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MaWiOr
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Halle

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Insgesamt 3695 Bewertungen
Bewertung vom 27.08.2024
Ripley
Highsmith, Patricia

Ripley


ausgezeichnet

Mit „The Talented Mr. Ripley“ (1955, dt. „Der talentierte Mr. Ripley“) erschloss Highsmith dem Kriminalroman neue Dimensionen. Sie wich vom traditionellen Gattungsschema ab: Im Mittelpunkt stand nicht die Aufklärung des Verbrechens, sondern der Täter, der kaltblütig seinen Freund ermordet, um dessen Identität zu übernehmen. Der elegante Tom Ripley, der keinerlei Schuldgefühle verspürt, ist geradezu charmant und sympathisch; der Leser kann kaum anders, als mit dem Protagonisten mit zu fiebern.

Nach dem tragischen Unfalltod seiner Eltern wächst Tom bei der Schwester seiner Mutter auf. Mit kleinen Betrügereien versucht er sich durchs Leben zu schlagen. Da bittet ihn der Vater eines seiner Schulfreunde, ihm zu helfen und seinen Sohn Richard (Dickie) aus Europa in die USA zurückzuholen. In der Nähe von Neapel freundet sich Tom mit Dickie an und fasst den Plan, in Dickies Identität zu schlüpfen und dessen Vermögen an sich zu reißen. Nach dem Mord kann Tom immer wieder der italienischen Polizei entwischen. Schließlich verlässt er Italien unbehelligt und reist nach Griechenland, doch die Angst vor seiner Entdeckung ist sein ständiger Begleiter.

Mit dem Buch gelang Highsmith eine sensible psychologische Studie über eine Verbrecherkarriere. Sie habe das „Gespür für Gut und Böse“ verloren, schrieb sie in ihr Notizbuch. Der Roman wurde bereits 1960 verfilmt („Nur die Sonne war Zeuge“) mit Alan Delon in der Hauptrolle. Bis 1991 ließ Highsmith noch vier weitere Romane mit dem skrupellosen Ripley folgen und schuf damit eine der beliebtesten Romanfiguren. Die Diogenes-Ausgabe ist mit einem Nachwort von Paul Ingendaay versehen. Fazit: Ein spannender Krimi, der längst ein Klassiker ist.

Bewertung vom 24.08.2024
De Vriendt kehrt heim
Zweig, Arnold

De Vriendt kehrt heim


ausgezeichnet

In der Schulzeit waren „Der Streit um den Sergeanten Grischa“ und „Erziehung vor Verdun“ Pflichtlektüre. Nun eine persönliche Neuentdeckung eines Werkes von Arnold Zweig: der Roman „De Vrient kehrt heim“ aus dem Jahr 1932. Zweig verarbeitete hier ein historisches Ereignis: 1924 wurde der niederländische Jurist und Schriftsteller Jacob Israel de Haan in Jerusalem erschossen. Ein Attentat aus dem Hinterhalt.

Zweig datiert die Bluttat in seinem Roman auf das Jahr 1929. Er war von der Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit seiner Hauptfigur angezogen. De Haan selbst war ein Marxist, der über seine gleichgeschlechtlichen Beziehungen offen schrieb und das mitten im orthodoxen Jerusalem, wo sich 1929 die Gegensätze zwischen Juden und Arabern zuspitzen. Mit anderen nimmt de Vriendt eine vermittelnde Haltung ein. In Europa soll er für diese Aufgabe werben. Doch de Vriendt wird wegen seiner ausgleichenden Politik von führenden jüdischen Zeitungen als Verräter diffamiert; sie wollen jeden Kompromiss mit den Arabern verhindern.

Von drei radikalen jungen Einwanderern wird de Vriendt nach seiner Rückkehr nach Jerusalem auf der Straße erschossen. Sein Tod verschärft jedoch die Situation, denn von allen Seiten wird jetzt versucht, neue Feindlichkeiten zu schüren, sodass blutige Unruhen um sich greifen. Nach einem Jahr geht das Leben in Palästina jedoch wieder seinen „normalen Gang“ und von dem Idealisten de Vriendt spricht kaum noch jemand.

Der Roman spiegelt die weltanschauliche Position von Arnold Zweig kurz vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten wider. Er zeigt aber auch die Anfänge heutiger Konflikte im Nahen Osten auf. Sehr lesenswert, dazu eine äußerst gediegene Ausgabe.