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Elchi130
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Essen

Bewertungen

Insgesamt 456 Bewertungen
Bewertung vom 03.09.2025
I Know Where You Buried Your Husband
O'Hare, Marie

I Know Where You Buried Your Husband


weniger gut

Mir hat sich der Sinn nicht erschlossen

Als Sophia mit ihren Freundinnen Zuhause auftaucht, finden sie Sophias Ehemann tot vor. Statt die Polizei zu rufen, beschließen sie gemeinsam, ihn zu vergraben. Im Anschluss brechen sie jeglichen Kontakt zueinander ab, bis sie 7 Jahre später plötzlich erpresst werden.
Das Buch startet unterhaltsam. Die fünf Freundinnen finden den toten Ehemann von Sophia und starten eine Diskussion, was nun zu tun sei. Das anschließende Ritual, nachdem sie ihn verbuddelt haben, ist auch noch sehr kurzweilig beschrieben. Doch danach fährt die Autorin mit der Vorstellung der einzelnen Freundinnen fort. Jede bekommt eigene Kapitel, in denen uns ihr Leben nähergebracht wird.
Doch wer meint, dass wir dabei mit der Ermittlungsarbeit der Polizei in Berührung kommen oder im weiteren Verlauf das Verschwinden von Sophias Ehemann im Vordergrund steht, der irrt sich. Wir bleiben bei den Lebensgeschichten der fünf Freundinnen, lernen ihr Leben immer weiter kennen und werden in ihre Probleme eingeweiht. Beim Lesen habe ich mich immer wieder nach dem Grund dafür gefragt. Die Frauen sind nicht sympathisch, haben ihr Leben nicht im Griff und besonders interessant sind sie auch nicht. Eine Handvoll Versagerinnen, die im Laufe des Buches immer verrückter wirken.
Gegen Ende wird das Buch dann tatsächlich doch noch spannender. Wir erfahren, wer Sophias Ehemann getötet hat und warum die Freundinnen von wem erpresst werden. Gelungen finde ich die Auflösungen nicht. Zum Teil konnte ich feststellen, dass sich die Frauen im Laufe des Buches weiterentwickelt haben. Insgesamt ist das jedoch zu wenig, um darin einen Erfolg für das Buch zu sehen.
Mir ist insgesamt schleierhaft, was die Autorin uns mit ihrer Geschichte sagen wollte. Sie ist weder spannend noch unterhaltsam. Es wirkt eher wie einzelne lose Teile, die recht mühsam zusammengefügt wurden, weil einem nichts Besseres eingefallen ist. Schade um die Zeit, die ich mit dem Lesen verbracht habe.

Bewertung vom 28.08.2025
Deep Cuts
Brickley, Holly

Deep Cuts


ausgezeichnet

Die Geschichte hätte ewig weitergehen können

Berkley, Anfang der 2000er Jahre: Percy Marks und Joe Morrow lernen sich in einer Bar kennen, als sie sich beide vom selben Song hinreißen lassen. Joe möchte Musiker werden, schreibt selbst Songs und hoffte, damit erfolgreich zu werden. Percy versteht Musik instinktiv, sie analysiert sie und zerlegt sie in ihre Einzelteile. Womit sie andere Menschen langweilt und nervt, fasziniert Joe ungemein. Er bittet sie, sich seine Songs anzusehen und anzuhören. Daraus entwickelt sich eine Zusammenarbeit, die beiden vereinen ihre Talente beim Schreiben von Songs. Doch es ist nicht nur die Musik, die sie gegenseitig anzieht und aneinanderbindet, sie vereint und den jeweils anderen in den Bann zieht. Über Jahrzehnte werden sie einander immer wieder begegnen.
Im Mittelpunkt des Buches steht Percy Marks. Sie ist eine analytische, rationale Person, die auf der Gefühlsebene nur wenig preisgibt. Daher dauerte es bei mir auch länger, bis ich eine Beziehung zu ihr aufbauen konnte. Das gelang über die Musik. Denn Percy liebt Musik, sie lebt für die Musik. Und auch bei mir gehört die Musik fest zu meinem Leben dazu. Sie transportiert Erinnerungen, legt Gefühle frei, kann mich berühren und ganz tief in mich dringen und ein Teil von mir werden. Genauso wie Percy kann auch ich kein Instrument spielen und erlebe die Musik als Hörerin.
Das ganze Buch ist durchsetzt von Musik. Viele bekannte Stars tauchen als Interpreten auf. Häufig mit weniger bekannten Stücken. Das zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Ebenso wie die Beziehung zwischen Percy und Joe. Freunde, Verbündete, Feinde, Liebende, sie sind im Laufe der Zeit vieles für einander und schaffen es jedoch beide nicht, den anderen endgültig loszulassen.
Mich hat dieses Buch komplett eingesogen. Das Lebensgefühl mit Anfang 20, wenn das Leben noch endlose Abenteuer verspricht. Es gibt Leichtigkeit, Spontanität, Mut und Aufgeschlossenheit – alles scheint möglich. Genau dieses Gefühl hat mir das Buch zurückgebracht. Danke, Percy und Joe, dass ich euch begleiten durfte! Ich musste immer weiterlesen, wollte keine Pause machen, musste unbedingt wissen, was als nächstes passiert und wünschte mir beim Lesen, dass dieses Buch niemals enden würde.
Für mich gehört das Buch zu den bisher wenigen Lese-Highlights des Jahres 2025. Es ist selten, dass ich Bücher finde, die mich derart fesseln und von denen ich mir wünsche, die Geschichte würde immer weitergehen. Daher ist „Deep Cuts“ für mich ein seltenes Fundstück, welches ich gerne als nächstes als Hörbuch genießen möchte und wovon ich mir einen Spielfilm wünsche.

Bewertung vom 28.08.2025
Heimat
Lühmann, Hannah

Heimat


gut

Mir fehlt der Bezug zum Politischen

Auf Wunsch ihres Mannes zieht Jana mit ihm und den Kindern von der Stadt in ein eigenes Haus auf dem Land. Nach und nach schließt sie Freundschaft mit einer Gruppe Mütter aus dem Dorf. Schnell merkt sie, dass hier ganz andere Werte wichtig sind als bei Müttern in der Stadt.
Die Autorin Hannah Lühmann schafft es sehr gut, Jana als Hauptfigur einzuführen. Jana wäre viel lieber in der Stadt geblieben. Das Leben auf dem Land ist für sie ein einsames Leben. Ihr Mann Noah ist Lehrer in der Stadt. Daher fährt er morgens früh in die Stadt und kommt erst abends spät wieder. Jana bringt die beiden Kinder Louis und Ella jeden Morgen in die Kita und holt sie später wieder ab. Ihren Job in der Stadt hat sie gekündigt, nachdem ihre Chefin nicht gut darauf reagiert hat, dass Jana nun zum dritten Mal schwanger ist und bald wieder ausfallen wird. Auch Noah ist nicht begeistert von der erneuten Schwangerschaft seiner Frau. Ebenso wenig, dass ihr Gehalt nun bei der Abzahlung des Hauses fehlt.
Als Leserin ist der Umzug der Familie aufs Land für mich von Anfang an ein Fehler. Als Jana dann endlich Kontakt zu Karolin und ihren Freundinnen bekommt, lernt sie ein ganz anderes Leben als das ihr bisher bekannte kennen. Die Kinder bleiben Zuhause, werden hier ins Kochen und Backen integriert, erhalten beim gemeinsamen Wandern im Wald Baumkunde, basteln mit den Müttern und spielen im Garten. Die Kita wird als Verwahrungsort für Kinder verstanden. Hilfreich nur für Mütter, die sich nicht mit ihren Kindern auseinandersetzen wollen. Es ist für mich verständlich, dass Jana dieser Idylle viel abgewinnen kann.
Was ich nicht verstehe, ist, dass sie die Meinungen der anderen Mütter in Bezug auf ihre Schwangerschaft über die Expertise der Ärztinnen stellt. So trinkt sie Rohmilch und lässt einen ärztlich angeratenen Blutzuckertest nicht machen, weil Karolin ihr davon abgeraten hat.
Sie nimmt an Mahnwachen für getötete Kinder teil, fährt mit ins Altenheim, um pflegebedürftigen Menschen, eine Freude zu machen. Dass die Mahnwache unmittelbar neben dem Stand der AFD abgehalten wird, die anderen Frauen nach dem Altenheim noch weiterfahren, um Unterschriften gegen ein im Ort geplantes Heim für Asylbewerber zu sammeln, hinterfragt sie ebenso wenig, wie die Hilfe der Frauen beim Verschicken von AFD-Post. Und hier setzt auch meine Kritik an. Die Autorin lässt diese politischen Aktivitäten nur in Nebensätzen anklingen. Weder sie selbst noch ihre Hauptfigur Jana rücken diese in einen Gesamtzusammenhang oder bewerten sie. Sie bleiben einfach unkommentiert. Das halte ich für schwierig und bedenklich.
Nachdem Jana immer mehr von der natürlichen und heimatverbundenen Lebensweise ihrer neuen Freundinnen eingenommen wird, hoffte ich auf eine Erlösung am Ende des Buches. Doch leider endet das Buch uneindeutig zweideutig und wir Lesenden können uns unter eigenes Ende ersinnen. Mir fehlt an dem Buch eine deutliche Positionierung der Autorin. Schriftsteller bzw. Schriftstellerinnen sollten sich meines Erachtens in ihrem Werk auch positionieren und nicht nur ihre Umwelt beobachten.

Bewertung vom 28.08.2025
All the Things I Love about You
Cadan, Amelia

All the Things I Love about You


sehr gut

Buchfiguren zum Verlieben

Dawn Specter braucht dringend eine neue Arbeit. Bisher war sie Studentin der Medizin an einer Eliteuniversität. Als ihre Tante unheilbar krank wird und sie darum bittet, ihr beim würdigen Sterben zu helfen, gibt es für Dawn überhaupt keine Zweifel, dass sie ihrer Tante helfen muss. Als Folge davon kann sie ihr Studium nicht beenden und nie als Ärztin arbeiten. Ihre Lage sieht hoffnungslos aus, bis sie sich als Assistentin beim Trainingscenter des erfolgreichen MMA-Kickboxers Landen Gantry bewirbt und er sie einstellt.
Kaum hatte ich mit dem Lesen begonnen, war ich auch schon ganz hin und weg von Landen Gantry. Das ist die Superkraft der Autorin Amelia Cadan. Ihr gelingt es mit wenigen Sätzen, Figuren zu erschaffen, die sich sofort in meinem Herzen einnisten. Auch Dawn Specter ist so eine Figur. Loyal, mutig, ehrlich. Die Chemie der beiden Hauptfiguren zueinander ist sofort spürbar. Beide nehmen sich vor, nur im beruflichen Kontext miteinander zu agieren. Doch fallen sie immer wieder aus ihrer Rolle, flirten miteinander, umkreisen sich. Das ist toll zu lesen und macht viel Spaß. Als versierte Leserin von Liebesromanen ist mir natürlich klar, dass sie gar keine Chance haben und ihr Herz an den jeweils anderen verlieren werden.
Allerdings schafft es die Autorin mit „All the things I love about you“ meine Gewissheiten zu erschüttern. Sie baut Wendungen ein, mit denen ich nicht gerechnet habe und die mir den Boden unter den Füßen weggezogen haben. Ich war geschockt, mein Herz gebrochen, dazu gesellte sich Hoffnungslosigkeit, Wut, Ungeduld.
Die Geschichte, die Amelia Cadan geschrieben hat, ist genauso wie ihre Figuren, authentisch. Ich kann die Personen verstehen, ihre Reaktionen nachempfinden. Ich liebe mit ihnen, leide mit ihnen und bin mir sicher, dass es diese Geschichte bestimmt irgendwo auf der Welt fast genauso gibt. Das ist eine Stärke, die nicht jeder Schreibende entwickelt. Aber bei dieser Autorin findet ihr sie.
Das Buch hat mir super gefallen und ich warte schon ungeduldig auf Band 2.

Bewertung vom 11.08.2025
Born to perform - Sei das Rad, nicht der Hamster
Bendix, Caspar

Born to perform - Sei das Rad, nicht der Hamster


gut

Leider anstrengend statt lustig

Nach seinem BWL-Studium tritt Bo Martens seinen ersten Job an. Nach wenigen Tagen in dem Unternehmen nimmt ihn der Top-Manager Dr. Thomas Meermann unter seine Fittiche. Dr. Meermann zeichnet sich durch Schauspielerei und Phrasendrescherei aus. Als Bo sich in seine Zahnärztin verliebt, ist sein bester Freund Jan Berger fest davon überzeugt, dass die Ratschläge, die Bo von Dr. Meermann erhält, auch aufs Dating erfolgreich angewendet werden können.
Was nach einer lustigen Idee klingt und nach jede Menge Lesespaß, hat sich für mich schnell als anstrengende Lektüre entpuppt. Zum einen fand ich es bis zum Schluss nicht einleuchtend, dass die Phrasendrescherei von Dr. Meermann beim Dating funktioniert. Ich konnte mir schon nicht vorstellen, dass der Top-Manager damit erfolgreich seine berufliche Position erreicht hat.
Bo wirkte zu Beginn unglaublich naiv, schon fast dumm. Da stellte sich für mich zudem die Frage, wie so ein Nerd bei einer absoluten Traumfrau landen will. Bis zum Ende des Buches findet bei Bo jedoch eine enorme Entwicklung statt. Auch Dr. Thomas Meermann wird gegen Ende des Buches fast sympathisch. Für Bos besten Freund, Jan Berger, gilt jedoch das genaue Gegenteil. Ich fand ihn nervig, nerviger, am nervigsten. Er ist empathielos, distanzlos und dreht sich nur um sich selbst.
Es gab 2 oder 3 Szenen, die sich vom Rest des Buches positiv abhoben und die mir gefallen haben. Da ist zum einen das Essen im Haus von Herrn Dr. Thomas Meermann, seiner Ehefrau, der Assistentin des Managers und Bo. Lesenswert sind auch die Schlussszenen des Buches. Mehr davon hätte der Geschichte sehr gut getan.
Insgesamt fand ich das Buch eher ermüdend, statt lustig oder ironisch. Zugleich ist es recht oberflächlich. So erfahren wir z.B. keine Einzelheiten über das Unternehmen, in dem Bo arbeitet. Es wird nie erklärt, in welchem Bereich die Firma tätig ist.

Bewertung vom 03.08.2025
Cat People
Melcher, Lea

Cat People


gut

Da waren meine Erwartungen wohl zu hoch

Katzensitterin Mia hütet Silvester die beiden Katzen von Frau Armbruster. Gerade, als sie es sich in deren Wohnung gemütlich machen will, taucht Alfie, der Neffe von Frau Armbruster auf. Beide beharren darauf, dass sie den Auftrag erhalten haben, auf die beiden Katzen Möhrchen und Specki aufzupassen. Schließlich einigen sie sich darauf, Silvester gemeinsam mit den Katzen zu verbringen.
Eine Liebesgeschichte mit Katzen als Graphic Novel, da schlug mein Herz sofort höher. Zum einen lese ich sehr gerne Liebesromane, auch für Teenagerinnen, und ich liebe Katzen. Daher dachte ich mir, das kann nur gut werden.
Leider war auf dem Einband nicht sofort ersichtlich, dass die Graphic Novel ab einem Alter von 12 Jahren empfohlen wird. Das habe ich erst bei meinen Recherchen nach dem Lesen festgestellt. Denn, obwohl die Zeichnungen wirklich süß sind, war mir die Geschichte zu schlicht. Es gibt viele Bilder, aber nur wenig Text. Da hätte ich mir mehr inhaltliche Tiefe gewünscht. Auch die Katzen hätten gerne eine größere Rolle spielen können. Diese Graphic Novel richtet sich nach meiner Ansicht ausschließlich an Kinder bzw. junge Jugendliche. Oft sind Kinder- und Jugendbücher inhaltlich so angelegt, dass sich auch andere Altersgruppen gut unterhalten fühlen. Doch hier bietet die Story dafür, nach meiner Ansicht, einfach zu wenig.
Als unpassend zum Rest der Geschichte, habe ich das Ende empfunden. Da hätte ich ein nächstes Treffen in einer Eisdiele wesentlich angemessener gefunden. Doch das Ende lässt mich, gerade mit Blick auf die Zielgruppe, irritiert zurück.

Bewertung vom 03.08.2025
Das Geschenk
Schoeters, Gaea

Das Geschenk


ausgezeichnet

Grandios

Nachdem die deutsche Regierung ein Einfuhrverbot von Jagdtrophäen beschlossen hat, schenkt der Präsident von Botswana der deutschen Regierung 20.000 Elefanten. Er möchte, dass Deutschland am eigenen Leib erfährt, wie schwierig der Schutz dieser Elefanten für die Regierung ist. Schon bald stellen sich in Deutschland die ersten Probleme ein.
Ich bin tief beeindruckt, wie es der Autorin Gaea Schoeters gelingt, auf lediglich 138 Seiten eine so abwechslungsreiche Geschichte zu erzählen. Die Erzählung ist sehr dicht, tief, detailreich und spannend. Um dies zu bewerkstelligen, muss die Person sehr gut schreiben können.
Gaea Schoeters zeigt uns anhand der Elefanten, wie Politik heutzutage funktioniert. Zu Beginn gelingt es der Politik, die Elefanten als Geschenk an Deutschland zu verkaufen. Das Volk erfreut sich an dem ungewohnten Anblick der Elefanten in der Freiheit. Sie befinden sich überall in Berlin und jeder Bürger bzw. jede Bürgerin kann sie aus der Nähe betrachten. Doch nach und nach werden die Tiere zum Spielball der parteipolitischen und machtpolitischen Zwecke der einzelnen politischen Lager. Die Probleme und Herausforderungen geraten beim Volk und in der Politik immer mehr in den Mittelpunkt. Dabei liefert uns die Autorin verschiedene Möglichkeiten mit den Herausforderungen umzugehen. Das Buch regt zum Nachdenken an, wir erhalten Argumente für beide Seiten, zudem präsentiert sie sowohl Lösungen als auch vermeintliche Auswege.
Am Ende des Buches bin ich randvoll mit Anregungen zu unserer Politik, zu dem was verkehrt läuft, was anders laufen könnte. Auch die Situation der Länder, die für den Schutz der Wildtiere verantwortlich gemacht werden, ist mir verständlich geworden. Doch auch die westlichen Regierungen tragen Verantwortung, damit unsere Welt erhalten bleibt.
Ich kann und will dieses Buch auf jeden Fall empfehlen. Es bietet auf wenigen Seiten so viel intelligente Auseinandersetzung mit den wichtigen Themen unserer Zeit. Also, unbedingt lesen.

Bewertung vom 01.08.2025
Neuanfang in Notting Hill
Clarke, Norie

Neuanfang in Notting Hill


gut

Das Erzähltempo hätte höher sein können

Jess ist nach einer üblen Trennung in der Wohnung ihrer besten Freundin gelandet. Hier lebt sie in einer kleinen Kammer, die jedoch für das nächste Kind ihrer Freundin hergerichtet werden muss. Ein neues Zuhause für Jess muss also her. Als die achtzig jährige Joan über eine Zeitungsannonce nach einer Untermieterin in ihrem Haus in Notting Hill sucht, stellt Jess sich kurzerhand vor. Schnell finden die beiden Frauen, nachdem Jess eingezogen ist, einen Draht zueinander und lassen sich auf eine Challenge ein. Joan lernt mit einem Smartphone und einem Laptop umzugehen. Im Gegenzug geht Jess offline und lernt, ihr Leben wieder im Hier und Jetzt zu gestalten.
Ich mag die Figuren, die die Autorin Norie Clarke erschafft, sehr gerne. Sie sind alle sehr liebenswert. Natürlich haben sie alle irgendwelche Macken und Eigenheiten, aber sie entwickeln sich weiter, lernen dazu und zum Ende des Buches hatte ich alle ins Herz geschlossen. Jess, die in einem Kino arbeitet, hat hier ihre Freunde gefunden, die für sie im Laufe der Jahre zu einer Familie geworden sind. Die Autorin zeigt uns, wie sich im Laufe der Jahrzehnte das Leben der Gesellschaft geändert hat und was das für Konsequenzen für unser Zusammenleben hat. Kinos waren einst der Mittelpunkt des Ortsteils und verlieren im Zeitalter von Film- und Serienstreaming an Bedeutung.
In ihrem Buch „Neuanfang in Notting Hill“ hat die Autorin direkt zwei Liebesgeschichten in die Handlung verwoben. Die Geschichte von Joan und ihrer großen Liebe ist wunderschön und herzzerreißend. Doch zum Ende hin hätte ich mir hier mehr gewünscht. Die Geschichte von Jess war mir zu leise und langsam angelegt. Diese Liebe hätte gerne schneller kommen können, weniger vorhersehbar sein dürfen und wesentlich mehr Raum im Rahmen des Buches einnehmen sollen.
Das Buch war schön, aber es wäre mehr drin gewesen. Das Leben hier war oft ein zu langer, zu ruhiger Fluss und ich hätte mir mehr Action gewünscht.

Bewertung vom 24.07.2025
Gesellschaftsspiel
Zwickau, Dora

Gesellschaftsspiel


gut

Die Idee ist gelungen, die Umsetzung leider nicht immer

Als Gabi stirbt, kommen drei Frauen zusammen. Isabelle, die Lehrerin, die in Weimar geblieben ist und einen Sohn hat, wollte in der Nähe ihrer Mutter Gabi bleiben. Ihre Schwester Annika ist in die USA gegangen und lebt dort mit einem IT-Spezialisten zusammen. Die Tante Dagmar ist Dozentin an der Universität in Weimar. Zur gleichen Zeit, in der die Drei wieder aufeinandertreffen, verkündet der Tech-Milliardär Double Z, dass er ein neues Gesellschaftssystem auf die Beine stellen will, und zwar in Weimar. Sofort stehen die Welt, das Internet und Weimar Kopf.
Die Vorstellung, in Form eines Experiments eine neue Gesellschaftsordnung in einem streng abgesteckten Bereich einzuführen, klingt zum einen sehr verlockend, schürt bei mir als Leserin jedoch auch sofort Ängste. Ich finde, die Autorin Dora Zwickau hat in ihrem Buch „Gesellschaftsspiel“ sehr gut mit den Möglichkeiten, Ängsten, Vorbehalten, Sehnsüchten usw. gespielt. Sie hat das Szenario sehr glaubhaft aufgebaut, indem es eine App gibt, in der sich alles über die Utopie „Syndicat“ befindet. Hier stellt Double Z seine Vision vor, lässt die Bürger alles mitgestalten. Jede Person darf Vorschläge einreichen, eigene Ideen einstellen und die restlichen Bürger können mit abstimmen. Schnell wird dabei klar, dass auch die Skeptiker und Feinde dieser Ideen aktiv werden und durch die App trollen. Das Für und Wider hat die Autorin sehr gut dargestellt. Doch fehlt mir ein Höhepunkt, eine dramatische Entwicklung, auf die die Geschichte zuläuft und an deren Ende eine Entscheidung für oder gegen die Idee steht. Das Gesellschaftsspiel bleibt, was es ist, nämlich ein Spiel. Da hätte ich mir ein klareres Ergebnis gewünscht.
Gelungen ist der Autorin zudem die Darstellung von Isabelle, Annika und Dagmar. Ihre Vorbehalte gegeneinander, ihre Annäherung, die alten Wunden, die neue Gemeinschaft. Doch auch hier fehlt mir ein konkretes Ende. Das Buch beginnt, wir begleiten die drei Frauen und über sie das Experiment von Double Z. Doch zum Ende hin verlassen wir sie, wie ich finde, ziemlich unspektakulär wieder.
Die Idee der Autorin war super, aber ich hatte mir einfach mehr erhofft.

Bewertung vom 24.07.2025
Ein ungezähmtes Tier
Dicker, Joël

Ein ungezähmtes Tier


ausgezeichnet

Der Erzählstil gefällt mir unglaublich gut

Arpa und Sophie Braun führen ein luxuriöses Leben in Genf. Sie ist Anwältin und er Finanzberater in einer Privatbank. Sie leben mit ihren beiden Kindern in einem noblen Glashaus direkt am Wald. Ihr perfektes Leben gerät jedoch ins Wanken, als ein alter Freund aus der Vergangenheit auftaucht.
Es gibt zwei Gründe, warum ich diesen Autor so gerne lese. Zum einen erzählt er seine Geschichten nicht linear. Vielmehr springt er vor und zurück, noch weiter zurück und noch weiter nach vorne. Das erfordert von den Lesenden eine erhöhte Aufmerksamkeit. Dabei hält er uns manches vor, das er erst im Laufe der Erzählung nachreicht. Da werden Szenen, die wir bereits kennen, ergänzt und erscheinen dadurch oft in einem ganz neuen Licht. Gerade das macht für mich die Spannung des Buches aus. Es ist unterhaltsam, geheimnisvoll, spannend, führt mich auf falsche Fährten, löst diese gelungen und logisch auf. Das Geschehen entblättert sich nach und nach vor mir, bis ich zum Kern vorstoße und am Ende nur staunen kann, wie originell mich Joel Dicker wieder einmal unterhalten hat.
Zum anderen liebe ich seine Figurenzeichnungen. Diese sind nie eindimensional. Es gibt keine ausschließlich guten oder bösen Menschen. Alle Personen verfügen über eine vollständige Persönlichkeit, so wie auch wir Menschen im realen Leben nicht eindimensional sind. Das finde ich sehr spannend, denn die einzelnen Personen verändern bzw. vervollständigen sich im Laufe des Geschehens immer wieder. Dabei muss auch ich wiederholt meine Meinung zu den Figuren hinterfragen und meine Sicht auf sie anpassen. Wie bereits bei seinem Schreibstil, präsentiert der Autor den Blick auf eine Person, nur um diesen nach und nach vollkommen über den Haufen zu werfen. Vor unseren Augen werden unsere automatischen Annahmen entlarvt und wir revidieren im Laufe der Geschichte mehrfach das Bild, welches wir uns beim Lesen von der Figur gemacht haben. Das ist spannend und unterhaltsam, lässt meine Neugierde darauf, was ich noch nicht über die Person weiß, ins Unendliche wachsen.
Genau diese beiden typischen Eigenheiten bietet mir der Autor auch wieder in seinem Buch „Das ungezähmte Tier“ und hat mich damit erstklassig unterhalten. Bis zum Ende der Geschichte bin ich mir nie sicher, welche Wendung die Handlung noch nehmen und was mit den Personen passieren wird. Am Ende des Buches bin ich zufrieden mit der Erzählung, die der Autor mir geliefert hat. Manches habe ich gemutmaßt, anderes kam überraschend.
Gelesen wird das Hörbuch von Torben Kessler. Er liest auch die anderen Bücher des Autors. Das macht er sehr gut und er passt für mich perfekt zum Erzählstil von Joel Dicker.
„Das ungezähmte Tier“ kommt vielleicht nicht an die Romane um seine berühmte Figur Harry Quebert heran. Das Buch ist jedoch besser als viele andere Romane, die gehypt werden und in den Bestsellerlisten zu finden sind.