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Verena

Bewertungen

Insgesamt 164 Bewertungen
Bewertung vom 13.09.2021
Das Glashotel
Mandel, Emily St. John

Das Glashotel


weniger gut

Ein sehr gehyptes Buch seit es im englischen Original erschienen ist. Lange war es auf meiner Leseliste, weil mich vieles daran ansprach. Ende August wurde “Das Glashotel” auf Deutsch veröffentlicht und endlich habe ich es nun auch gelesen. Leider wurden meine Erwartungen nicht erfüllt. Da der Inhalt keinen wirklichen Spannungsaufbau hat und eher geprägt ist von Textsplittern der einzelnen Protagonist:innen, kann man schwer beschrieben worum es geht. Grundsätzlich stört es mich nicht, wenn eine Erzählung keinem linearen Muster folgt und eher fragmentarischen Charakter hat, solange das große Ganze Sinn ergibt. Das tut es in diesem Fall irgendwie nicht. Ich könnte nach der Lektüre nicht wirklich sagen, was die Message des Romans bzw. die Intention der Autorin ist. Gleichzeitig ist nicht alles schlecht daran. Es gab durchaus Passagen, die ich gerne gelesen habe, die so atmosphärisch anmuten wie es das grandiose Cover verspricht. Die Einsamkeit, die Stille, die Natur der Wälder des Pazifischen Nordwestens auf Vancouver Island in starkem Kontrast zur Geschäftigkeit New York Citys. Ab der Hälfte allerdings hat mich der Roman dann irgendwie komplett verloren. Sicher auch deshalb, weil ich mir nun wirklich nichts Langweiligeres vorstellen kann als über Finanzskandale und Schneeballsysteme zu lesen, aber ab hier wird auch irgendwie deutlich, dass die Message ausbleibt. Zudem war selten Motivation hinter dem Handeln der zentralen Figuren, die übrigens zum Großteil äußerst unsympathisch sind, zu erkennen. Es scheint immer wieder durch, dass Emily St. John Mandel durchaus schriftstellerisches Talent besitzt, doch meiner Meinung nach war das Ganze hier ein wenig zu ambitioniert angesetzt. Wenn man sich andere Rezensionen durchliest, scheint der "Das Glashotel” zu polarisieren: entweder die Leute finden ihn grandios oder mögen ihn gar nicht. Für mich persönlich war es leider nichts.

Bewertung vom 27.08.2021
Erobere mich im Sturm
Kinsella, Sophie

Erobere mich im Sturm


weniger gut

Die Geschichte klingt vielversprechend: Ava & Matt begegnen sich bei einem Schreibkurs in Italien & sind sofort Feuer & Flamme für einander. Gegenseitige Anziehung, leidenschaftliche Nächte, Sommer, Sonne, Meer in Apulien – alles scheint perfekt. Bis der Alltag in London sie einholt. Sie lieben sich, aber nicht ihre jeweiligen Lebensstile. Die große Frage: können sie die Differenzen überbrücken? Und da kommt das größte Manko des Romans, denn für mich persönlich wurde auf die Arbeit, die gegenseitiges Kennenlernen sein kann, viel zu wenig eingegangen. Stattdessen zieht es sich gefühlt endlos, dass die beiden nicht ansprechen, was ihnen Probleme bereitet. Überhaupt kommunizieren sie kaum. Klar, dass an einigen Stellen Dinge überzogen dargestellt werden, damit rechne ich bei einer romantischen Komödie. Teilweise funktioniert das richtig gut (z.Bsp. bei den Teilnehmer:innen des Schreibkurses), aber zu oft endet es in ausgelutschten Klischees (die Protagonistin eines Liebesromans als Fettnäpfchen-Queen). Das Ende kam dann zu schnell, verglichen mit den endlosen Kapiteln zuvor, wie Ava Matts Kunstsammlung hasst & er ihre Einrichtung. Unfreiwillig lustig sind die folgenden Plotpoints: Matt entpuppt sich in London als Erbe einer berühmten halbösterreichischen Puppenhausdynastie mit Eltern, die ihn völlig vereinnahmen in ihrem großen viktorianischen Haus, aber den Sohn trotzdem nicht wertschätzen. Avas Konkurrentin in Sachen Matt ist seine Ex, Puppen-Influencerin, deren Follower sie & Matt shippen. Wenn Österreicher:innen für etwas bekannt sind, dann dass sie fast obsessiv nackt saunieren. (I can’t). 2,5 Sterne dafür, dass das Potential leider nicht ausgeschöpft wurde.

Bewertung vom 16.08.2021
Zimmer mit Frühstück
Schneider-Rading, Tina

Zimmer mit Frühstück


sehr gut

Übernachtet ihr auf Reisen gerne in Bed & Breakfasts oder lieber in großen Hotels? Ich mag das Unaufgeregte, Überschaubare, das ich bisher in kleinen Boutique Hotels oder eben den klassischen Bed & Breakfasts genießen durfte. Als introvertierte Person bin ich zwar nicht unbedingt darauf aus, mit den Gastgebern best friends zu werden, dennoch bevorzuge ich das familiärere, persönlichere Ambiente im Vergleich zur Anonymität großer Hotels mit unzähligen Gästen. Das schönste Bed & Breakfast, in dem ich bisher übernachten durfte, war mitten in Siena; die liebste Gastgeberin begegnete mir in Orbetello, einem kleinen Strandörtchen in Italien, wo die Busse recht unregelmäßig fahren & die Dame sich kurzerhand als kostenloses Taxi für mich und meine Reisebegleitung anbot, damit wir einen halben Tag länger den Strand genießen konnten vor unserer Weiterreise. Solche Orte suchte die Interior-Journalistin Tina Schneider-Rading in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In “Zimmer mit Frühstück” erzählt sie die Geschichten dieser Bed & Breakfasts und ihrer Inhaber:innen. Besonders gefallen hat mir, dass die meisten großen Wert legen auf Nachhaltigkeit: alte Häuser werden authentisch restauriert, Möbel upgecycled; es wird in nachhaltige Materialien investiert und die Zutaten für das angebotene, meist selbstgemachte Frühstück werden bei regionalen Erzeugern gekauft. Tolle Fotografien der bis ins letzte Detail durchgeplanten Gästehäuser steigern das Fernweh um ein Vielfaches. "Zimmer mit Frühstück” eignet sich mit seinen kurzen Kapiteln und der ästhetischen Aufmachung ideal als Coffeetable Buch um zwischendurch zu schmökern und sich wegzuträumen. Ein Bed & Breakfast ist mir in besonderer Erinnerung geblieben: das Hotel Marielle in Bad Münstereifel. Oft hatte ich von dem Ort im Rahmen der Berichterstattung der Hochwasserkatastrophe gehört. Erst 2018 eröffnet, wurde das hübsche Boutiquehotel, das direkt am Flüsschen Erft liegt, wie so viele andere Gebäude überflutet. Auf ihren Social Media Kanälen berichtet das Besitzer-Paar nun über die erneuten Renovierungsarbeiten. Alles Gute dafür!

Bewertung vom 31.07.2021
Ex Talk - Liebe live auf Sendung
Solomon, Rachel Lynn

Ex Talk - Liebe live auf Sendung


ausgezeichnet

Shay arbeitet seit 10 Jahren beim Radio hinter den Kulissen & lebt für ihren Job. Als neue Konzepte entwickelt werden, ist der große Traum live on air zu sein zum Greifen nah, denn gemeinsam mit dem neuen Reporter Dominic soll sie eine Show moderieren. Das Problem: sie kann ihn nicht ausstehen. Das größere Problem: die beiden sollen sich als Ex-Paar ausgeben & Beziehungstipps geben. Obwohl beide zunächst mit der Lüge hadern, machen sie mit & das Ganze wird ein voller Erfolg. Durch die gemeinsame Arbeit lernen sich Shay & Dominic kennen & verlieben sich. Ungünstig, da ja ganz Seattle sie als Ex-Paar kennt.

Ein richtig toller, sehr diverser Liebesroman, der auch in die Tiefe geht. Klar, es gibt ein paar der typischen Rom-Com Klischees (fake-nicht-dating, Dominic wirkt manchmal zu perfekt), aber die Autorin lässt die Leser:innen tief eintauchen in Shays Psyche. Einsamkeit, Trauer, Kindheitsträume & deren harsches Zerplatzen in der Erwachsenenwelt – sie geht dabei sehr respektvoll mit den Themen um. Besonders gut fand ich 2 Dinge, die mich sonst bei Liebesromanen häufig stören: Setting & Beruf der Protagonisten. Was sonst eher wahllos gewählt & schlecht bis gar nicht recherchiert wirkt, ist hier sehr authentisch. Die Pacific North West Atmosphäre ist super eingebaut in die Handlung & ich war wirklich positiv überrascht, wie realistisch die verschiedenen Arbeitsbereiche beim Radio umgesetzt wurden (ich habe selbst beim Radio gearbeitet). Die Autorin, Rachel Lynn Solomon, hat sich für ihre Lovestory nicht nur ihre Heimatstadt Seattle als Location ausgesucht, sie arbeitet tatsächlich beim Radio. Kein Wunder also, dass alles so authentisch rüberkommt.

Ein Stern Abzug wegen 3 Kritikpunkten. 1. (der Übersetzung geschuldet) beim Radio siezt man sich nicht, im Gegenteil, es ist – wie mir an meinem 1. Arbeitstag erklärt wurde – eine Todsünde. 2. obwohl die Autorin sonst sehr respektvoll mit mental health Thematiken umgeht, bleibt Shays Reaktion auf Dominics Panikattacke unreflektiert. Drittens: die ganze Steve Rogers Storyline ist völlig unrealistisch, stark romantisiert, so holt man sich keinen Hund.

Dennoch ist der Roman eine absolute Leseempfehlung!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.07.2021
Sag mir, wer ich bin
Ward, Felicity

Sag mir, wer ich bin


schlecht

TW: sexuelle Gewalt. Rezension mit Spoilern.

Als junges Mädchen entkommt Sally nach einem sexuellen Übergriff nur knapp dem Tod. Jahre später entdeckt sie auf einer Party das Gesicht ihres Peinigers, eine Katz-und-Maus-Jagd beginnt. Soweit der Klappentext. Erwartet hatte ich einen Thriller, in dem schließlich der Täter zur Rechenschaft gezogen wird. Ja. Nichts dergleichen. Stattdessen findet eine eklige Verharmlosung des sexuellen Übergriffs statt, Männer dominieren den Roman und am Ende wird Sally, das Opfer, zur Täterin stilisiert. Hinzu kommt der Konflikt zwischen Englisch- und Französischsprechenden Einwohnern Québecs (das Buch spielt zwischen 1962 und 1983), der völlig konstruiert in die Handlung eingebaut wird. Sprachlich ist das Buch erstaunlich schlecht geschrieben – platte Dialoge, die Sätze wirken teils wie von unmotivierten Schüler:innen aneinandergereihte Erlebnisgeschichten. Inhaltlich jagt ein Tiefpunkt den nächsten. Tatsächlich hat mich bereits das Vorwort irritiert. Hier versucht die Autorin (*1945), die MeToo Bewegung, die sie zu dem Roman inspirierte, als teilweise zu radikal zu bezeichnen, weil kleine Dinge zu kriminellen Handlungen aufgebauscht werden und ja nicht alle Männer so seien. Cringe. Noch mehr Cringe: Sallys Leben ist nach dem Übergriff geprägt von Angst. Statt zu zeigen, was das mit ihr macht, wird aufgezählt, was ihr schwerfällt; die Schlussfolgerung ist nicht, dass Sally dauerhaft angespannt leben muss, sondern dass sie als notorische Zuspätkommerin abgetan wird, weil ihre Kontrollmechanismen viel Zeit brauchen. Umso mehr taucht man ein in die Gedanken ihres Patenonkels Carson, den sie erst als Erwachsene kennenlernt. Natürlich vertraut sie sich ihm sofort an, berichtet detailliert, was der Mann damals mit ihr machte, zieht bei ihm ein und nachdem er sich 6 Monate lang “zurückgehalten” hat, schläft sie mit ihm. Weil, so die Überzeugung vieler Figuren, wenn Sally erst mal Sex hat, kann sie mit der versuchten Vergewaltigung abschließen. Es wird immer davon gesprochen, dass sie ja “nicht richtig vergewaltigt” worden sei (keine Penetration). Sallys Eltern sind mehr damit beschäftigt, dass ihre Tochter mit Mitte 20 noch keine sexuellen Erfahrungen hat, als mit allem anderen. Der Mann, den Sally schließlich auf der Party für ihren Vergewaltiger hält, war es nicht, was sie nicht glaubt. Sie fängt eine Affäre mit ihm an; es wird suggeriert, dass die Erinnerung an ihren Peiniger sie sexuell erregt, dass sie ihn liebt. Gleichzeitig ist sie überzeugt, dass er sie töten will. Daraufhin verlässt Carson sie, weil sie ihm zu anstrengend wird. Das große Finale: der Affären-Mann fühlt sich von Sally “vergewaltigt” und lässt sie nachts allein im Nirgendwo zurück. Warum im Jahr 2021 so was veröffentlicht wird, erschließt sich mir nicht. (Über die Autorin, Felicity Ward ist außer dem kurzen Text des deutschen Verlags nichts zu finden, auch nicht über das Buch im englischen Original, nicht mal ein Titel ist zu finden.)

Bewertung vom 15.07.2021
In diesen Sommern
Hecht, Janina

In diesen Sommern


ausgezeichnet

Inhaltswarnung: häusliche Gewalt, Alkoholismus
In kurzen, nicht immer zusammenhängenden Episoden erzählt Janina Hecht mit ihrem Debütroman die Geschichte von Teresa und ihrer Familie. Über den normalen Kindheits- und Jugenderinnerungen wie Fahrradfahren, Spielen mit dem Bruder, Urlaubstagen im italienischen Ferienhaus lauert wie ein dunkler Schatten die Präsenz des Vaters. Liebevoll und aufmerksam, verloren und einsam, gewalttätig und brutal. Sein Alkoholismus und die Gewaltexzess prägen das Leben von Teresa, ihrer Mutter und dem jüngeren Bruder. Zunächst im Zusammenleben, aber auch nachdem Teresa als junge Erwachsene längst ausgezogen ist, lässt die Vergangenheit sie nicht los. Die einzelnen Episoden ergeben nach und nach ein stimmiges kohärentes Gesamtbild; immer klarer, je älter Teresa wird, je reflektierter sie ihre Situation betrachtet. Man leidet mit der Familie, selbst mit dem Vater leidet man, das Ende trifft nicht nur Teresa hart und unerwartet. “In diesen Sommern” lässt sich trotz des Themas leicht und in einem Rutsch durchlesen, wirkt aber stark nach.

Bewertung vom 07.06.2021
Bergland
Kubsova, Jarka

Bergland


ausgezeichnet

“... am Ende schaffen wir das immer alles irgendwie... Fragt sich nur, wer oder was dabei auf der Strecke bleibt.”

Ich habe das Buch ein bisschen sacken lassen, kann aber immer noch nicht wirklich in Worte fassen, wie grandios ich es fand. Es kam einfach zur richtigen Zeit, hat einen Nerv getroffen.

Drei Generationen einer Bauernfamilie auf einem abgelegenen Hof in Südtirol erzählt der Roman. Auf knapp 300 Seiten gelingt es der Autorin Jarka Kubsova viel hineinzupacken: ausgefeilte Figuren (grandios gezeichnet sowohl Rosa als auch Franziska!) und große Themen wie die Veränderung in der Land- und Viehwirtschaft, Fortschritt(szwang), Generationenkonflikte, Care Arbeit (auch wenn der Begriff nie fällt), mentale Gesundheit. Besonders diesen letzten Aspekt, der perfekt eingebettet ist die restliche Erzählung, fand ich sehr spannend und authentisch umgesetzt, ebenso den Umgang der verschiedenen Generationen damit. Ich glaube, das Buch hat mich deshalb so sehr berührt, weil mir vieles sehr bekannt vorkommt, ich vieles davon selbst erlebt habe. Auch wenn ich nie auf einem Bergbauernhof gelebt habe, ich komme aus einem kleinen Dorf in Bayern, aus einem Hof der über 300 Jahre in Familienbesitz war, heute aber keiner mehr ist, habe den Wandel miterlebt, kenne die Generationenkonflikte, kenne das Fortgehen, das Zurückkehren, kenne sogar das Specksteinschleifen in Rehaeinrichtungen – kurz gesagt: it hit home. Obwohl es viele gewichtige, teils schwere Themen sind, die im Roman behandelt werden, verliert er nie wirklich die Leichtigkeit, die auch dazu beigetragen hat, dass ich mich manchmal an “Ein ganzes Leben” von Robert Seethaler oder “Bergsalz” von Karin Kalisa erinnert fühlte. Gleichzeitig wird aber das einfache Leben, die Naturverbundenheit nie romantisiert, selbst dann nicht, wenn vom Aufspüren von Sehnsüchten die Rede ist. Das Ende, das mich dann tatsächlich so berührte, dass Tränchen geflossen sind, ist eine fast märchenhafte Mischung aus Utopie und Hoffnung. “Bergland” ist eines meiner Jahreshighlights, eine absolute Leseempfehlung.

9 von 9 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.05.2021
Stolz und Vorurteil
Austen, Jane

Stolz und Vorurteil


ausgezeichnet

“Ich könnte ihm seine Eitelkeit leichter verzeihen, hätte er die meine nicht verletzt.”

Kann ein Satz die große Liebe besser einleiten, als dieser? Im Fall von Elizabeth Bennet und Mr Darcy schon. In Jane Austens Klassiker “Stolz und Vorurteil” können die beiden sich zu Beginn überhaupt nicht leiden. Ihre gegenseitige Abneigung lassen sie sich auch spüren, natürlich weitestgehend im Rahmen der Etikette der Zeit, aber höchst zitierfreudig dank des grandiosen Wortwitzes von Jane Austen. Im Lauf der Erzählung, die gespickt ist mit einer Reihe grandioser Figuren, die von den Austen-Liebhabern, den Janeites, mindestens genauso geliebt sind wie die Protagonisten selbst, müssen die beiden eigene Fehler eingestehen, anerkennen, dass ein Vorurteil schnell gefällt ist und lernen dabei sich zu lieben. Vorbild vieler Enemies-to-Lovers Romanzen, die als Liebesgeschichte nur selten dem Original das Wasser reichen können. Dass Austen in erster Linie keinen Liebesroman sondern ein Gesellschaftsstück geschrieben hat, wird dabei oft vergessen. Ihre Beobachtungsgabe, ihr erzählerisches Geschick, ihre Ironie, ihr Humor – davon leben Austens Romane. Schade daher, dass der Klappentext den Klassiker auf die Lovestory reduziert. Das ist aber auch mein einziger Kritikpunkt. Die Ausgaben, neben “Stolz und Vorurteil” sind noch “Verstand und Gefühl” und “Emma” in dieser Reihe erschienen, bieten hübsche Schmuckausgaben für wenig Geld. Die Pastelltöne machen sich gut in jedem Regal und grade für Austen-Neulinge sind sie eine Möglichkeit, sich eine schöne gestaltete, illustrierte Hardcover-Ausgabe ins Regal zu stellen und sich so der großen Autorin zu näheren.

Bewertung vom 19.05.2021
Irgendwo ist immer irgendwer verliebt
McKinlay, Jenn

Irgendwo ist immer irgendwer verliebt


schlecht

Als ihr Vater ankündigt, zu heiraten, realisiert Chelsea, Ende 20, dass sie seit dem Tod der Mutter mehr existiert als lebt & sich nur der Arbeit widmet. Um sich selbst & ihr Lachen wieder zu finden, möchte sie an die Orte ihrer Europareise, an denen sie sich besonders glücklich fühlte. Chelseas Chef unterstützt ihr Vorhaben, gibt ihr unbezahlten Urlaub & schon sitzt sie im Flieger. Die Idee, bei einer Reise zu sich selbst zu finden, ist keine neue, aber zieht mich immer sehr an. Mir gefällt die Idee, wie Menschen, weit weg von zu Hause, in einer anderen Kultur, Dinge über sich erfahren, die sie im gewohnten Umfeld nicht (mehr) wahrnehmen. Ich erwarte bei einem Liebesroman keine tiefenpsychologische Charakterstudie; dass Chelsea sich auf der Reise verlieben wird – eh klar. Aber was die Autorin aus dem Stoff macht ist einerseits eine alberne Aneinanderreihung schlecht eingesetzter Klischees; andererseits ist der Umgang mit Trauer echt übel. Auch ein seichter Roman kann Tiefgang haben & ernsten Themen gerecht werden. Chelsea allerdings fühlt sich “geheilt” von ihrer Trauer, nachdem sie mit einem Kerl geschlafen hat; der letzte Absatz vor dem Epilog suggeriert, dass ihre Selbstfindung gleichgesetzt ist mit dem Finden der großen Liebe. Ohnehin reist Chelsea nicht an Orte, die ihr etwas bedeuteten, sondern sucht die Kerle, mit denen sie vor 7 Jahren was hatte (davon ausgehend, dass die nach 7 Jahren auf sie warten). Dabei plumpst sie in Matsch, fällt vom Stuhl, kippt Wein über sich...Merke: was bei Bridget Jones funktioniert, muss nicht ständig reproduziert werden. Besonders schlimm fand ich den “Traummann”. Eingeführt als ihr Arbeits-Nemesis übernimmt Jason ihre Projekte, ruft sie dauernd an (cringy Telefonate), reist ihr nach, stalkt sie vor Ort, während sie die Dudes ihrer Vergangenheit stalkt. Ein No-Go jagt das Nächste (Jason filmte sie einst heimlich bei ihrer Mammographie!!). Sehr schade, dass die tolle Idee so umgesetzt wurde.

Bewertung vom 31.03.2021
Du kannst kein Zufall sein
Bailey, James

Du kannst kein Zufall sein


gut

Zunächst mal ein klassischer Fall von lasst-uns-einen-neutralen-Titel-für-die-deutsche-Übersetzung-richtig-einkitschen: “The Flip Side” wird zu “Du kannst kein Zufall sein” & begleitet 1 Jahr lang Josh, der unzufrieden ist mit seinem bisherigen Leben, aber gleichzeitig nicht wirklich weiß, was er will. Nach einem gescheiterten Heiratsantrag erfährt er, dass seine Freundin ihn betrügt, verliert gleichzeitig Job und Wohnung. Als er eine Münze findet, beschließt er, 1 Jahr lang bei jeder Entscheidung diese zu werfen. Der 1. Teil des Buchs ist, um es kurz zu fassen: langweilig. Eine uninspirierte Situation jagt die nächste und zeigt, dass Joshs Plan mit dem Münzenwurf ihn in manch missliche Lage bringen kann. Klar, das muss etabliert werden, aber nicht so ausschweifend.

Richtig interessant wird die Geschichte erst, als er beim London Marathon in der Warteschlange vor der National Gallery DIE Frau trifft. Er muss eigentlich nur aufs Klo, sie will sich van Goghs Sonnenblumen ansehen. Im Gedränge verlieren sich die beiden nach dem spontanen gemeinsamen Museumsbesuch und Josh weiß nur, dass sie in einem englischen Buchladen im Ausland arbeitet & dass van Goghs Sonnenblumen in der Nähe ausgestellt werden. Nachdem er die Münze befragt hat, begibt er sich auf die Suche. Richtig toll waren die Kapitel, in denen er in München, Amsterdam & Paris die englischen Buchläden und Museen aufsucht, in der Hoffnung auf Hinweise auf seine Traumfrau. Grade die München-Szenen fand ich super, da ich im Anglistik-Institut in der Schellingstraße studiert habe & die besagten Buchläden natürlich gut kenne.

Leider lässt die Geschichte dann wieder nach. Eine vorhersehbare wie unnötige dramatische "Wendung" holt Josh nach England zurück & das anschließende Happy End wirkt unrealistisch (Josh hat das ganze Jahr über kein Geld, kann sich die Suche durch Europa nur leisten, weil er 1000 Pfund gewonnen hat, kann dann aber mit seiner Traumfrau 1 Jahr lang auf Reisen gehen? Please). Die Idee hatte viel Potential, das leider nicht ausgeschöpft wurde. Schade.