Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Lesens_werte
Wohnort: 
Erfurt

Bewertungen

Insgesamt 43 Bewertungen
Bewertung vom 05.05.2025
Die Magie der Konsequenz
Böhm-Reithmeier, Inga

Die Magie der Konsequenz


gut

In die Tiefe gehend

Bei der Erziehung und Ausbildung von Hunden kommt es auf ein konsequentes Verhalten der Bezugspersonen an. So lautet die These von Inga Böhm-Reithmeier, die mit ihrem Ratgeber-Buch "Die Magie der Konsequenz" ihre Ansichten umfangreich darlegt. Dieses umfasst immerhin 288 Seiten, die sich in aller Ausführlichkeit dem Thema widmen.

Für mich ist dies ein Kritik- und Pluspunkt in einem. Dieses Buch ist durch seinen Umfang sowohl für Einsteiger in der Tierhaltung als auch für erfahrene Hundebesitzer geeignet. Wobei letztere sicher auf einige Passagen hätten verzichten können und sich über prägnantere Zusammenfassungen freuen würden. Theorieabschnitte wechseln sich mit exemplarischen Beispielen und praktischen Übungsvorschlägen ab und auch die für den Kosmos-Verlag so typischen Hochglanzfotostrecken sind vorhanden. Ein gutes Buch für alle, die gerne in die Tiefe gehen, für ein kompaktes Nachschlagewerk aber sicher etwas zu massig geraten.

Bewertung vom 15.04.2025
Der Duft des Wals
Ruban, Paul

Der Duft des Wals


sehr gut

Gesellschaftskritik

Celeste ist Flugbegleiterin. Die Fluggäste bringen sie oft an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. In einem der Ferienflieger begleitet sie auch das Ehepaar Judith und Hugo sowie deren Tochter Ava auf dem Weg in ihren Cluburlaub nach Mexiko. Sie hatten die fixe Idee ihre bröckelnde Ehe mit zehn Tagen am Strand und guter Laune kitten zu können. Doch im vermeintlichen Paradies angekommen, stinkt es den Neuankömmlingen gewaltig. Die Ursache ist der mächtige Kadaver eines gestrandeten Wals.

"Der Duft des Wals" ist eine kurzweilige Geschichte über den misslungenen Aufenthalt verschiedener Personen im vermeintlichen Urlaubsparadies. Der Klappentext verspricht einen "absurd-komischen Roman". Das kann ich so nicht bestätigen. Ich finde die Story weder absurd - sondern eher tragisch und leider nah an der Realität - noch komisch, denn die Geschehnisse werden eher nüchtern erzählt. Nichtsdestotrotz macht dieses Buch vor allem eins: es übt Gesellschaftskritik aus. Dabei geht es sowohl um Kritik im Kleinen, an Eltern, die sich in den Vordergrund drängen und dabei kaum noch ihre Tochter sehen, als auch im Großen in Form von Umwelt- und Klimathemen. Der gestrandete Wal und die verzweifelten Versuche der Hotelangestellten seine unangenehmen Hinterlassenschaften zu beseitigen, sind für mich in erster Linie eine Metapher für unsere aktuelle Idiotie. Dieses Buch ist keine launige Unterhaltung für den Sommerurlaub, aber ein Grund zur Selbstreflexion!

Bewertung vom 11.04.2025
Unsere Suche nach Zärtlichkeit
Ehrenhauser, Martin

Unsere Suche nach Zärtlichkeit


ausgezeichnet

Suchen und Finden

Im trüben Brüssel verbringt Sebastien Dumont seine Nächte häufig bei der Telefonseelsorge um Menschen in Not zu helfen. Nicht immer gelingt ihm das und nicht immer gibt Dumont diese Hilfe für andere ein gutes Gefühl für sich selbst. Als er eines nachts mehrmals eine weinende Frau am Telefon hat, von der er nur bruchstückhafte Informationen erhält, setzt er sich zum Ziel diese Frau zu finden. Er macht sich auf die Reise nach Antibes an der französischen Küste um die Stecknadel im Heuhaufen zu finden. Dort trifft er auf die rätselhafte Florence. Schon bald nähern die beiden sich an, doch Florence verbirgt ein schwer wiegendes Geheimnis vor Dumont...

Dieses Buch lässt mich sehr zwiegespalten zurück. Da ist einerseits mein erster Eindruck, der bis ca. Seite 50 Bestand hatte und wo ich nur schleppend durch die Geschichte kam. Andererseits nahm danach die Geschichte Fahrt auf und erzählt auf eindringliche Weise die Entwicklung der Liebe zwischen Dumont und Florence ohne ins romantisch-kitschige abzurutschen. Man wird abgeholt und mitgenommen, fühlt den Sommerwind und die Magie zwischen den beiden. Gleichzeitig liegt auch eine dumpfe Schwere in der Beziehung, die sich am Ende entpuppt als Dumont das Geheimnis lüftet. Es geht um Moral, den Wunsch anderen lieb gewonnenen Menschen zu helfen und füreinander einzustehen.

Bewertung vom 31.03.2025
Halbinsel
Bilkau, Kristine

Halbinsel


ausgezeichnet

Berührende Geschichte

Nach dem frühen und plötzlichen Tod ihres Mannes hat Annett ihre Tochter Linn alleine in dem kleinen Häuschen auf der Halbinsel an der Nordsee groß gezogen. Geld war nie viel da, aber Liebe und Geborgenheit, ein Zuhause, ein Rückzugsort und Ankerplatz für die beiden Frauen. Jetzt ist Linn erwachsen, engagiert sich für Umweltschutz und Aufforstung. Als sie bei einem Vortrag einen Zusammenbruch erleidet, nimmt ihre Mutter sie wieder bei sich zu Hause auf und lernt ihr Kind auf eine neue Art und Weise kennen.

"Halbinsel" ist ein berührender und tiefgehender Roman über eine Mutter-Tochter-Beziehung und die Probleme und Hürden des Lebens, vor die wir alle mehr oder weniger täglich gestellt werden. Autorin Kristine Bilkau gelingt es in einer leichten und schwingenden Sprache die alltäglichen Herausforderungen zweier Frauen zu erzählen und dabei trotzdem nicht nur an der Oberfläche zu kratzen, sondern weit in die Tiefe zu gehen. Ich denke nahezu jeder kann sich in den vermittelten Emotionen wiederfinden und einfühlen. Es ist interessant die persönliche Entwicklung der beiden Hauptfiguren mitzuerleben und zu verfolgen, wie sich ihre Beziehung zueinander verändert. Beide lernen auf besondere Weise dem eigenen Empfinden zu vertrauen und auf ihre innere Stimme zu hören. Die Verbundenheit zu den eigenen Wurzeln hat ihnen dabei geholfen und Halt gegeben. Dieses Buch animiert dazu sich treu zu bleiben und gibt dem Leser eine gewisse Leichtigkeit und eine große Portion Selbstvertrauen mit.

Bewertung vom 29.03.2025
Hier draußen
Behm, Martina

Hier draußen


ausgezeichnet

Keine Dorfromantik

Lara und Ingo wollen raus aus der Großstadt, mehr Zeit für sich haben und für die Kinder. Mehr Platz, mehr Ruhe, gesünder leben - das alles denken sie hier draußen zu finden. Dazu haben sie einen alten Resthof im holsteinischen Fehrdorf gekauft. Während Ingo fast täglich zu seinem Start-up nach Hamburg pendelt, kümmert sich Lara um Haus, Hof und Kinder und versucht nebenbei als freiberufliche Illustratorin zu arbeiten. Aber der Einstieg im Dorf ist nicht einfach als Zugezogene. Als Ingo auf der Heimfahrt eine weiße Hirschkuh anfährt, erzählen die Fehrdorfer von alten Geschichten, die besagen, dass derjenige der für ihren Tod verantwortlich ist, nunmehr nur noch ein Jahr zu leben hat...

"Hier draussen" ist ein eindringlicher Roman über den Traum vom Landleben. Es wird nicht nur die Geschichte von Lara und Ingo erzählt, sondern man lernt auch einige der alteingesessenen Dorfbewohner und ihre Geschichten kennen. Dabei wird das Landleben keinesfalls romantifiziert, sondern auch von geplatzten Träumen, Existenznot und dem verpassten Glück erzählt. Egal ob Hühnermastbetrieb, Schweinezucht oder Hippie-Kommune - sie alle hatten eine Vorstellung vom Landleben, die nicht immer realitätskonform war.
Autorin Martina Behm gelingt der Spagat viele Lebensentwürfe kritisch zu betrachten, ohne irgendjemanden anzuklagen und Vorwürfe zu machen. Fakt ist, sie alle können und wollen nicht ohne ihr Dorf leben und trotzdem bleibt am Ende für einige immer noch die Hoffnung auf einen Neuanfang übrig.

Bewertung vom 23.03.2025
Flusslinien
Hagena, Katharina

Flusslinien


ausgezeichnet

Jahreshighlight

Margrit Raven ist 102 Jahre alt. Ihren Lebensabend verbringt sie in einer Hamburger Seniorenresidenz nahe der Elbe. Im Kopf ist sie noch ganz klar, nur der Körper wird schnell müde und die Kräfte lassen nach. Fahrer Arthur unterstützt sie. Täglich bringt er Margrit in den Römischen Garten, er hilft ihr nicht nur körperlich sondern auch mental durch ihre erfrischenden Gespräche. Dabei trägt auch Arthur mit seinen 24 Jahren schon eine persönliche Bürde mit sich herum. Und auch Margrits Enkelin Luzie steht am Scheideweg. Sie hat das Abitur abgebrochen und versucht ein Trauma zu bewältigen.

Katharina Hagena hat mit "Flusslinien" einen lebensklugen und wortgewaltigen Roman erschaffen. Die Elbe schlängelt sich als Sinnbild ruhig und stetig durch Margrits langes Leben. Sie ist Rückzugsort und Bezugspunkt in einem. Das trifft auch auf Luzie und Arthur zu, die ihre Kraft in und am Wasser finden. Es geht um Familien und deren Rückhalt, zu lernen nicht mit der Vergangenheit zu hadern, sondern sie anzunehmen, daraus zu lernen und dafür die Zukunft mitzubestimmen.
Auf eine sanfte und melancholische Art erfährt man mehr von diesen drei so verschiedenen Leben. Vor allem Margrit mit ihrer erfrischenden und altersweisen Art, ihren teils ironischen und direkten Antworten, wächst einem schnell ans Herz und macht dieses Buch aus. Für mich ein unaufgeregtes Jahreshighlight!

Bewertung vom 23.03.2025
Die Kurve
Schmidt, Dirk

Die Kurve


sehr gut

Problemlöser

In Neapel wird versucht einen Altmafioso zu erledigen. Seine Tochter kann das im letzten Moment verhindern. An wen wendet man sich in so einem Fall? Natürlich an Carl. Carl findet für alle Probleme eine Lösung beziehungsweise er hat für jedes Problem jemanden, der er es lösen kann. Da ist Ridley, mit einer Vorliebe für Drogen aller Art und teure Hotels. Schneider, der Unsympath und eiskalte Killer. Oder Betty, die aber eigentlich mehr mit ihren eigenen Problemen zu tun hat.

"Die Kurve" beginnt sehr sprunghaft. Zunächst werden verschiedene Schauplätze und die dortigen Geschehnisse vorgestellt, die erstmal zusammenhangslos erscheinen. Alle Handlungsstränge laufen jedoch bei Carl zusammen und nach und nach bekommt man eine Vorstellung von seinem Team und der persönlichen Hintergründe seiner Leute. Die Erkenntnisse, die man erhält, liegen irgendwo zwischen atemberaubend und schockierend. Alles in allem hofft man, dass es sich bei diesem Thriller um reine Fiktion hält, aber ich fürchte es gibt Welten, in denen so etwas möglich ist.
Ich habe ein bisschen gebraucht, bis ich richtig in der Geschichte drin war, dann hat sie mich aber gefesselt und abgeholt.

Bewertung vom 20.03.2025
Schwebende Lasten
Gröschner, Annett

Schwebende Lasten


sehr gut

Pionierin

Nach dem Tod der Mutter wächst Hanna bei ihren älteren Halbschwestern auf. Dort arbeitet sie im Blumenladen der Schwester mit und entdeckt so ihre Liebe zur Floristik. Bald schon heiratet sie Karl, einen Arbeiter, mit dem sie insgesamt sechs Kinder bekommt. Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs erfüllt Hanna sich ihren Traum vom eigenen Blumenladen, doch in den damals widrigen Zeiten muss sie bald schließen. Der Krieg nimmt ihr nicht nur ihre Berufung, sondern auch zwei ihrer Kinder und ihrem Mann das Bein.
Aber Hanna gibt sich und ihre Familie nie auf und macht im Magdeburger Stahlwerk eine besondere Entwicklung durch.

"Schwebende Lasten" rollt das Leben der Hanna Krause auf, einer Frau, die zeitlebens hart für sich und ihre Familie gearbeitet hat und eine Pionierin ihrer Zeit war. Sowohl als Blumenbinderin, wo sie fortschrittliche Arrangements kreierte und besonderes Feingefühl bewies, als auch als Kranführerin inmitten des von Männern dominierten Stahlwerks. Hier musste sie sich besonders beweisen, durchsetzen und ihren Stand behaupten. In der durchweg schwierigen Zeit zwischen zwei Weltkriegen und anschließendem Kalten Krieg, war ihr Mann Karl mit seinem Hang für Kneipen und Alkohol nur wenig Stütze für sie und die Kinder.
Autorin Annett Gröschner würdigt in ihrem Buch diese besondere Frau, wenn auch Hanna Krause mit Sicherheit nicht die einzige, sondern eine von vielen Frauen war, die mehr als nur ihren "Mann" gestanden hat.

Bewertung vom 12.03.2025
Erdbeeren und Zigarettenqualm (eBook, ePUB)
Docherty, Madeline

Erdbeeren und Zigarettenqualm (eBook, ePUB)


gut

Gefühlschaos

Du bist jung, unerfahren, auf dich gestellt und willst alles vom Leben haben. Der einzige Mensch, der für dich da ist, ist Ella. Ihr wohnt zusammen, ihr teilt eure Probleme, eure Freude, eure Gefühle, nur nicht die Liebe.
Und dann sind da immer wieder diese Schmerzen. Sie nehmen dir die Luft zum Atmen, lassen dich beinahe ohnmächtig werden. Sie bremsen dich aus, engen dich ein und beherrschen dich. Die wenigen Ärzte zu denen du gehst verstehen dich nicht oder wollen dich nicht verstehen.

Autorin Madeline Docherty hat für ihr Buch "Erdbeeren und Zigarettenqualm" einen außergewöhnlichen Schreibstil gewählt. Sie lässt ihre Protagonistin aus der "Du-Persepektive" erzählen. Was ich zunächst als extravagant empfunden habe, wurde mir allerdings mit der Zeit anstrengend. Ich kann mich dadurch auch nicht besser in das rastlose, exzessive Leben der Hauptfigur mit wilden Partynächten, Drogen, anscheinend immer ein bisschen am Rande der Existenznot stehend, einfühlen. Dabei sind die Haupthemen des Buches ganz besonders wichtig und hochaktuell. Einerseits geht es um mehr Akzeptanz und Verständnis für Endometriose, eine Erkrankung unter der sehr viele Frauen leiden. Andererseits geht es um die Gefühle zu Ella, der besten Freundin, die eben über eine tiefe Freundschaft hinausgehen. Eben diese Bisexualität der Protagonistin wird von manchen ihrer Bekanntschaften als eine Mischung aus verstörend und aufregend aufgefasst. Noch so ein aufklärerisches Thema, dem sich das Buch widmet.
Mein Fazit: weniger ist mehr. Durch die Fülle an Themen gehen die einzelnen Aspekte in der Gesamtheit leider etwas unter.

Bewertung vom 10.03.2025
Die Summe unserer Teile
Lopez, Paola

Die Summe unserer Teile


sehr gut

Starke Frauen

Als Lucy die Tür zu ihrem Berliner WG-Zimmer öffnet, traut sie ihren Augen nicht. Dort steht mitten im Raum ein Konzertflügel. Aber es ist nicht irgendein Klavier, sondern ihr Steinway aus der Wohnung ihrer Eltern in München. Der Lieferschein ist jedoch nicht mit dem Namen ihrer Mutter Daria unterschrieben, sondern mit dem Nachnamen ihrer polnischen Großmutter, die kurz nach Lucys Geburt gestorben ist. Obwohl sie diesen Sommer eigentlich nichts weniger vorhat als das, begibt Lucy sich nach Polen auf die Reise zu ihren Wurzeln.

"Die Summe unserer Teile" ist ein philosophisch tiefgreifender Roman über drei starke Frauen, die sich ihrer Vergangenheit und Geschichte stellen müssen, um ihr Leben und die Beziehungen zueinander zu akzeptieren. Abwechselnd in Zeitsprüngen verfolgt man in den einzelnen Kapiteln die Entwicklung der drei Frauen aus drei verschiedenen Generationen. Dabei kommt zum Ausdruck, dass auch die Kinder die Fehler der Elterngeneration oftmals in ähnlicher Form wiederholen und dass es eine perfekte Mutter nicht gibt. Entscheidend sind die Liebe und Geborgenheit, die man seinem Kind mitgibt.
Autorin Paola Lopez ist ein warmherziger und einfühlsamer Roman für den Sommer gelungen, der den Leser dazu animiert die Geschichte und Umstände seiner Vorfahren mehr zu würdigen.