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R. S.

Bewertungen

Insgesamt 182 Bewertungen
Bewertung vom 12.06.2022
Der letzte Schrei
Sagiv, Yonatan

Der letzte Schrei


ausgezeichnet

Queere Reise durch Tel Aviv

Warnung: Dieses Buch enthält politisch nicht korrekte Sprache und spielt mit traditionellen Bildern von Mann und Frau. Kurzum, es geht ziemlich bunt, schrill, laut und lustig im nicht so traditionellen Krimi "Der letzte Schrei" von Yonatan Sagiv zu.

Oded Chefer, ein eher erfolgloser Privatermittler aus Tel-Aviv, der von sich selbst im femininen spricht und schwul ist, träumt vom großen Erfolg und Reichtum. Sein neuer, auf den ersten Blick einfacher Auftrag scheint ihm auch die Tür in Israels High Society zu öffnen. Er soll herausfinden, was mit dem 15-jährigen aufsteigenden Pop-Sternchen Carine Carmeli in letzter Zeit los ist. Oded sieht sich schon bei den Reichen und Schönen Israels ein- und ausgehen, doch schnell verkomplizieren sich seine Ermittlungen, weist sein Auftrag doch schon bald Überschneidungen mit dem Verschwinden von Gabriela, einer transsexuellen Frau, auf. Ehe er sich versieht, ist er mit zwei Leichen und Ermittlungen in der LGBTQ-Community von Tel Aviv und den Abgründen der israelischen High Society konfrontiert.

Schon die Handlung zeigt, dass es sich hier nicht um den traditionellen Kriminalroman handelt. Oded entspricht auch nicht dem Bild des "klassischen" zynischen, stillen und einzelgängerischen Detektivs vieler Kriminalromane. Er ist geschwätzig, nimmt kein Blatt vor dem Mund und ist oftmals unverschämt und provozierend in seinen Gesprächen. Auch lässt er sich leicht von schönen und muskulösen Männern ablenken und zieht oft die falschen Schlüsse. Auch wenn er auf dem ersten Blick unsympathisch rüberkommen mag, zeigt er auch Momente tiefen Mitgefühls und Verletzlichkeit. Er ist mit alle seinen Makeln menschlich und das macht ihn sympathisch.

Trotz des eher schrillen und humorvollen Stils des Kriminalromans, spricht der Roman auch geschickt ernstere Themen an und schreckt auch vor gesellschaftskritischen Tönen nicht zurück. Neben dem modernen, liberalen und lebensfrohen Tel Aviv, zeigt Yonatan Sagiv auch dass Tel Aviv, das von einer wirtschaftlichen und sozialen Kluft sowie von Gentrifizierung geprägt ist. Ebenso werden auch die Probleme Israels und in dessen Gesellschaft angesprochen wie z.B. soziale und ethnische Spannungen und der ambivalente Umgang mit Flüchtlingen und Immigranten, auch der israelisch-palästinensischer Konflikt ist in der Handlung präsent.

Mein Fazit: Ein Kriminalroman, der queer und anders ist, der einen von der ersten bis zur letzten Seite in den Bann zieht und einen Tel Aviv bzw. Israel von einer anderen Seite kennenlernen lässt. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 08.06.2022
Gretas Erbe / Die Winzerin Bd.1
Engel, Nora

Gretas Erbe / Die Winzerin Bd.1


weniger gut

Wein ist Poesie in Flaschen, dieser Roman über die Winzerin Greta eher nicht

Vorneweg: „Gretas Erbe“ ist der erste Band der Trilogie rund um die Winzerin Greta. Der zweite Band „Gretas Geheimnis“ erscheint noch im Herbst dieses Jahres.

Hat mir das Buch gefallen? – Nicht wirklich.
Würde ich es weiterempfehlen? – Eher nicht.

„Gretas Erbe“ spielt während der 70er in Kirchheim, einem Weinort in Westdeutschland und handelt von Greta, die als Waise bei der Winzerfamilie Hellert auf deren Hof lebt. Greta hat es nicht leicht, da ihre Zieheltern sie spüren lassen, dass sie nicht zur Familie gehört. Nur mit Robert, den Sohn der Hellerts, versteht sie sich gut. Greta ist selbstbewusst, intelligent und weiß, was sie vom Leben will und dazu zählt nicht auf dem Weingut der Hellerts zu arbeiten. Sie hat andere Pläne für ihre Zukunft, bis ein Erbe alles verändert und damit endet Band 1. Womit ich schon bei meinem ersten Kritikpunkt wäre, nämlich dem, dass der Titel ausschlaggebende Handelspunkt erst nach mehr als 300 Seiten relevant wird und dann auch noch vergleichsweise kurz abgehandelt wird, ist für mich zu antiklimatisch, da habe ich mir mehr erwartet.

Ebenso konnte der Schreibstil mich nicht richtig fesseln, viele Passagen waren eher langatmig und voll von uninteressanten Beschreibungen, sodass ich viele Textstellen einfach nur überflog. Auch weniger 70er-Jahre Referenzen hätten das Leseerlebnis angenehmer gemacht.

Alles in allem war es für mich eher eine Enttäuschung, vielleicht bin ich auch eher das falsche Publikum für diese Romantrilogie. Leser, die sich für Einblicke in die Weinherstellung und die Bewirtschaftung eines Weinhofes interessieren, Romane über selbstbewusste Frauen mögen sowie in 70er-Jahre Flair schwelgen wollen, könnten von der Buchreihe angetan sein.