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Isa.Literature.Love
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Bewertungen

Insgesamt 199 Bewertungen
Bewertung vom 09.03.2022
Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn
Matthiessen, Susanne

Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn


gut

Eine spannende Autobiografie mit zahlreichen Informationen über Sylt
Worum geht es? | Das Buch «Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn | Roman einer Sylter Jugend» ist vielmehr eine (Auto-) Biografie als ein Roman über die Jugendzeit vermischt mit aktuellen Gedanken und Entwicklungen der Autorin Susanne Matthiessen. Die Autobiografie greift Szenen aus dem Leben der Autorin auf, sowie allgemeine Sylt-Informationen, Beobachtungen und Entwicklungen. Es werden in den 10. Kapiteln Themen aufgegriffen wie, bspw:
- Die alte Sylter Sage über Ekke Nekkepenn (eine Art Sylter Rumpelstilzchen als Nordseemeeresgott),
- das Sylter Kategoriensystem (waschechte Sylter, echte Sylter, Zugezogene, Auswärtige, Gäste und Saisonarbeiter),
- die nach wie vor boomende Immobilienwirtschaft und damit verbundener Strukturwandel auf Sylt, denn nicht zuletzt ist das Leben der Insulaner stark vom mächtigen Sylter Immobilienmarkt geprägt!,
- Nordfrieslandflut von 11/1981, das große Robbensterben und Umweltskandale im Sommer 1988 sowie andere Klimapolitische und Klimakrise-bezogene Themen,
- Sowie Sylter Besonderheiten wie das Hünengrab Dengkoog oder das traditionelle Biikebrennen.

Lesende lernen vieles über die wunderschöne Nordsee-Insel aus Sicht einer waschechten Insulanerin und zudem einiges über das Leben dieser.

Meine Meinung | Wer «Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn» einen Sylt-Roman über eine großartige Jugendzeit umgeben von Nordsee hofft, wird hier enttäuscht. Die Autobiografie greift neben den oben genannten gesellschaftspolitischen und Sylt-spezifischen Themen das Leben von Susanne Matthiessen auf. Ich persönlich hätte mir mehr Informationen über die Jugendzeit gewünscht, das Aufgreifen der engen Freundschaft zwischen Susanne und Andrea (die stets nur Pfuschi genannt wird) kam mir zu kurz und ich hätte mir auch bspw. eine Erzählung zum Coverfoto gewünscht. Insbesondere aber fehlt eine Triggerwarnung zu Kindesmissbrauch / Vergewaltigung! Dies sollte meiner Ansicht nach in weiteren Auflagen berücksichtigt werden. Als Norddeutsche kenne ich Sylt als Urlauberin und Tagesgast sehr gut und das Buch hat mir die schöne Insel mit dem Fokus auf die Herausforderungen noch einmal von einer anderen Seite gezeigt.

Insgesamt eine interessante Autobiografie und interessantes Buch über Sylt und die Herausforderungen der Insel - aber definitiv kein klassischer Roman.

Bewertung vom 02.03.2022
Being Britney
Otter Bickerdike, Jennifer

Being Britney


gut

Interessante biografische Ausschnitte und gut recherchierte Fakten über die Pop-Prinzessin und Sängerin Britney Spears

In ‚Being Britney: Die Britney Spears Biografie‘ schreibt die Autorin Jennifer Otto Bickerdike über das Leben, den Aufstieg, die Entwicklung bis zur derzeitigen Situation (Stand Nov. 2021) über die sog. Pop-Prinzessin Britney Spears. Das Buch enthält 41 Kapitel, Einleitung, Fazit und ein ausgiebiges Quellenverzeichnis auf 304 Seiten. Das englische Original erschien unter dem Titel ‚Being Britney: Pieces of a Modern Icon‘, was aus meiner Sicht den Inhalt besser als Titel zusammenfasst. In den verschiedenen Kapiteln werden von der Britney’s Kindheit und ihrer Entdeckung über Ihre Jugend und Disneys Mickey Mouse Club, die Beziehung zu Justin Timberlake, der öffentlicher Kuss mit Madonna, die (vermeintliche) Rivalität mit Christina Aguilera, über die verschiedenen Skandale und die Vormundschaft unter ihrem Vater auch Themen wie ihre Songs, Ihr Job bei The X-Factor, Bekanntheit und Umsatz mit Britney aufgegriffen. Im Mittelteil werden einige Fotos des Stars mit jeweils kurzen Erläuterungen präsentiert.

Meine Meinung | Eine sehr gut recherchierte Biografie über Britney Spears, die mir teilweise zu abschweifend und umfangreich war. Zum Teil werden Passagen über Sponsoren, andere Stars oder Themen sehr weit geführt. Ich hätte mir mehr Kerninformationen gewünscht und auch mehr biografische Details, wie Ihr persönliches Leben mit ihren Kindern und ihre tatsächliche Situation. Ich schätze, dass diese Informationen einfach nicht verfügbar sind und letztlich dreht sich auch die Biografie genau um diesen Kernaspekt Britney: Wie viel ist inszeniert, wie viel ist echt, wer ist Britney Spears, die wir als unschuldiges Teenie-Mädchen kennen (und lieben) gelernt haben und die sich seit Jahrzehnten in der Pop- und Medienlandschaft bewegt?

Insgesamt eine sehr informative Biografie mit einigen Längen, aber vielen Details zur beeindruckenden Karriere (Ruhm, künstlerische Erfolge, Profit und Langlebigkeit) des Stars, die geprägt ist, durch die Medien und deren unablässige Aufmerksamkeit auf einen Menschen, der dies seit mehr als 30 Jahren lebt.

Bewertung vom 27.02.2022
Dazwischen: Wir
Rabinowich, Julya

Dazwischen: Wir


sehr gut

Ein großartiger Roman über Flucht, Ankommen in Deutschland, Rassismus und Solidarität
‚Dazwischen: Wir‘ von der Autorin Julya Rabinowich ist die Fortsetzung ihres Romanes ‚Dazwischen: Ich‘. In den beiden Roman geht es um die junge Medina (15 J.), die gemeinsam mit ihrem Vater Eli, ihrer Mutter, ihrer Tante Amina und ihrem Bruder Rami nach Deutschland aus einem Kriegsgebiet geflohen ist. In dem 2. Roman hat sich die Familie in Deutschland eingelebt. Während der Vater in das Heimatland zurückkehrt, um den Bruder und die Mutter zu retten, leben Madina und ihre andere Familienmitglieder bei Laura, deren Mutter Susi und ihrem Bruder Markus im Erdgeschoss in einem Dorf.

„Ich habe heute im Garten gesessen und den Wolken beim Vorbeiziehen zugesehen. Wie sie sich dehnen und ausfasern und plötzlich weg sind. Wie Papa. Oder sich verändern. Etwas Neues werden. Wie ich.“ (S. 7)

Neben Ferienleben, Schulalltag, Teenie-Leben wird auch immer wieder Alltagsrassismus, das Aufleben der rechten Szene am Ort des Geschehens aufgegriffen. Weder das Herkunftsland noch der Ort in Deutschland werden näher benannt - weil es könnte sich überalll abspielen!

Das Buch wird aus der Perspektive von Madina als ihr Tagebuch geschrieben. Dadurch fühlt man sehr mit der jungen Protagonistin mit und kann sich gut in die Handlung hineinversetzen.

Meine Meinung | Das Buch ist sehr gut geschrieben, die Figuren werden überzeugend dargestellt und ihre Entwicklung ist sehr authentisch und glaubhaft. Ich finde den Roman sehr wichtig, denn er zeigt deutlich, wie sich Ausgrenzung und Rassismus-Erfahrungen auf die meist ohnehin schon schwierige Lebenssituation (Trauma, Flucht, Zurücklassen, Verlust von geliebten Menschen, uvm.) auswirken können. Ich finde es schrecklich, wie sehr die reche Szene in Deutschland wächst und hoffe, dass wir alle mehr werden wie King und Johann und Susi und Laura und all die Personen, die sich solidarisch dagegen stellen und Geflüchtete unterstützen! Ein bewegendes, witziges, wichtiges und großartiges Buch über ein Leben in einem neuen Land nach einer Flucht und dem Einleben in dieses ‚neue‘ Leben. Eine große Leseempfehlung von mir! ❤️

Bewertung vom 25.02.2022
From Asia with Love
McKinnon, Hetty

From Asia with Love


ausgezeichnet

Ein großartige grüne Interpretation der asiatischen Küche und wunderschönes Kochbuch (Vegetarisch & vegane Rezepte!)

In ihrem neuesten Kochbuch ‚From Asia with Love‘ (im Original: ‚To Asia, With Love‘, übersetzt von Daniela Schmid) versammelt die Köchin, Kochbuchautorin und Podcast-Host Hetty McKinnon vegetarische Asien-Rezepte für jeden Tag. Jedes Rezept wird mit einem großen, von der Autorin selbst gemachten Foto des originalen Essens bei sich Zuhause in Brooklyn visualisiert, einleitend kurz erklärt und kulturelle Eigenschaften vorgestellt. Die Zutaten werden für 4 Personen angegeben und es gibt bei jedem Rezept eine Ersatzzutatenliste für Lebensmittel, die nicht überall und immer verfügbar sind, sowie Angaben für die vegan Variante. Die Rezepte sind in 6 Kategorien von Frühstück (Der perfekte Start in den Tag) über Nudeln (Eine Portion Glück

Bewertung vom 23.02.2022
Tell
Schmidt, Joachim B.

Tell


sehr gut

Gelungene und spannende Neuinterpretation der schweizerischen Nationalsaga ‚Tell‘
Joachim B. Schmidt greift mit seinem neuen Roman ‚Tell‘ die Helden-Saga um den Schweizer Nationalheld Wilhelm Tell auf und macht daraus einen großartigen, spannenden und brisanten Roman. In 10 Kapiteln werden aus der Perspektive von 20 verschiedenen Personen die Heldensaga neu und ganz anders erzählt. Der Autor vereint hier die schweizerische Saga mit dem Schauspiel ‚Wilhelm Tell‘ von Friedrich von Schiller und Elementen der Isländersagas. Herauskommt ein zeitgemäßer Blick auf das Leben zur damaligen Zeit in schweizerischen Bergbauerfamilien, die Sage um Wilhelm Tell mit seinen berühmten Apfelabschuss und das Loslösen vom Adelsdiktat der Habsburger. Der Roman legt den Fokus neben dem berühmten Apfel-Schießen auf die Innensichten der Personen und zeigt, wie menschlich wir doch alle mit all unseren Stärken und Verfehlungen sind.

„Wenn jemand lautlos weint, hört man das.“ - Hedwig (S. 110)

Stil und Aufbau sind sehr gut konstruiert und durch die schnellen Perspektiv- und damit verbundenen Sequenzwechsel wird die Geschichte sehr spannungsreich erzählt. Tell selbst kommt dabei erst zum dramaturgischen Höhepunkt zu Wort.

„Aufwärts will er, immer aufwärts, wie ein glühender Funke überm Feuer.“ - Tobler über Tell (S. 15).

Meine Meinung | Schillers Wilhelm Tell habe ich intensiv in der Mittelstufe gelesen, analysiert und interpretiert. Umso gespannter war ich auf den neuen Roman von J. B. Schmidt. Der Roman liest sich sehr gut und interpretiert die Menschen und die Geschichte modern und von einer ganz neuen Perspektive. Ein großartiger Roman, der der schweizerischen Nationalheldensaga mehr als gerecht wird! Eine klare Leseempfehlung von mir!

Bewertung vom 22.02.2022
Antirassistisch handeln.
Kendi, Ibram X.

Antirassistisch handeln.


ausgezeichnet

Ein wertvolles, wichtiges, informatives und aktivierendes Arbeitsbuch zur Selbstreflexion und für mehr Bewusstsein für Antirassismus
Prof. Ibram X. Kendi hat mit seinem 2019 erschienen Sachbuch ‚How to Be an Antiracist‘ ein sehr wichtiges und mutiges Buch über Rassismus geschrieben. Mit ‚Antirassistisch Handeln‘ hat Prof. Kendi ein zu seinem Bestseller passendes Arbeitsbuch veröffentlicht.

„Doch im Kampf gegen Rassimus gibt es keine Neutralität. Das Gegenteil von ‚rassistisch‘ ist nicht ‚nichtrassistisch‘, sondern ‚antirassistisch‘.“ (S. 9)

Dieses Zitat aus den ersten Seiten des Arbeitsbuches zeigt sehr gut auf, weshalb es so wichtig ist, sich mit Rassismus auseinanderzusetzen und insbesondere mit unserer Selbstreflexion zu dieser Thematik und uns deutlich vor Augen zu führen, wie wir uns verhalten und wie wir uns antirassistisch verhalten können.

Nach den persönlichen, einleitenden Worten des Autors folgt ein Statement von ihm und anschließend zwei Arbeitsfragen an Leser:innen bzw. Bearbeitende des Buches. Das gesamte Arbeitsbuch ist nach diesem Schema aufgebaut: Statement des Autors, passende Frage zur Selbstreflexion und Platz für Datumsangabe und die Beantwortung dieser. Es geht dabei nicht darum, dass Arbeitsbuch innerhalb möglichst weniger Tage auszufüllen, sondern sich nachhaltig und intensiv mit Rassismus auseinanderzusetzen und die Auseinandersetzung, Entwicklung und das eigene Handeln zu reflektieren.

Meine Meinung | Ein sehr, sehr wichtiges und intensives Arbeitsbuch zu Rassismus! Um sich mit seiner eigenen antirassistischen Einstellung und Handlung auseinanderzusetzen, ist dieses Arbeitsbuch hervorragend geeignet. Es gibt neue Denkanstöße, Ideen tiefer zu recherchieren und ist sehr lehrreich und informativ.

„Antirassist: Eine Person, die eine antirassistische Politik durch ihr Handeln unterstützt oder antirassistische Vorstellungen äußert.“ (S. 23)

Ich kann es jeder:m nur sehr ans Herz legen und empfehlen! Große Lese- bzw. Bearbeitungempfehlung!

Bewertung vom 17.02.2022
Die Feuer
Thomas, Claire

Die Feuer


gut

(Zu) Viele Feuer in der Gedankenwelt von Margot, Summer & Ivy
Worum geht es? | In ihrem Roman ‚Die Feuer‘ (Originaltitel ‚The Performance‘; übersetzt von Eva Bonne) schreibt Claire Thomas abwechselnd aus der Perspektive von drei Frauen, die sich in Melbourne eine Aufführung des Theaterstück ‚Happy Days‘ von Samuel Beckett ansehen während in Australien Waldbrände wüten. Während der Aufführung erleben Leser:innen die Gedankenwelt der drei ganz verschiedenen Frauen: Prof. Dr. Margot Pierce, eine Literaturprofessorin, die kurz vor der Rente steht, sich in ihre Großmutterrolle nicht einfinden kann und von ihrem dezenten Mann häuslicher Gewalt ausgesetzt ist. Summer, eine Anfang 20-jährige Schauspiel-Studentin mit Angststörung, die ihren Vater nicht kennt und deren Freundin April auf dem Weg in die Feuer zur Rettung ihrer Familie ist. Ivy, eine erfolgreiche Geschäftsfrau und Kunstmäzin, die mit nach mehr als 16 Jahren nach wie vor mit dem plötzlichen Kindtod ihres 1. Kindes kämpft, ein kleinen Sohn hat , mit ihrer besten Freundin Hilary im Theater ist und beide ehemalige Studentinnen von Margot sind. Die Informationen zu den drei Charakteren liefert die Autorin sukzessive und aus der Gedankenwelt ergibt sich zunehmend klareres Bild der jeweiligen Frau, ohne dass dieses jemals vollständig werden wird. Dies ist sicherlich auch nicht der Anspruch der Autorin. Als verbindender Handlungsstrang wird das Theaterstück zwischen den Gedankengängen der Frauen mit-erzählt.

Meine Meinung | Das Cover des Buches hat mich genauso wie die Inhaltsangabe sehr begeistert und ich war sehr gespannt auf das Buch. Der Schreibstil gefällt mir sehr gut und enthält wirklich tolle Formulierungen und Gedanken, wie bspw. das folgende Zitat aus Margos Perspektive veranschaulicht:

„Sie behält ihre tiefsten Gedanken für sich oder spart sie für die Arbeit auf. Sie spricht mit ihm, natürlich tut sie das, aber im Grunde war er nie Ihr intellektueller Resonanzboden oder - allein der Gedanke ist lächerlich - ihre Muse.“ S.75

Der Roman hat viele Stellen, die mir sehr gut gefallen und deren Gedanken ich großartig formuliert finde. ABER die Story konnte mich leider nicht überzeugen. Für mich werden zu viele verschiedenen Themen angeschnitten, ohne dass diese vertieft und erzählerisch genutzt werden, wie bspw. Klimakrise, Aufwachsen ohne ein Elternteil, häusliche Gewalt, Trauma nach dem Kindverlust, sexuelle Orientierung, Demenz, würdevolles Altern, etc. Die drei Frauen sehen das Theaterstück, nehmen dabei Details wahr, aus denen sie Parallelen zum eigenen Leben ableiten und ihre Gedanken verfolgen. Die Grundidee ist großartig - jedoch schweifen die Frauen immer weiter ab und enthüllen immer schockierende Erfahrungen aus ihrem Leben. Die Überfrachtung ist zu groß für diese Charakterstudie, um all die Erzählstränge in den knapp 250 Seiten wiederaufzugreifen und zu einem größeren Ganzen zusammenzuführen. Aber genau dies hätte den Roman vollendet. Ich hätte mir mehr Tiefe gewünscht und weniger Oberflächlichkeit erhofft.

Insgesamt enthält der Roman wirklich schöne Formulierungen und der Aufbau ist literarisch mit der Zwischen-Pause sehr durchdacht. Auch wenn das Leseerlebnis für mich etwas unbefriedigend war, würde ich jederzeit einen weiteren Roman der Autorin lesen. Ich bin sehr gespannt auf alles, was noch kommt!

Bewertung vom 14.02.2022
Meine kleine Welt
Arenz, Ewald

Meine kleine Welt


sehr gut

Wundervolle Szenen aus dem Arenz-Familienalltag mit viel Witz und Humor erzählt

Ewald Arenz ist vielen als Autor seiner Bestseller Romane ‚Alte Sorten‘ oder auch ‚Der große Sommer‘ bekannt. Sein neustes Buch ist jedoch kein weiterer Roman, sondern noch persönlicher: Amüsant, humorvoll, ehrlich, ironisch, sarkastisch, stellenweise zynisch und sehr kurzweilig schreibt Ewald Arenz über Szenen aus dem Familienalltag mit seiner Frau Juliane und den drei gemeinsamen Kindern Theo (17 J., wahlweise Monarchist, Bismarck-Verfechter oder einfach spät-pubertierender Teenager), Philly (13 J., feministischer Teenagerin in der Pubertät) und Otto (3 J., stets gut gelauntes Nesthäkchen und für so einige Überraschungen zu haben). Aus Sicht seines ehemaligen Egos Heinrich schildert der Autor auf meist 2-3 Seiten kurze Episoden aus dem Familienleben mit einem verschmitzten Lächeln und oft einem Augenzwinkern. Die Bandbreite der Szenen reicht von Familien-Schuheinkauf und Kindergeburtstag über Familienurlaube und Zoobesuche zu Szenen aus dem Teilzeit-Lehrer-Job. Dabei wird schnell klar: Wir sind alle nur Menschen - auch und insbesondere gilt das für andere Familienmitglieder - mit all unseren (mal mehr und mal weniger) liebenswerten Fehlern. Dass sich das (Familien-)Leben mit Humor noch besser leben lässt, zeigt Arenz in seinem Buch eins ums andere Mal:

Nach einer Weile stand ich dann aber noch einmal auf, ging hinunter ins Bad und schrieb mit Julianes Lippenstift auf den Spiegel: »Sartre hat recht. Die Hölle sind die anderen!« (S. 85)

Meine Meinung | Ganz anders als seine Romane schreibt Arenz in ‚Meine kleine Welt‘ ohne Umschweife über seine Familie, das Leben und den Alltag. Leser:innen seiner jüngsten Romane werden aber auch hier den ein oder anderen Link zu diesen wiederfinden: „In diesem Augenblick hört ich mich selber, und ich hörte mich an wie mein Großvater, der Medizinprofessor, den ich siezen musste, bis ich elf war.“ (S.97)

Das Leben schreibt eben die schönsten Geschichten und Arenz bestätigt einmal mehr, man sollte das Leben nicht zu ernst nehmen und, wie Humor dabei hilft. Schöne, lustige, nachempfindsame und verrückte Familiengeschichten, von denen sicherlich die ein oder andere Situation Leser:innen aus den eigenen Familien nicht ganz unbekannt sind. Ganz normale Familiengeschichten eben! Wunderbar und humorvoll geschrieben, kann ich dies sehr empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.01.2022
Dschinns
Aydemir, Fatma

Dschinns


ausgezeichnet

Ein großartiger, kritischer, bewegender Gesellschaftsroman über Familie, Migration, Kultur und das Leben selbst

Fatma Aydemir hat mir ‚DSCHINNS‘ ihren zweiten Roman und ihr drittes Buch veröffentlicht. In DSCHINNS wird die Geschichte einer türkisch-deutschen Familie aus den verschiedenen Perspektiven der einzelnen Familienmitglieder erzählt, die alle ihre Sorgen, Wünsche, Geheimnisse und Wunden mit sich tragen. Alle kommen aufgrund des Todes des Vaters Hüseyin in dessen neuer Wohnung in Istanbul Ende 1999/ Anfang 2000 zusammen. Das Buch gliedert sich in sechs Kapitel und beginnt aus der Du-Perspektive mit dem Vater, anschließend folgt je ein Kapitel aus Sicht der einzelnen (erwachsenen) Kinder aus der Erzählerperspektive, um abschließend mit dem Kapitel aus Sicht der Mutter ebenfalls aus der Du-Perspektive abgerundet zu werden. Allein am Stil, Sprache und Struktur zeigt sich, was für große Literatur die Autorin Fatma Aydemir mit diesem Werk geschaffen hat!

Jedes Familienmitglied hat seine eigenen Kämpfe und es zerbricht einem das Herz, wie wenig Austausch in der Familie dazu stattfindet und wie allein sich jeder mit seinem ‚Schicksal’ fühlt. Wie beim Schälen einer Zwiebel geht die Geschichte immer tiefer in die Familie und enthüllt schlussendlich den Kern. Dabei geht diese wunderschöne, tragische und großartige Familiengeschichte direkt unter die Haut und ins Herz ❤️ Die "Dschinns" kommen an die Oberfläche, verstecken sich und sind nie ganz weg. Dabei erschließt sich der Titel des Buches Leser:innen im Laufe des Buchs. „Und wahrscheinlich haben alle ihre Dschinns.“ (S.189) …

In diesem großen Familienroman werden Themen wie Migration, deutsch-türkische-Gastarbeiterfamilien, Familienbild, Assimilation, Kultur, Generationenkonflikt, Krieg, Polizeiwillkür, Klassizismus, Feminismus, Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung aufgegriffen. Voller Wucht und Schönheit fragt „Dschinns“ nach dem Gebilde Familie, nach Normalität, nach den Gefühlen und Erinnerungen von gestern, von heute und den Wünschen nach Morgen.

Meine Meinung:
Ich muss ehrlich sagen, für dieses grandiose Meisterwerk von Fatma Aydemir fehlten mir lange die Worte! Dieser große Gesellschaftsroman begeistert mich von Beginn an und fünf Sterne werden dem nicht gerecht! Nie lagen Lachen, Mitgefühl, Trauer und Wut so nah beieinander! Die Sprache, der Aufbau, die Storyline, die Charaktere, das Setting, die feine Gesellschaftskritik - all das ist so meisterhaft von der Autorin ausgearbeitet, dass mir nur eins zu sagen bleibt: Lest diesen Roman!

Bewertung vom 24.01.2022
Strahlemann
Schaefer, Fritz

Strahlemann


ausgezeichnet

Nie lagen Lachen und Mitgefühl so nah beinander - eine berührende, ehrliche und humorvolle Coming-out-of-Age-Biografie
Der 1Live-Moderator Fritz Schaefer (geb. 1997 in Dorsten (NRW)) ist seit 2016 als freier Autor und Reporter für den WDR, ARD und 1Live tätig. Mit ‚Strahlemann‘ hat er sein erstes Buch veröffentlicht. Im dem autobiografischen Buch schreibt Fritz sehr offen, ehrlich, selbstkritisch, mutig, berührend und humorvoll über seine Kindheit und Teenie-Zeit. Fritz ist mit seiner behinderten Schwester Martha aufgewachsen, was er neben weiteren Themen wie Mobbing in der Schulzeit und 1. Liebe, ebenfalls in seinem Buch verarbeitet.

Fritz ist sehr humorvoll und das Buch lädt an vielen Stellen zum Lachen ein - aber Lachen und Schmerz liegen hier nah beieinander. Der Spitzname ‚Strahlemann‘ ist das Vermächtnis seines Opas, der gestorben ist, als Fritz ein Baby war: „Wenn man derart früh einen solchen vor Positivität und Bedeutung nur so strotzenden Beinamen erhält, wird es schwierig mit der freien Entfaltung des eigenen Charakters. Es war harte Arbeit, dieser Sunnyboy-Schablone in den Folgejahren gerecht zu werden. […] Kein Mensch kann dauerhaft strahlen. Das tut ja irgendwann weh - in der Gesichtsmuskulatur oder in der Seele.“ (S. 34)

Fritz Kindheit wird nicht nur von seiner Familie geprägt, sondern auch stark von seiner Schulzeit. In der Grundschule wird er von einem Zwillingspaar gemobbt und schikaniert. Auch diese Lebensphase wird humorvoll geschildert, aber betont umso mehr den damit verbundenen Schmerz. Das Buch thematisiert das Aufwachsen mit Geschwistern im Allgemeinen und mit behinderten Geschwistern im Speziellen, Mobbing und Schikane in der Schule, seinen Platz im Leben finden und ganz insgesamt, die Herausforderungen des Erwachsenwerden.

Meine Meinung:
Fritz Schaefer gelingt es, sehr selbstkritisch über sich, seine Kindheit und seinen bisherigen Lebensweg zu schreiben. Als Strahlemann bringt er Leser:innen auch hierbei zum Lachen, aber es ist bittersüß: Auch der Schmerz tritt deutlich hervor und lässt - zumindest bei mir - das Buch lange nachhallen. Strahlemann - passender könnte der Titel aus meiner Sicht nicht sein! Und die Sätze und Kapitel in diesem Buch sind so bewusst geschrieben, formuliert und verbunden, dass es schmerzhaft-schön ist:

„Natürlich hätte sich meine Mutter jederzeit um mich gekümmert, aber angesichts ihres Pensums als Alleinerziehende hatte ich mir vorgenommen, so selbstständig wie eben möglich zu werden und nur noch positiv aufzufallen. Ich wollte der Strahlemann sein - und wenn mir das nicht gelang, dann wollte ich mich zurückziehen und die Probleme mit mir selbst ausmachen.Vielleicht würde ich für meine Eigenständigkeit Lob und Liebe ernten, überlegte ich. Und so schwieg ich über das, was in der Schule passierte.“ (S. 121)

Ich bin ebenfalls ein Kind der 90er-Jahre und habe mich an vielen Stellen wiederfinden können (‚Adelheid und ihre Mörder‘ gemeinsam mit den Eltern gucken (S. 87), die negative Bewertung von Super-RTL und seinen Serien für Kinder aus Sicht der Mutter(S. 146), die Einstellung zum goldenen M