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Bookfairy

Bewertungen

Insgesamt 71 Bewertungen
Bewertung vom 19.11.2016
Das Nest
Sweeney, Cynthia D'Aprix

Das Nest


ausgezeichnet

Leonard Plumb Sr. hat etwas Geld in einem Treuhandfonds für seine vier Kinder angelegt. Auf Englisch nennt man so ein finanzielles Polster für schlechte Zeiten "nest egg" und schon bald war dieser Fonds für seine Familie nur noch "das Nest". Eigentlich war es ein eher bescheidener Betrag, aber er konnte den Immobilienboom nach seinem Tod ja nicht voraussehen und hatte auch einen sehr umsichtigen Treuhandverwalter ausgesucht, so dass seine Kinder nun viel mehr Geld erwarten können, als er geplant hatte. Er wollte nie, dass sich seine Kinder auf den zukünftigen Geldsegen verlassen, sondern sich alles selbst erarbeiten, daher soll das Geld auch erst nach dem 40. Geburtstag von Melody, der Jüngsten, an alle verteilt werden.

Melodys 40. Geburtstag naht. Wie ihre drei Geschwister Leo, Bea und Jack braucht sie das Geld dringend. Doch dann benutzt ihre Mutter das Geld aus dem "Nest", um Leo zu helfen, der sich in ernst zu nehmende Schwierigkeiten gebracht hat. Vereint in der Sorge um ihr Geld fangen die Geschwister wieder an zu kommunizieren und sich zu treffen…

Ich habe das Buch mit einiger Skepsis begonnen, da ich mir nicht vorstellen konnte, wie Gezanke um Geld unter Geschwistern lesenswert sein könnte. Die ersten Seiten haben meine Bedenken dann erst mal verstärkt, weil die vier Geschwister alle nicht besonders sympathisch sind und den typischen New Yorker Lebenswandel zu haben schienen. Doch ich hatte nicht mit dem Schreibtalent der Autorin gerechnet. Sie hat mich in die Geschichte und das Familienleben hineingezogen und ich kam nicht wieder heraus!

Beim ersten Treffen der Geschwister verspricht Leo, sich etwas einfallen zu lassen, damit das "Nest" bis zu Melodys Geburtstag vier Monate später wieder aufgefüllt ist. Leo ist der Älteste und die anderen drei wollen ihm glauben und vertrauen – obwohl sie ihn dafür eigentlich zu gut kennen – und sie hoffen und schieben ihre Geldsorgen vor sich her. Dabei lernt der Leser alle vier Geschwister besser kennen, ihre aktuelle Lebenssituation und wie sich ihr Leben entwickelt hat, und fragt sich, was Leo wohl tun wird und welche Auswege es für die anderen drei gibt.

Am Ende hatte ich fast alle Charaktere irgendwie liebgewonnen, egal wie verkorkst sie waren, und war richtig traurig, dass das Buch zu Ende war. "Das Nest" ist eine interessante Familiengeschichte über die Beziehung zwischen Geschwistern und die Autorin erzählt so, dass man als Leser den Eindruck hat, mittendrin zu sein. Die Atmosphäre und die Denkweisen sind sehr amerikanisch, darauf muss man sich einstellen.

Da ich intelligente, gut geschriebene Familiengeschichten sehr mag, hat mir das Buch sehr gut gefallen und ich hoffe, dass die Autorin weitere Bücher schreiben wird.

Bewertung vom 20.10.2016
Winterblüte
Bomann, Corina

Winterblüte


sehr gut

Schon auf den ersten Seiten konnte ich es fühlen: das Meer an einem stürmischen, kalten Dezembertag. Dort steht Johanna im Jahr 1902 und hängt ihren trüben Gedanken nach. Ihre Eltern möchten, dass sie sich zwischen zwei Verehrern entscheidet, damit die Verlobung zu Weihnachten bekannt gegeben werden kann. Abgesehen davon, dass sie keinen der beiden Männer liebt – was auf Gegenseitigkeit beruht, es wären Ehen im geschäftlichen Interesse – liebt sie heimlich einen Mann, von dem sie weiß, dass ihre Eltern ihn nie akzeptieren würden. Ihr Dilemma hindert sie daran, sich wie sonst auf Weihnachten zu freuen.

Dann findet ihr Bruder Christian eine halberfrorene Schiffbrüchige am Strand und bringt sie ins Haus der Familie. Das Einzige, was sie bei sich hat, ist ein Zweig, den sie fest mit der Hand umklammert. Trotz ihres Kummers ist Johanna fasziniert von der Fremden und fragt sich, was ihr wohl passiert ist. Bei Johannas Mutter dagegen ruft diese Fremde dunkle Erinnerungen hervor und sie weiß, dass sie bis zum Äußersten gehen würde, um die Fremde loszuwerden und Unglück von ihrer Familie abzuwenden...

Corina Bomanns neuer Roman ist eine gelungene Mischung aus historischem Roman, Liebesroman und Weihnachtsroman mit einer Prise Dramatik. In der Familie Baabe ist alles vorhanden, was man in einem historischen Roman erwartet: die vornehme Mutter, der die Familienehre über alles geht, der fürsorgliche Bruder, das nette und das gemeine Hausmädchen und eine langjährige Fehde mit der Familie von Johannas Geliebten, deren Grund Johanna und Christian aber nicht kennen.

"Winterblüte" ist ein netter Roman für trübe vorweihnachtliche Tage mit einer Tasse Tee auf dem Sofa. Man kann sich sowohl in die Vergangenheit als auch an einen Kurort am Meer träumen und das Buch in einem Rutsch durchlesen. Die Tradition des Barbarazweiges zieht sich durch das ganze Buch und hat mir Lust gemacht, es dieses Jahr am 4. Dezember auch einmal zu versuchen.

Das Cover und die Gestaltung sind sehr schön, nur leider hat sich der Verlag beim Text weniger Mühe gegeben, so dass das Buch zwei Grammatikfehler enthält, von denen einer völlig sinnverändernd ist. (Da verprügelt die Mutter des einen Hausmädchens plötzlich ihren Mann – ich glaube aber, dass es umgekehrt gemeint war...) So etwas ist schade, vor allem weil es mich völlig aus dem Lesefluss gebracht hat.

Bewertung vom 11.10.2016
DNA / Kommissar Huldar Bd.1
Sigurdardóttir, Yrsa

DNA / Kommissar Huldar Bd.1


ausgezeichnet

Obwohl ich skandinavische Krimis sehr mag und schon viele gelesen habe, war das mein erster isländischer Krimi. Die Atmosphäre ist besonders und man merkt, dass Polizeiarbeit dort etwas anders abläuft als in anderen Ländern. Als Insel und mit der Einwohnerzahl einer kleineren Großstadt sind Morde, und vor allem Serienmorde, selten.

Verbrechen bestehen hier eher aus betrunkenen Schlägereien oder aber "White-collar crime". Das sieht man in diesem Fall besonders daran, dass Kommissar Huldar die Leitung übernimmt, obwohl er noch nie einen Mordfall geleitet hat. Doch seine Vorgesetzten befürchten, dass der Fall in die Schlagzeilen geraten könnte, aus denen seine ranghöheren Kollegen gerade wegen eines Skandals lieber rausgehalten werden sollten. Also springt Huldar ins kalte Wasser und muss zeigen, was er kann.

Als kleines Land, in dem sich der Großteil des Lebens in Reykjavik abspielt, kennen sich natürlich viele Leute in der Hauptstadt untereinander. Auch das wird Huldar zum Verhängnis. Beim ersten Verhör der 7-jährigen Zeugin ist die Psychologin Freyja dabei – und Huldar erkennt in ihr die Frau, die er vor kurzem in einer Kneipe kennengelernt hat und aus deren Wohnung er sich dann am nächsten Morgen weggeschlichen hat…

Zwei Frauen werden auf relativ einfache, gleichzeitig aber äußerst brutale Weise ermordet. Nur die Tötungsart und jeweils eine kryptische Nachricht am Tatort weisen darauf hin, dass es sich um den gleichen Täter handelt, denn die beiden Frauen hatten anscheinend nichts miteinander zu tun. Gleichzeitig bekommt ein junger, kontaktscheuer Amateurfunker merkwürdige Nachrichten und versucht auf eigene Faust herauszufinden, was sie bedeuten könnten. Auch die Polizei versucht, die verschlüsselten Nachrichten, die der Täter hinterlässt, zu entschlüsseln und irgendeinen Anhaltspunkt zu finden, was die beiden Opfer verbinden könnte.

Die kleine Margret, die Zeugin des Mordes an ihrer Mutter war, scheint der Schlüssel zur Lösung des Problems zu sein, aber Huldar muss lernen, dass Kinder zu vernehmen nicht dasselbe ist wie Erwachsene zu vernehmen. Und da kommt Freyja ins Spiel. Ihr ist – im Gegensatz zu Huldar – Margrets Wohl wichtiger als der Fall, und obwohl die beiden nie direkt über ihre verhängnisvolle gemeinsame Nacht sprechen, steht sie doch bei jedem Zusammentreffen der beiden unausgesprochen im Raum.

Da sowohl Huldar als auch sein Team relativ unerfahren in Mordermittlungen sind, tasten sie sich langsam an den Fall heran. Das wird sehr gut beschrieben und als Leser ist man mitten drin in den Ermittlungen. Die Autorin liebt Cliffhanger am Ende von Kapiteln, wenn sie am spannendsten Punkt aufhört, um sich dann in den nächsten Kapiteln mit den anderen Handlungssträngen zu beschäftigen. Das Buch ist sehr spannend, aber die Spannung ist eher unterschwellig. Obwohl die Morde grausam sind, kommt das Buch ohne Effekthascherei aus. Die Ermittlungen, Huldar und sein Team und alle zwischenmenschlichen Beziehungen sind einfühlsam beschrieben.

Mir hat dieser Krimi sehr gut gefallen und ich freue mich auf den nächsten Band, um zu sehen, wie es mit Freyja und Huldar weitergeht. Aber ich bin auch gespannt, was sich die Autorin als nächstes einfallen lässt. Mit dem ersten Band dieser neuen Reihe hat sie die Messlatte sehr hoch gelegt!

Bewertung vom 17.09.2016
So wie die Hoffnung lebt
Ernst, Susanna

So wie die Hoffnung lebt


gut

Vom Cover her hätte mich dieses Buch nie angesprochen und auch von der Autorin hatte ich noch nie gehört, aber die vielen begeisterten Meinungen haben mich neugierig gemacht. Leider hatte ich dann beim Lesen das Gefühl, ein ganz anderes Buch in den Händen zu halten als die anderen Rezensenten, denn mir hat es nicht besonders gut gefallen…

Katie und Jonah lernen sich in einem Kinderheim kennen, nachdem sie beide auf tragische Art ihre Familien verloren haben. Katie spricht seitdem nicht mehr, aber Jonah bringt sie dazu, sich ihm zu öffnen und zwischen den beiden entsteht eine besondere Beziehung. Der Anfang des Buches hat mir ganz gut gefallen, auch wenn ich manchmal das Gefühl hatte, ein Kinderbuch zu lesen.

Was mich sehr irritiert hat, ist, dass die Handlung in den USA spielt. Warum? Ich bin immer froh, wenn ich mal einen deutschsprachigen Autor lese und die Handlung endlich mal nicht in Amerika spielt. Jeder amerikanische Autor träumt davon, "The Great American Novel" zu schreiben; Susanna Ernst anscheinend auch. Gelungen ist es ihr leider nicht.

Nach zwei glücklichen Jahren zusammen wird das Kinderheim, in dem Katie und Jonah leben, plötzlich aufgelöst und die beiden werden getrennt. Als sie einen Plan schmieden, um wieder zusammen sein zu können, geht alles schief und sie verlieren sich aus den Augen. Jonah gibt die Hoffnung nie auf, Katie wiederzufinden, und nach 17 Jahren entdeckt er sie…

Von da an rutscht das Buch auf ein Niveau zwischen Groschenroman und schlechtem Hollywoodfilm ab. Vielleicht spielt die Handlung deshalb in den USA, denn in Deutschland hätte man der Autorin diese Handlung nicht abgenommen.

Natürlich gibt es ein Happy End. Den "Clou" am Ende, von dem alle Rezensenten so schwärmen, fand ich extrem unglaubwürdig.

Die Dialoge sind hölzern, die Bilder merkwürdig. Kann mir jemand sagen, was ein "tiefschwarzes Netz" sein soll? (S. 341) Ich kenne tiefschwarze Löcher oder Tunnel, aber Netze?

Normalerweise lese ich ein Buch dieser Länge in ein bis zwei Tagen, aber für dieses habe ich zwei Wochen gebraucht. Es gab einfach nichts, was mich gereizt hätte weiterzulesen, außer der Tatsache, dass ich gehofft habe herauszufinden, was alle außer mir an diesem Buch so toll finden…

Ich gebe 2,5 Sterne, weil mir der erste Teil ganz gut gefallen hat. Empfehlen kann ich das Buch als anspruchslose Urlaubslektüre, die man jederzeit zur Seite legen und nach ein paar Tagen weiterlesen kann.

Bewertung vom 31.08.2016
Der Angstmann / Max Heller Bd.1
Goldammer, Frank

Der Angstmann / Max Heller Bd.1


ausgezeichnet

Nachdem der Trend in letzter Zeit ja anscheinend dahin geht, dass Krimi-Autoren sich mit jedem Buch bei der Darstellung von Grausamkeiten übertreffen und ohne komplizierte chemische Analysen gar nichts mehr läuft, war das zur Abwechslung ein Krimi ganz nach meinem Geschmack: ein Polizist auf der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit in den Kriegswirren in Dresden 1944/45. Auf die Frage, wer oder was er denn eigentlich sei, Nazi oder Kommunist – das eine nach dem Krieg ein Problem, das andere vor dem Krieg – antwortet er nur: "Ich bin Max Heller", ein Satz, der dieses Buch für mich auf den Punkt bringt. Es ist mir egal, ob die Beschreibungen der Bombenangriffe historisch genau sind und es ist mir auch egal, obwohl ich mir die Frage beim Lesen natürlich auch gestellt habe, ob es tatsächlich möglich war, dass ein Polizist im Dritten Reich relativ unbehelligt weiterarbeiten konnte, ohne in der NSDAP oder in der SS zu sein. Darum geht es für mich in diesem Buch nicht.

Wegen einer Verletzung aus dem 1. Weltkrieg ist Kriminalinspektor Max Heller einer der wenigen Männer, die im Winter 1944/55 noch in Dresden leben und nicht an der Front sind. Er ist Polizist mit Leib und Seele, obwohl er sich in diesen schwierigen Zeiten manchmal selbst daran erinnern muss, warum er den Beruf ergriffen hat. Sein Vorgesetzter ist gelernter Fleischer, kein Polizist, aber im Gegensatz zu Heller parteitreu. Heller hat sich schon immer geweigert, irgendeiner Gruppierung beizutreten. In jenem Winter verbreitet der sogenannte "Angstmann" Angst und Schrecken in den Dresdner Bombennächten. Die Menschen hören merkwürdige tierähnliche Geräusche und es werden grausam verstümmelte Frauenleichen gefunden. Heller versucht mit den bescheidenen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, den Mörder zu finden. Als nach Kriegsende wieder Spuren des Täters auftauchen, ermittelt er weiter, obwohl er offiziell kein Polizist mehr ist. Zu diesem Zweck muss er mit einem russischen Kommissar zusammenarbeiten und es herrscht Misstrauen auf allen Seiten. Man weiß genauso wenig wie in der Nazi-Zeit, wem man trauen kann und wem nicht…

Im Winter 1944/45 sterben so viele Menschen in Dresden, eigentlich machen die wenigen Frauenleichen da keinen großen Unterschied, aber Heller will diesen Mörder finden. Er will ein Mensch bleiben und er ist auf der Suche nach Wahrheit. Er weiß nicht, wem er trauen kann, vertraut auch manchmal den Falschen, aber er bleibt Mensch. Bei seinen Ermittlungen muss er sich hauptsächlich auf Menschenkenntnis und Intuition verlassen. Mir hat diese ruhige, altmodische Darstellung der Ermittlungen gut gefallen. Man erfährt zwar, dass die Leichen grausam verstümmelt wurden, der Autor geht aber nicht ins Detail, was ich als angenehm empfand. Ob historisch korrekt oder nicht, "Der Angstmann" ist ein gut zu lesender, spannender Krimi, vor allem für Leser wie mich, die viele Krimis lesen und gerne einmal "entschleunigen" möchten.

Bewertung vom 26.08.2016
Was ich euch nicht erzählte
Ng, Celeste

Was ich euch nicht erzählte


ausgezeichnet

Das Buch beginnt mit dem Satz "Lydia ist tot", doch ihre Familie, die sich wie immer um den Frühstückstisch versammelt, weiß das noch nicht. Ich hatte ein Buch mit Krimi-Elementen erwartet, aber das ist es nicht; die Frage, wie Lydia gestorben ist, rückt im Laufe des Buches immer mehr in den Hintergrund. Es geht darum, wie Lydias Familie mit dem Tod der Tochter zurechtkommt, wobei die Autorin aus den verschiedenen Perspektiven der einzelnen Familienmitglieder, einschließlich Lydia, erzählt und dabei nahtlos zwischen den Personen und zwischen Gegenwart und Vergangenheit wechselt.

Auf den ersten Blick scheinen sie eine ganz normale Familie zu sein: Vater James ist Geschichtsprofessor, Mutter Marilyn Hausfrau und sie haben drei Kinder, Nathan, Lydia und Hannah. Doch James ist chinesischer Herkunft und wir schreiben das Jahr 1977… Das musste ich mir beim Lesen immer wieder vor Augen halten, dass "Mischehen" zu dieser Zeit in den USA alles andere als normal waren und dass halbasiatische Kinder damals noch sehr auffielen.

James, der schon immer darunter gelitten hat, "anders" zu sein, hat nur den Wunsch, dass seine Kinder im Gegensatz zu ihm akzeptiert werden und dazugehören. Marilyn dagegen möchte, dass ihre Kinder außergewöhnlich sind. Das heißt, eigentlich interessiert sie nur Lydia, von der sie erwartet, dass sie das Leben lebt, was sie selbst nicht leben konnte. Marilyn war eine in Naturwissenschaften sehr begabte Studentin und wollte Ärztin werden, doch ihre Ehe kam dazwischen. Jetzt soll Lydia das schaffen und dafür tut Marilyn alles. Und Lydia tut alles, um ihre Mutter glücklich zu machen.

Die Charaktere dieses Buches haben und machen alle viele Fehler, was es so unheimlich glaubwürdig macht. Die Eltern wollen das Beste für ihre Kinder, aber kennen und verstehen sie überhaupt nicht. Aus Liebe wird so viel falsch gemacht und die Kinder übernehmen die Fehler der Eltern…

Es ist eigentlich ein sehr ruhiges Buch, in dem nicht viel passiert, und doch hat es bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen und mich zum Nachdenken gebracht.

Bewertung vom 25.08.2016
Die Canterbury Schwestern
Wright, Kim

Die Canterbury Schwestern


sehr gut

Am Anfang des Buches war ich etwas irritiert, denn durch den Titel, und den Bezug des Buches auf die "Canterbury Tales" hat ich ein durch und durch englisches Buch erwartet, doch die Handlung beginnt in den USA und später stellt sich heraus, dass die Gruppe, die nach Canterbury pilgert, nur aus Amerikanerinnen besteht – bis auf die Reiseleiterin. Ein Blick in die Umschlagklappe hat meine Befürchtungen bestätigt: die Autorin ist Amerikanerin…

Das Leben von Che wird innerhalb kürzester Zeit auf den Kopf gestellt: ihre Mutter stirbt und hinterlässt den Wunsch, dass Che ihre Asche in Canterbury verstreut und kurz darauf macht Ches Freund mit ihr Schluss. Sie organisiert also eine kultivierte private Pilgertour mit eigener Reiseleiterin, die aber plötzlich krank wird, so dass sie sich einer amerikanischen Frauengruppe anschließt. Ganz im Sinne der "Canterbury Tales" soll jede Teilnehmerin auf dem Weg eine Geschichte über die Liebe erzählen; ob wahr oder erfunden, spielt keine Rolle.

Die Frauen sind zwar alle sehr verschieden, aber selbst in dieser Gruppe bleibt Che lange eine Außenseiterin. Ständig verliert sie etwas oder ihr passiert etwas und sie scheint die einzige zu sein, die bis zum Schluss nicht weiß, was sie erzählen soll.

Es hat ein bisschen gedauert, bis ich in das Buch hineingefunden habe, da es mir am Anfang tatsächlich zu "amerikanisch" war und es zu sehr um Ches Leben und ihre Gedanken geht, wobei Che nicht einmal eine besonders sympathische Protagonistin ist. Auch die anderen Frauen werden von der Autorin erst einmal nicht sehr wohlwollend beschrieben und die erste Geschichte, die erzählt wird, hat mich auch nicht mitgerissen, so dass ich überlegt habe, ob es sich überhaupt lohnt weiterzulesen. Doch plötzlich hat sich eine Gruppendynamik entwickelt, die Geschichten wurden interessanter und haben mich zum Mitdenken angeregt und die Atmosphäre hat mir gefallen. Am Ende wird vieles klar, vor allem für Che, und ich habe angefangen, sie zu verstehen und zu mögen und hätte eigentlich gerne noch weitergelesen…

Bewertung vom 24.08.2016
Schwestern bleiben wir immer
Kunrath, Barbara

Schwestern bleiben wir immer


sehr gut

Alexa und Katja sind Schwestern, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten, sowohl äußerlich als auch in ihren Lebensweisen. Das empfinden sie beide selbst auch so und es war schon immer so. Jetzt sind sie Mitte Vierzig und haben nur noch sich, denn ihre Mutter ist vor kurzem gestorben und der Vater ist verschwunden, als beide noch klein waren und sie haben nie wieder von ihm gehört.

Von außen betrachtet ist Alexa diejenige, deren Leben in Ordnung ist: sie hat einen Mann, um den sie viele Frauen beneiden, zwei Kinder im Teenageralter und wohnt in einem schönen Haus. Doch in Wirklichkeit sind es nicht nur der Tod ihrer jüngsten Tochter, die schwerstbehindert war, und der Tod ihrer Mutter, mit der sie sich überhaupt nicht verstanden hat, die Schatten auf ihr Leben werfen. Sie kommt mit sich selbst nicht klar, ist immer noch so unsicher wie als Jugendliche und fühlt sich auch von ihrem Mann nicht verstanden. Und auf die hübsche Katja, die ihr chaotisches Leben anscheinend so souverän meistert, war sie schon immer ein bisschen eifersüchtig…

Katja ist alleinerziehende Mutter eines 15-jährigen Sohnes. Sie ist Journalistin, wohnt in einer Art WG, hat ständig wechselnde Liebhaber und führt kein besonders geordnetes Leben. Und so soll es auch bleiben, bis jetzt hatte sie nie Zweifel…

Ihre Mutter hat vor ihrem Tod alles geregelt, so dass nur eine einzige Kiste mit Habseligkeiten übrig blieb, die bis jetzt bei Alexa auf dem Dachboden stand. Als Alexa sie öffnet findet sie einen angefangenen Brief, in dem die Mutter sich auf Ereignisse in der Vergangenheit bezieht, die sie aber nicht näher erläutert. Alexa und Katja sind der Meinung, dass ihre Mutter keine gute Mutter war, und plötzlich hat Alexa eine Ahnung, dass sie ihre Mutter vielleicht besser verstehen könnten, wenn sie wüssten, was in der Vergangenheit geschehen ist und vor allem, warum der Vater damals verschwunden ist. Zu Alexas Überraschung willigt Katja ein, Nachforschungen anzustellen und ihre Erkenntnisse bringen ihre Leben noch mehr durcheinander, als sie es sowieso schon sind.

Dieses Buch ist ein richtiges Frauenbuch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen Mann interessieren könnte und selbst wenn einer es lesen würde, würde er es ganz sicher nicht verstehen. Es geht hauptsächlich um Alexas und Katjas Gefühle und Gedanken. Beide befinden sich in einer Art Midlife-Crisis, da ihre Familien und Beziehungen auseinanderzubrechen drohen und sich alles um sie herum verändert. Und plötzlich verändert sich auch noch ihre Vergangenheit.

Das Buch ist gut geschrieben und der Inhalt ist interessant. Ich glaube, man muss in der richtigen Stimmung sein, um das Buch zu lesen, sonst könnte es teilweise zu deprimierend sein. Was mir nicht so gefallen hat, ist der Friede-Freude-Eierkuchen-Schluss – so einfach geht es im Leben nicht.

Bewertung vom 24.08.2016
Wir sehen uns am Meer
Rabinyan, Dorit

Wir sehen uns am Meer


gut

Liat ist Israelin, Chilmi ist Palästinenser. Sie lernen sich in New York kennen und verlieben sich ineinander. Chilmi lebt schon länger als Maler in den USA, aber Liat hat ein Stipendium und der Termin für ihren Rückflug steht fest. Von Anfang an wissen die beiden, dass ihnen nur sechs Monate zusammen bleiben…

Ich habe von diesem Paar erwartet, dass es jeden Tag seiner "Liebe mit Verfallsdatum" genießt, dass es für seine Liebe kämpft und natürlich habe ich gehofft, dass vielleicht so eine Art Wunder geschieht und es ein Happy End gibt.

Leider habe ich eine der langweiligsten Beziehungen entdecken müssen, von denen ich jemals gelesen habe. Natürlich gibt es Spannungen zwischen den beiden, denn beide – meiner Meinung nach vor allem Liat – sind mit Vorurteilen und Klischees über den anderen aufgewachsen und beide wissen, dass ihre Liebe von niemandem zuhause akzeptiert werden würde, so dass sie ihren Familien auch nicht davon erzählen. Diese Beschreibungen der innerlichen Zerrissenheit sind für mich die Höhepunkte des Buches; ich fand sie oft tief bewegend und wirklich herzzerreißend. Passagen wie "dass wir beide auch hier in dieser großen Stadt, weit weg von zu Hause, nicht wirklich allein sind, dass in unserem Bett nicht nur wir liegen, auch wenn wir das gern glauben möchten" haben mich sehr berührt, doch davon gab es viel zu wenige.

Liat und Chilmi machen nichts aus ihrer Beziehung und sie stecken den Kopf in den Sand, was die Zukunft betrifft, daher war die Beschreibung ihrer gemeinsamen Zeit für mich bis auf wenige Ausnahmen langweilig. Dazu gibt es seitenlange Beschreibungen anderer Dinge, vor allem des New Yorker Winters. Die Autorin hat das Buch sicher hauptsächlich für israelische Leser geschrieben, daher kann man ihr da keinen Vorwurf machen, aber gelangweilt haben mich die vielen Beschreibungen trotzdem, denn das war nicht das, was ich wissen wollte.

Wie gesagt, ich hatte auf ein Happy End gehofft, aber zumindest darauf, dass die beiden sich ein bisschen Mühe geben, um zusammen zu bleiben, daher war das Ende für mich die größte Enttäuschung.

Ich hätte gerne ein paar Hintergrundinformationen zu diesem Roman gehabt, zum Beispiel warum er erst auf die Lektüreliste der Oberstufe gesetzt wurde, dann aber Anfang dieses Jahres vom israelischen Erziehungsministerium wieder von der Liste gestrichen wurde. Ich persönlich finde, dass dieses Buch Jugendlichen nicht viel bringt. Liat würde ich mir in keiner Hinsicht zum Vorbild nehmen und das Buch regt auch nicht unbedingt zum Nachdenken an, daher Liat und Chilmi ihre Situation einfach so hinnehmen.