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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Magda
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 239 Bewertungen
Bewertung vom 18.09.2023
Die Lichter der Stadt / Fräulein Gold Bd.6
Stern, Anne

Die Lichter der Stadt / Fräulein Gold Bd.6


ausgezeichnet

Bei diesem historischen Roman handelt es sich bereits um den 6. Band der Reihe. Man kann problemlos mit Band 6 in die Reihe einsteigen, da man im Handlungsverlauf die wichtigsten Informationen aus Huldas bewegter Vergangenheit erfährt.
Berlin, August/September 1929: Hulda Gold arbeitet nach der Geburt ihrer mittlerweile drei Jahre alten Tochter Meta in einer Beratungsstelle für Frauen. Sie sehnt sich nach ihrer Tätigkeit als Hebamme zurück, die unregelmäßigen Arbeitszeiten sind jedoch nicht mit ihrem Leben als alleinerziehende Mutter vereinbar. Johann, Metas Vater, ist schon vor der Geburt seiner Tochter gestorben. Aufgrund ihrer hilfsbereiten und offenen Art hat Hulda ein großes Netzwerk, das sie bei der Betreuung ihrer Tochter unterstützt. Johanns Mutter und seine Schwester, Huldas Vater Benjamin und ihre Freundin Jette springen ein, wenn die Kindertagesstätte geschlossen ist, oder wenn Hulda eine Abendeinladung hat.
Hulda erzieht ihre Tochter modern und liebevoll, genauso wie es auch die Pestalozzi-Tagesstätte handhabt, in der sie glücklicherweise für Meta einen Platz ergattert hatte.
Beim Polterabend von Karl, mit dem sie früher liiert war, lernt Hulda Max kennen, einen Professor für Pädagogik. Max ist mit Leni verheiratet, die Ehe besteht jedoch nur noch auf dem Papier, beide gehen schon lange getrennte Wege.
Eine Einbruchsserie erschüttert Schöneberg. Auch die Apotheke von Huldas Freundin Jette und der Kiosk des Zeitungsverkäufers Bert werden überfallen und ausgeraubt.
In der Beratungsstelle lernt Hulda Milli Nowak kennen, eine junge alleinerziehende Schauspielerin. Hulda möchte Milli und ihrer kleinen Tochter aus dem Elend, in dem die beiden hausen, heraushelfen.
Sehr gut gefallen hat mir die Begegnung zwischen Max und Erich Kästner, dessen Gedicht „Sachliche Romanze“ kürzlich veröffentlicht wurde, und in dem Max sich und seine Ehe wiedererkannt hatte.
„Die Lichter der Stadt“ endet mit dem Tod von Gustav Stresemann am 3. Oktober 1929. Von nun an steht dem Aufstieg der Nationalsozialisten nichts mehr im Wege, die SA stiftet Unruhe und geht immer rabiater gegen Juden vor, was auch Huldas Vater Benjamin Gold zu spüren bekommt. Auch ihr neuer Freund Max ist jüdischer Abstammung.
Anne Stern hat es mit ihrem unvergleichlich schönen bildhaften, authentischen und poetischen Schreibstil geschafft, mich mitten ins Berlin der 1920er Jahre zu versetzen. Mit Hulda kann ich mich als Mutter sehr gut identifizieren, und ihre Selbstzweifel in Bezug auf Erziehung und Liebe nachvollziehen. Hulda ist eine moderne, mutige Frau, die mitten im Leben steht, und mit der ich mich sehr gern anfreunden würde.
Fräulein Gold empfehle ich allen Leser*Innen von historischen Romanen und allen, die sich für Berlin, seine Geschichte und seine Persönlichkeiten der 1920er Jahre interessieren.

Bewertung vom 17.09.2023
Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1
Skybäck, Frida

Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1


sehr gut

Ich liebe skandinavische Kriminalromane und habe mich sehr auf die neue Reihe aus Schweden gefreut. „Schwarzvogel“ ist der erste Fall für Fredrika Storm und Henry Calment, die in Südschweden ermitteln.
Fredrika kehrt nach einem traumatischen Erlebnis in Stockholm in ihre Heimatstadt Harlösa zurück. Ihre Großmutter beobachtet, wie eine junge Frau aufs Eis läuft und einbricht. Die Eisschicht ist nicht dick genug, um darauf zu laufen, was den Bewohnern aus der Umgebung jedoch bewusst war. Alles deutet darauf hin, dass die junge Frau aufs Eis getrieben wurde.
Bei der Toten handelt es sich um Nomi Pedersen, die erst seit wenigen Monaten in Harlösa lebt. Sie war in der Firma von Fredrikas Cousin als Reinigungskraft angestellt. In Nomis Wohnung findet Fredrika das Foto von Tobias Falk, der die Stadt vor vielen Jahren verlassen hatte. In den 1990er Jahren hat er für eine kurze Zeit auf dem Hof von Fredrikas Vater gearbeitet. So muss Fredrika in ihrer Familie ermitteln.
Der Krimi ist in kurze Kapitel unterteilt, die meisten beschreiben die Ermittlungen aus Fredrikas Perspektive, es wird aber auch näher auf Henry Calment eingegangen. Außerdem bekommen wir einen guten Einblick in die Gedanken und Handlungen von einigen Nebencharakteren wie Fredrikas Großmutter Gun, ihrem Onkel Lasse, ihrer Großcousine Julia oder ihrer Schwägerin Linda.
Es hat etwas gedauert, bis ich durchgeblickt habe, wer in welchem Verwandtschaftsverhältnis zu Fredrika steht. Ein Familienstammbaum wäre hilfreich gewesen.
Viel Raum nehmen Fredrikas traumatische Erlebnisse ein, zum einen der nicht wiedergutzumachende Fehler bei einem Einsatz in Stockholm, und zum anderen der Verlust ihrer Mutter, die die Familie vor vielen Jahren verlassen hatte. Diese Einschübe auf Fredrikas Vergangenheit lenken von der eigentlichen Ermittlung ab.
Die Auflösung war für mich sehr überraschend, hat mich aber enttäuscht. Fredrikas Alleingänge, die sie in große Gefahr gebracht haben, zeigen, dass sie aus ihren Erfahrungen in der Vergangenheit nicht gelernt hatte. Den belesenen, aus gutem Hause stammenden Henry mag ich sehr. Hoffentlich wird er einen guten Einfluss auf die hitzköpfige Fredrika haben, die erst handelt, und dann erst denkt.
In diesem Krimi taucht man in das winterliche Schweden und die Psyche der Protagonist*Innen ein, von mir gibt es eine Leseempfehlung für alle Leser*Innen von skandinavischen Krimis.

Bewertung vom 11.09.2023
Wellenkinder
Bahrow, Liv Marie

Wellenkinder


ausgezeichnet

Das Cover und der Klappentext haben mich direkt für das Buch eingenommen. Es ist ein gelungener Debütroman, der mir jedoch weniger als erwartet gefallen hat.
Der Roman wird aus drei Perspektiven erzählt und spielt auf drei Handlungsebenen.
1945: Margit ist als junges Mädchen per Schiff auf der Flucht aus Ostpreußen. Eine verzweifelte Mitpassagierin will mit ihrem Baby in die Fluten springen, in letzter Sekunde entreißt Margit ihr das Baby. Sie kümmert sich hingebungsvoll um den Jungen und nennt ihn Horst. Als ihr Vater nach dem Krieg heimkehrt, setzt er durch, dass Horst in ein Waisenhaus muss. Margit besucht Horst dort regelmäßig, als Erwachsene leitet sie das Heim und liebt Horst wie einen Bruder.
1970, ehemalige DDR: Oda und ihr Freund Jürgen versuchen über die Ostsee in den Westen zu schwimmen, ihr Fluchtversuch scheitert, Oda kommt ins Gefängnis, sie weiß nicht, ob Jürgen die Flucht gelungen ist. Im Gefängnis stellt sie fest, dass sie schwanger ist.
Gegenwart: Jan lebt getrennt von seiner Frau Gesa und dem 5jährigen Sohn Conny, er leidet noch immer unter dem Verlust seiner Mutter, die 30 Jahre zuvor verschwunden ist, zum Vater hat er den Kontakt abgebrochen. Als die Überreste einer Frau gefunden werden, die seine Mutter sein könnte, muss er zurück in seine Heimat auf Rügen. Sein Vater ist schwer krank, er wird ins Krankenhaus eingeliefert. Jan sieht, wie verwahrlost das Haus ist, in dem er seine Kindheit und Jugend verbracht hat.
Der Schreibstil ist teils abgehackt mit kurzen Sätzen und teils hochemotional, insbesondere in den Passagen, in denen es um Oda und Margit geht, die Schwangerschaft, das Leben im Gefängnis, die Zeit nach der Entbindung, Odas Suche nach ihrem Kind, Margits Liebe zu ihrem Sohn. Weniger gut gefallen hat mir der Erzählstrang um Jan und seine Familie. Jans Reaktionen und Handlungen waren für mich nicht nachvollziehbar und teilweise grausam, Gesa fand ich emotionslos und unnahbar.
Es wäre besser gewesen, die Kapitel nicht nur mit Namen zu überschreiben, sondern auch mit Datums- und Ortsangaben. Da die Kapitel nicht chronologisch angeordnet sind, und es viele Rückblenden gibt, wusste ich immer erst nach einigen Passagen, in welchem Zeitraum und wo sich die Personen gerade befinden. Die Aufklärung des Mordfalls hat mich sehr überrascht, ich hätte sie mir aber anders gewünscht. Den Roman empfehle ich vor allem Leser*Innen, die sich für die Geschichte der DDR interessieren.

Bewertung vom 09.09.2023
Das Licht zwischen den Schatten
Beck, Michaela

Das Licht zwischen den Schatten


ausgezeichnet

In ihrem 840 Seiten starken Familienepos erzählt Michaela Beck die Geschichte von Konrad, Brigitte und André. Erst im Verlauf des Romans wird die Verbindung der drei ersichtlich. Das Epos besteht aus fünf Teilen, die Kapitel sind mit Jahreszahlen und dem Namen des bzw. der Protagonistin überschrieben.
Konrads Geschichte fängt 1919 an. Sein Vater ist gefallen, und seine Mutter wird Haushälterin in einer Arztfamilie. Die Familie hat zwei Zwillingstöchter, Selma und Alma, die unzertrennlich sind. Selma kümmert sich hingebungsvoll um ihre Schwester, die geistig zurückgeblieben ist.
Konrad verliebt sich auf den ersten Blick in die schöne Selma. Um Alma zu heilen, verspricht er Selma, Arzt zu werden. In der Tat studiert er Medizin und bekommt seine erste Arbeitsstelle in der Städtischen Heil- und Pflegeanstalt Wuhlgarten, wo Alma regelmäßig behandelt wird. Als die Nazis die Macht ergreifen, geraten die beiden Zwillingsschwestern in Gefahr, zum einen aufgrund ihrer jüdischen Abstammung, zum anderen aufgrund von Almas geistiger Behinderung. Konrad versucht alles, um die beiden zu beschützen, besonders nachdem er und Selma Eltern eines kleinen Mädchens werden. Nach dem Krieg verschlägt es Konrad nach Brasilien, wo er als Arzt unter anderem in einem Waisenhaus arbeitet.
Brigitte wächst als Pfarrerstochter in der ehemaligen DDR auf. Als ihr Bruder Johann als Regimekritiker beinahe von der Stasi verhaftet wird, flieht die Familie in den Westen. Brigitte ist leicht beeinflussbar und gerät als junge Mutter durch einen blöden Zufall in die Fänge der RAF. Ulrike Meinhof ist ihr großes Vorbild, zumal diese auch alleinerziehende Mutter ist. Als Brigitte mit Janis nach Jordanien reist, nimmt ihr Leben eine Wendung, die ihr Dasein von nun an bestimmt.
André ist talentierter Kunstspringer in der DDR. Er ist adoptiert, seine Eltern seien während ihrer Flucht in den Westen umgekommen. In seinen Träumen suchen ihn Erinnerungen an die Wüste und seine Mutter auf. Als junger Mann meint er, seine Mutter in einer Buchhändlerin in Rostock zu erkennen.
Der Roman hört mit der Silvesterfeier 1989 am Brandenburger Tor auf.
Was für ein grandioser Roman! Ein unglaubliches Lesehighlight, das mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Mit der Geschichte von Konrad, Brigitte und André wurde die Geschichte Deutschlands in der Zeit von 1919 bis 1989 mit allen wichtigen Ereignissen wiedergegeben, packend, fesselnd und gänzlich ohne Längen oder unnötige Ausschweifungen. Ich empfehle den Roman allen geschichtsinteressierten und allen Leser*Innen von historischen Romanen.

Bewertung vom 08.09.2023
Verlogen / Mörderisches Island Bd.2
Ægisdóttir, Eva Björg

Verlogen / Mörderisches Island Bd.2


ausgezeichnet

Bei dem Island-Krimi handelt es sich um den zweiten Fall für die Polizistin Elma aus der kleinen westisländischen Stadt Akranes. Man kann den Krimi problemlos lesen, ohne den ersten Band zu kennen.
Die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen, in der Vergangenheit erfahren wir von den Gedanken und Erlebnissen einer alleinerziehenden Mutter, in der Gegenwart ermittelt Elma im Fall Maríanna.
Die Überreste der alleinerziehenden Maríanna werden in einem Lavafeld gefunden, sieben Monate zuvor ist sie von ihrer 15jährigen Tochter Hekla als vermisst gemeldet worden. Elma und ihr Team ermitteln in Mariánnas und Heklas Umfeld. Elma fällt auf, dass sich Hekla bei ihren Pflegeeltern sehr wohl fühlt, und der Tod der Mutter sie nicht in tiefe Trauer stürzt.
Parallel wird die Perspektive einer unglücklichen Mutter geschildert, die nicht imstande ist, ihr Kind zu lieben. Sie schafft es nicht, eine Beziehung zu ihrer Tochter aufzubauen, ein Kind, das anders ist, keine Freunde hat und am liebsten für sich alleine mit Zinnsoldaten spielt.
Elma hat sich auf ihrer neuen Dienststelle in Akranes gut eingelebt, sie versteht sich gut mit ihren Kolleg*Innen und ihrem Chef, mit Saevar ist sie sehr gut befreundet. Allerdings hat sie noch immer Schwierigkeiten, sich mit dem Tod ihres Ehemannes abzufinden.
Auch den 2. Band von Eva Björg Aegisdottir habe ich sehr gern gelesen. Sie versteht es, eine leicht düstere, geheimnisvolle Atmosphäre zu schaffen, und die Leser*Innen nach Island zu versetzen. Mir gefällt die Mischung aus Privatleben der Ermittlerin und tiefen Einblicken in die Psyche und die Vergangenheit der Charaktere. Eine Wendung mittendrin hat mich sehr überrascht, die Auflösung war nicht vorhersehbar.
Der Schreibstil ist flüssig und dialogreich, mit Elma und Saevar hat die Autorin zwei sympathische und authentische Figuren geschaffen, die ich gern auch bei weiteren Fällen in Island begleiten möchte. Ich empfehle den Krimi allen, die gerne skandinavische Krimis lesen und denjenigen die, wenn auch nur in Gedanken, nach Island reisen möchten.

Bewertung vom 06.09.2023
Inselspiel
Eichbaum, Anja

Inselspiel


ausgezeichnet

Der Kriminalroman spielt auf der Insel Norderney, in Lübeck und in Bonn, es handelt sich um den 6. Fall für den Inselpolizisten Martin Ziegler und Ruth Keiser, Polizeipsychologin aus Bonn. Die Kapitel sind überschrieben mit Orts- und Datumsangaben, sie sind aus der Perspektive von Martin, Anne, Daniela und Ruth geschrieben. Auch wenn ich die die früheren Norderney-Fälle nicht kenne, war es kein Problem, mich schnell mit den Protagonist*innen vertraut zu machen.
Silvester: Martin hat sich für den Dienst einteilen lassen, da auch seine Lebensgefährtin Anne Wagner als Ärztin in dieser Silvesternacht arbeiten muss. Martins Freunde Daniela und Frank besitzen eine kleine Pension auf Norderney und feiern gemeinsam mit der früheren Pensionswirtin Marthe Dirkens.
Für Anne ist es zunächst ein ruhiger Abend, den sie teilweise beim Backgammon-Spiel mit einer Krankenschwester verbringt, bis sie in die Notaufnahme gerufen wird. Ein Patient muss aufs Festland transportiert werden, und Anne begleitet ihn im Rettungswagen. Während der Fahrt wird Anne entführt, die Polizei ermittelt und der psychisch angeschlagene Martin stellt verzweifelt eigene Nachforschungen an.
Polizeipsychologin Ruth, Martins langjährige Vertraute, macht sich ebenfalls auf die Suche nach Anne, sobald sie von ihrem Verschwinden erfahren hatte. Sie fährt nach Lübeck zu Annes Eltern und trifft sich dort mit Annes bester Freundin Brit. Sie suchen in Annes Vergangenheit nach Hinweisen, warum und wohin sie verschwunden ist.
Die Autorin beschreibt die Protagonist*innen authentisch und bildhaft, Anne und Ruth waren mir von Anfang an sehr sympathisch, die schrullige Marthe Dirkens hat die Dramatik der Handlung aufgelockert. Das Setting auf Norderney macht Lust auf die Insel, auch und besonders in der kalten Jahreszeit. Die Spannung steigt im Laufe des Romans, das dramatische Ende mit einem grandiosen Finale ist sehr gelungen. Ich freue mich auf den nächsten Fall für Martin und Ruth und ein Wiedersehen mit Anne, Daniela und Marthe auf Norderney.

Bewertung vom 02.09.2023
Schloss Liebenberg. Hinter dem goldenen Schatten
Caspian, Hanna

Schloss Liebenberg. Hinter dem goldenen Schatten


ausgezeichnet

Ich empfehle, die ersten beiden Teile der Schloss-Liebenberg-Trilogie zuerst zu lesen, da man dann mit den Geschehnissen und Protagonist*innen schon vertraut ist. Der dritte Teil beginnt im Jahr 1908. Hanna Caspian beschreibt das Leben im Schloss aus der Sicht der Dienstboten. Der Schlossherr, Fürst Philipp zu Eulenburg, und weitere Teilnehmer der Liebenberger Tafelrunde wurden von einem Berliner Journalisten der Homosexualität bezichtigt, was besonders deswegen äußerst heikel war, da der Fürst der beste Freund Kaisers Wilhelm II war, des letzten deutschen Kaisers. Der Fürst wurde vors Gericht gestellt, der Kaiser distanzierte sich von ihm.
Adelheid Schaaf hatte es geschafft, die Tochter eines Tagelöhners wurde Hausmädchen im Schloss Liebenberg. Mit ihrem kargen Lohn sichert sie das Überleben der ganzen Familie. Als ihre Mutter nach der Geburt des jüngsten Kindes schwer krank wird, fleht Adelheid die Fürstin um Hilfe an, doch diese hat andere Sorgen und weist sie schroff ab. Die Mutter und das Baby sterben, Adelheid schwört Rache.
Das Angebot eines Journalisten, Beweise für die Homosexualität des Fürsten zu kaufen, fällt bei Adelheid auf fruchtbaren Boden. Tatsächlich findet sie einen eindeutigen Brief, den sie für viel Geld verkauft. Von nun an lebt sie in ständiger Angst, dass ihr Verrat herauskommt.
Hedda Pietsch musste als Folge einer Intrige das Schloss verlassen. In Berlin sucht sie nach einer neuen Stelle, es werden ihr aber nur Stellen als Alleinmädchen angeboten, eine Arbeit, die sie auf keinen Fall mehr machen will. Mit Hilfe von Constanze Maiwald, der früheren Gouvernante der Komtessen, schafft sie es, ihre alte Stelle im Schloss wiederzubekommen. Dabei hat sie aber nicht bedacht, dass sie dort dem gewalttätigen Haushofmeister Opitz ausgeliefert sein wird.
Constanze Maiwalds Verlobter Hugo ist Journalist. Den beiden wird klar, dass die Anklage wegen Homosexualität als Vorwand diente, die pazifistische und frankophone Liebenberger Tafelrunde loszuwerden und stattdessen Kriegstreiber im Umfeld des Kaisers zu platzieren, die letztendlich das Deutsche Reich zum Weltkrieg führen werden.
Die Stellung in der Gesellschaft war ererbt, es gab keine Möglichkeit für einen gesellschaftlichen Aufstieg. Es konnte nur noch schlimmer werden, wenn man beispielweise als unverheiratete Frau schwanger wurde oder als Bürgerlicher den Einberufungsbescheid zum Militär bekam, wo man von den adeligen Offizieren gequält, getriezt und fürs Leben gezeichnet wurde.
Die Autorin hat das harte Leben der niederen Schichten authentisch und emotional dargestellt. Was führten sie für ein hartes Leben, gänzlich ohne Rechte, ohne Kranken-, Arbeitslosen- oder Unfallversicherung. Hedda ist außer sich vor Freude, als sie einen Job im Dienstbodenverband ergattert, bei dem sie „nur“ zehn Stunden am Tag und „nur“ sechs Tage die Woche arbeiten muss.
Das Ende gefällt mir sehr gut, ich freue mich, dass Adelheid und Viktor die Chance auf ein besseres Leben bekommen. Auch das Leben von Constanze und Hedda hat sich zum Besseren gewendet. Am meisten freut mich, dass es endlich geklappt hat, gegen Opitz vorzugehen. Die Schloss-Liebenberg-Trilogie hat mich begeistert, und ich empfehle sie allen, die gerne ausgezeichnet recherchierte historische Romane lesen und allen, die sich für die deutsche Geschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts interessieren.

Bewertung vom 31.08.2023
Kontur eines Lebens
Robben, Jaap

Kontur eines Lebens


ausgezeichnet

Durch das Cover und den Klappentext bin ich auf das Buch aufmerksam geworden, der Titel ist sehr passend gewählt. Der Originaltitel „Schemerleven“ bedeutet Leben im Zwielicht, was den Inhalt des Romans ebenfalls gut wiedergibt.
Der Roman spielt auf zwei Handlungsebenen. In der Gegenwart ist Frieda 81 Jahre alt. Kürzlich verwitwet zieht sie in ein Pflegeheim. Ihr Sohn Tobias kümmert sich um die Auflösung ihres Hausstands und besucht sie häufig, meistens mit seiner schwangeren Frau Nadine. Durch die Schwangerschaft ihrer Schwiegertochter kommen mit voller Wucht Erinnerungen an ihre erste Schwangerschaft hoch.
1963 lernt sie den elf Jahre älteren Otto kennen. Otto ist Professor für Biologie und erforscht hingebungsvoll Nachtfalter, besser bekannt als Motten. Es ist eine Amour fou, sie verfallen einander mit Haut und Haaren. Für Frieda ist es die erste große Liebe. Als Frieda schwanger wird, wird ihr Leben zum Alptraum. Ihre Eltern schmeißen sie raus, sie haust hochschwanger in einem halb verfallenen Haus, Otto zieht sich immer mehr zurück.
Der Autor beschreibt detailliert und emotional die Geburt und die furchtbare Zeit danach, als Frieda im Krankenhaus allein zurückgelassen und den dort arbeitenden Nonnen auf Gedeih und Verderb überlassen wird.
Die Darstellung von Friedas Leiden, ihrem Verlust und dem niemals nachlassenden Schmerz hat mich tief berührt und erschüttert. Das Verhalten von Friedas Eltern, das ihres Geliebten sowie das ihres gesamten Umfelds war traumatisierend.
Als Mutter kann ich sehr gut nachvollziehen, dass Frieda nie über den Verlust ihres Kindes hinweggekommen ist, die Mutter riet ihr, zu vergessen und weitermachen, als ob nichts geschehen wäre. Es wurde ihr weder Psychotherapie noch eine andere Behandlung angeboten.
Robben hat ein eindrucksvolles Werk über Verlust und die daraus resultierende lebenslange Trauer geschrieben. Hochemotional und aufwühlend, von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung für Leser*innen anspruchsvoller und tiefsinniger Literatur.

Bewertung vom 30.08.2023
Neue Wege / Die Schwestern vom See Bd.2
Beck, Lilli

Neue Wege / Die Schwestern vom See Bd.2


ausgezeichnet

Da mich bereits der erste Band der Reihe um die drei Schwestern Iris, Rose und Viola begeistert hat, habe ich mich schon sehr auf die Fortsetzung gefreut.
Viola ist nicht mehr da, Iris kümmert sich um deren kleine Tochter Jasmin, was ihrem Ehemann Christian gar nicht in den Kram passt.
Während ihres Polterabends erfährt Rose, dass Nico ihr nicht die ganze Wahrheit über seine Familie gesagt hatte, daraufhin löst sie wutentbrannt die Verlobung.
Unangemeldet taucht Charlotte, Großvater Max‘ uneheliche Tochter, mit ihrer Tochter Lissi in der Pension König auf. Lissi zeigt großes Interesse für das Konditorhandwerk und die familieneigene Konditorei „Tortenhimmel“. Wollen Charlotte und Lissi ihren Anteil von Großvaters Erbe?
Lilli Beck lässt uns am turbulenten Alltag der Familienpension König am malerischen Bodensee teilnehmen. Während der Pandemiejahre ist die Pension in die roten Zahlen gerutscht, nur der Umsatz der Konditorei konnte die Familie vor der Insolvenz retten. Doch es gibt ein Licht am Horizont, immer mehr Gäste kommen, neue und alte. Die Familie erarbeitet ein Marketingkonzept, es geht aufwärts.
Nichtsdestotrotz steht die Überlegung im Raum, ob es die Mühe wert ist, die Pension zu behalten. Die Arbeit im Hotel- und Gastronomiegewerbe ist hart, es gibt kaum freie Wochenenden, Urlaub ist nur in der Nachsaison möglich. Ich bin gespannt, wie sich die Familie entscheidet.
Auch dieser Band der Schwestern-Reihe liest sich schnell und flüssig, der Schreibstil ist bildhaft und dialogreich, die Protagonist*innen authentisch und sympathisch. Wer leichte, kurzweilige Sommerlektüre mag, wird diesen Roman lieben.

Bewertung vom 24.08.2023
Mein schrecklich schönes Leben
Smale, Holly

Mein schrecklich schönes Leben


gut

Das farbenreiche Cover ist mir direkt ins Auge gefallen, ich liebe Farben! Ich habe noch nicht viele Bücher über Zeitreisen gelesen und war sehr gespannt.
Cassie, 31 Jahre alt, hat mit sehr vielen Problemen zu kämpfen, aufgrund ihrer Andersartigkeit stößt sie viele vor den Kopf. Mit Freund*innen, Kolleg*innen und Partnern tut sie sich schwer. Ihr derzeitiger Freund Will hat soeben nach vier Monaten Schluss gemacht und damit die längste Beziehung beendet, die sie je hatte.
Am Tag, an dem Will Schluss macht, stellt sie fest, dass sie die Fähigkeit hat, die letzten Tage, Wochen oder Monate auslöschen, und in ihre Vergangheit zu reisen. Als ihr das auffällt, bemüht sie sich, alles dafür zu tun, um mit Will zusammen zu bleiben. Es folgen tausend erste Dates.
Cassies merkwürdiges Verhalten wird am Ende aufgeklärt, wobei den meisten Leser*innen klar geworden sein muss, was der Grund dafür ist. Emotionen stellt sie sich als Farben vor, von denen die Menschen, mit denen sie kommuniziert, umgeben sind.
Viel Raum nimmt griechische Mythologie ein, die Cassandras Steckenpferd ist. Wir erfahren einiges über griechische Götter und Göttinnen und ihre Missetaten.
Im letzten Viertel stand nicht mehr die Beziehung zu Will, sondern vielmehr die zu ihrer Schwester Artemis, und die Verarbeitung des zehn Jahre zurückliegenden Bruchs zwischen den Schwestern im Vordergrund.
Ich fand die Protagonistin in ihrem krampfhaften Bemühen, alles richtig zu machen, und die Fehler aus der Vergangheit auszuradieren, äußerst merkwürdig. Gut gefallen hat mir der flüssige, dialogreiche Schreibstil, der mich dazu verleitet hat, das Buch in kurzer Zeit durchzulesen. Eine leichte, teils durchaus amüsante Lektüre, die mich jedoch leider nicht begeistern konnte.