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Renas Wortwelt

Bewertungen

Insgesamt 172 Bewertungen
Bewertung vom 22.12.2023
Mördchen fürs Örtchen
Birkefeld, Richard;Bliefert, Ulrike;Busch, Petra

Mördchen fürs Örtchen


sehr gut

Allein schon Titel und Autorenname zaubern mir jedes Mal ein Grinsen ins Gesicht, wenn ich das lese. Wer denkt sich sowas aus? Schlicht genial, finde ich.
Und das gilt ebenfalls für den Inhalt dieser witzigen, unterhaltsamen Sammlung an kuriosen, teils völlig absurden Geschichten um Mord und Totschlag – also genau das, was man bei gewissen Verrichtungen zur Ablenkung lesen möchte.
Da werden Frauen zu Furien, die sich gegenseitig beklauen, wohlgemerkt auf besagtem Örtchen. Da verschwinden andere Frauen von der Toilette und werden eingerollt in einen Teppich wiedergefunden. Da versucht Friedhelm verzweifelt, in Ruhe auf dem Klo sein Sudoku zu lösen, doch seine Angetraute stört, bis …
Bei den illustren Autorinnen und Autoren, die zu diesem Spaß beitragen, verwundert es auch nicht, dass die kleinen Geschichten so gelungen sind. Neben Ralf Kramp finden sich Elke Pistor, Jutta Profijt, Claudia Rossbacher, Klaus Stickelbroeck, Tatjana Kruse, Nina George, Carsten Sebastina Henn und viele andere, allesamt Garanten für urkomische und spannende Unterhaltung.
Die Länge der Geschichten übrigens schwankt, so finden doch alle sicher die passende für die Länge ihrer diversen Geschäfte.
Spritzig-witzige, mörderisch gute Kurzgeschichten – ich weiß schon, wo dieses Buch künftig seinen Platz finden wird…
Der Herausgeber übrigens „promovierte zum Thema „Überkommene Handlungsmuster und Herausbildung konkreter Lebenszusammenhänge bei der täglichen Körperentleerung“ und verfasste das Standardwerk Kulturelle Phänomene der regelmäßigen Stuhlgangs im historischen Kontext“. (S. 247)
W.C.Schüssel - Mördchen fürs Örtchen
KBV, Oktober 2023
Taschenbuch, 249 Seiten, 14,00 €

Bewertung vom 21.12.2023
Der Duft von Schokolade
Arenz, Ewald

Der Duft von Schokolade


sehr gut

Es geht vor allem um Düfte in diesem Roman aus dem Wien der Kaiserzeit, so dass er, wenn auch gänzlich anders, doch ein wenig an das berühmte „Parfüm“ von Patrick Süßkind erinnert.
Dabei sind die beiden Bücher überhaupt nicht zu vergleichen, es sei denn aufgrund der beiden Geschichten innewohnenden Mystik um Gerüche und Düfte und das, was sie in bestimmten Menschen auslösen.
August Liebeskind, ein junger Mann aus gutem Hause, quittiert den Dienst, um demnächst in der Schokoladenfabrik seines Onkels als Einkäufer zu arbeiten. Im beschaulichen Sommer vor Arbeitsbeginn begegnet er Elena Palffy, einer mysteriösen, selbstbewussten Frau, die so ganz anders ist als die Frauen, die August bisher kannte. Er verliebt sich Hals über Kopf in sie, obwohl sie verheiratet ist. Doch ihr Mann ist verschwunden, wird für tot gehalten, sie scheint in seinem Tod verwickelt, nichts ist klar, alles ist dubios.
Elena hält ihn mal auf Distanz, mal scheint sie seine Gefühle zu erwidern. August ist wie vernarrt, doch eines Tages ist sie plötzlich verschwunden. Gerade, als ihr Ungemach droht wegen des vermutlichen Todes ihres Mannes, der ihr zur Last gelegt werden soll.
August ist sehr empfänglich für Düfte, insbesondere alle Gerüche von Gewürzen, Schokoladen und Konfekt. Bestimmte Düfte wecken ihn ihm Ahnungen, Vorahnungen von baldigem Geschehen ebenso wie Kenntnis von Vergangenheit. Auch ist August ein begnadeter Konfektmacher und findet darin sein Glück. Bis Elena wieder auftaucht…
Der Stil des Romans passt perfekt zur erzählten Zeit, gemächlich, mit ein wenig Wiener Schmäh, mit viel Atmosphäre plätschert er ruhig und unaufgeregt dahin. So entwickelt sich keine Spannung, wohl aber bekommt man viele Bilder geliefert, vom Wien der damaligen Zeit, von der Schokoladen- und Konfektherstellung, von Düften und Gerüchen. Dadurch wird der Roman zäh und klebrig wie Karamell. Ich habe mir oft mehr Tempo gewünscht, hätte gern mehr Handlung und weniger Beschreibung und Erzählen gefunden. So angenehm der Schreibstil von Ewald Arenz auch ist, so sehr geht er zu Lasten des Plots, des Tempos und des Spannungsbogens. Und leider wurde ich auch mit den beiden Hauptfiguren nicht warm. August war mir zu unbedarft und Elena zu steif, zu unnahbar.
Wie die anderen älteren, jetzt, nach dem Erfolg von „Alte Sorten“ und „Der große Sommer“ neu aufgelegten Büchern des Autors, so konnte mich auch dieser nicht ganz abholen und überzeugen.
Ewald Arenz - Der Duft von Schokolade
DuMont, November 2023
Taschenbuch, 272 Seiten, 13,00 €

Bewertung vom 18.12.2023
Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt / Die Mordclub-Serie Bd.4
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt / Die Mordclub-Serie Bd.4


ausgezeichnet

Den ersten Band um den Seniorenclub, der immer donnerstags einen Mord aufklärt, habe ich zwar nicht gelesen, dafür alle anderen. Und dieser neue ist in meinen Augen fast der beste bisherige, hat er doch neben der eigentlichen, spannenden und überraschenden Krimihandlung noch weitere Aspekte, die der Autor mit Feingefühl und Empathie behandelt.
Es ist Weihnachten in Coopers Chase und unsere vier Freunde, Joyce, Elizabeth, Rob und Ibrahim wünschen sich eigentlich nur ein Jahr ohne Mord. Doch natürlich werden ihre frommen Wünsche nicht erhört, im Gegenteil, es ist ausgerechnet ein Bekannter und guter Freund von Elizabeths Ehemann Stephen, der ermordet aufgefunden wird. Kuldesh wird erschossen in seinem Auto auf einem Waldweg gefunden, niemand hat eine Ahnung, was geschehen sein könnte.
Doch der Mordclub, unterstützt wie immer von den befreundeten Polizisten Chris und Donna, kommt recht schnell darauf, dass die Tat im Zusammenhang mit Drogenschmuggel bzw. -handel stehen muss. Nur wie Kuldesh, ein seriöser Antiquitätenhändler, dahinein geraten sein könnte, das ermitteln sie erst nach und nach. Und erleben einige Überraschungen.
Wieder stehen die vier Senioren im Mittelpunkt, wieder haben sie mit ihren eigenen Problemen zu schaffen und wieder geht es auch um die Befindlichkeiten der Kommissare, die nun plötzlich eine Ermittlerin aus anderen Abteilungen vor die Nase gesetzt bekommen.
Und auch diesmal sind in die laufende Handlung hin und wieder die Tagebucheinträge von Joyce eingefügt, die das Innenleben der Protagonisten analysieren und diesen zusätzlichen Tiefgang verschaffen, der diesen Roman zu mehr als einem Krimi macht.
Elizabeths Ehemann Stephen verfällt immer mehr seine Demenz und unausweichliche Entscheidungen stehen an. Denen sich Elizabeth mit der ihr eigenen Härte und Entschlossenheit stellt, die ihr aber doch einiges abverlangen. Doch auf ihre Freunde kann sie sich verlassen. Wie Richard Osman gerade diesen Aspekt, diese Belastung und die emotionale Gratwanderung beschreibt, das ist absolut gelungen. Da wird nichts beschönigt, aber auch nichts verkitscht. Da wird nicht unnötig auf die Tränendrüse gedrückt und genau dadurch wird es so berührend.
Aber auch Ibrahim öffnet sich und man erfährt einiges aus seinem Leben. So lernt man nach und nach die Figuren immer besser kennen und lieben. Und hofft auf noch viele weitere Bände mit dem Donnerstagsmordclub.
Richard Osman - Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt
aus dem Englischen von Sabine Roth
List, November 2023
Taschenbuch, 432 Seiten, 17,99 €

Bewertung vom 15.12.2023
Wie die Schweden das Träumen erfanden
Jonasson, Jonas

Wie die Schweden das Träumen erfanden


ausgezeichnet

Dieser kleine Roman macht soviel gute Laune, soviel Spaß, dass man ihn fast gleich noch einmal lesen möchte. Jonas Jonasson, dessen „Hundertjähriger“ immer noch unvergessen ist, hat sich hier eine so leichter, locker-flockige Geschichte ausgedacht, die genau das richtige ist für trübe Novembertage.
Dabei ist das Ganze schon recht absurd, völlig unmöglich aber vielleicht auch nicht. Und es zeigt, wie leicht es sein kann, Grenzen zu überschreiten.
Der deutsche Bettenfabrikant Kaltenbacher ist überall erfolgreich, nur in Schweden bisher noch nicht. Das soll sich ändern, deswegen plant man die Errichtung einer ganz neuen Fabrik eben genau dort. Der Juniorchef begibt sich nun in das Land der zukünftigen Erfolge, um den perfekten Standort zu finden. Beste Chancen hat ein Gelände in Stockholm, wofür sich auch die zuständige Senatorin Ingela Franzén vehement stark macht, unterstützt von ihrem dubiosen Geschäftsfreund und eigennützigen Berater Kenneth Carlander.
Nun hört allerdings auch Julia Bäck, frisch gewählte Bürgermeisterin von Halstaholm, einem verlassenen Nest in der schwedischen Provinz, von den Plänen der Deutschen. Und sie ist sofort überzeugt, dass genau ihre Stadt der perfekte Ort für die neue Fabrik ist, steht dort doch seit vielen Jahren ein riesiges Firmengelände leer. Die paar Kleinigkeiten wie fehlende Parkflächen, deutsche Schulen oder eine gute Verkehrsanbindung, die lassen sich doch ganz einfach herbeischaffen. Oder etwa nicht?
Gedacht, getan, es gelingt Julia, Kaltenbacher Junior nach Halstaholm zu locken. Und sie findet einige Verbündete für ihren Plan, die Stadt für den ersten Besuch des Deutschen herzurichten, wenn auch die Mischung etwas merkwürdig erscheint. Stehen doch an ihrer Seite eine uralte ehemalige Lehrerin ebenso wie ein altkluger Zehnjähriger, der fließend Deutsch spricht.
Als Konrad Kaltenbacher zum ersten Mal nach Halstaholm kommt, findet er Julia noch viel sympathischer, als das bereits während ihrer zahlreichen Telefonate der Fall war. Auch seine beiden Töchter scheinen sehr angetan von der jungen Frau. Man ahnt hier, worauf das hinausläuft.
Das Ganze zu lesen macht solchen Spaß, immer wieder überrascht Julia ihre Mannschaft mit neuen Ideen, wie als sie den Kreisel in der Stadt in Angela-Merkel-Kreisel umbenennt oder ähnliches. Man sprintet regelrecht durch dieses kleine Buch, hat es binnen kürzester Zeit durchgelesen und möchte am liebsten wieder von vorne beginnen. So fröhlich ist die Grundidee, so unbeschwert die Umsetzung, so liebenswert die Figuren, so komisch die Dialoge.
Wenn auch Konrad etwas steif daherkommt und seine kleinen Töchter etwas arg zuckrig brav und altklug geschildert sind, die Einwohner von Halstaholm machen das alles wett.
Statt noch weiter zu schwärmen von diesem kleinen feinen Roman, empfehle ich lieber, ihn so schnell wie möglich selbst zu lesen.
Jonas Jonasson - Wie die Schweden das Träumen erfanden
aus dem Schwedischen von Astrid Arz
C. Bertelsmann, November 2023
Gebundene Ausgabe, 160 Seiten, 22,00 €

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.12.2023
Tödlich währt am längsten
Kramp, Ralf

Tödlich währt am längsten


gut

Wenn einen die Opfer nicht ernst nehmen, weil sie den Überfall für einen Aprilscherz halten, wenn das Paket nicht das enthält, was bestellt wurde, dann kann sich das nur Ralf Kramp ausgedacht haben.
Seine neuen bitterbösen Geschichten, wie der Untertitel sie nennt, sind gewohnt skurril, völlig absurd, urkomisch und zeigen dennoch authentisch wirkende Menschen in Situationen, in die wir alle nie geraten möchten.
Wenn auch das Sammelsurium an Geschichten in diesem Band ein wenig wirkt, als hätte der Autor den Bodensatz seiner Festplatte zusammengekehrt, um eine neue Anthologie zu füllen, so sind sie doch durchweg unterhaltsam. Zwar wird man des immer gleichen Humors, der sich stets ähnelnden Pointen, die man schließlich erahnen kann, nach einiger Zeit müde. Aber dafür sind es ja Kurzgeschichten, die man immer mal zwischendurch wieder hervorholt, wenn man etwas Aufmunterung braucht – oder vielleicht gerne auch mal jemanden beseitigen möchte… ?
Dabei sind die Täter selten erfolgreich, sondern werden vielmehr am Ende meist selbst zum Opfer. Egal ob Ehemann oder Ehefrau, die sich des leidigen Partners entledigen möchten, ob eifersüchtiger Bruder, der sich endlich den ewig gewinnenden Bruder vom Hals schaffen möchte, ob es die Anhalterin ist, die nicht dort ankommt, wo sie hin möchte – alle Geschichten sind aus dem Leben gegriffen und trotzdem völlig fern von aller Realität. Und sogar in Gedichtform bringt Ralf Kramp noch seine Krimis, nicht weniger humorvoll als die prosaischen.
Ein Lesespaß, den man am besten in kleinen, bekömmlichen Dosen zu sich nimmt.
Ralf Kramp – Tödlich währt am längsten
KBV, Oktober 2023
Taschenbuch, 251 Seiten, 14,00 €

Bewertung vom 06.12.2023
Florence Butterfield und die Nachtschwalbe
Fletcher, Susan

Florence Butterfield und die Nachtschwalbe


sehr gut

Mord oder Selbstmord, das ist eine Frage in diesem geruhsam erzählten Roman, der kein Krimi sein will
Dieses Seniorenheim namens Babbington Hall scheint ein Idyll zu sein. Ein wunderschönes altes Haus, liebevoll renoviert, mitten in einem großen Garten, voller mehr oder weniger skurriler alter Menschen. Eine davon die liebenswerte Florence Butterfield, 87 Jahre alt und auf den Rollstuhl angewiesen.
Florrie, wie sie genannt wird, kann gut zuhören und so vertraut sich Renata, die Heimleiterin, ihr eines Tages an und erzählt von ihrer neuen Liebe, ihren Zukunftsplänen. Doch am nächsten Tag stürzt Renata aus dem Fenster. Alle vermuten Selbstmord, doch Florrie glaubt nicht daran. Wer frisch verliebt ist und von Paris träumt, bringt sich nicht um.
Florence Butterfield hat selbst ein sehr abwechslungsreiches Leben, ein Leben voller Abenteuer, aber auch voller Schmerz, hinter sich. Viele Erinnerungsstücke bewahrt sie in einer kleinen Kiste auf, in der sie immer mal wieder kramt, und holt so die damaligen Ereignisse wieder zurück. Doch es gibt ein Geschehen in ihrer Vergangenheit, über das sie niemals spricht.
Während Florrie einerseits in ihren Erinnerungen versinkt und uns als Leser daran teilhaben lässt, versucht sie andererseits zu beweisen, dass Renatas Sturz kein Selbstmordversuch war, sondern ein Mordversuch. Hilfe findet sie beim Mitbewohner Stanhope Jones, der ebenfalls nicht an Selbstmord glaubt. Den beiden alten Leuten wird dabei schnell klar, dass der potentielle Mörder bzw. Mörderin in Babbington Hall leben muss. Doch es dauert lange, bis sie der Wahrheit nahe kommen.
Geruhsam, ohne Effekthascherei oder Dramatik, so, wie sich alte Menschen durchs Leben bewegen, so bewegt sich der Roman durch die Ereignisse. Immer wieder wird die aktuelle Handlung unterbrochen durch die Rückblicke auf Florries Leben. Nicht immer sind diese Einblicke in die Vergangenheit besonders spannend, warmherzig und berührend wohl aber schon. Besonders aber berühren die aktuellen Gedankengänge Florries, ihre genaue Beobachtungsgabe, ihr jung gebliebener Verstand, ihre Güte und ihre Abgeklärtheit. „… Wir lassen die Kinder, die wir einmal waren, nicht hinter uns. Wir wachsen einfach um sie herum, so wie Bäume um ein Fahrrad wachsen, das am Stamm angelehnt stehen bleibt – und Florrie erfreut sich an diesem Vergleich.“ (S. 88).
All dies so wahrhaftig, so glaubhaft darzustellen, ist ein großes Verdienst von Susan Fletcher. Ein Roman, der vor allem dazu anregt, über das eigene Verständnis vom Älterwerden nachzudenken.
Susan Fletcher - Florence Butterfield und die Nachtschwalbe
aus dem Englischen von Silke Jellinghaus und Katharina Neumann
Kindler, November 2023
Gebundene Ausgabe, 495 Seiten, 24,00 €

Bewertung vom 06.12.2023
Der Pastor und das letzte Hemd / Ewig währt am längsten Bd.2
Orths, Markus

Der Pastor und das letzte Hemd / Ewig währt am längsten Bd.2


gut

Am Vorgängerbuch hatte ich viel Spaß, und das nicht nur, weil es ganz in der Nähe meines Wohnortes spielte. Der Humor und die liebevolle Art, wie es dem Autor gelang, die Manierismen, die Verschrobenheiten, die speziellen Ausdrucksweisen und die Gastfreundschaft der Niederrheiner darzustellen, machten einfach Freude.
So erwartete ich auch von den neuen Buch aus der Feder von Markus Orths, das wieder Anekdoten und Ereignisse aus dem Leben von Bennos Familie erzählt, ähnlichen Lesegenuss.
Es sollte weitergehen mit den herrlich komischen Ereignissen in Niederkrüchten, wo Bennos Familie Tür an Tür oder besser Wand an Wand wohnt mit Mutters Freundin Käthchen. Alle kommen wieder vor in diesem kleinen Buch. Diesmal werden die Ereignisse ausgelöst durch den Pfarrer, der sein titelgebendes letztes Hemd verliert, als bei ihm eingebrochen wird und all seine Habe, jedes Möbelstück, jeglicher Besitz gestohlen wird. Darunter auch ein erheblicher Geldbetrag.
Doch nun stirbt Tante Erna zum vierten oder fünften Mal, nachdem sie die vielen Male zuvor, die im ersten Band die Handlung bestimmten, überlebt hatte. Nun muss für die Beerdigung gesorgt werden, ein Hochzeit gilt es zu feiern, ein verheimlichter Sohn wird öffentlich und eine verlorene Tochter kommt nach Hause. Daneben kommen sich Benno und seine Jugendliebe Sibille, Käthchens Tochter, immer näher.
All das wird wieder mit Humor und großem Einfühlungsvermögen erzählt, und man kann unschwer erkennen, dass der Autor die Region und ihre Bewohner liebt. Doch irgendwie fehlte mir ein roter Faden, war das Ganze eher ein etwas ungeordneter Haufen von lustigen Dialogen, absurden Begegnungen und merkwürdigen Begebenheiten.
Aber weil es von so viel Zuneigung zeugt und weil die handelnden Personen einfach nur liebenswert sind, liest man auch dieses kleine Buch mit Freude. Und ist gespannt, ob es weitergeht mit den Niederkrüchtenern.
Markus Orths - Der Pastor und das letzte Hemd
dtv, November 2023
Gebundene Ausgabe, 172 Seiten, 12,00 €

Bewertung vom 06.12.2023
Der Buchclub - Ein Licht in dunklen Zeiten
Lyons, Annie

Der Buchclub - Ein Licht in dunklen Zeiten


ausgezeichnet

Was für ein Buch! Eine Überraschung geradezu, hatte ich doch nicht wirklich erwartet, dass mich dieser Roman derart in seinen Bann zieht. So sehr, dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. Um fünf Uhr nachmittags begann ich die Lektüre und um halb elf am Abend war das Ende erreicht.
Und dass ich das Ende der Geschichte erreicht hatte, stimmte mich fast traurig. Man mag die Figuren dieses Romans, diese liebenswerten Charaktere nicht verlassen, so sehr wachsen sie ans Herz, während man ihren Abenteuern, ihrem Schicksal folgt.
Worum geht es: Gertie Bingham, knapp sechzig, ist seit etwa zwei Jahren Witwe und vermisst ihren geliebten Mann Harry immer noch schmerzlich. So sehr, dass sie erwägt, die gemeinsame Buchhandlung, die sie dreißig Jahre geführt haben, aufzugeben. Obwohl ihr die Trennung von den Büchern schwer fallen würde, an denen sie so sehr hängt. Gertie ist der Überzeugung, dass Bücher für fast alles eine Lösung bieten.
Doch ihre Pläne werden über den Haufen geworfen. Es ist das Jahr 1939 und auch in London hat man von dem gehört, was die Nazis in Deutschland den Juden antun. Daher holen entsprechende Organisationen jüdische Kinder nach England in Sicherheit. Und Gertie erklärt sich bereit, ein solches jüdisches Mädchen bei sich aufzunehmen. Obwohl sie selbst nie Kinder hatte und auch keinerlei Erfahrung mit Kindern hat.
So dauert es auch eine ganze Weile, bis sich die ältere Frau und das vierzehnjährige Mädchen anfreunden und miteinander zurechtkommen. Zumal Hedy, so der Name des Kindes, sehr unter der Trennung von ihren Eltern leidet und vor allem auch darunter, dass sie so wenig über deren Schicksal erfährt.
Als der Krieg beginnt und damit die Bombardierungen Englands, muss Gertie unter der Buchhandlung einen Luftschutzraum erschaffen. Da kommt ihr die Idee, einen „Luftschutzbuchclub“ zu gründen. So kommt es dazu, dass immer mehr Menschen sich während der Angriffe dort versammeln, während Gertie oder Hedy aus den Büchern vorlesen.
All die Menschen aus der Straße und dem Viertel rund um den Buchladen, die alle ihre Päckchen zu tragen haben, die alle ihre Eigenheiten und Marotten haben, sie alle halten schließlich ganz fest zusammen, helfen sich gegenseitig in all dem Schrecken und den Gefahren.
Das alles erzählt Annie Lyons mit viel Emotion und Empathie, aber ohne Kitsch oder Schmalz. Die Figuren, die sie erschafft, sind voller Leben und Liebe. Sie alle lernen, dass durch Zusammenhalt vieles, fast alles überwunden werden kann. Dass Liebe und Freundschaft helfen, Trauer zu besiegen, ebenso wie Sehnsucht, dass Wärme und Geborgenheit aus Zusammenhalt entstehen können.
Ein ganz wunderbarer, gefühlvoller Roman, der berührt, ohne tränenrührig zu sein.
Annie Lyons - Der Buchclub: Ein Licht in dunklen Zeiten
aus dem Englischen von Sabine Längsfeld
rororo, November 2023
Taschenbuch, 430 Seiten, 12,00 €

Bewertung vom 06.12.2023
Der Cocktailmörderclub / Phyllida Bright Bd.2
Cambridge, Colleen

Der Cocktailmörderclub / Phyllida Bright Bd.2


sehr gut

Ich habe ein Faible entwickelt für Kriminalromane, die zu einer Zeit spielen, als die Ermittler:innen noch nicht ständig an ihrem Mobiltelefon hingen, ganz einfach, weil es diese zu ihrer Zeit noch nicht gab. Daher habe ich auch schon den Vorgängerband „Die Dreitagemordgesellschaft“ mit großem Vergnügen gelesen.
Was auch vor allem an dem liebenswerten Personal lag, das die Autorin in ihrem Roman erschafft. Allen voran natürlich die Hauptfigur, Phyllida Bright, ihres Zeichens Haushälterin bei der berühmten Agatha Christie. Doch sie ist viel mehr, denn die beiden Frauen sind eng befreundet, was aber außer Agathas Ehemann Max im Haushalt niemandem bekannt ist.
Was dazu führt, dass insbesondere der Butler Mr. Dobble sich immer wieder über Phyllidas für eine Haushälterin unpassendes Benehmen und ihre unpassende Kleidung erregt. Doch diesmal ist er einigermaßen dankbar für ihre Initiative, denn ist es doch sein Freund, der unter Mordverdacht gerät.
Ermordet wurde ein Pfarrer der Gemeinde. Der Mord geschah während des Treffens des Detection Clubs, welcher die berühmtesten Kriminalschriftsteller des Landes zu seinen Mitgliedern zählt. Der Anlass ist ein „Mordfestival“, während dessen Verlauf die beste Kurzgeschichte der Autoren des Listleigher Mordclubs gekürt werden soll.
Aber dazu kommt es nicht wegen des erwähnten Todesfalls. Es hat den Anschein, dass der Verblichene gar nicht das vorgesehene Opfer war, sondern der Giftanschlag einer anderen Person galt. Phyllida beginnt zu ermitteln, sehr zum Ärger des Inspectors, der sich ihrer aber weder erwehren noch ohne sie am Ende die Tat aufklären kann.
So unterhaltsam der erste Band war, so viel Spaß hat man einerseits auch an diesem Kriminalfall. Vor allem, weil die Figuren herrlich dargestellt sind in ihrer typisch englischen Verschrobenheit. Und weil der Fall wunderbar verzwickt und damit einer Agatha Christie durchaus würdig ist. Andererseits aber gibt es viele endlose Dialoge, die die Handlung wenig voranbringen, so dass diese sich an manchen Stellen etwas zäh dahinzieht. Eine Straffung, eine Kürzung mancher Szene wäre hier der Spannung und damit dem Lesespaß zuträglich gewesen.
Dennoch hoffe ich auf eine Fortsetzung der Reihe, denn Phyllida Bright wächst beim Lesen ans Herz. Und sie hat immer noch ihr Geheimnis, das man ja nun doch gerne endlich einmal erfahren würde.
Colleen Cambridge - Der Cocktail Mörder Club
aus dem Englischen von Angela Koonen
Lübbe, Oktober 2023
Gebundene Ausgabe, 381 Seiten, 18,00 €

Bewertung vom 27.11.2023
Die Bibliothek im Nebel
Meyer, Kai

Die Bibliothek im Nebel


ausgezeichnet

Wie schon in seinem Roman „Die Bücher, der Junge und die Nacht“, der letztes Jahr ein absolutes Highlight für mich war, dreht sich auch sein neues Buch um Bücher, um Bibliotheken, um die Liebe zu Büchern und um die Bücherstadt Leipzig. Auf drei Zeitebenen, atmosphärisch dicht, hochspannend und voller Emotionen erzählt Kai Meyer vom Schicksal der Menschen, die ihr Leben Büchern widmen.
Im Jahr 1917 folgen wir dem jungen Artur in Russland auf seiner Flucht vor der Revolution, vor den Verfolgern, die seine Familie ausgelöscht haben. Es gelingt ihm, mit einem Schiff nach Deutschland zu fliehen. Er lernt Grigori kennen – dem wir bereits im letzten Buch begegnen konnten – der ihm ein Freund wird. Arturs Ziel ist Leipzig, wo er Mara treffen will, seine große Liebe. Sie war von seiner Tante adoptiert worden und sollte nun in Leipzig den Sohn eines reichen Verlegers heiraten.
1928 begegnen wir der elfjährigen Liette. Ihren Eltern und ihrem Onkel gehört ein großes Hotel an der Côte d'Azur, in welchem das Mädchen den Sommer verbringt. Sie leidet an einer besonderen Krankheit und darf daher tagsüber das Haus nicht verlassen, damit ihre Haut keine Sonne abbekommt. Liette findet eines Tages beim Spielen auf dem Dachboden das Gepäck mehrerer Russen, die vor dem ersten Weltkrieg viele Male im Hotel Urlaub machten. Dabei entdeckt sie ein geheimnisvolles Buch. Liette interessiert sich auch sehr für die benachbarte Villa am Meer, die seit vielen Jahren leer steht und in der sie eine große Bibliothek gesehen hat.
Und schließlich im Jahr 1957 führt die inzwischen erwachsene Liette das Hotel als Eigentümerin. Sie beauftragt den ehemaligen deutschen Journalisten Thomas Jansen, die Besitzerin dieser Villa ausfindig zu machen, denn Liette möchte das Haus und besonders die Bibliothek retten.
Die Schicksale all dieser Menschen sind eng miteinander verwoben. Ihre Geheimnisse sind gefährlich, manchmal lebensgefährlich. Und alles dreht sich am Ende um Bücher. Dabei spielt ein besonderes Buch, welches Mara gehört hatte, eine ganz spezielle Rolle. Überhaupt ist es Mara, die das Bindeglied ist zwischen all diesen Menschen, diesen Zeitebenen. Ihr Geheimnis vor allem macht all diese Geschichten so dramatisch, so spannend und mysteriös, so mystisch.
Kai Meyer gelingt es auf geradezu geniale Weise, die Leserin in seinen Roman hineinzuziehen. Kaum hat man die erste Seite gelesen, kann man das Buch nicht mehr zur Seite legen. Er ist ein Meister im Erschaffen dieser ganz besonderen Atmosphäre, im Vermitteln dieser Anziehungskraft von Büchern, von gedruckten Worten und Gedanken. Seine Beschreibungen der Handlungsorte machen diese fast greifbar, man meint, die Regale voller Bücher im Haus in St. Petersburg, die dunklen gefährlichen Gassen Leipzigs und die hohen Klippen der Côte d'Azur vor sich zu sehen. Seine Figuren sind so lebendig, dass man mit ihnen fühlt, atmet, leidet.
Es ist ein Epos voller Wucht und Kraft, voller Emotionen und voller Ehrfurcht vor Büchern und allen, die sie erschaffen. Doch anders als im vorigen Roman hat dieses Buch auch seine Längen, wenn ausführliche, langatmige Erklärungen die Handlung unterbrechen. Aber das übersieht man gerne in einem so hervorragenden, unbedingt lesenswerten Roman.
Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel
Knaur, November 2023
Gebundene Ausgabe, 556Seiten, 24,00 €