Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
R. S.

Bewertungen

Insgesamt 182 Bewertungen
Bewertung vom 14.08.2022
Sanfte Einführung ins Chaos
Orriols, Marta

Sanfte Einführung ins Chaos


sehr gut

Unterschiedliche Lebensentwürfe

„Sanfte Einführung ins Chaos“ von Marta Orriols erzählt einfühlsam und nuanciert von Dani und Marta, die seit zwei Jahren ein Liebespaar sind und gemeinsam in Barcelona leben. Dani ist Drehbuchautor für Fernsehserien und Marta freie Fotojournalistin und sie führen ein normales Leben bis zu dem Tage, an dem Marta Dani von ihrer Schwangerschaft erzählt. Martas Entscheidung, dass Kind nicht haben zu wollen, stürzt beiden in ein großes Gedanken- und Gefühlschaos. Dani wünscht sich im Gegensatz zu Marta, dass sie das Kind behält und sieht sich selbst schon als Vater. Seine Sicht hängt wird auch dadurch beeinflusst, dass er sich geschworen hat, nie ein Kind von ihm im Stich zu lassen. Marta dagegen will nicht Mutter werden, sie ist sich unsicher, ob sie überhaupt eine gute Mutter sein würde und im Moment ist ihr auch ihre berufliche Zukunft wichtiger.
Was folgt, sind sechs Tage des Nachdenkens über die Zukunft, was es heißt, Vater bzw. Mutter zu sein, der Zweifel und der Entscheidungsfindung auf beiden Seiten. Sie müssen sich darüber klar werden, was sie von ihrer Zukunft und ihren Leben wollen.

Aus Sicht von Dani und Marta wird schnörkellos, elegant und prägnant die Entscheidungsfindung von Marta und Dani erzählt. Langsam und mit guter Entwicklung werden einem die Gefühle und Argumente von beiden von dem Moment an übermittelt, in dem Marta Dani sagt, dass sie schwanger ist, aber die Schwangerschaft nicht fortsetzen möchte. Orriols schafft es hierbei, einen an den Gedanken und Gefühle von Dani und Marta teilhaben zu lassen und ein authentisches Bild von ihren Sehnsüchten, Unsicherheiten, Einstellungen und Plänen zu zeichnen.

„Sanfte Einführung ins Chaos“ von Marta Orriols behandelt überzeugend und sprachlich ansprechend ein komplexes Thema mit großer Sensibilität. Die Themen und Konflikten sind zwar nicht neu, müssen sie aber auch nicht sein, um Wirkung zu entfalten. Auch fängt der Roman gut den aktuellen Zeitgeist einfängt und sich u. a. mit der Schwierigkeit von Familie und Beruf zu vereinbaren und das Recht auf die freiwilligen Entscheidungen in Bezug auf den eigenen Körper beschäftigt.

Bewertung vom 11.08.2022
Ingeborg Bachmann und Max Frisch - Die Poesie der Liebe / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.3
Storks, Bettina

Ingeborg Bachmann und Max Frisch - Die Poesie der Liebe / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.3


sehr gut

Höhen und Tiefen einer Liebe poetisch erzählt

„Ingeborg Bachmann und Max Frisch – Die Poesie der Liebe“ von Bettina Storks ist ein poetisch geschriebener und gefühlvoller, fiktiver Roman über die Liebe zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch. 1958 in Paris lernen sich die beide Ikonen der Literatur kennen und der bodenständige Frisch verliebt sich auf den ersten Blick in die sensible und freiheitsliebende Bachmann, die zu der Zeit ein Star der Literatur war. Was folgt, ist eine Liebesbeziehung zwischen München, Rom und die Schweiz, die geprägt ist von Leidenschaft und Eifersucht seitens Frisch. Einfühlsam beschreibt die Autorin zunächst, wie sich beide ineinander verlieben und dann wie mit der Zeit ihre große Liebe am Alltag scheitert-

Abwechselnd aus Sicht von Bachmann und Frisch erzählt, erhält man einen Einblick in die Gedanken und Gefühle der beiden und spürt, wie unterschiedlich beide sind. Frisch liebt Klarheit und Ordnung und kann wenig mit Bachmanns Hang zum Geheimnisvollen und ihren Drang nach Freiheit anfangen. Auch ihre unterschiedlichen Arbeitsweisen werden immer mehr zum Stolperstein für ihre Beziehung. Schnell wird deutlich, dass die Liebesbeziehung zwischen beiden keine ist, die glücklich enden wird. So kommt es dann auch 1962 wenig überraschend zur Trennung der beiden.

„Ingeborg Bachmann und Max Frisch – Die Poesie der Liebe“ ist kein Roman, den man so nebenbei liest und es ist keine Liebesgeschichte mit Happy End. Gespickt mit Zitaten ist er eine gelungene literarische Annäherung an Bachmann und Frisch als Schriftsteller und als Personen dahinter. Leicht melancholisch und bewegend geschrieben kommt man auf über 400 Seiten den beiden näher und wird Zeuge einer großen und leidenschaftlichen Liebe, die leider nicht hielt. Nicht nur für Literaturliebhaber lesenswert.

Bewertung vom 09.08.2022
Elternhaus (eBook, ePUB)
Mentges, Jennifer

Elternhaus (eBook, ePUB)


sehr gut

Wenn die Vergangenheit an der Tür klopft

Ein Hamburger Herrenhaus verbirgt so einige Geheimnisse oder besser gesagt, die Personen, die dort wohnen bzw. es aufsuchen. Allen voran Yvette Winkler und Tobias Hansen. Yvette Winkler ist gemeinsam mit ihren Kindern und ihrem Mann erst vor Kurzem in die alter Hamburger Villa eingezogen. Der Umzug sollte ein Neuanfang für sie sein und so ihre kriselnde Ehe zu retten. Tobias Hansen hingegen hat es schon vor dem Einzug der Winklers allabendlich zur alten Villa hingezogen und sie aus dem Auto heraus beobachtet. Nachdem die Familie Winkler eingezogen ist, macht sich Hansen daran, selber Teil der Familie zu werden und da er selber Pianist ist, gibt er den Kindern bald Klavierunterricht und freundet sich mit Yvette und ihren Mann an und gewinnt immer mehr ihr Vertrauen sowie Zugang zum Haus. Doch dann eines Tages, wenn er allein ist mit Yvette und den Kindern, zeigt er sein wahres Gesicht…

„Elternhaus“ von Jennifer Mentges ist ein spannender Psychothriller, der ganz ohne blutige Szenen auskommt und dessen Stärken in der detaillierten Charakterzeichnung und der atmosphärischen und leicht poetischen Sprache liegen. Anfangs noch etwas gemächlich, wird langsam Spannung aufgebaut und dann konstant über den weiteren Handlungsverlauf hochgehalten. Ebenso ist von Beginn an eine unterschwellige geheimnisvolle und leicht bedrohliche Stimmung spürbar. Aus den sich abwechselnden Perspektiven und Rückblicken in die Vergangenheit wird nach und nach das Geheimnis um Tobias Hansen, Yvette Winkler und der Villa gelüftet.
Auch wenn manche Handlungsstränge hierbei vorweggenommen werden, weiß der Spannungsroman zu überraschen und Gänsehautmomente zu erzeugen sowie insgesamt mit einer schlüssigen Handlung zu überzeugen.

Ein Psychothriller, der auf leisen Pfoten daherkommt und nach und nach seine volle Wucht entfaltet. „Elternhaus“ von Jennifer Mentges zieht einen in seinen Bann und lässt einen nicht mehr los genau wie das alte Herrenhaus im Buch.

Bewertung vom 05.08.2022
Snowflake
Nealon, Louise

Snowflake


sehr gut

Coming-of-Age-Story auf Irisch

3.5/5

„Snowflake“ von Louise Nealon ist die Coming-of-Age-Geschichte der 18-jährigen Debbie White, die im ländlichen Irland aufgewachsen ist und dort mit ihrer Mutter und ihrem Onkel auf einem Milchbauernhof lebt und nun auf das Trinity College in Dublin geht, um dort Englisch zu studieren. Der Übergang vom Land- zum Stadtleben bringt wenig überraschend Herausforderungen und neue Erfahrungen und Bekanntschaften mit sich. So freundet sie sich mit Xanthe an, deren wohlhabende Erziehung in Süd-Dublin weit entfernt von Debbies Erfahrungen ist. Während Debbie beginnt, sich am College zurechtzufinden, ereignet sich eine Tragödie auf der Milchfarm, wodurch ihr bisheriges Leben auf den Kopf gestellt wird.

Das Buch liest sich leicht und flüssig und ist in einen leicht poetischen und humorvollen Schreibstil geschrieben. Die Autorin schafft es gut, die Gedanken und Gefühle von Debbie einzufangen und zu beschreiben, wie es ist, eine junge Frau zu sein, die das Leben neu kennenlernt. Auch ist Debbie ein sehr sympathischer Charakter. Ihre Unschuld und die Fehltritte, die sich macht, wenn sie versucht, aus ihrer ländlichen Hülle herauszukommen, lassen sie zutiefst menschlich erscheinen. Zusammen mit einigen typischen Merkmalen des irischen Lebens ist dies eine schöne, ehrliche Geschichte über das Erwachsenwerden. Neben der Reise der Selbstfindung spricht Nealon auch ernstere Themen wie z. B. psychische Krankheiten, Suizid und Alkoholismus an. Trotz der – oft unbequemen – Thematik verliert der Roman jedoch nichts an seiner Leichtigkeit, allein der subtile Humor trägt dazu bei.

Allerdings fühlte sich die Geschichte manchmal etwas unzusammenhängend an und ich hätte mir gewünscht, dass einige Dinge und einige der Themen etwas ausgiebiger behandelt worden wären. So passierten z. B. manche Ereignisse oft wie aus dem Nichts, während andere Handlungspunkte als Schlüsselereignisse angesehen wurden, jedoch später auf diese nicht mehr großartig eingegangen wurde. Auch manche Veränderungen Debbies kamen ziemlich abrupt.

Insgesamt ist „Snowflake“ von Louise Nealon ein überzeugendes Debüt, das die chaotischen Emotionen und Erfahrungen des frühen Erwachsenenalters gut einfängt. Man folgt Debbie gerne, wie sie ihren Weg findet, lernt sich selbst zu lieben und beginnt ihre eigene Identität zu formen.

Bewertung vom 04.08.2022
Matrix
Groff, Lauren

Matrix


gut

Ein nicht ganz gelungener feministischer Blick auf Nonnen im 12. Jahrhundert

„Matrix“ von Lauren Groff spielt im 12. Jahrhundert. Im Alter von siebzehn Jahren wird die Protagonistin Marie de France von Eleanor von Aquitanien vom französischen Hof verbannt und in eine abgelegene englische Abtei geschickt. Mit den Jahren erlangt sie immer mehr Einfluss und Macht in bis sie die Leitung der Abtei erlangt. Sie erlebt religiöse Visionen, die sie zum Bau von zahlreichen Projekten im und um das Kloster herum anregt und sie schreibt Gedichte. Auch versucht Marie, die Abtei vor dem Einfluss Außenstehender zu schützen.

Von der Grundidee her ist „Matrix“ ein interessantes Buch. Die Autorin fiktionalisiert das Leben von Marie de France, einer Figur, über die man eher wenig weiß, und verwirft die bekannten Kenntnisse zugunsten der Erstellung ihrer eigenen Version der Geschichte. So muss man „Matrix“ eher als eine feministische Fantasie des mittelalterlichen Lebens als ein Versuch, historische Details genau nachzubilden, betrachten. Groff ist nicht so sehr daran interessiert, Marie zu vermenschlichen bzw. als Person nahbar zu machen, sie stellt sie mehr als Heldin bzw. Heilige dar. So werden Konflikte, die innerhalb der Erzählung auftreten, nur als kleine Hürden angesehen, die Marie zu überwinden hat, auch ihr Weg zur mächtigen Frau im Kloster verlief ohne großartige Hindernisse. Ebenso mäanderte die Handlung teilweise stark und einiges wurde sehr verkürzt dargestellt, so wurden z. B. Jahre aus Maries Leben innerhalb einer Seite abgehandelt.
All das führte leider dazu, dass eine vielversprechende Handlung an Spannung und Tiefe verlor und Marie und die anderen Frauen mir emotional fremd blieben, sodass mich das Buch insgesamt nicht wirklich begeistern konnte.
Einzig der Schreibstil sprach mich an, er war sehr bildlich und stimmungsvoll. Auch gab es tolle Beschreibungen der Natur und der Umgebung im Kloster.

Alles in allem eine tolle Prämisse, deren Umsetzung leider nur bedingt überzeugen konnte. Sprachlich und inhaltlich wäre das Potenzial definitiv vorhanden gewesen.

Bewertung vom 01.08.2022
Drei Tage im August
Stern, Anne

Drei Tage im August


sehr gut

3.5/5 Sterne

Glückliche Momente in schweren Zeiten

Es sind Olympische Spiele in Berlin im Jahre 1936. In dieser Zeit gibt sich Nazideutschland weltoffen. Doch es liegt eine Vorahnung von kommenden dunklen Zeiten in der Luft, es herrscht die Ruhe vor dem Sturm. Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist die Chocolaterie Sawade, die auf der Straße „Unter den Linden“ zu finden ist. Dort arbeitet die fast 40-jährige Elfie, die von Schwermut gezeichnet ist und deren Leben die Chocolaterie ist. In der kurzen Zeit, in der die Leser*innen Elfie ihren Nachbarn und anderen Personen folgen, die mit der Chocolaterie irgendwie verbunden sind, erfährt Elfie von Madame Conte, welches Geheimnis sich hinter einer Praline der Chocolaterie verbirgt und lernt außerdem den Nachtklubbesitzer El-Hammady näher kennen. Neben Elfie wäre da noch Trude, eine Mitarbeiterin von ihr, die für den jüdischen Buchhändler Franz Marcus mehr als nur freundschaftliche Gefühle hegt. Doch ist ihre gemeinsame Zukunft ungewiss. Zeuge dieser und andere Geschichten sind die Linden der Straße „Unter den Linden“.

So wie es Elfie versucht, mit den schokoladigen Genüssen der Chocolaterie Sawade den Menschen schöne Momente zu bereiten, so schafft das auch der Roman „Drei Tage im August“ von Anne Stern. Besonders der atmosphärisch und unaufgeregte Schreibstil tragen dazu bei. Insgesamt lebt die ruhige Erzählung weniger von einer alles umspannenden Handlung, sondern vielmehr von den gut dargestellten Charakteren, deren Gedanken, Gefühle und Ängste man gut nachempfinden kann. Man folgt ihnen gern drei Tage lang durch Berlin und wünscht ihnen das Beste in den unsicheren und immer dunkleren Zeiten in Deutschland.

Alles in allem ist der Roman „Drei Tage im August“ eine bezaubernde und kurzweilige Geschichte, die über drei Tage hinweg einen Einblick in das Leben der handelnden Personen mit all seinen glücklichen und traurigen Momenten gewährt und dabei ohne einen großartigen Spannungsbogen auskommt und vor allem durch seine bildliche Sprache und seinen tollen Charakteren zu überzeugen weiß. Sicherlich nicht jedermanns Geschmack, aber für mich ein unerwarteter Lesegenuss.

Bewertung vom 28.07.2022
Denk ich an Kiew
Litteken, Erin

Denk ich an Kiew


sehr gut

Bewegende Erzählung über den Holodomor

3.5/5 Sterne

„Denk ich an Kiew“ wird abwechselnd in zwei Zeitebenen aus der Perspektiven von Katya ab den 1920er-Jahren und Cassie, ihre Enkelin, in der Gegenwart erzählt. Der historische Roman von Erin Litteken ist ein persönlicher und emotionaler Roman über den Holodomor und Generationentraumata.

Zur Handlung:
Cassie trauert immer noch um ihren Mann, der bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Seitdem spricht auch ihre Tochter Birdie nicht mehr. Als ihre Mutter sie ermutigt, nach Hause zu ziehen, um sich um ihre kranke Großmutter zu kümmern, stimmt Cassie widerwillig zu. Was sie entdeckt, sind die Tagebücher ihrer Großmutter über ihre Kindheit und ihr (Über)leben während der menschengemachten Hungersnot in der damaligen Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik, der Millionen von Ukrainern das Leben kostete.

Vor allem Katyas Geschichte ist nichts für schwache Nerven. Sie ist bedrückend, voll von Leid, Hunger, Verlust und Tod. Trotz vieler persönlicher Verluste findet Katya die innere Stärke, um zu überleben, und findet an den dunkelsten Tagen Hoffnung.
Katyas Geschichte hat mir im Vergleich zu Cassies insgesamt auch besser gefallen. Der Erzählungsstrang in der Gegenwart verblasst im Gegensatz zu dem in der Vergangenheit. Für mich war die gegenwärtige Handlung weniger tief und teils zu konstruiert. So fand ich z. B. wenig glaubhaft, dass Cassies Familie, insbesondere ihre Mutter, nichts über die ukrainische Herkunft der Großmutter wusste. Auch schien Cassie nicht in der Lage zu sein, selbst sehr offensichtliche Zusammenhänge zu verstehen.

Trotz der Probleme, die ich mit der Zeitebene in der Gegenwart hatte, konnte mich das Buch im Ganzen überzeugen. Es ist eine berührende Geschichte von Tapferkeit und extremen Prüfungen, von Liebe, Überleben und Freude nach Leid.
„Denk ich an Kiew“ ist zwar eine historische Fiktion, aber wie die Autorin anmerkt, waren viele der beschriebenen Erfahrungen während des Völkermords für Millionen von Menschen in der Ukraine sehr real.

Bewertung vom 25.07.2022
Der Aufstieg - In eisiger Höhe wartet der Tod
McCulloch, Amy

Der Aufstieg - In eisiger Höhe wartet der Tod


sehr gut

Wenn die Todeszone ihren Namen alle Ehre macht

Die Journalistin Cecily Wong ist nach eigenen Angaben eine Anfängerin im Bergsteigen, aber sie ist auf Einladung des weltberühmten Bergsteigers Charles McVeigh auf den achthöchsten Gipfel der Welt, den Manaslu, gekommen. Er hat ihr gesagt, dass er ihr ein Interview gewähren wird, wenn sie den Aufstieg schafft, und für Cecily, die kurz vor einer schlimmen Trennung steht und ihren letzten Cent für die Reise ausgegeben hat, wäre das Interview eine Karriere – Gelegenheit machen. Doch dann stirbt ein Kletterkollege bei einem ungewöhnlichen Unfall und Cecily beginnt an ihrer Entscheidung zu zweifeln. Aber als ein zweiter Bergsteiger stirbt, und es besteht kein Zweifel, dass es kein Unfall war, wird Cecily klar, dass sie, wenn sie auf einem abgelegenen Berg gestrandet ist, mehr als nur gegen die Elemente kämpfen muss, da ein Mörder unter ihnen ist.

Die Gesamthandlung ist faszinierend, und man merkt, dass Amy McCulloch wirklich eine Leidenschaft für das Bergsteigen und die Umgebung hat, in der sich die Charaktere befinden. McCulloch schreibt sehr atmosphärisch und sie schafft es mit den wunderbaren Beschreibungen der Landschaft ein realistisches Bild von der Situation am Berg zu erzeugen, sodass es sich anfühlt, als wäre man selbst dabei. Gut gefallen haben mir auch die Einblicke in die technischen Aspekte des Bergsteigens und was es braucht, um ein Bergsteiger der Spitzenklasse zu sein. Besonders am Anfang tritt die eigentliche Thriller-Handlung zugunsten der Beschreibung der Vorbereitung auf die Bergbesteigung zurück, was für den ein oder anderen wenig interessant sein wird und die Spannung wegnimmt. Unterschwellig ist aber ständig eine gewisse Gefahr zu spüren. Richtig an Fahrt nimmt die Handlung dann wieder zum Ende hin auf, um in einem tollen Finale zu enden. Jedoch auch hier wird nicht jeder mit dem eher offenen Ende zufrieden sein.

Alles in allem ist „Der Aufstieg“ von Amy McCulloch ein fesselnd geschriebener Thriller, der sich beim Erzählen zwar Zeit lässt, bis es zu den eigentlichen spannenden Thriller-Elementen kommt, aber insgesamt durch seine Atmosphäre und dem Thema des Bergsteigens zu überzeugen weiß.

Bewertung vom 21.07.2022
Die Cellistin / Gabriel Allon Bd.21
Silva, Daniel

Die Cellistin / Gabriel Allon Bd.21


gut

Spannend, aber oberflächlich

Ein vergifteter russischer Dissident, eine investigative Journalistin auf der Flucht und ein unscheinbarer deutscher Banker. Die Spuren führen Gabriel Allon bald zu Isabel Brenner, die bei der RhineBank in Zürich arbeitet, der dreckigsten Bank der Welt. Neben Risikokalkulation und Geldwäsche spielt sie Cello wie ein Profi. Gabriel kann sie überzeugen, mit ihm zusammenzuarbeiten, um die Bank und die Russen zu Fall zu bringen. Ihr Hauptziel ist Arkadi Akimow, aber er selbst ist eigentlich nur eine kleine Figur, es ist jemand viel Größeres und viel Einflussreicheres, der hinter dem russischen Geld steckt.

Was „Die Cellistin“ von Daniel Silva auszeichnet, ist das für einen Agenten-Thriller, die Handlung plausibel ist und der Buchinhalt eng mit der realen Welt verbunden ist (auch wenn ich gerne auf den COVID-Teil verzichtet hätte). Es könnte direkt aus den aktuellen Schlagzeilen stammen, da das Buch den Einfluss des schmutzigen Geldes, die russische Einmischung in globale Angelegenheiten und den fragilen Zustand der Demokratie aufzeigt.

Insgesamt war für mich „Die Cellistin“ gut, aber nicht herausragend. Die Handlung war da, aber die Umsetzung konnte mich nicht vollständig überzeugen. Die Spannung war da und Silva ist ein guter Autor, das Buch ist gut recherchiert und hat ein gutes Tempo. Aber es waren mir zu viele Themen, das ganze wirkte mir persönlich zu oberflächlich. Es kommt Kunstrestaurierung und klassische Musik vor, dann sind da zwielichtige internationale Bankiers, Verweise auf den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust, mutige Journalisten, russische Oligarchen, Nowitschok-Vergiftung, Q-Anon und einiges mehr. In diesem Fall wäre definitiv weniger mehr gewesen.
Zudem kommen viele neue und alte Charaktere vor, manche nur kurz und ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Auch blieb mir titelgebenden Cellistin als Charakter fremd, da hätte ich mir noch mehr Hintergrundgeschichte oder Erklärung für ihr Handeln gewünscht.

Für Fans von David Silva bestimmt lesenswert.

Bewertung vom 20.07.2022
Die Schuhe meines Vaters
Schäfer, Andreas

Die Schuhe meines Vaters


sehr gut

In "Die Schuhe meines Vaters" ist Andreas Schäfer auf knapp 200 Seiten ein bewegendes und wortgewaltiges Denkmal seines verstorbenen Vaters gelungen. Es ist ein Erinnern an den Vater und die gemeinsam verbrachte Zeit, eine ehrliche Reflexion über die nicht immer einfache Vater-Sohn-Beziehung und auch eine Reise zu sich selbst. Es ist kein verklärtes Porträt des Vaters, der seine Eigenheiten hatte und nicht ohne Fehler war, der Autor ist schonungslos offen über sich und seinen Vater und ihr zwiespältiges Verhältnis zueinander, aber dennoch ist die Liebe zum Vater und die Trauer und der Schmerz über seinen Tod deutlich spürbar. Er zeichnet den Vater so wie er in Erinnerung hat und schafft so ein authentisches und bewegendes Bild von einem Mann, der sich für Kunst interessierte, gern reiste und eher ein Einzelgänger war.

In drei Kapiteln wird vom Tod des Vaters, der nach einer eine Hirnblutung in ein Koma fällt und nur noch von Maschinen am Leben erhalten wird, von der Kindheit des Vaters und seinem späteren Leben sowie der versöhnlichen Annäherung des Sohnes mit dem Vater erzählt. Besonders das erste Kapitel, das kurz die Zeit vor der Operation und dann die Zeit nach der Operation und der Hirnblutung erzählt, ist emotional sehr bewegend und traurig. Der Schock, das Nicht-wahr-haben-wollen, das Verdrängen und schließlich die Konfrontation mit dem Tod des Vaters ist nicht leicht zu lesen, aber sprachlich toll umgesetzt. Die Beklemmung und Ohnmacht ist förmlich spürbar. Auch die literarische Aufarbeitung und Rekonstruktion der Lebensgeschichte des Vaters von dessen Kindheit in Berlin an während des zweiten Weltkrieges über das Gründen einer eigenen Familie bis zur Scheidung und die Zeit danach kann durch den fesselnden und poetischen Schreibstil überzeugen. Noch mal sehr persönlich wird es im letzten Kapitel, als es auf einer Griechenlandreise zur Aussöhnung mit dem verstorbenen Vater kommt.

Alles in allem, eine sehr persönliche, bewegende und melancholische Annäherung und Würdigung des toten Vaters, die durch ihre bildliche und ausdrucksstarke Sprache zu überzeugen weiß. Lesenswert!