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Benutzername: 
Kristin
Wohnort: 
Magdeburg

Bewertungen

Insgesamt 12 Bewertungen
12
Bewertung vom 26.05.2024
Zeit zu verzeihen
Lind, Hera

Zeit zu verzeihen


gut

In "Zeit zu verzeihen" von Hera Lind wird die Tragik der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts an dem Schicksal einer Familie treffend dargestellt.

Beginnend in den Wirren des ausgehenden Zweiten Weltkriegs und dem Schicksal von Zurückbleiben, Flucht und Vertreibung wird eigentlich die Geschichte zweier Familien beschrieben, die auf tragische Weise miteinander verwoben werden. Ein großer Teil des Buchs widmet sich dem Unrecht der DDR und wie es möglich ist, dass große Wunden mit der Zeit heilen und auch der Verrat im engsten Umfeld verziehen werden kann.

Hera Lind hat einen angenehmen und schnörkellosen Schreibstil, der es ermöglicht, schnell in die Geschichte einzutauchen. Das Erzähltempo ist sehr hoch. Immerhin werden mehrere Jahrzehnte im Laufe des Romans abgebildet. Leider kommt es an manchen Stellen zu störenden Wiederholungen, z. B. "meine geliebte Mutter". So wurde die Lektüre an manchen Stellen etwas seicht.

Gestört hat mich leider, dass viele der Charaktere sehr stark in Stereotype eingeteilt worden sind. Bis auf das Ende kann man alle Personen leicht in Gut und Böse einteilen. Die Schöne, aber auf unmenschliche Weise aufopfernde Mutter und die hässliche und bösartige Wächterin in der Haft sind einige Beispiele. Dabei werden Charaktereigenschaften leider ein wenig zu häufig an Äußerlichkeiten fest gemacht und rutscht manchmal in ein Stigma ab, das ich als nicht mehr zeitgemäß empfinde (bspw. korpulente Menschen auf Seiten der Wärterinnen; makellose Schönheit als Insassin).

Die Geschichte findet ein sinnvolles Ende und schafft es, das Leid und das Heilen der Opfer der unterschiedlichen Regime eindrucksvoll darzustellen. Dabei liefert der Roman wichtige Einblicke in die historischen Begebenheiten.

Die im Nachwort beschriebenen wahren Geschichten, die dem Roman zugrunde liegen, sind sehr bewegend und verdienen den größten Dank und Respekt denen gegenüber, die diese mit der Autorin geteilt und der Veröffentlichung zugestimmt haben.

"Ist das Glück, das man sich hart erarbeitet, nicht viel mehr wert als das Glück, das einem in den Schoß fällt?" S. 445

Bewertung vom 22.03.2024
Gussie
Wortberg, Christoph

Gussie


ausgezeichnet

"Gussie" von Christoph Wortberg dreht sich um das Leben der jungen zweiten Frau Adenauers. Dabei wird ihre Geschichte in zwei, nicht chronologischen Zeitsträngen erzählt. Wir lernen sie als die Sterbende kennen, die auf Höhe- und Tiefpunkte ihres Lebens zurückblickt und als die junge Frau, die zwischen ihrer Rolle als engagierte Politikergattin, (Stief-)Mutter und ehelichen Konflikten steht. Letztendlich wird sie zu einer weitreichenden Entscheidung gezwungen.

Die Aufmachung des Romans ist sehr ansprechend. Insbesondere haben mir das Portrait auf der ersten und der letzten Seite gefallen und die zartrosa Farbgebung.

Der Schreibstil ist poetisch und dennoch eingängig.
Der Roman steckt voller tiefgründiger Zitate und Passagen, die über das Leben nachdenken lassen. So wurde ich direkt dazu angeregt, über mein eigenes Leben nachzudenken.

Dieses tiefgründige Portrait dieser Frau zwischen leisem und lautem Widerstand und ihrer aufrichtigen Liebe einem reiferen Mann gegenüber konnte mich wirklich inspirieren. So geht es unter anderem um Schuld, Liebe, Verantwortung, Verlust und nicht zuletzt die Frage, was das Menschsein ausmacht.
Dabei wird die gesellschaftliche Situation während der Erstarkung und Hochzeit des Nationalsozialismus sehr gut und aus meiner Sicht treffend dargestellt. Die Ohnmacht und Zerrissenheit der Menschen, die diese Entwicklungen nicht unterstützen, und das alltägliche Leben im Mangel, der fernen Bedrohung.

"Gussie" war für mich ein echtes Highlight. Ich würde dieses Buch jedem, nicht nur historisch interessierten Lesern und Leserinnen empfehlen. Ich war ab Seite 1 tief in ihren Gedanken und habe sie trotz aller Tragik unheimlich gern verfolgt. Der Autor hat bis zum Schluss ein mitreißendes und gefühlvolles Bild einer Frau gezeichnet, die die wichtigste Vertraute einer der wichtigsten deutschen Persönlichkeiten war.

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