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TochterAlice
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 1444 Bewertungen
Bewertung vom 11.06.2025
Mittsommer
Foley, Lucy

Mittsommer


ausgezeichnet

Ein neues Ressort im Süden von England: insbesondere wegen seiner direkten Lage am Meer und der sensationellen Aussicht ist es besonders faszinierend. Und besonders elitär: das bekommen vor allem die Dorfbewohner zu spüren, die bisher selbst einen direkten Zugang zum Meer hatten. Der ihnen jetzt verwehrt bleibt, außer, sie sind als Angestellte im Ressort beschäftigt und das trifft auf die meisten zu. Wobei sie behandelt werden wie der letzte Dreck und höchstens gelegentlich einen kurzen Blick auf die Aussicht, die eigentlich die ihre sein solte, werfen können. Vom Schwimmen und Sonnen, wie sie es früher getan haben, können sie nur träumen. Und wie es aussieht, wird es für immer dabei bleiben.

Die Handlung wird aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt und enthält sowohl Darstellungen aus der Gegenwart als auch Rückblicke. Was zunächst sehr unübersichtlich zu sein scheint, erweist sich nach und nach als ausgesprochen strukturiert - mit fortschreitender Entwicklung der Handlung blickt der/die Lesende immer weiter hinter die Fassade, wobei bis zum Schluss immer wieder Überraschendes geschieht.

Ein Thriller, bei dessen Lektüre man sich ordentlich konzentrieren muss, sonst gerät man aus dem Flow und einige wichtige Zusammenhänge gehen flöten. Wenn man jedoch den Überblick durchgehend behält, wird man belohnt mit intelligenten und psychologisch dicht konstruierten Handlung ausgesprochen reich belohnt!

Bewertung vom 06.06.2025
Bis unsre Seelen Sterne sind. Rilke und Lou Andreas-Salomé
Wildner, Maxine

Bis unsre Seelen Sterne sind. Rilke und Lou Andreas-Salomé


weniger gut

Es fiel mir sehr schwer, diese Liebesgeschichte zu verfolgen: Wahrscheinlich gerade deswegen, weil ich sie mit großer Spannung erwartet hatte. Das für mich Besondere daran: sie ist als Roman konzipiert und somit musste sich die Autorin nicht sklavisch an Fakten bzw. wirklich Bekanntes halten, wodurch eine gewisse Nähe hätte entstehen können, zumal die historischen Ereignisse, also das "Drumherum" ja für die Einbettung dieser Geschichte hätten sorgen können. Tun sie aus meiner Sicht aber überhaupt nicht, alles blieb auf weiter Distanz. Ich wollte gar keine emotionale Nähe zu den Protagonisten entwickeln, aber ich hätte mich doch gerne besser in die Szenarien eingefunden: Wo kommen sie her, was kennen sie, wie blicken andere auf sie.

Ich habe mir viel Mühe gegeben, das Gelesene als atmosphärisch zu empfinden. Leider ging es komplett an mir vorbei - schade!

Bewertung vom 01.06.2025
Das Licht in den Wellen
Mommsen, Janne

Das Licht in den Wellen


sehr gut

In die (ganz) große weite Welt zieht es die junge Inge, die bisher noch nichts außer ihrer Heimatinsel Föhr kennt, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Wir Leser begegnen ihr erstmals (fast) in der Gegenwart, nämlich 2022, als sie sich kurz vor ihrem hundertsten Geburtstag mit ihrer Urenkelin auf eine große Schiffsreise begibt. Doch der Roman besteht hauptsächlich aus Rückblenden in den Alltag von Inge und ihrer Familie zu verschiedenen Zeiten.

Für mich war es besonders interessant zu erfahren, dass es eine recht große Community von asgewanderten Föhrern und deren Nachkommen in "the City that never sleeps" gibt, die sich untereinander in der inseleigenen Sprache Fering unterhalten.

Ein warmherziger und unterhaltsamer Roman, in dem der historische Aspekt etwas vereinfacht und deutlich zu positiv dargestellt wird. Es hat mich jedoch überraschenderweise nicht gestört, dass sich diese in teilweise sehr schwierigen Zeiten und Situationen angesiedelte Handlung zu einem ausgesprochenen Wohlfühlroman entwickelt. Warum sollten es die Held*innen solcher Werke eigentlich immer nur schwer haben? Inge fällt jedenfalls immer auf die Füße und wenn man genau liest und auf Zwischentöne achtet, leidet sie nicht gerade wenig im Laufe ihres langen Lebens.

Ich habe durch diesen Roman jedenfalls Blut geleckt und hoffe, bald auf Reisen zu gehen. Doch nicht nach New York zieht es mich - nein, dort war ich schon: es ist die kleine Insel Föhr die mich nach dieser Lektüre lockt!

Bewertung vom 29.05.2025
Echokammer / Ein Fall für Benjamin & Tong Bd.1
Johnsrud, Ingar

Echokammer / Ein Fall für Benjamin & Tong Bd.1


gut

Ein Politkrimi, in dem es um nichts weniger als die Zukunft Norwegens geht: im Mittelpunkt steht die sozialdemokratische Partei des Landes und ihr Mitglied Jens, dessen Mutter einst die Vorsitzende der Partei war - eine wahre Legende. Nun soll das Mittel der Wiederbelebung genutzt werden und Jens als Träger der Erinnerungen an diese Ikone die Partei als deren neuer Protagonist wieder populär machen. Die Parlamentswahlen stehen kurz bevor, die Tage werden heruntergezählt und es häufen sich die Hinweise auf einen bevorstehenden Anschlag.

Die Anti-Terror-Experten Liselott und Martin versuchen mit ihrem Team fiberhalft, diese Aktion bereits während der Vorbereitung zu unterbinden, doch so einfach ist es nicht.

Ein intelligenter, spannender und sehr dichter Krimi, doch in meinem Fall war genau das verhängnisvoll. Er kam zu einer Zeit, in der ich etwas Schmissiges und eher Leichtes lesen wollte und so konnte ich ihn nicht wie erhofft genießen.

Bewertung vom 19.05.2025
Beeren pflücken
Peters, Amanda

Beeren pflücken


sehr gut

Hier präsentiert uns Autorin Amanda Peters, selbst mit Mi'kmaq-Wurzeln, die dramatische Geschichte einer Familie aus den Kreisen der indigenen Bevölkerung Kanadas - eine Familie, die am unteren Ende der sozialen Pyramide und somit auch des Wohlstands, der für sie quasi nicht vorhanden ist, hängt. Im Sommer verdienen sie sich etwas dazu, indem sie in Maine Blaubeeren pflücken und zwar alle, auch die Kinder. Außer die vierjährige Ruthie, sie ist noch zu klein und läuft tagsüber quasi mit, weil weder Eltern noch Geschwister Zeit haben, sich um sie zu kümmern. Dann ist sie auf einmal weg und die Familie erfährt nicht die geringste Unterstützung, um das verlorene Kind wieder zu finden.

So ist dies eine Darstellung von Verlusten einerseits und dem Gefühl, nicht an der richtigen Stelle zu sein, andererseits: denn die Handlung wird aus zwei Perspektiven erzählt: aus der von Joe, dem zweitjüngsten Kind der indigenen Familie und aus der von Norma, die in Maine als Einzelkind aufwächst.

Ja, es ist durchgehend traurig-schön, vom Verschwinden der kleinen Ruthie zu lesen. Durch den empathischen Stil erlebt man förmlich mit, wie etwas innerhalb der Familie, in jedem einzelnen Mitglied zerbricht - oder eben auch zusammenfügt. Ein sehr stimmungsvolles und tragisches Buch, ein Roman der verpassten Gelegenheiten, der mich vor allem durch die besondere Art des Textes fasziniert. Gerne mehr davon!

Bewertung vom 15.05.2025
Der große Riss
Henríquez, Cristina

Der große Riss


gut

Oh, wie schön ist Panama!
Das ist ein Titel eines wunderbaren Bilderbuchs von Janosch, in dem Tiger und Bär nach Panama reisen wollen, dort aber nicht ankommen. In diesem Gesellschaftsroman geht es dagegen um Menschen, die dort etwa im Jahr 1900 ankommen: dort soll nämlich der große Kanal zur Verbindung zweier Weltmeere entstehen und da gibt es eine Menge Arbeit.

Auch für die junge Ada aus Barbados ist das der Grund ihrer Reise: ihre jüngere Schwester ist schwer erkrankt, eine teure Operation ist vonnöten, für die Ada dort Geld verdienen will. Wir treffen auch auf lokale Charaktere: so auf den Fischerjungen Omar, der seine Beziehung zum Vater aufs Spiel setzt, um sich als Bauerarbeiter zu verdingen und Ada erstmals in einer für ihn harten Situation begegnet sowie eine ganze Reihe von Menschen, die sich gegen den Kanalbau, dem ihr Wohnort zum Opfer fallen soll, stellen. Angereist ist u.a. ein Ärzteehepaar aus den Vereinigten Staaten, bei dem Ada Arbeit findet - dies nur, um ein paar der wichtigsten Charaktere zu benennen - die Autorin hat noch eine ganz Reihe weiterer Figuren eingebaut.

Immer wieder musste ich an den Turmbau zu Babel denken, wobei hier die Schwierigkeit nicht so sehr im Finden einer gemeinsamen Sprache, sondern vielmehr in der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Interessen und Ziele liegt.

Ein ungewöhnlicher und sehr süffig geschriebener Roman, der meines Erachtens leider in Bezug auf die meisten Handlungsstränge leider an der Oberfläche verbleibt - da, wo es für mich erst interessant wird, hören die Ausführungen häufig schon auf!

Bewertung vom 13.05.2025
Die Akte Schneeweiß
Fuchs, Felicitas

Die Akte Schneeweiß


ausgezeichnet

Nach ihrer in der Hauptsache in Ostwestfalen angesiedelten Trilogie über drei Generationen von Frauen einer Familie beschäftigt sich Felicitas Fuchs wieder einmal mit Familiengeschichten der Region, diesmal vor allem in Bielefeld. Hier begegnen wir Katja, die Anfang der 1960er noch ein Teenager ist, aber schon genau weiß, dass sie einmal Medizin studieren will, was ihre Eltern - einfache Leute - als aus der Luft gegriffen ansehen. Ihr folgen wir über anderthalb Jahrzehte.

Parallel lesen wir über ihren Großvater Rudolf und seine jüngere Schwester Mathilde, die es in den Zeiten des Nationalsozialismus alles andere als einfach hatten. Doch darüber schweigt Rudolf gegenüber seiner Enkelin - und ist auf einmal weg. Niemand will Katja und ihrer jüngeren Schwester Heidi erzählen, was denn eigentlich los ist. Schlimmer noch, selbst seine Ehefrau weigert sich, über ihn zu sprechen: er wird einfach totgeschwiegen, obwohl er offenbar noch lebt.

Eine ausgesprochen dichte Familiengeschichte auf zwei Erzählebenen, die ihre Leser*innen fordert: man darf definitiv nicht zu schwach auf der Brust sein, um sich dieser Lektüre zu widmen. Gerade im Hinblick auf die Verbrechen des Nationalsozialismus nimmt die Autorin kein Blatt vor den Mund und widmet sich dabei Themen, über die bislang noch viel zu selten offen gesprochen wird.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.05.2025
Der dunkle Sommer
Buck, Vera

Der dunkle Sommer


ausgezeichnet

Für alle, die mehr wollen - nämlich mehr als atemberaubende Spannung, der kann aus meiner Sicht mit dem neuen Werk von Vera Buck nichts falsch machen. Denn neben vielen Geheimnissen und Verflechtungen, die von der Autorin wie immer geschickt aufgebracht werden, geht es hier um historische Entwicklungen auf der italienischen Insel Sardinien, die gar nicht so lange her sind , sie reichen nämlich - zumindest in diesem Buch - bis in die 1980er Jahre.

Die Halbitalienerin Tilda findet nach dem Tod ihres Vaters einen Artikel in seinen Unterlagen, der sie nicht loslässt. Dort geht es um ein längst verlassenes Dorf auf der genannten Insel, in dem die dort stehenden Häuser für einen symbolischen Wert von einem Euro verkauft werden mit der Auflage, diese zu restaurieren und wieder bewohnbar zu machen. Kein Problem für die Architektin Tilda, die sich nur wundert, wie ihr Vater, der doch aus der Toskana stammt, auf Sizilien kommt,

Sie selbst ist nach einem zerstörenden Erlebnis mehr als bereit, ihr Leben zu ändern und nimmt diese Herausforderung nur zu gerne an. Allerdings zeigt sich bald, dass hier einiges nicht mit rechten Dingen zugeht. Was also ist in diesem Dorf tatsächlich geschehen, bevor es 1982 zu einem Geisterdorf wurde.

Dieses Wek ist nicht nur ein Thriller, sondern auch - oder mehr noch - eine dramatische Familiengeschichte, die mir vor allem deswegen so gefallen hat, weil vieles darin auf wahren Begebenheiten beruht - wie immer erstklassig von Vera Buck recherchiert und umgesetzt!

Bewertung vom 27.04.2025
Cleopatra und Frankenstein
Mellors, Coco

Cleopatra und Frankenstein


sehr gut

Eine Amour Fou und deren Entwicklung wird hier auf ungewöhnliche Weise beschrieben: die Autorin konnte mich nicht durchgehend für sich und ihre Protagonist*innen gewinnen, bekam aber immer und immer wieder die Kurve - bis ganz zum Schluss! Interessant ist, ist dass die einzige Ich-Erzählerin weder Cleopatra noch Frankenstein ist und auch erst ab etwa der Mitte des Buches auftaucht.

Der Autorin gelingt es, eine ganze Reihe unterschiedlicher Charaktere einzufangen und mit- oder auch gegeneinander (am häufigsten aber ist beides der Fall) agieren zu lassen.

Wie so oft, war für mich zu viel Sex in dem Buch, wenngleich ich die ehrliche und immer wieder flapsige Art der Beschreibung doch einigermaßen genießen konnte. Dennoch - es kam mir vor, als ob New Yorker an nichts anderes denken! Mir haben die "Blue Sisters" eine ganze Ecke besser gefallen, aber auch dieser Roman ist definitiv die Lektüre wert!

Bewertung vom 27.04.2025
In den letzten Stunden der Dunkelheit
Klisa, Peter

In den letzten Stunden der Dunkelheit


weniger gut

Eigentlich ein spannendes Thema

Es geht nämlich um die Aktivitäten der unterschiedlichen Kriegsteilnehmer im umkämpften Berlin der letzten Kriegstage. Längst geht es nicht mehr nur um Sieg und Niederlage, denn nun steht das Ergebnis - das Berlin zu einem großen Teil in die Hände der Russen fällt - bereits fest und die Alliierten kümmern sich jeweils nur noch um die Wahrung der eigenen Interessen.

Wir stehen hier auf Seiten der Amerikaner, die einen führenden Atomwissenschaftler aus Berlin entführen möchten, bevor die Russen ihn sich schnappen. Denn es ist bekannt, dass auch in Deutschland schon so einige Pläne recht weit gediehen waren in Kriegszeiten.

Dafür haben sie ihrerseits den amerikanischen Physiker Frederic Carvis, inzwischen als Übersetzer bei der Armee tätig, entführt, der vor dem Krieg bei dem Wissenschaftler Paul Bergmann, dem Objekt amerikanischer Begierde, studierte. Er soll gewährleisten, dass der Professor mitkommt...

Das alles hat eine mehr oder weniger interessante, aber nicht sonderlich tiefgehende Vorgeschichte aus dem Jahr 1937, bei der leider nicht alle Erzählstränge zu Ende geführt werden. Insgesamt mündet das alles in einem fürchterlichen Wirrwarr mit einem sowohl absehbaren als auch recht reizlosen Ende.

Auch wenn hier eine Menge Wissen recherchiert und gebündelt wurde, konnte mich dieser Thriller leider gar nicht begeistern!