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Verena

Bewertungen

Insgesamt 164 Bewertungen
Bewertung vom 24.02.2021
Hard Land
Wells, Benedict

Hard Land


ausgezeichnet

“Worte (…) waren nicht so leicht zu durchschauen, dafür konnte man in ihnen etwas finden, das tröstete und einem das Gefühl gab, nicht allein zu sein.”

An seine Vorgänger kommt “Hard Land” nicht ran, allerdings hängt die Messlatte da sehr hoch. Die die 2. Hälfte des Romans gehört sicher zu den grandiosesten Dingen, die Wells bisher geschrieben hat, allerdings ist mir der 1. Teil, eine Homage an die Coming-of-Age Filme der 80er, zu repetitiv. Zwar gut geschriebene, jedoch sehr Genre-stereotypische Szenen reihen sich aneinander (und nicht alle Aspekte dieser Filme sind gut gealtert). Wells gibt sich Mühe, den heutigen Zeitgeist einfließen zu lassen ohne dabei das Eighties-Feeling zu zerstören. Gut gelungen ist das bei Cameron und Hightower, weniger gut bei Kirstie, deren Verhalten Sam gegenüber manchmal etwas nervt – hinter der taffen Fassade steckt ein unsicheres Mädchen, doch wie der verliebte Sam mit sich spielen lässt, hätte gern ein 80s Klischee bleiben dürfen. Gerade bei der finalen Szene, nachdem Kirstie ihm ein Jahr lang zeigte, dass sie nur dann Interesse an Kontakt hat, wenn es gerade in ihr Leben passt, hätte ich mir von Sam weniger Passivität, ein bisschen mehr Selbstachtung gewünscht, v.a. nach der Entwicklung die er zuvor, in der 2. Hälfte des Romans, durchmacht. Der Tod der Mutter trennt die beiden Hälften, funktioniert auch als Trennung zwischen Sams Kindheit und dem Erwachsenwerden, denn über Nacht ist er plötzlich alleine mit dem Vater, dessen Beziehung zu Sam wegen seiner eigenen Kindheit kompliziert ist, der mindestens genauso hilflos ist in seiner Trauer wie Sam. Und dann ist da so viel Wut, so viel Angst in Sam. Es ist berührend mitzuerleben, wie Sam lernt, damit umzugehen, sei es durch die langsam wachsende Beziehung zum Vater (großartig!), Rat eines aufmerksamen Lehrers oder durch sein kreatives Outlet, die Musik. Toll entfalten sich auch die Freundschaften, die er in dieser Zeit aufbaut/vertieft. Sprachlich ist Wells ja sowieso ein Genie und im 2. Teil konnte ich den Bleistift gar nicht mehr weglegen, so viele Stellen gab es zu markieren. Im ganzen Roman schafft er es, eine dem Alter des Protagonisten angemessene Sprache zu finden, ohne dabei auf Tiefgang zu verzichten.

Bewertung vom 22.09.2020
Keeping Faith - Farben der Liebe / Love Again Bd.1
Wedekind, Rebekka

Keeping Faith - Farben der Liebe / Love Again Bd.1


ausgezeichnet

Eine schöne Liebesgeschichte, die fast ein bisschen zu erwachsen ist für die Genre-Bezeichnung New Adult. Es ist die Geschichte von Ben & Faith, die sich in Chicago als Nachbarn begegnen und nicht unbedingt den besten Start haben. Erzählt wird aus Bens Perspektive und mit der Zeit entwickeln sich seine Gefühle gegenüber Faith von anfänglichem Genervtsein über Anziehung bis hin zu Liebe. Dank seines Charmes hatte Ben bisher nie Probleme bei Frauen, doch bei Faith stößt er gegen eine Mauer. Obwohl die beiden bald miteinander schlafen, gibt Faith nichts von sich preis. Ben hingegen wünscht sich nach und nach mehr als ein rein körperliches Arrangement, versucht sie an seinem Leben teilhaben zu lassen, stellt ihr Freunde & Familie vor. Faith hingegen zieht sie sich manchmal regelrecht zurück, wenn es ihr zu nah, zu intim wird. Einzig über die Bilder, die sie malt & die Farbkleckse, mit denen sie oft überdeckt ist, lassen Ben vermuten, wie bunt es in ihrem Inneren brodelt.
Vor allem bei Liebesromanen stört es mich meist, wenn Dinge zu übertrieben dargestellt werden und dadurch künstlich Dramen konstruiert werden. In Keeping Faith gibt es natürlich auch eine dramatische Erkenntnis, als Ben endlich Faiths Geheimnis kennenlernt. Rebekka Wedekind übertreibt aber nie, lässt es immer ganz natürlich wirken und: sie weiß wovon sie schreibt und das merkt man. Faith hat gegen Ende einen kleinen Monolog & der ist ganz wunderbar und zeigt einerseits, wie reflektiert die Autorin an das Thema herangeht und andererseits, wie gut sie es in Worte fassen kann.⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀
Für meinen Geschmack hätte gerne das letzte Drittel des Romans länger ausfallen dürfen, aber ich glaube, Fans des Genres kommen zuvor auch schon gut auf ihre Kosten.

Bewertung vom 22.09.2020
Saving Grace - Flammen der Liebe / Love Again Bd.2
Wedekind, Rebekka

Saving Grace - Flammen der Liebe / Love Again Bd.2


ausgezeichnet

Der 2. Teil der Love Again Reihe von Rebekka Wedekind begleitet Grace, der in Teil 1 als Nebenfigur ein folgenschwerer Fehler unterlaufen ist, zurück in ihre Heimatstädtchen. Hier muss sie einen Neustart wagen, sowohl beruflich als auch privat. Der begangene Fehler lässt ihr dabei aber keine Ruhe, sie ist vor allem bei Ausübung ihrer medizinischen Tätigkeit voller Selbstzweifel und muss lernen, mit der Vergangenheit zurechtzukommen.
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Sie trifft auf Lex, den besten Freund ihrer großen Schwester und bald entwickeln sich zwischen den beiden Gefühle, allerdings hat auch Lex ein Geheimnis aus der Vergangenheit, das ihn und die Beziehung zu Grace plagt...
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Trotz der dunklen Vergangenheit der Protagonisten schafft es die Autorin, ihre Leser*innen locker flockig mit durch ihre New Adult Lovestory zu nehmen. Eigentlich ja nicht mein präferiertes Genre, aber „Saving Grace“ habe ich an einem Abend durchgelesen. Für mich persönlich hätte zwar das dramatische Ereignis als Höhepunkt (ganz spoilerfrei :D) nicht sein müssen, da es ja bereits zuvor zwei dramatische Wendungen gab, aber ich glaube Fans des Genres kommen gerade dadurch gut auf ihre Kosten :D

Bewertung vom 22.09.2020
Volkswagen Blues
Poulin, Jacques

Volkswagen Blues


gut

Ich bin hin- und hergerissen. Im Roadnovel Volkswagen Blues spricht der frankokanadische Autor Jacques Poulin wichtige Themen an, schöpft aber ihr Potential nicht aus. Würde der 1984 erschienene Roman auch heute noch zu einem modernen Klassiker werden & Preise erhalten? Ich bezweifle das.
Jack Waterman, Schriftsteller in einer Schaffenskrise, sucht nach seinem Bruder Théo, den er seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hat. Einziger Anhaltspunkt ist eine Postkarte, aufgegeben in Gaspé im Osten Québecs. Hier trifft er auf Pitsémine, Große Heuschrecke genannt, die eine indigene Mutter hat. Sie schließt sich Jack an & gemeinsam durchqueren sie den nordamerikanischen Kontinent, Großteils entlang des Oregon-Trails, den im 19. Jhd. die Pioniere zurücklegten.
Jacks Suche nach Théo scheint vielmehr eine Suche nach der eigenen Identität zu sein. Dabei hält er sich an Kindheitserinnerungen fest: Théo verehrte ruhmreiche Pioniere. Jack muss während der Reise allerdings den Fall dieser Helden verarbeiten – die Große Heuschrecke spricht immer wieder die Gräuel an, die diese vermeintlichen Helden der indigenen Bevölkerung Amerikas angetan haben. Die teils längeren Monologe werden von Jack völlig unkommentiert im Raum stehen gelassen, er nennt sie „Unwetter“. Mir ist nicht klar geworden, ob das von Poulin gewollt war, oder ob er – wie Jack – unfähig ist, den Verbrechen seiner Vorfahren eine Reaktion entgegenzubringen? Auch Pitsémine wirkt dadurch unausgeschöpft, wo doch die Figur so interessant ist! Sie fühlt sich ausgeschlossen, weder weiß noch indigen. Schade, dass auch diese innere Zerrissenheit beinahe komplett unkommentiert bleibt.
Viel mehr Gewicht legt Poulin bei seiner weiblichen Protagonistin auf ihre „Offenherzigkeit“. Ein junges Mädchen, das ohne Fragen zu einem deutlich älteren Mann in den VW-Bus steigt & mit ihm monatelang den Kontinent durchquert, sich dabei regelmäßig vor ihm & anderen Männern auszieht. All das wird als komplett normales Verhalten dargestellt – so kann das nur von einem Mann geschrieben worden sein & erinnerte mich stark an ein von mir verhasstes Buch. Einzig Jacks Unbeholfenheit im Umgang mit Frauen hat die Situation leicht gerettet, aber wirklich besser macht es das Gesamtbild nicht. Ich hatte mir deutlich mehr erwartet.