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Bookwood
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Bad Honnef

Bewertungen

Insgesamt 114 Bewertungen
Bewertung vom 27.02.2025
Die Schanze
Menz, Lars

Die Schanze


sehr gut

Packendes Krimidebüt
Das Cover von Lars Menz Krimi-Erstling hat mich direkt angesprochen. Die schwarzweiße Winterlandschaft kombiniert mit den Streifen in Signalgrün ist ein wirklicher Hingucker. Dazu kommt dann noch der Farbschnitt in der passenden Farbe, der für mich allerdings nicht unbedingt notwendig wäre. Von der Gestaltung her also auf jeden Fall ein Buch nach dem ich in der Buchhandlung greifen würde, um mir den Klappentext anzuschauen.
Aber auch inhaltlich hat mich das Buch absolut überzeugt, zumal weil es bis zur Seite richtig spannend bleibt.
Die Geschichte ist relativ schnell erzählt: Die junge Ärztin Ellen kehrt nach einer gescheiterten Beziehung in ihren Heimatort zurück, um dort eine Hausarztpraxis zu übernehmen. Schnell wird klar, dass sie nach dem Abitur quasi nach Hamburg geflohen ist, um ein traumatisches Erlebnis zu verdrängen. Sie war der Überzeugung, dies erfolgreich verarbeitet zu haben, doch als gleich nach ihrer Rückkehr zwei bestialische Morde geschehen, wird sie erneut mit ihren Dämonen konfrontiert. Doch es gibt mehrere Personen, die als Täter für die Verbrechen in Frage kommen. Korruption und Betrug kommen zutage und auch Ellen ist sich nicht sicher, welche Rolle sie bei den Vorkommnissen spielt. Obwohl der Krimi mit seinen 300 Seiten zu den eher kürzeren Werken gehört, gelingt es dem Autor, eine komplexe Geschichte zu erzählen. Gekonnt verwebt er die Geschehnisse aus Ellens Vergangenheit mit denen der Gegenwart. Dabei ist einiges nicht so, wie es scheint. Obwohl verhältnismäßig schnell klar wird, was Ellen als Abiturientin widerfahren ist, dennoch kann der Mörder erst auf den letzten Buchseiten entlarvt werden. Für mich hat Lars Menz mit „Die Schanze“ ein gelungenes Krimidebüt gegeben, das sich flüssig lesen lässt und gut unterhält. Ich bin gespannt, welches Thema sein nächstes Buch hat.

Bewertung vom 23.02.2025
In einem Zug
Glattauer, Daniel

In einem Zug


gut

Etwas enttäuschend
Der letzte Roman von Daniel Glattauer „Die spürst du nicht“ war für mich einer der Lesehöhepunkte des Jahres 2023. Deshalb habe ich sehr gespannt auf sein neues Werk „In einem Zug“ gewartet, wurde letztendlich aber etwas enttäuscht.
Glattauers Buch besteht ausschließlich aus einem Dialog zwischen dem einst sehr erfolgreichen Autor Eduard Brünhofer und einer jungen Frau mit Namen Catrin Meyr, die sich auf der Bahnreise von Wien nach München kennenlernen, weil sie im selben Zugabteil
sitzen. Brünhofer, der seit längerer Zeit an einer Schreibblockade leidet, wird in München seinen Verleger treffen, um ihm zu gestehen, dass er weiterhin nicht an einem vielversprechenden Buchprojekt arbeitet. Catrin erzählt, dass sie unterwegs zu ihrem Geliebten ist. Es entwickelt sich eine mehrstündige intensive Unterhaltung zwischen den beiden, bei der die junge Frau dem alternden Autor besonders bohrende Fragen zu seinem Liebesleben stellt.
Obwohl der Roman mit seinen 200 Seiten ja nicht besonders lang ist, gibt es Passagen, die ich als „langatmig“ bezeichnen würde. Innerhalb der Dialoge blitzt einfach zu selten die Ironie und Hintergründigkeit auf, für die ich Daniel Glattauer eigentlich so schätze. Ja, manches ist schon witzig, aber einige Gedankengänge erschienen mir auch etwas künstlich und aufgesetzt. Vielleicht hat mir das Buch auch weniger gut gefallen, weil einfach so wenig passiert ist. Da kann auch meines Erachtens der Plot am Ende des Werkes nicht mehr allzu viel herausreißen, denn eigentlich hat man ja schon geahnt, worauf das alles hinausläuft.
Ich werde trotzdem auch wieder das nächste Buch von Daniel Glattauer lesen und kann damit leben, dass „In einem Zug“ nicht eines meiner Lieblingsbücher von ihm sein wird.
Die Covergestaltung mochte ich und fand die gewählte Farbgebung schön.

Bewertung vom 12.01.2025
Die Tochter der Drachenkrone
Qunaj, Sabrina

Die Tochter der Drachenkrone


sehr gut

Frauen als Schachfiguren der Politik
Auf das Buch „Die Tochter der Drachenkrone“ von Sabrina Qunaj war ich sehr gespannt.
Es war für mich das erste Werk der Autorin, das ich gelesen habe. Die von ihr verfasste „Geraldine-Reihe“, an die sich der Roman wohl anschließt, kenne ich nicht, hatte aber auch nicht den Eindruck dass das Buch mit Kenntnis deren Inhalte einen Mehrwert bei der Lektüre gehabt hätte.
Die Covergestaltung hat mich sehr angesprochen. Die gewählten Rottöne in Kombination mit der goldenen Schrift ist wunderschön. Hilfreich beim Lesen sind die beigefügten Stammbäume der einzelnen Adelslinien, wo man doch hin und wieder mal unterstützend nachschauen muss, da man, gerade zu Beginn des Buches mit einer Flut von walisischen Namen konfrontiert wird.
Die Geschichte spielt im Wales des 12. Jahrhunderts, die Protagonistin ist Gwenllian, die Tochter des mächtigen Fürstens von Südwales.
Zusammengefasst geht es inhaltlich um die ständigen Auseinandersetzungen zwischen Briten und Normannen, bei denen die einzelnen walisischen Adelsfamilien je nach Interessenlage taktieren und Bündnisse schließen. Besonders die Frauen werden als Figuren auf dem Schachbrett der Politik eingesetzt und dazu gezwungen, strategisch sinnvolle Ehen einzugehen. Das wird hier im Roman eindrucksvoll geschildert. Auch wenn Gwenllian ihren eigenen Kopf hat und es ihr gelingt, vor einer besonders verhassten Ehe mit einem Freinc zu fliehen, muss sie sich letztendlich fügen und einer arrangierten Ehe zustimmen.
Ich hätte mir in der Geschichte mehr Tiefe in der Beschreibung des walisischen Hoflebens und des Lebens des walisischen Volkes gewünscht. Das bleibt alles so ein bisschen im Hintergrund und hätte der Erzählung wesentlich mehr Farbe verliehen. Auch die wunderschöne Landschaft, die Wales ja auch so besonders macht, kommt meines Erachtens etwas zu kurz.
Ansonsten hat der Roman zwar die ein oder andere Länge, eignet sich aber durchaus für lange gemütliche Leseabende in der dunkleren Jahreszeit.
Ich empfehle das Buch auf jeden Fall, habe aber schon spannendere und facettenreichere historische Romane gelesen.

Bewertung vom 12.01.2025
Dem Sturm entgegen
Ahern, Cecelia

Dem Sturm entgegen


sehr gut

Mystisches Irland
Eine regnerische Dezembernacht verändert das Leben der Ärztin Enya von einer Sekunde auf die andere. Sie ist allein auf einer einsamen Landstraße unterwegs und wird zu einem Unfall dazu gerufen, bei dem ein Junge angefahren und lebensgefährlich verletzt wurde.
Es gelingt ihr zwar, ihn wieder zu beleben, aber aufgrund dieses Erlebnisses beginnt sie ihre eigene Lebenssituation zu hinterfragen und erkennt, dass sie keine andere Wahl hat, als daraus auszubrechen. Enya stellt fest, dass es viele Probleme gibt. Sie hat den plötzlichen Tod ihrer Mutter nie verwunden, in ihrer Ehe ist sie unglücklich und auch ihr Sohn entgleitet ihr, obwohl er immer ihr Lebensmittelpunkt war. So erscheint es der Ärztin als glückliche Fügung, dass ihr eine Stelle als Landärztin in dem kleinen Ort Abbeydooley angeboten wird. Sie ahnt nicht, dass sie dort gezwungen wird, sich ihren eigenen Dämonen zu stellen.
Was mir an Cecelia Aherns neuem Roman „Dem Sturm entgegen“ besonders gefallen hat, ist die gute Mischung aus Mystik, die so untrennbar mit Irland verbunden ist und spannender Geschichte, bei der eine Fahrerflucht aufgeklärt wird. Die Protagonistin wird glaubhaft dargestellt in ihrer Zerissenheit. Ihre Verzweiflung, ihre Ängste, die sie immer wieder heimsuchen, sind bedrückend und bewegend. Der Schluss des Buches beinhaltet einen Twist, mit dem nicht unbedingt gerechnet hat. Ich mochte auch die Texte von Enyas Mutter durch die sie sich mit ihr verbunden fühlt. Sie geben dem Roman mehr Tiefe.
Besonders gelungen fand ich die Beschreibung des Rag Trees, an den die Menschen gleichsam ihre Hoffnungen knüpfen. Er passt so herrlich zur grünen Insel und ihren wundervollen Märchen und Mythen.
Für mich war der Roman ein wirklich schönes Buch, das zeigt, dass auch, wenn eine Lage aussichtslos erscheint, es immer einen richtigen Weg zum Neuanfang gibt.
Das Cover in Aquarellfarben ist sehr schön und auffallend.

Bewertung vom 24.11.2024
La Louisiane
Malye, Julia

La Louisiane


ausgezeichnet

Ein besonderes Buch
Der Roman „La Louisiane“ von Julia Malye ist für mich eines der besonderen Bücher meines Lesejahres 2024. Es ist zugegebenermaßen nicht ganz einfach zu lesen, dafür wirkt es aber bei mir besonders lange nach. Das liegt sicher an dem wunderbaren Schreibstil der Autorin, aber auf jeden Fall auch an den bewegenden Frauenschicksalen, die im Mittelpunkt von Julia Malyes Werk stehen. Wir werden in das Jahr 1720 entführt. Die Geschichte beginnt in Frankreich, genau genommen in der Hauptstadt Paris. Die Oberin der psychiatrischen Anstalt Salpetriere wählt Frauen aus, die in die französische Kolonie La Louisiane verschifft werden, um dem dortigen Frauenmangel entgegenzuwirken. Auf der Überfahrt lernen sich Charlotte, Petronille und Genevieve kennen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Trotzdem fühlen sich die drei Frauen fortan miteinander verbunden, obwohl sich ihre Wege vorübergehend trennen und das Schicksal für jede von ihnen eine unterschiedliche Zukunft bereithält. Jede kämpft ihren eigenen Kampf, oft machtlos in einer Welt, die ausschließlich von Männern bestimmt zu sein scheint. Doch schließlich gibt es für sie doch zumindest auch zum Schluss ein kleines bisschen Glück, das sie für all die harten Entbehrungen entschädigt.
Im Klappentext des Buches habe ich gelesen, dass die Autorin 10 Jahre für ihr Buch recherchiert hat. Ich finde auch, dass man dies ihrem Roman anmerkt. Die Beschreibungen der gesellschaftlichen Strukturen von La Louisiane erscheinen sehr fundiert. Der Fokus liegt hierbei nicht auf einer unterhaltenden Darstellung, was aber der Geschichte auch sehr viel Tiefgang verleiht. Man hat teilweise den Eindruck, dass man die Beschreibung einer zeitgenössischen Forschungsreisenden liest. Aufgebrochen wird dieser Eindruck allerdings durch den regelmäßigen Perspektivwechsel, der auflockernd wirkt.
Für mich ist „La Louisiane“ ein wirklich herausragender historischer Roman, der zum Nachdenken anregt. Lediglich die Covergestaltung gefällt mir nicht so gut, ist allerdings m.E. aber eher nebensächlich.

Bewertung vom 10.11.2024
Blutbuße / Hanna Ahlander Bd.3
Sten, Viveca

Blutbuße / Hanna Ahlander Bd.3


ausgezeichnet

Wieder mega-spannend
Viveca Sten hat bei mir mit ihrem Krimi „Blutbuße“ mal wieder voll ins Schwarze getroffen. War ich von den beiden ersten Bänden der Serie mit den Ermittlern Hannah Ahlander und Daniel Lindskog schon total begeistert, so setzt sich meine Begeisterung auch bezüglich des dritten Bandes fort.
Eine Stockholmer Immobilienentwicklerin wird in ihrer Hotelsuit auf brutalste Art und Weise erstochen. Es wird schnell klar, dass sie sich mit ihrem neuesten Projekt, ein altes Hotel abzureißen und ein Luxusressort an seiner Stelle aufzuziehen, überwiegend Feinde gemacht hat. Doch ist das wirklich der Grund, warum sie ermordet wurde, oder liegt das Motiv weit in ihrer Vergangenheit und der ihrer Familie?
Hannah und Daniel stehen anstrengende Ermittlungen bevor, die anfangs eher in die falsche Richtung gehen. Als noch ein zweiter Mord geschieht und eine Person aus dem Umfeld der Ermordeten entführt wird, erkennt Hannah, dass nur ein waghalsiger Plan dazu führen kann, eine Katastrophe zu verhindern.
Neben der durchgängig spannenden Story, mag ich an dieser Krimiserie besonders die zwischenmenschlichen Töne. Hannah gelingt es nicht, ihr Gefühlschaos in puncto Liebesbeziehungen in den Griff zu bekommen. So taff sie auch beruflich ist, so zögerlich ist sie in Liebesdingen und schafft es einfach nicht, sich selbst gegenüber bezüglich ihrer Gefühle ehrlich zu sein. Dabei ist sie mir sehr sympathisch in ihrer Verletzlichkeit. Auch ihre beiden Kollegen Daniel und Anton mag ich absolut. Daniel, der verzweifelt versucht ein guter Partner und Ehemann zu sein und am Spagat zwischen Beruf und Familie zu zerbrechen droht und Anton, der sich so schwer damit tut, sein Anderssein zu akzeptieren. Diese Kombination aus tollen Charakteren, einer superspannenden Story und einer wunderbar atmosphärischen skandinavischen Krimikulisse, das schon etwas frühlingshafte dennoch winterliche Are, führt dazu, dass man beim Lesen quasi jede Seite des Buches genießt. Ich bin weiterhin ein absoluter Viveca-Sten-Fan und fiebere schon dem Fortsetzungsband entgegen. Das Cover ist wieder in Weißtönen mit dem roten Akzent gut ausgesucht und hat natürlich zusätzlich einen Wiedererkennungseffekt.

Bewertung vom 19.10.2024
Wintersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.2
Engman, Pascal;Selåker, Johannes

Wintersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Nichts für schwache Nerven
War das wieder spannend! Nach der Lektüre des Krimis „Wintersonnenwende“ aus der Feder des Autorenduos Engman/Selaker muss man erst mal durchschnaufen.
Wieder, wie schon im ersten Band der Serie „Sommersonnenwende“, ermitteln Tomas Wolf und Vera Berg zusammen. Vera ist allerdings keinen Polizistin sondern eine Journalistin. Dieses Mal geht es um den Mord an einem Mann, der in der Silvesternacht in einem Bordell erschossen wurde. Zeugen sahen eine junge Frau flüchten. Ist sie die Täterin? Wolf und Berg beginnen in einem Millieu zu ermitteln, das geprägt ist von Prostitution und Drogen. Immer tiefer geraten sie in diesen Sumpf. Doch was ist das wirkliche Motiv für diesen Mord und welche Rolle spielt die junge Frau, die in der Mordnacht verschwand? Die Aufklärung dieser Fragen führt in die Vergangenheit und macht deutlich, dass etwas ganz anderes hinter der Tat steckt, als anfangs vermutet.
Doch auch Vera und Tom kämpfen gegen ihre eigenen Dämonen. Tom leidet immer mehr unter der Trennung von seiner Familie und droht bald völlig den Halt zu verlieren. Vera hat herausgefunden, dass Tomas ein Geheimnis hat, das sein Leben zerstören könnte. Obwohl sie der Sache als Journalistin unbedingt auf den Grund gehen möchte, zögert sie dies zu tun, da Tomas ihr bei den letzten Mordermittlungen das Leben gerettet hat. Als es im Schneesturm zum Showdown kommt und Tomas und Vera selbst in tödliche Gefahr geraten, muss Vera alle Bedenken über Bord werfen und mit Tomas gemeinsam die Täter zur Strecke bringen.
Mich hat der zweite Band der Wolf/Berg-Reihe von der ersten Seite an richtig gefesselt.
Allerdings hat es etwas gedauert, bis ich die Personen aus dem ersten Band für mich wieder ein bisschen sortiert hatte. Ich denke, es ist auch etwas schwierig, diesen neuen Krimi ohne Kenntnis des Vorgängers zu verstehen. Da ist von der Story einiges, was thematisch aufeinander aufbaut. Besonders mag ich an dieser Serie, dass eine Journalistin gemeinsam mit Polizisten ermittelt. So bekommt man interessante Einblicke in die Sichtweise und Herangehensweise zweier unterschiedlicher Berufsgruppen, die verschiedene Interessen bei der Ermittlung verfolgen.
Sowohl Vera Berg als auch Tomas Wolf haben als Personen ihr Päckchen zu tragen. Die Kombination aus Ermittlungsarbeit und persönlichen Problem ist bei dieser Reihe der Autoren Engman und Selaker gut und ausgewogen. Das winterliche Stockholm bietet eine perfekte Kulisse für den atmosphärisch perfekt gelungenen Krimi zusammen mit dem nervenaufreibenden Showdown im Schneesturminferno. Interessant ist auch, dass die Geschichte nicht in der Jetztzeit spielt, sondern in den 90er Jahren. Das beschert bei der Lektüre manch nostalgischen Moment.
Absolut überragend ist die äußerliche Gestaltung des Buches. Die Blautöne, die für den Umschlag und den Farbschnitt gewählt wurden, sind einfach wunderschön und passen perfekt zu diesem Winterkrimi, den man unbedingt lesen muss!

Bewertung vom 19.10.2024
Das Geheimnis der Glasmacherin
Chevalier, Tracy

Das Geheimnis der Glasmacherin


sehr gut

Zeitreise mit einer interessanten Frauenfigur
„Das Geheimnis der Glasmacherin“ entscheidet sich doch erheblich von „Das Mädchen mit dem Perlenohring“ dem einzigen Buch, das ich bisher von der Autorin Tracy Chevalier kennengelernt habe. Handelt es sich bei dem wohl bekanntesten Werk der Autorin um eine durchgehend im 17. Jahrhundert angesiedelte Story, so ist ihr neuestes Buch eine Zeitreise durch die Geschichte Venedigs. Dabei wird die Protagonistin, die Glasperlenmacherin Orsola aber auch schrittweise älter und mit ihr die Personen, die ihr wichtig sind. Daran muss man sich bei der Lektüre erst einmal etwas gewöhnen, aber mit der Zeit kam ich zu der Erkenntnis, dass auch diese Zeitsprünge ihren Reiz haben und diese natürlich bewirken, dass ein viel tieferer Einblick in die Historie der Lagunenstadt gegeben werden kann.
Die Idee, von den Glasmacherinnen und Glasmachern zu erzählen, finde ich total schön, denn deren Welt war mir bisher noch ganz unbekannt. Aber nicht nur deren Freuden und Nöte werden beschrieben, sondern auch die Probleme und die Verwandlung der so einzigartigen italienischen Stadt. Dabei helfen auch wieder die Zeitsprünge, die es möglich machen final noch die heutigen Themen wie den Ausbruch von Covid, die Umweltbelastung und den überbordenden Tourismus anzusprechen.
Besonders berührt hat mich das Kapitel über den Ausbruch der Pest in Venedig. Das Leiden der Menschen, die zum Sterben auf eine Insel gebracht wurden, kann man sich kaum vorstellen.
Orsola macht innerhalb des Buches eine große Entwicklung durch. Das kleine, unsichere Mädchen wird zu einer starken Geschäftsfrau. Allerdings schafft sie es bis zum Schluss nicht, sich völlig zu emanzipieren. Ihre große Liebe bleibt unerfüllt.
Außerordentlich schön finde ich die Gestaltung des Buches. Obwohl ich sonst Farbschnitte nicht besonders mag, so ist die farbliche Gestaltung hier so perfekt gewählt, als liefen die Farben des Covers dort zusammen. Außerdem spiegeln sich die Farben der von Orsola hergestellten Glasperlenhier gleichsam wider. Man freut sich wirklich beim Lesen dieses kleine Kunstwerk in den Händen zu halten.

Bewertung vom 19.10.2024
Die Frauen jenseits des Flusses
Hannah, Kristin

Die Frauen jenseits des Flusses


ausgezeichnet

Verletzte Seele
Kristin Hannahs Roman „Die Frauen jenseits des Flusses“ ist eines der Bücher die mich im Lesejahr 2024 positiv überrascht und wirklich nachhaltig beeindruckt haben.
Die Autorin greift mit dem Vietnamkrieg ein nicht ganz einfaches Thema auf, schafft es aber eine Geschichte zu erzählen, die zugleich an einigen Stellen sehr schonungslos ist, aber auch gerade durch ihre Realitätsnähe besticht.
So wird nichts beschönigt, auch wenn manches beim Lesen nicht so ganz leicht zu verdauen ist. Die Grausamkeit des Vietnamkrieges ist eigentlich, so traurig es auch ist, hinlänglich bekannt. Interessant und wirklich beeindruckend ist aber besonders die Beschreibung der Probleme, mit denen die ehemalige Feldkrankenschwester Frankie nach ihrer Rückkehr in die USA konfrontiert wird. Die teilweise Leugnung, dass Frauen überhaupt am Vietnamkrieg teilgenommen haben ist ebenso ungeheuerlich wie das Ansinnen, dass diese Frauen einfach zurückkehren sollen in ihr früheres Leben, wo sie sich den Männern unterordnen und sich lediglich auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter reduzieren sollen. Es ist sehr schwer erträglich mitanzusehen, wie mühsam es für Frankie ist, ihren Weg in ein eigenes Leben zu finden. Man leidet mit ihr und wünscht ihr nachher noch ihr kleines „Happy End“.
Kristin Hannah erzählt toll. Man verspürt das Bedürfnis, das ein oder andere Detail auch nochmal genauer nachzurecherieren, obwohl man absolut den Eindruck hat, dass die Autorin sich wirklich fundiert mit den historischen Fakten auseinandergesetzt hat.
Ich empfehle den Roman wirklich uneingeschränkt zur Lektüre, auch wenn er vielleicht eher nichts für empfindliche Seelen ist.
Die Covergestaltung empfinde ich als etwas zu kitschig. Sie hätte etwas passender sein können und vermittelt vielleicht einen etwas falschen Eindruck bezüglich des Buchinhalts.

Bewertung vom 06.10.2024
Das Dickicht
Kuhl, Nikolas;Sandrock, Stefan

Das Dickicht


sehr gut

Originelles Ermittlerduo
Das Autorengespann Nikolas Kuhl und Stefan Sandrock hat hier wirklich einen aussergewöhnlichen Krimi geschrieben, der in erster Linie durch sein originelles Ermittlerduo Juha Korhonen und Lucas Adisa, genannt Lux, geprägt ist. Beide arbeiten für das LKA Hamburg, wobei Juha ein „alter Hase“ ist und Lux ein „Frischling“. Beide geraten durch einen aktuellen Entführungsfall in die Ermittlungen eines „Cold Cases“, in dem Juha vor 20 Jahren mit seinem damaligen Partner ermittelte. Damals kam bei einer ähnlich ablaufenden Entführung ein 14-jähriger Junge ums Leben. Die beiden Polizisten fanden ihn erstickt in einer Kiste im Wald. Juhas Partner hat dieses Erlebnis bis zu seinem Tod nicht verkraftet, deshalb versucht dieser jetzt, die Wahrheit ans Licht zu bringen.
Der mutmaßliche Entführer wurde damals gestellt und beging dann Selbstmord. Allerdings kommt Lux und Juha sehr schnell der Verdacht, dass der falsche Täter verhaftet wurde. So beginnen sie den Fall wieder aufzurollen und stoßen auf immer mehr Ungereimtheiten. Juha kommt dem wirklichen Täter immer näher und begibt sich dadurch selbst in große Gefahr.
Der Fall, an dem Lux und Juha arbeiten, ist wirklich knifflig. Allerdings haben mich besonders auch die beiden komplett unterschiedlichen Ermittler in ihren Bann gezogen. Sie sind, jeder in seiner Art sehr speziell, aber beide auch geprägt durch eine nicht einfache Kindheit. Die beiden Autoren nehmen sich die Zeit, das Seelenleben der beiden Protagonisten zu durchleuchten. Lux scheint allerdings noch ein Geheimnis zu haben, das noch nicht gelüftet wird. Da ist auf jeden Fall noch Luft für eine Fortsetzung.
Mir hat auch gefallen, dass der Krimi völlig ohne blutrünstige Effekte und übertriebene Brutalität auskommt. Die Geschichte wird ruhig und fast unspektakulär erzählt und passt gut in den hohen Norden. Das Cover ist gut zum Titel ausgewählt, allerdings eher etwas austauschbar.