ehemann. Kimberly entdeckt für sich die heilende Kraft der Natur und gewinnt langsam ihre Lebensfreude und Lebensgier zurück. 
 
Das Buch ist in schöner, bisweilen recht jugendlicher Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Trotz des ernsten Themas lässt die Autorin sehr viel Humor in ihr Tagebuch einfließen, erzählt auch von vielen lustigen Erlebnissen. Das Buch ist kein Ratgeber, kann es nicht sein, denn jeder Mensch trauert anders. Aber es gibt viele Denkanstöße, vermittelt völlig neue Sichtweisen, macht Mut und gibt Hoffnung. Vieles hat mich berührt, vieles zum Schmunzeln gebracht, für einiges fehlte mir allerdings das Verständnis. 
 
Ich habe das Trauertagebuch gern gelesen. Es ist das sehr persönliche Buch einer starken Frau, die nach dem Verlust ihres Mannes Schritt für Schritt in ein neues Leben findet. Das Buch ist wunderschön gestaltet, es finden sich viele Schwarzweißfotos, und immer wieder begegnen uns fein gezeichnete Libellen. Leseempfehlung!
 

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