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sleepwalker

Bewertungen

Insgesamt 501 Bewertungen
Bewertung vom 06.04.2022
Talisker Blues
Laue, Mara

Talisker Blues


sehr gut

„Einmal Skyeman, immer Skyeman“ – deswegen kehr Kieran MacKinnon nach 20 Jahren Haft zurück in die Heimat. Und damit beginnt nicht nur Mara Laues Buch „Talisker Blues“, sondern auch seine eigene Reise. In die Vergangenheit, in die Zukunft und irgendwie auch zu sich selbst. Denn schließlich kann er sich an den Mord, den er damals begangen haben soll, gar nicht erinnern. Ja, das Rad hat die Autorin mit ihrem Buch nicht neu erfunden, dafür folgt sie zu sehr altbekannten Mustern. Aber sie hat mich mit dem Krimi bestens unterhalten und das ist genau das, was ich erwartet habe.
Aber von vorn.
1991 wurde auf der schottischen Insel Skye die 17jährige Allison tot aufgefunden. Der Täter ist schnell gefunden, denn halb auf der Leiche liegt ihr sturzbetrunkener 18jähriger Freund Kieran, das blutige Messer noch in der Hand. Niemand bezweifelt seine Schuld und er wird zu 20 Jahren Haft verurteilt, obwohl er sich an die Tat selbst nicht erinnern kann und sie immer wieder bestreitet. Seine Familie verstößt ihn, „Clan MacKinnon hat keinen Sohn Kieran mehr.“ Jetzt wurde er nach vollständiger Verbüßung entlassen und, obwohl ihm klar ist, dass ihn niemand mit offenen Armen empfangen wird, reist zurück in die Heimat. Außer seinem Bruder Paddy scheint sich niemand über seine Anwesenheit zu freuen, bis Kieran bei einer Wandung Catriona MacDonald trifft und ihr das Leben rettet. Die beiden kommen einander näher und dann passiert das Unfassbare: die Leiche einer Touristin wird gefunden. Daneben eine Flasche Talisker mit Kierans Fingerabdrücken. Und der sieht sich einem Déjà-Vu gegenüber, denn natürlich glaubt wieder keiner seinen Unschuldsbekundungen.
„Talisker Blues“ war mein erstes Buch von Mara Laue und ich muss sagen, dass es mich praktisch von der ersten Seite an gefesselt hat. Zwar ist die Spannung eher latent und unterschwellig und kommt auch ein bisschen langsam in Schwung, aber sie ist dennoch ständig vorhanden. Der Hass, der Kieran bei seiner Heimkehr vor allem aus der eigenen Familie entgegenschlägt, ist fast körperlich zu spüren. Ihn hat die Autorin für mich fast noch besser eingefangen und beschrieben als die Landschaft und die allgemeine Atmosphäre auf Skye. Zwar bin ich ziemlich schnell dahintergekommen, wo die Geschichte hinführen wird, aber sie hat mich trotzdem nie gelangweilt und vor allem gegen Schluss fand ich sie wirklich packend und konnte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen.
Sprachlich fand ich das Buch auch sehr gut zu lesen, es sind zwar ein paar holprige Stellen in der Übersetzung, aber den Einbau der gälischen Sätze (die Übersetzungen finden sich im Glossar) fand ich wirklich gelungen. Erzählt wird die Geschichte in zwei Zeitebenen, die Gegenwart spielt 2011 (das Buch erschien 2013), der andere Strang spielt 1991, was klar an den Kapitelüberschriften erkennbar ist. Sehr interessant fand ich die Sitten und Gebräuche der schottischen Clans, die die Autorin beschreibt. Vor allem der ausgeprägte Familiensinn hat mich tief berührt. Die Charaktere sind etwas klischeehaft und sehr stereotyp: entweder zu gut, um wahr zu sein oder böse. Es gibt nichts dazwischen, was ich etwas schade fand. Aber die psychologischen Probleme, mit denen sich Kieran herumschlägt fand ich sehr gut beschrieben. Wie findet man sich in Freiheit zurecht, wenn man länger im Gefängnis war als draußen? Wie geht man mit Hass und Misstrauen um? Kurz: Wie findet man wieder zurück ins Leben? Antwort in diesem Buch: indem man eine herzensgute Frau trifft, die einem vom ersten Moment an vertraut. Nicht sehr realistisch, aber dennoch nicht unmöglich und natürlich durchaus romantisch.
Alles in allem fand ich das Buch aber gut konstruiert, gut geschrieben, spannend mit ein bisschen Lokalkolorit und der Bildungsauftrag bezüglich schottischer Clans ist auch erfüllt. Wegen der sehr vorhersehbaren Geschichte und den stereotypen Charakteren ziehe ich einen Punkt ab. Von mir also vier Sterne.

Bewertung vom 04.04.2022
Grabesstern / Heloise Kaldan Bd.3
Hancock, Anne Mette

Grabesstern / Heloise Kaldan Bd.3


sehr gut

Nach „Leichenblume“ und „Narbenherz“ ist „Grabesstern“ von Anne Mette Hancock der dritte Teil der Serie um die Investigativjournalistin Heloise Kaldan und Kriminalkommissar Erik Schäfer. Das Buch ist vielschichtig und spannend, hat einige unerwartete Wendungen und ist alles in allem ein solider Krimi. Obwohl es der dritte Teil ist, kann man das Buch natürlich auch ohne Vorkenntnisse lesen, alles Notwendige wird aufgegriffen, sodass es keine Verständnisprobleme gibt. Das einzige Manko ist, dass sich für mich wieder einmal bestätigt hat, dass ich Bücher besser im Original lesen sollte, denn die deutsche Übersetzung machte mir aufgrund handwerklicher Schwächen wesentlich weniger Freude als die dänische Fassung. Aber alles in allem fand ich das Buch besser und spannender als den Vorgänger.
Aber von vorn.
Heloise Kaldan, ihres Zeichens Investigativjournalistin, plant eine Artikelserie über Sterbebegleitung. Um es am eigenen Leib zu erleben, trifft sie den todkranken Jan Fischerhof und möchte ihn in seinen letzten Tagen und Wochen begleiten. Er ist unheilbar an Krebs erkrankt, zudem ist er dement. In einem klaren Moment offenbart er ihr ein grausames Geheimnis und weckt damit ihren kriminalistischen Spürsinn. Stecken hinter den wirren Aussagen des Sterbenden wahre Hinweise auf ein jahrealtes ungelöstes Verbrechen und zwei ebenso ungeklärte Vermisstenfälle? Um sich ein genaueres Bild zu verschaffen, reist Heloise von Kopenhagen ins eher beschauliche jütländische Sønderborg. Kommissar Erik Schäfer steht Heloise wie in den beiden anderen Teilen der Reihe mit Rat und Tat zur Seite und als die beiden sich dem Cold Case widmen, ist plötzlich nicht nur Heloise in höchster Gefahr.
Das Thema Sterbebegleitung fand ich für einen Krimi ungewöhnlich, aber in Zusammenhang mit Demenz wirklich gut verarbeitet. Denn eigentlich haben sterbende Menschen ja nichts mehr zu verlieren und können sich durch die Wahrheit erleichtern. Andererseits ist Jan Fischerhof dement, wieviel Wahrheitsgehalt steckt also in seiner Wahrheit? Diese Frage stellte sich für mich fast bis zum Schluss, den Anne Mette Hancock wirklich meisterhaft in eine (nicht nur für mich) völlig unerwartete Richtung drehte. Aber natürlich ist auch die eigentliche Krimi-Handlung ein zentrales Element, auch wenn sie erst verhältnismäßig spät beginnt. Der Anfang des Buchs ist ein bisschen wie das „Warten aufs Christkind“, denn, wer die Autorin kennt, weiß, dass irgendwann die Spannung einsetzen wird, die Frage ist nur, wann.
Die Charaktere sind, wie ich es von der Autorin gewohnt bin, gut ausgearbeitet und facettenreich beschrieben. Sowohl von Heloise Kaldan als auch von Erik Schäfer erfährt man ein bisschen aus dem Privatleben. Manchmal fand ich Heloises Art etwas anstrengend, sie ist sehr zielstrebig oder, weniger höflich ausgedrückt: nervig und übergriffig. Sprachlich fand ich das Buch eigentlich gut, die deutsche Übersetzung hat einige Schwächen, was mir die Lektüre ab und an vermiest hat. Das fand ich sehr schade, da hätte das Buch Besseres verdient. Auch weiß ich nicht, wie der Titel zustande kam, denn „Pitbull“ (so heißt das Buch im Original) passt wesentlich besser. Als Thriller würde ich „Grabesstern“ auch nicht wirklich bezeichnen, für mich war es eher ein bodenständiger Krimi. Die Geschichte ist natürlich trotzdem gut und spannend, wenn man die Fehler ausblendet, ist sie auch sehr gut zu lesen. Daher vergebe ich für die Geschichte fünf Sterne, wegen der Übersetzung ziehe ich einen ab, also gibt’s von mir insgesamt vier und ich freue mich jetzt schon auf einen vierten Band, denn vor allem in Bezug auf Heloise und ihre Vergangenheit sind noch sehr viele Fragen offen. Diesen Teil empfehle ich für alle Fans der Serie, von Dänemark oder von nordic noir Krimis.

Bewertung vom 31.03.2022
Tiefe Schluchten / Kommissar Konrad Bd.3 (eBook, ePUB)
Indriðason, Arnaldur

Tiefe Schluchten / Kommissar Konrad Bd.3 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dass ein packender Krimi keine übermäßige Gewalt oder Blutvergießen braucht, zeigt das neue Buch von Arnaldur Indriðason ganz deutlich. „Tiefe Schluchten“ lebt vielmehr von der Atmosphäre und verlangt dem Publikum einiges an Konzentration ab. Daher fand ich die Lektüre anstrengender als bei den meisten anderen Krimis. Zugegeben, er ist der einzige isländische Autor, der mir namentlich bekannt war, das Buch war allerdings mein erstes von ihm. Aber sicher nicht mein letztes, denn sein Stil und das feine Gespür für Zwischentöne haben mich beeindruckt und die Lektüre des Buchs zu etwas Besonderem gemacht. Die Geschichte an sich fand ich zwar gut konzipiert und spannend, aber das wahre Highlight für mich war die Fähigkeit des Autors, eine enorm düstere und bedrückende Atmosphäre zu schaffen.
Aber von vorn.
Eine Frau wird ermordet, ihre Wohnung verwüstet. Da auf ihrem Schreibtisch ein Zettel mit Konráðs Telefonnummer liegt, gerät er ins Visier der Ermittlungen. Schnell wird klar: die Tote hatte ihn vor einiger Zeit gebeten, ihr vor Jahrzehnten zur Adoption freigegebenes Kind zu suchen, was er allerdings abgelehnt hatte. So wie sie es offenbar bereute, das Kind weggegeben zu haben, bereut er nun, ihr ihren Wunsch abgeschlagen zu haben. Zumal er als Kommissar im Ruhestand auch Zeit gehabt hätte, nach dem Kind zu suchen, von dem sie selbst nicht einmal wusste, ob es männlich oder weiblich war. Die Polizei ermittelt im Mordfall und er macht sich aus schlechtem Gewissen und Langeweile auf die Suche nach dem inzwischen rund 50 Jahre alten „Kind“. Seine Ermittlungen sind sehr vielschichtig und schnell stößt er auf eine Hebamme, die wohl Schwangere überredete, ihre Kinder auszutragen und dann zur Adoption freizugeben. Konráðs größtes Problem bei seinen Nachforschungen ist allerdings, dass die meisten Beteiligten inzwischen verstorben sind. Er hat große Schwierigkeiten, überhaupt noch jemanden zu finden, der ihm weiterhelfen kann. Und dann ist ja da auch noch der Mord an seinem eigenen Vater, den er aufklären möchte.
„Tiefe Schluchten“ erinnerte mich beim Lesen ein bisschen an einen See. Augenscheinlich ruhig, die Handlung scheint sich lange überhaupt nicht zu tun, aber unter der Oberfläche bewegt sich ständig etwas. Aber ab und zu, so kam es mir vor, wirft jemand in Form von Ermittlungserfolgen einen Stein ins Wasser und es gibt schlagartig Wellen und die Handlung kommt voran. Manchmal scheint die Suche nach dem „verschwundenen Kind“ etwas aus dem Fokus zu geraten, vor allem, da Konráð auch noch im Cold Case um seinen ermordeten Vater ermittelt. Vermutlich habe auch nicht nur ich mich immer wieder gefragt, wie man denn nun eigentlich die isländischen Namen ausspricht. Und nicht nur die (in isländischen Buchstaben gesetzten) Namen waren gewöhnungsbedürftig, zumal alle immer geduzt werden und nur einen Vornamen haben (obwohl ich weiß, wie es in Island mit Vor- und Nachnamen funktioniert, hat es hat mich ab und zu irritiert).
Die Geschichte verläuft nicht linear, sondern eher im Zickzack auf der Zeitachse. Der Autor springt von der Gegenwart in die Vergangenheit (seine eigene, die des Opfers, die seiner Freundin Eygló oder die seines ermordeten Vaters) – wie gesagt: das Buch verlangt Konzentration und Mitdenken, das ist nichts für nebenbei. Und auch die oft verschachtelten Sätze sorgten dafür, dass ich einige Kapitel mehrfach lesen musste. Die Geschichte ist gut konzipiert. Die Gräben, die der Titel suggeriert sind in den Alltagsdramen häufig zu finden. Die Verkettung der Schicksale gelingt dem Autor meisterhaft, ich habe mich oft gefragt, wie er die verschachtelte Handlung zu einem stimmigen Ende bringen will. Die Übersetzung ist bis auf wenige sprachliche Fehler äußerst gelungen.
Ich vergebe für dieses überaus düstere Buch vier Sterne. Empfehlenswert ist es auf jeden Fall für alle, die ruhige, düstere und atmosphärisch packende Krimis mit intelligenten, engagierten und unnachgiebigen Ermittlern mögen.

Bewertung vom 21.03.2022
Gezeitenmord / Teit und Lehmann ermitteln Bd.1
Jürgensen, Dennis

Gezeitenmord / Teit und Lehmann ermitteln Bd.1


ausgezeichnet

2022 scheint ein Jahr der wirklich guten Krimis zu werden. Zumindest habe ich dieses Jahr schon einige wirklich gute Bücher dieses Genres gelesen. „Gezeitenmord“ von Dennis Jürgensen ist auf jeden Fall auch eines davon. Von der ersten Seite an hat der Krimi über die deutsch-dänische Zusammenarbeit von Lykke Teit und Rudi Lehmann mich gefesselt. Einzig die vielen Anglizismen haben mich gestört, aber das ist nur ein winziger Kritikpunkt in einer Fülle von Lob.
Aber von vorn.
Bei einer naturkundlichen Wanderung finden Lehrer Lasse Espersen und sein elfjähriger Schüler Villads im Watt an der Grenze zwischen Deutschland und Dänemark im dichten Nebel die vergrabene Leiche eines Mannes. Lasse wird von einem gesichtslosen hustenden Unbekannten niedergeschlagen, Villads verschwindet spurlos. Die junge Kopenhagener Polizistin Lykke Teit darf im Südjütländischen Grenzgebiet ihren ersten eigenen Fall leiten, zu ihrer Unterstützung wird ihr der wesentlich ältere und erfahrenere deutsche Kommissar Rudi Lehmann zur Seite gestellt. So harmonisch die Zusammenarbeit der beiden ist, so trügerisch scheint die Harmonie im Dorf, denn Villads ist nicht das erste Kind, das in Melum verschwunden ist. Vor über einem Jahr verschwand die sechsjährige Rosa ebenfalls spurlos. Pikant am aktuellen Fall ist, dass Lykke den Toten aus dem Watt kannte. Und dann werden noch die Leichen zweier im Dorf als eher zwielichtig angesehener Menschen gefunden und der Fall nimmt Fahrt auf. Aber wie passen die Fälle zusammen, und tun sie das überhaupt? Und was hat der inhaftierte pädophile Kannibale Peik Gravesen mit allem zu tun?
Ich liebe dänische Krimis wirklich sehr. Am liebsten lese ich sie im Original, wenngleich die Übersetzung dieses Buchs sehr gelungen ist. Der Übersetzer hat es geschafft, den feinen Sprachwitz genau zu erfassen und ich musste inmitten der Spannung oft schmunzeln. Auch die Animositäten zwischen den Dänen in Südjütland sowohl gegenüber den Deutschen als auch gegenüber der Polizistin aus Kopenhagen waren pointiert und genau getroffen, ebenso die kleineren internen Kompetenzgerangel unter den Polizisten. Das Buch ist flüssig zu lesen, obwohl mich die Anglizismen wie „point taken“, „no way“ oder „Don’t push it“ irgendwie stören. Allerdings sind sie im Original ebenso zu finden, daher kann man sie zumindest nicht dem Übersetzer ankreiden. Die Charaktere fand ich hervorragend ausgearbeitet und sehr plastisch beschrieben, vor allem die beiden Protagonisten sind mit allen Ecken, Kanten und ihrer eigenen Vergangenheit dargestellt. Da beide „ihr Päckchen zu tragen haben“ und jeder einen eigenen ungeklärten persönlichen Fall mitbringt, macht das Buch Lust und Neugier auf mehr. Dennis Jürgensen ist als „Wiederholungstäter“ bekannt, viele der 60 Bücher, die er in Skandinavien veröffentlicht hat, gehören zu Serien. Leider gibt es weder die Spukgeschichten für Kinder noch die Reihe um den Ermittler Roland Triel auf Deutsch, „Gezeitenmord“ das erste seiner Bücher, das in der Übersetzung erschienen ist. Vielleicht kommt da ja mehr nach – ich würde mich freuen.
Für mich war „Gezeitenmord“ auf jeden Fall ein Erfolg auf ganzer Linie und daher vergebe ich fünf Sterne und empfehle dieses Buch jedem Scandi Noir-Fan.

Bewertung vom 16.03.2022
Violas Versteck / Tom Babylon Bd.4
Raabe, Marc

Violas Versteck / Tom Babylon Bd.4


ausgezeichnet

Wow. Einfach nur wow. „Violas Versteck”, der vierte und letzte Teil von Marc Raabes Reihe um Tom Babylon hat mich einfach nur komplett überrollt. Noch jetzt, ein paar Stunden nach Lektüre der letzten Seite fühle ich mich, als hätte mich ein LKW überfahren. Das Buch ist auf den ersten Blick konzeptionell ein heilloses Durcheinander, inhaltlich aber einer der mit Abstand rasantesten und spannendsten Thriller, die ich in der jüngeren Vergangenheit gelesen habe. Ich habe mich sehr auf das Buch gefreut und wurde zu keiner Zeit enttäuscht.
Aber von vorn.
Auch im vierten Band der Serie sucht LKA-Ermittler Tom Babylon seine seit über 20 Jahren verschwundene Schwester Viola. Dieses Mal führt ihn die Suche nach England. Wieso, weiß er allerdings nicht mehr, denn er wurde nackt in einem Müllcontainer in einem Londoner Hinterhof gefunden und hat sein Gedächtnis verloren, an die Ereignisse der vergangenen vier Wochen kann er sich nicht erinnern. Das hindert ihn allerdings nicht daran, seine Nachforschungen wieder aufzunehmen. Dieses Mal steht ihm seine behandelnde Ärztin Jillian Harris zur Seite, denn auf Sita Johanns kann er nicht zählen. Diese gerät beim Versuch, ihn bei den Ermittlungen zu unterstützen, in eine psychiatrische Einrichtung und hat mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen. Denn dort ist auch ihr alter Widersacher, der ehemalige Berliner LKA-Chef Dr. Walter Bruckmann. Und obwohl dieser ohne Kontakt zur Außenwelt eingesperrt ist, passieren Morde, die eindeutig seine Handschrift tragen. Und wieder einmal sind alle, aber wirklich ausnahmslos alle Menschen rund um Tom Babylon in größter Gefahr.
Das Buch hat mich von der ersten Seite an gepackt und nicht mehr losgelassen. Allerdings muss ich dazu sagen, dass für mich das Konzept mit den vielen Zeitsprüngen nicht aufgegangen ist, ich habe die „vier Tage zuvor“ – „zehn Tage später“ usw. Hinweise einfach überlesen und bin mit dem Plot trotzdem zurechtgekommen, die Zeitangaben haben für mich nur eine sehr untergeordnete Rolle gespielt. Zwar geben die Sprünge der Geschichte noch einen Hauch mehr Pfiff und Rasanz, manchmal fand ich sie aber auch verwirrend, da ich mir nie wirklich merken konnte, was wie aufeinander folgte. Das tat aber der Spannung keinen Abbruch. Zudem ist die Geschichte inhaltlich so dicht und vollgepackt, dass ich mich wie in einem Strudel oder einem Sog fühlte, der mich immer schneller werdend in Richtung Ende zog.
Da die Geschichte aber so aufgebaut ist, dass das Publikum vollkommen das Gespür für Wahrheit und Realität verliert, wusste ich oft nicht, wem ich eigentlich trauen konnte. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und beschrieben, die „Bösen“ vielleicht manchmal ein bisschen zu plakativ gezeichnet, aber immer durchaus gekonnt und dreidimensional. Die Sprache ist alltagsnah, das Buch ist flüssig zu lesen, allerdings muss man sich darauf einlassen, dass es nicht linear geschrieben ist, sondern die Handlung eher im Zickzack verläuft. Dann ist aber die Spannung konstant hoch, der Schluss absolut stimmig und der Autor schafft es, sämtliche lose Enden aus allen vier Teilen zu verknüpfen und alles zu einem befriedigenden Abschluss zu bringen. Davor ziehe ich bei (wie der Autor selbst sagt) insgesamt über 2000 geschriebenen Buchseiten wirklich den Hut.
Für mich war „Violas Versteck“ ein echter Pageturner und eine rasante Achterbahnfahrt (unter anderem auch durch Teile Londons, die ich gut kenne). Von mir daher fünf Sterne und eine echte Lese-Empfehlung, die natürlich auch für die ersten drei Teile der Serie gilt.

Bewertung vom 10.03.2022
Kalter Fjord
Nordby, Anne

Kalter Fjord


ausgezeichnet

Wie können Ermittlungen gegen eine rechtsradikale Gruppierung und deren Waffengeschäfte mit einem 20jährigen Abiturjubiläum verknüpft sein? Eigentlich vermutlich gar nicht. Dass das aber der Grundstoff für einen rasanten Thriller sein kann, beweist Anne Nørdby mit ihrem neuen Buch „Kalter Fjord“ und legt damit den dritten Teil um den Skanpol-Ermittler Tom Skagen vor. Und nimmt ihr Publikum nicht nur mit auf eine Kreuzfahrt, sondern auch auf eine Reise in Gewalt, verklärte Ideologien und Flashbacks.
Aber von vorn.
Tom Skagen und seine Skanpol-Kollegen ermitteln in einem sehr komplexen und enorm heiklen Fall: in einer Kooperation zwischen Skanpol, Europol und den norwegischen Behörden sind sie einer Gruppierung namens „Åsgards Sønner“ auf der Spur, die im großen Stil Waffen nach Norwegen schmuggeln. Auch ein möglicher großer Anschlag auf norwegischem Boden steht im Raum, schließlich scheint die Gruppe den norwegischen Attentäter Anders Breivik zu verehren, den Mann, der 2011 auf der Insel Utöja 69 Menschen erschossen hat und durch eine Bombe im Regierungsviertel von Oslo acht Menschen tötete. Der Einsatz von Skagen und seinem Team geht allerdings schrecklich schief und seine Chefin versetzt ihn, um etwas Ruhe in die Ermittlungen zu bekommen, auf ein Kreuzfahrtschiff. Auf diesem ist auch eine große Gruppe ehemaliger Schüler eines Hamburger Internats, die ihr 20jähriges Abiturjubiläum feiert. Innerhalb dieser Gruppe kochen alte Freund- und Feindschaften wieder hoch und plötzlich wird einer aus der Runde vermisst. Und als dann seine Leiche auf dem Kutter eines norwegischen Fischers im wahrsten Sinne des Wortes „aufschlägt“, wird aus der lustigen Seefahrt mit „alten Freunden“ bitterer Ernst und Tom Skagen, gefangen zwischen Ermittlungsarbeit und Flashbacks, muss sein ganzes Können und Wissen aufbieten, um alles aufzuklären.
Wow. Was für ein Fall, dachte ich beim Lesen des neuen Buchs von Anne Nørdby. So sehr ich mich über das Wiedersehen mit Tom Skagen gefreut habe – in diesem Buch wird so viel von ihm abverlangt, dass er mir einerseits (vor allem wegen seiner vielen Flashbacks, die auf dem Kreuzfahrtschiff noch viel schlimmer sind als sonst) leidtat, andererseits fand ich seine Genialität manchmal fast unrealistisch. Aber alles in allem stimmt für mich die Balance, das Buch ist absolut ausgewogen: genau die richtige Menge an Sympathen und Unsympathen, an Privatleben und Ermittlungen, an Erzählungen mit Tom Skagen im Mittelpunkt und denen, die sich um andere Charaktere drehen. Skagen selbst muss sich etwas mehr öffnen als in den Vorgängerbänden, was ihn mir noch nähergebracht hat, als er ohnehin schon war. Das Buch ist zwar in sich abgeschlossen und sicherlich als Einzelband lesbar und verstehbar, aber das „große Ganze“ braucht dann doch die beiden ersten Teile auch. Für mich war der Bezug auf den norwegischen Attentäter Breivik ganz besonders pikant, da just in dem Moment, als ich das Buch las, über dessen Bewährung verhandelt wurde.
Sprachlich ist das Buch flott geschrieben und gut zu lesen. Leider sind mir verhältnismäßig viele Rechtschreib- und Grammatikfehler aufgefallen, was mir den Lesegenuss etwas verdorben hat. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, wenn auch manche, vor allem die Unsympathischen, etwas plakativ gezeichnet. Die Landschaft entlang der norwegischen Küste ist rau, aber sehr verlockend beschrieben.
Alles in allem war das Buch für mich eine absolut fesselnde Lektüre mit heiklen und völlig unterschiedlichen Themen (rechtsgerichtete Waffenschieber und Mobbing unter Schülern, das sich bis ins Erwachsenenalter zieht). Von mir daher fünf Sterne und eine klare Lese-Empfehlung.

Bewertung vom 07.03.2022
Brunnenstraße
Sawatzki, Andrea

Brunnenstraße


ausgezeichnet

Andrea Sawatzki kannte ich bislang als Schauspielerin und als Verfasserin der eher launigen Reihe rund um „Familie Bundschuh“. Jetzt hat sie mit ihrem neuen Buch „Brunnenstraße“ ein autofiktionales Werk vorgelegt, das seine Leserschaft bewegt, berührt und oft fassungslos zurücklässt. Ein Werk, das vermutlich nur Menschen nicht vor Abscheu zurückschrecken lässt, die Ähnliches erlebt haben wie die Autorin. Sie liest das Hörbuch, auf das ich mich beziehe, selbst, was der Geschichte noch mehr Tiefgang beschert, sei es bei den eher grausamen Momenten oder bei den schönen, bei denen sie mit hörbarem Augenzwinkern auch mitreißende Freude oder kindliche Unschuld und Naivität präsentiert.
Aber von vorn.
Andrea Sawatzki wurde 1963 als uneheliches Kind einer Krankenschwester geboren, ihr Vater war ein verheirateter Journalist, der viel älter war als die Mutter. Obwohl er Affäre und Kind vor seiner von Depressionen geplagten Ehefrau geheim hielt, unterstützte er die Geliebte und allen war klar: wenn seine Frau nicht mehr lebt, ziehen sie zusammen. Und das taten sie auch, als Andrea Sawatzki acht Jahre alt war. Nach dem Suizid von Günther Sawatzkis Ehefrau zogen sie und ihre Mutter vom schwäbischen Vaihingen/Enz in die Brunnenstraße nach Bayern. Aber schnell legten sich dunkle Wolken über das neue Familienleben. Der Vater hatte keine Arbeit mehr und war verschuldet, die Mutter musste wieder als Krankenschwester arbeiten und war fortan nachts außer Haus. Und nach und nach wurde allen klar, dass die Zerstreutheit des Vaters einen Grund hat: Alzheimer. Andrea Sawatzki übernahm als Kind die Versorgung des Vaters, eine Rolle, die viele Erwachsene überfordert. Und mit Fortschreiten der Krankheit wünschte sie sich nichts sehnlicher als seinen Tod.
Dieses vehemente Hoffen auf sein baldiges Ableben mag manche Teile des Publikums abstoßen. Aber mich persönlich beeindruckt die Geduld von Andrea, die nur ab und zu gegen Ende Risse bekommt. Sie, die sich jahrelang nur gewünscht hat, von ihm geliebt zu werden, beginnt, den Vater anzuschreien, ihn sogar an einen Sessel zu fesseln. Die Mutter weigert sich, den Vater ins Heim zu geben – und erwartet von der Tochter etwas für einen so jungen Menschen schier Übermenschliches. Wenn die Mutter nachts arbeitet oder tagsüber schläft, übernimmt das Kind alle Aufgaben. Es schneidet dem Vater Haare und Fußnägel und nimmt hin, dass er es verprügelt. Überhaupt wird in dem Buch sehr viel geschlagen, vor allem Ohrfeigen bekommt Andrea als Strafe oder erzieherische Maßnahme ständig.
Das Fortschreiten der Demenz beschreibt sie sehr anschaulich, ich kann es aus eigener Erfahrung nachvollziehen. Der Altersunterschied zwischen ihr und ihrem Vater entspricht ziemlich genau dem von meiner Mutter zu deren Vater und auch charakterlich sind sich die Männer ähnlich. So mochte ihr Vater nicht, dass sie schwäbisch sprach („Das heißt nicht die wo!“) und deklinierte lateinische Vokabeln. Andrea fühlt sich von ihm nie geliebt, obwohl sie inzwischen weiß, dass er sie wohl geliebt haben muss. Die Autorin zitiert ein paar Briefe des Vaters an die Mutter, in der er so liebevoll schreibt, dass es ein Jammer ist, dass sie ihn nie so kennenlernen konnte, wie er vor der Krankheit war.
Ich rate jedem, der das Buch lesen oder hören möchte, vorher in sich zu gehen. Das Buch ist keine leichte Kost, Gewalt wie Ohrfeigen oder eine Tracht Prügel sind eher die Regel als die Ausnahme, Gewalt gegenüber Tieren kommt darin vor und eine stetige Überforderung eines Kindes, die meiner Meinung nach an Kindeswohlgefährdung grenzt und mir beim Hören Gänsehaut machte. Vielleicht war das ja in den 1970er Jahren üblich, das kann ich nicht beurteilen, dafür bin ich zu jung. Aber solche Themen können schon mal triggern. Für mich war das Hörbuch enorm bewegend und traf mich tief ins Herz. Von mir daher ganz klare fünf Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.03.2022
Walter muss weg / Frau Huber ermittelt Bd.1
Raab, Thomas

Walter muss weg / Frau Huber ermittelt Bd.1


weniger gut

Zu Thomas Raabs „Walter muss weg“ bin ich eher zufällig gekommen. Eigentlich habe ich es mir nur deshalb ausgesucht, weil mein Mann Walter heißt. Nicht, dass dieser wegmüsste, aber, naja. Bei dem Buch war ich mir auf jeden Fall lange nicht sicher, ob es nicht auch wegmuss. Selten bin ich so schlecht in ein Buch hineingekommen, wie in dieses. Dabei fand ich die Idee hinter der Geschichte wirklich gut.
Aber von vorn.
Die 70jährige Hannelore Huber wohnt im (fiktiven) Ort Glaubenthal und hat nach 53 Ehejahren ihren Mann Walter verloren. Jetzt möchte sie ihn beerdigen, so wirklich traurig ist sie nicht über sein Dahinscheiden. Und dann die Überraschung: im Sarg liegt bei der Beisetzung nicht ihr Mann, sondern der Bestatter selbst. Und der Rest des Buchs handelt von der Suche nach der „richtigen“ Leiche und den Hintergründen.
Es war mein erstes Buch von Thomas Raab, vermutlich aber auch mein letztes. Ich konnte mich weder mit seiner Sprache noch mit dem Aufbau des Textes so wirklich anfreunden. So tat ich mich mit Aufzählungen (durchnummeriert oder mit „Bullet-Points“) oder gar einer Tabelle zur Bildung des grammatikalischen Passivs in einem Roman/Krimi wirklich schwer. Und sowohl sein Satzbau als auch die Länge seiner Sätze machten mir die Lektüre nicht einfacher. Es gibt hauptsächlich entweder sehr lange verschachtelte Sätze oder hingeworfene Fragmente. Dieses Buch erfordert sehr viel Konzentration beim Lesen und ich war ein paar Mal kurz davor, die Lektüre abzubrechen.
Die Charaktere waren zahlreich und schrullig, mir aber alles in allem zu blass und eindimensional. Einige der beschriebenen Charaktere sind sehr gut gelungen, vor allem natürlich die Hauptfigur, aber auch der zehnjährige Kurti und die fünfjährige Amelie, letztere war mit ihrer altklugen Art ein Lichtblick für mich. Andere Figuren bleiben aber leider recht blass, da legt der Autor sehr viel Augenmerk auf Schrullen und insgesamt fiel es mir schwer, die vielen Personen auseinander zu halten. Vor allem der Dorfpolizist und der Bürgerdoktor waren für mich einfach nur nervig. Und wo Frau Huber wirklich „ermittelt“ kann ich auch nicht sagen, hauptsächlich unterhält sie sich mit unzähligen Leuten.
Für einen Krimi fand ich das Buch auch sehr schwach auf der Brust. Wirkliche Spannung kam für mich nicht auf, eher Langeweile und Verwirrung, oft verlor ich den Faden, musste zurückblättern und nachlesen. Als Persiflage auf einen Krimi taugt das Buch für mich allerdings auch nicht, dafür ist es zu durcheinander, die Personen zu blass und die Handlung zu träge. Ich bin ein großer Freund schwarzen Humors, manchmal brachte mich das Buch auch zum Lachen, aber eher selten. Denn der Grat zwischen schwarzem Humor und Verbitterung ist sehr schmal und für mich hat der Autor den Ton allzu oft nicht getroffen und rutscht in einen eher schalen Witz ab.
Alles in allem habe ich das Gefühl, der Autor hat einfach zu viel gewollt und das Buch hoffnungslos überladen. Schade. Denn die Idee ist wirklich toll und das Buch hätte das Potential zum echten Highlight gehabt. Einzig der Schluss konnte mich wirklich begeistern, was aber nach 58 Kapiteln meine Laune auch nicht mehr heben konnte. Von mir daher zwei Sterne und für den Rest der Serie kann die Huberin gerne ohne mich ermitteln.

Bewertung vom 02.03.2022
Nur noch eine Folge!
Mittermeier, Michael

Nur noch eine Folge!


ausgezeichnet

„In seinem Soloprogramm ZAPPED rauschte Michael Mittermeier vor 25 Jahren nur so durch die Kanäle.“ – haha, kann ja gar nicht sein, dachte ich. Ich habe das Buch zum Soloprogramm doch neulich erst gekauft. Und dann habe ich ein bisschen geweint. Selber alt, Herr Mittermeier! Aber sei’s drum. „Nur noch eine Folge!“ heißt das neue Buch des Comedians, mit dem er zu seinen Wurzeln zurückkehrt und auch viel Aktuelles verarbeitet. Und was soll ich sagen? Das Buch hat mich wirklich zum Lachen gebracht und das war etwas, was ich momentan wirklich dringend gebraucht habe.
Natürlich kannte ich einige der Passagen schon aus „Zapped – Ein TV-Junkie knallt durch“ und seinen Live-Programmen, aber trotzdem hat mich der Ausflug in die Fernsehwelt enorm gut unterhalten. Endlich ein Wiedersehen mit der dem Pärchen mit den Holzdeckenlamellen (Fans wissen, wovon ich spreche), dem Auslandskrankenschein und Lassie und den pupsenden Eichhörnchen! Inzwischen Mittermeier kifft auch neuen Fernsehstoff („Nostalgiefernsehkiffen ist gut für den Geist“. Immer noch.) Dank Streaming hat beispielsweise „Game of Thrones“ „Diese Drombuschs“ abgelöst. Natürlich kommt er auch in diesem Buch nicht an Corona-Pandemie und Lockdown vorbei, und Running-Gags aus dem Alltag dürfen auch nicht fehlen. So erklärt er unter anderem auch die Herkunft der Frage „wieso liegt hier eigentlich Stroh.“
Beim Lesen hatte ich bei jedem Satz Michael Mittermeiers Stimme und Tonfall im Kopf, was mir die Lektüre zusätzlich noch versüßt hat. Ich fand das Buch sehr gut zu lesen. Schön fand ich auch, wie viel er über seine Tochter schreibt und mit wie viel Ehrfurcht und Begeisterung er über seine Treffen mit Jerry Lewis und Leonard Nimoy (für diejenigen, die ihn nicht mehr kennen: er spielte in Star Trek den Mr. Spock) berichtet. Sein A bis Z von „Aktenzeichen xy ungelöst“ bis „Zapped“ brachte mich in düsteren Zeiten dankenswerterweise immer wieder zum Lachen. Daher von mir fünf Sterne und eine Lese-Empfehlung für alle, die dringend eine Aufmunterung brauchen.

Bewertung vom 01.03.2022
Enna Andersen und der falsche Täter
Johannsen, Anna

Enna Andersen und der falsche Täter


ausgezeichnet

„»Vierunddreißig.« Enna fuhr mit dem Finger über die Liste. »Der Fall Erken.«“ – mit diesem Satz beginnen die Ermittlungsarbeiten von Kriminalkommissarin Enna Andersen und ihrem Team in einem fünf Jahre alten Fall. Und damit beginnt die Handlung von „Enna Andersen und der falsche Täter“, dem neuen Krimi von Anna Johannsen. Und wie schon in den vorherigen Teilen der Reihe nimmt die Autorin ihre Leserschaft mit auf eine spannende Reise mit ungewissem Ausgang.
Aber von vorn.
Rieke Erken wurde vor fünf Jahren ermordet, in eine Plastikfolie eingewickelt und vergraben aufgefunden. Der Ehemann stand vor Gericht, denn seine DNA wurde auf der Folie gefunden. Die Ehe der beiden stand vor dem Aus, Rieke Erken war im zweiten Monat schwanger, aber nicht von ihrem Mann. Als sich allerdings herausstellt, dass die DNA-Spuren ihres Mannes von ihrem Vater gefälscht wurden, um den verhassten Schiegersohn ins Gefängnis zu bringen, erreichte der ehemalige Polizist das Gegenteil: der Verdächtige wurde wegen der manipulierten Beweise freigesprochen. Zwar ermittelten zwei SOKOs, aber beide schafften es nicht, einen Täter zu finden. Enna und ihr Team geben sich drei Wochen Zeit, in dem Cold Case Fortschritte zu machen. Sollte es ihnen nicht gelingen, würden sie sich per Los einen neuen Fall suchen. „Der Fall ist cool. Wenn wir den lösen, schreiben wir Kriminalgeschichte“, stellt Ennas Kollegin Pia fest und damit gehen die Ermittlungen weiter. Und unversehens finden sich die Ermittler zwischen einem unkooperativen Ehemann und ebenso unkooperativen Wegbegleiter:innen der Toten wieder und schnell stellt sich heraus: der Mord ist nicht das einzige Verbrechen, mit dem sie es zu tun haben.
Ich kannte von Anna Johannsen schon zwei weitere Bücher aus der Enna-Andersen-Reihe und bin nach wie vor beeindruckt, wie viele lose Enden und falsche Fährten die Autorin schaffen kann – und wie gekonnt sie am Schluss immer alles gekonnt und stimmig auflöst. Zum Schluss kann ich, ohne zu spoilern, nur eines sagen: er hat mich wirklich überrascht. Ihre Sprache ist angenehm, flott zu lesen, manchmal ein bisschen derb, aber hauptsächlich gebräuchliche Alltagssprache. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und haben sich seit dem ersten Teil der Serie weiterentwickelt. So kann man das Buch natürlich unabhängig von den anderen lesen und auch verstehen, aber um einen Gesamteindruck zu bekommen, empfiehlt es sich, alle Teile zu lesen.
Ich mag das ausgewogene Verhältnis zwischen Ermittlungsarbeit und dem Privatleben der Ermittler. So war ich sehr gespannt darauf, wie es zwischen Enna und Aaron weitergeht, denn das Verhältnis zwischen den beiden ist ja nicht unbelastet (Aaron vertritt den mutmaßlichen Mörder an Ennas Eltern anwaltlich, der sich nach Verbüßen einer 22jährigen Haftstrafe um ein Wiederaufnahmeverfahren bemüht). Und das Verhältnis ihrer Kollegin Pia Sims mit Ennas polnischem Au-Pair Alina ist ebenfalls in einem interessanten Stadium. Die Themen, aus denen die Autorin ihren Krimi strickt, gehen weit über toxische Vater-Kind Beziehungen und schwierige Ehen, Untreue und Affären hinaus und schnell gerät der Fall, in dem das Team eigentlich ermittelt, in den Hintergrund, denn plötzlich stehen auch große Geldsummen aus unbekannten Quellen im Raum. Dadurch ist der Spannungsbogen des Buchs wie gewohnt konstant und sehr hoch. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, so sehr hat mich die Handlung gefesselt. Ein solider Krimi, der Lust auf mehr macht. Von mir ganz klar fünf Sterne.