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Benutzername: 
Lena
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 123 Bewertungen
Bewertung vom 12.06.2025
Das geheime Bildnis
Lloyd, Ellery

Das geheime Bildnis


ausgezeichnet

Juliette Willoughby, Tochter einer einflussreichen, wohlhabenden Familie, ist 1937 als junge Frau mit dem verheirateten und deutlich älteren Maler Oskar Erlich nach Paris fortgegangen. Beide kommen dort wenige Monate später bei einem Wohnungsbrand ums Leben, wo auch Juliettes einziges künstlerisches Meisterwerk, das Selbstporträt als Sphinx, zerstört wird.
1991 arbeiten die beiden Kunstgeschichtsstudenten Caroline Cooper und Patrick Lambert, der mit einem Nachfahren von Juliette befreundet ist, an der Fakultät von Cambridge an ihren Abschlussarbeiten. Nach dem Hinweis ihrer Betreuerin Alice Long stößt Caroline auf den Willoughby-Nachlass und möchte beweisen, dass das Selbstporträt als Sphinx noch existiert. Doch offenbar hat die Familie Willoughby etwas gegen die vermeintliche Entdeckung, auch wenn das Bild Millionen Pfund wert sein könnte.
Über 30 Jahre später ist Patrick als Kunsthändler tätig und kann eine zweite Ausgabe des Selbstporträt als Sphinx in Dubai verkaufen. Am nächsten Tag wird der festgenommen und des Mordes an seinem ältesten Freund Harry bezichtigt.

Der Roman handelt auf mehreren Zeitebenen, wobei die Suche und das Rätsel um das Gemälde "Selbstporträt als Sphinx" zunächst 1991 und dann 2023 in den Vordergrund rücken. Die Vergangenheit wird überwiegend durch die Tagebucheinträge von Juliette erzählt.
Juliettes Geschichte ist tragisch. Caroline erkennt zudem Parallelen zu ihrem eigenen familiären Hintergrund, denn beide mussten Erfahrungen mit gewalttätigen Männern machen. Caroline ist überzeugt, dass Juliettes Gemälde eine verschlüsselte Botschaft enthält und dass ihre Familie unbedingt verhindern möchte, dass dieses Geheimnis ans Licht kommt und deshalb das Bild nicht öffentlich ausstellen möchte.

Weiterhin wird bekannt, dass auf dem Willoughby-Anwesen Longhurst Hall über die Jahre hinweg immer wieder Menschen verschwunden sind, was den Verdacht erregt, dass es tatsächlich den "Willoughby"-Fluch gibt, der auf die Sammlung ägyptischer Kunst von Juliettes Vater zurückzuführen sein könnte.

Die Geschichte ist eine Mischung aus Familientragödie und Kriminalroman und fesselnd aufgebaut. Sie ist originell, vielschichtig und wendungsreich und ein cleveres Puzzlespiel, das mit der Interpretation des vielbeschriebenen Bildnisses, das man selbst als LeserIn vor Augen hat, eine Faszination ausübt.
Die Handlung entwickelt sich zunehmend komplex. Es geht nicht nur um Kunst, deren Interpretation und Prüfung auf Authentizität. Es geht auch um Mystik, Rituale, Täuschung und Rache.
Die Suche nach der Wahrheit ist fesselnd und enthüllt am Ende zahlreiche Lügen und Geheimnisse, die das Selbstporträt als Sphinx und die Familie Willoughby bergen. Das gesamte Ausmaß ist erschütternd und kaum fassbar, durch die Zusammenführung der Handlungsstränge am Ende jedoch nachvollziehbar, denn für alles findet sich eine schlüssige Erklärung.

Bewertung vom 11.06.2025
Die Hummerfrauen (eBook, ePUB)
Gerstberger, Beatrix

Die Hummerfrauen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Nach dem Unfalltod ihres Bruders vor wenigen Monaten und der erdrückenden Trauer im Haus ihrer Eltern drängt es Mina dorthin, wo sie immer glücklich war: nach Maine, wo sie die Sommer ihrer Kindheit verbracht hat. Im Dorf Stone Harbor trifft sie auf die mürrische Ann und die quirlige Julie, die beide Zugezogene und damit Außenseiterinnen sind.
Ann, die nach dem Verlust ihrer großen Liebe allein mit ihrem Hummer Mr. Darcy lebt, fährt auch mit über 70 Jahren noch aufs Meer hinaus zum Hummerfischen. Julie hat erst kürzlich die Lizenz als Kapitänin erworben und ist eine der wenigen Hummerfischerinnen. Sie ist schon lange unglücklich in Hummerfischer Nat verliebt, dessen Ehefrau schwer krank ist.
Mina trifft in Stone Harbor Sam wieder, den sie noch aus ihrer Kindheit kennt. Mit seiner warmherzigen Art wird er ihr erneut eine Stütze, kann seine Rastlosigkeit, die sie bereits aus ihrer Kindheit kennt, aber nicht ablegen.

Der Roman handelt von Sommer 2000, als Mina nach Maine zurückkehrt, bis in den Herbst 2001, sowie 18 Jahre zuvor, im Sommer 1982, als Mina die letzten Ferien auf Eagle Island in Maine verbracht hat. Die Haupthandlung handelt von drei Frauen unterschiedlicher Generationen, die am selben Ort zu Freundinnen werden, während sich die Vergangenheit auf Judith, die Mutter von Mina, fokussiert, die sich in Maine nicht willkommen fühlt und sich mit ihrer überheblichen, abweisenden Art keine Freunde macht.
Allen Frauen ist gemein, dass sie Schicksalsschläge erlebt haben und unterschiedlich damit umgehen. Sie sind nicht allein mit ihren Verlusten und ihrer Trauer, aber dennoch einsam. Auch der männliche Teil der Bewohner des Fischerortes ist verschlossen und hat Angst, über Gefühle zu sprechen.

Neben den emotionalen Aspekten der Geschichte wird der fiktive Handlungsort mit all seinen Hummer-Traditionen anschaulich zum Leben erweckt. Man erhält eine genaue Vorstellung vom harten Alltag der Fischer, aber auch der Ehefrauen, die zeitweise lange auf ihre Männer verzichten müssen und in der Zeit das Dorf eigenständig am Leben erhalten. Allgegenwärtig ist die Gefahr und dass nicht jeder vollständig vom Meer zurückkehrt.
So rau wie der Alltag und die Küstenlandschaft sind, so rau ist auch die Mentalität der Menschen. Für Neulinge ist es schwer, dort eine Heimat zu finden und die Touristen aus den Städten werden belächelt. Wie in allen Dörfern ist Klatsch und Tratsch an der Tagesordnung und jeder kriegt sein Fett weg. Ann und Julie lassen sich mit ihrer stoischen Art davon nicht unterkriegen. Mina baut in dem Ort, in dem sie sich geborgen fühlt, Selbstbewusstsein auf und versucht zu ergründen, was in dem letzten Sommer ihrer Kindheit in Maine passiert sein mag und der Grund ist, weshalb ihre Familie nie mehr zurückgekehrt ist.

Die Hauptfiguren sind individuell gezeichnet und auch die Nebencharaktere mit all ihren Eigenheiten werden leicht vorstellbar. Die Geschichte ist gefühlsbetont und hat mit dem Sommer in der Vergangenheit darüber hinaus eine spannende Komponente.
Der Roman ist trotz überwiegend trauriger Themen nicht schwermütig, sondern hoffnungsvoll. Die Dialoge sind humorvoll und verdeutlichen den speziellen Charme der Charaktere. Es geht darum, mit Verlusten zu leben, loszulassen und Abschied zu nehmen und wieder anzufangen, zu leben und sein Herz nicht vor anderen zu verschließen.
Der lange Epilog rundet die Geschichte ab und verrät, was aus den Freundinnen knapp 20 Jahre später geworden ist.

Bewertung vom 10.06.2025
Bis mein Herz wieder schlägt
Hunter, Becky

Bis mein Herz wieder schlägt


sehr gut

Emery leidet unter einer seltenen Herzerkrankung, die dazu führt, dass ihr Herzschlag in Schockmomenten aussetzt. Wird ihr frühzeitig geholfen, entstehen keine bleibenden Schäden. Im Alter von fünf Jahren passiert es zum ersten Mal und in unregelmäßigen Abständen immer wieder. Ihre Familie ist naturgemäß in Sorge um ihr Leben und Emery selbst ist genervt davon, überbehütet zu werden, um jegliche Gefahr zu vermeiden. Das sorgt für Spannungen und dafür, dass Emery ein rastloses Leben führt und bewusst keine Zukunft plant.
Lichtblick ihrer Erkrankung ist Nick, den sie jedes Mal in der Welt zwischen Leben und Tod trifft. Er ist ein Begleiter beim Übergang in den Tod, um den Menschen den Weg zu erleichtern. Normalerweise sieht er sie deshalb nur einmal, doch mit Emery ist es anders. Als Emery erwachsen ist, fühlt sie sich über die Jahre immer stärker zu Nick hingezogen und sehnt schon fast einen Herzstillstand herbei.
Im wirklichen Leben wartet Colin auf sie, der Bruder ihrer besten Freundin Bonnie, der bereit für eine feste Beziehung mit Emery ist.

Der Roman erzählt den Umgang mit Emerys Krankheit von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Dabei steht nicht nur die Gefahr für Emery mit dem jederzeit drohenden Tod im Vordergrund, sondern auch die Folgen für die Familie, die sich sorgt und daran zerbricht.
Emery möchte einfach nur leben - ohne Einschränkungen und geht dabei vor allem in jungen Jahren Risiken ein, die ihr jedoch ein schlechtes Gewissen verleihen. Je älter sie wird, desto mehr freut sie sich geradezu auf den Herzstillstand und die Momente, die sie mit ihrem Todesengel Nick verbringen kann.
Der Zwiespalt aus Wunsch nach Leben und Todessehnsucht, um mit einer geliebten Person zusammen sein zu können, ist verständlich dargestellt und auch Emery ist als Mensch mit einer Erkrankung, die ihr Leben bestimmt, glaubwürdig gezeichnet.

Der Roman handelt von einer Liebe, die nicht sein kann. Denn Emery und Nick erleben immer nur flüchtige Augenblicke gemeinsam, wenn Emerys Herz für kurze Zeit stehen bleibt. Mehr gemeinsame Zeit würde gleichzeitig Emerys Tod bedeuten.

Es ist eine Geschichte des magischen Realismus, weshalb man als LeserIn über den Tellerrand blicken und Gefallen an Übernatürlichem haben sollte. Dabei sind Emerys Ausflüchte in eine Art Zwischenwelt für sie eine Möglichkeit, gefahrlos sie selbst zu sein und Nick ein tröstlicher Halt. Die beiden stellen selbst die Situation in Frage und suchen nach Erklärungen, weshalb das Szenario gar nicht so unwirklich wirkt.

Die Geschichte ist gefühlvoll und entwickelt sich durch viele Momentaufnahmen von Emerys Leben unterhaltsam und abwechslungsreich. Es geht um Tod und Verlust, aber auch um das Glück und die Beziehungen, die das Leben lebenswert machen und ein wenig die Angst vor der eigenen Endlichkeit.

Bewertung vom 07.06.2025
Lauter kleine Lügen
Kemp, Kate

Lauter kleine Lügen


sehr gut

Im Januar 1979 wird in den Hügeln am Rande der Vorstadt Warrah Place der australischen Hauptstadt Canberra ein abgetrennter Fuß aufgefunden und von einem Nachbarn als der Fuß von Antonio Marietti, einem Einwanderer aus Italien, identifiziert, der Gelegenheitsarbeiten in der Nachbarschaft übernommen hat. Ermittlungen der Polizei ergeben, dass der Fuß post mortem entfernt wurde, weshalb von Mord ausgegangen wird.

Die 12-jährige Tammy, die sich von ihrer Mutter vernachlässigt fühlt und in der Schule gemobbt wird, versucht auf eigene Faust zu ermitteln und schnüffelt unerschrocken bei ihren Nachbarn herum.
Während sich die polizeilichen Ermittlungen über mehrere Wochen hinziehen und weitere Leichenteile in der brütenden Sommerhitze gefunden werden, misstrauen sich die Nachbarn gegenseitig und schüren Gerüchte. Jeder einzelne scheint etwas zu verbergen zu haben, aber nicht jedes Geheimnis hängt auch mit Antonios Tod zusammen.

Das Buch beginnt mit der Beseitigung von Blutspuren und scheint damit bereits das Ende vorwegzunehmen und offen zu legen, wer Antonio Marietti auf dem Gewissen hat. Doch je tiefer man hinter die Fassaden der einzelnen Häuser in der klaustrophobischen Sackgasse blickt, desto mehr Schuldige kommen in Betracht und lassen Zweifel entstehen, ob das Offensichtliche täuscht.

Auch wenn der Mord zentraler Ausgangspunkt der Handlung ist, treten die Ermittlungen in den Hintergrund. Während sich die Nachbarn kritisch beäugen und die Menschen beschuldigen, die am Rand der Gesellschaft stehen, erfährt man allmählich mehr über die Schicksale und die Geheimnisse, die einzelne Personen prägen. Die Versteckspiele und Ängste passen dabei ins Jahr 1979 und die gesellschaftlichen Konventionen der damaligen Zeit. Hierbei werden nicht nur in Bezug auf das Mordopfer, das noch nicht lange in Warrah Place lebte, Tabuthemen laut. Die Geschichte handelt von Rassismus, Homophobie, Transsexualität, patriarchalen Strukturen, Glaube, Mutterrolle, Kinderwunsch und der Sehnsucht nach Anerkennung.
Durch Rückblenden in die Monate davor kann spekuliert werden, wie es zu der Tat kommen konnte.

Die Geschichte ist vielseitig und voller interessanter Charaktere. Es ist trotz des Mordfalls kein Krimi oder Thriller, sondern ein fesselndes Porträt einer Kleinstadt mit Vorurteilen und Angst vor dem Fremden, in der jeder leicht zum Verdächtigen werden kann, wenn ein Mörder auf freiem Fuß ist. Auch wenn die Eingangsszene viel verrät, ist die Geschichte bis zur Aufklärung spannend und überrascht am Ende mit einem Twist, der dem Roman noch mehr Raffinesse verleiht.

Bewertung vom 07.06.2025
Als ich dich traf (eBook, ePUB)
Serle, Rebecca

Als ich dich traf (eBook, ePUB)


sehr gut

Seit der fünften Klasse erhält Daphne Zettel mit einem Namen und einer Zeitangabe. Begonnen hat es mit "Seth, acht Tage" und seitdem weiß sie, dass der Name des Mannes ihr nächster Partner werden und wie lange die Beziehung dauern wird.
Als sie 33 Jahre alt ist und schon viele zeitlich begrenzte Beziehungen hinter sich hat, bekommt sie einen Zettel, auf dem nur der Name Jake steht. Mit ihrem besten Freund Hugo, mit dem sie drei Monate zusammen war und der einzige ist, der von den ominösen Zetteln weiß, beratschlagt sie, ob es mit Jake "für immer" sein könnte. Während sich ihre Beziehung schnell entfaltet und ernst wird, kommen Daphne Bedenken, weil sie vor Jake Geheimnisse hat und stellt die Bedeutung der Zettel in Frage.

Der Roman beginnt mit einer Wende in Daphnes Leben, denn endlich scheint sie das gefunden zu haben, wonach sie sich schon lange sehnt: eine Liebe ohne Verfallsdatum.
In einzelnen Rückblenden gibt es Einsichten in ihre früheren Beziehungen, die alle keine lange Zukunft haben sollten. Feste Konstante in ihrem Leben ist dabei neben Hund Murphy ihr bester Freund Hugo, der sie am besten kennt.

Für Daphne stellen die Zettel eine Sicherheit dar. Sie ist für ein Beziehungsende gewappnet und muss ihre Zukunft nicht weit im Voraus planen. Dass es dafür neben emotionalen Gründen noch einen weiteren Grund gibt, wird im weiteren Verlauf der Handlung deutlich und macht Daphnes Gefühle noch nachvollziehbarer.

Mit den Zetteln hat der Roman eine übernatürliche Komponente, die der Geschichte Originalität verleiht und die richtigen Fragen stellen lässt. Ist es das Schicksal, dass das Leben bestimmt oder der freie Wille? Helfen die Zettel dabei, den richtigen Partner zu finden oder handelt es sich schlicht um eine selbst erfüllende Prophezeiung? Sabotiert Daphne unbeabsichtigt selbst ihre Beziehungen?

"Als ich dich traf" ist eine Liebesgeschichte, die weniger magisch und romantisch ist, als gedacht. Sie handelt von der Suche nach Glück und davon, auf sein Herz zu hören, aber auch von Selbstfindung und den Mut zu finden, Entscheidungen zu treffen, selbst wenn es keine Sicherheit dafür gibt, die richtige Wahl zu finden.
Die Geschichte wird leise, undramatisch, aber dennoch mit viel Gefühl erzählt und auch wenn sie sich im Kern nicht überraschend entwickelt, kann sie mit Wendungen aufwarten, die ihr neue Impulse verleihen.

Bewertung vom 04.06.2025
Wir schreiben unsere Namen in den Wind
Picoult, Jodi

Wir schreiben unsere Namen in den Wind


gut

Ende des 16. Jahrhunderts wächst Emilia Bassano als Mündel eines englischen Barons auf und wird im geschlechtsreifen Alter die Mätresse von Henry Hunsdon, der als Lord Chamberlain die Theaterproduktionen in England für die Queen beaufsichtigt. Emilia, die für sich selbst Gedichte und Geschichten schreibt, kommt durch ihn dazu, eingereichte Manuskripte zu lesen und erhält so eigene Ideen für bessere Stücke. Mit Hilfe der Unterstützung des Dichters und ihres guten Freundes Kit Marlowe, macht sie dem Schauspieler und mäßig begabten Dramatiker William Shakespeare das Angebot, gegen Bezahlung ihr Stück unter seinem Namen auf die Bühne zu bringen.
400 Jahre später hat Melina Green in New York ein Theaterstück geschrieben, das von ihrer Vorfahrin Emilia Bassano inspiriert ist. Nach enttäuschenden Erfahrungen ist sie überzeugt, dass ihr Werk niemals aufgeführt werden wird. Anlässlich eines Wettbewerbs ergreift ihr Mitbewohner und bester Freund Andre die Chance und reicht heimlich Melinas Stück unter einem männlichen Pseudonym ein. Als Melinas Stück tatsächlich in die Endauswahl gelangt, wagt sie es nicht, das provozierte Missverständnis aufzuklären.

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen von zwei Dramatikerinnen, die trotz aller Vorbehalte, die es gegenüber Frauen gibt, ihre eigenen Worte vor Publikum aufführen möchten. Im Vordergrund steht dabei die Vergangenheit, die in langen Abschnitten das Leben von Emilia Bassano von 1581 bis 1645 in einer Mischung aus historischer Wahrheit und Fiktion erzählt. Jodi Picoult holt dabei weit aus, weshalb ihr Schreiben und ihr Können sowie der Kontakt zu William Shakespeare dabei weniger vordergründig ist, als gedacht. Emilia wird Mätresse, Geliebte und Ehefrau und ihr Sexualleben nimmt in der Geschichte ermüdend viel Raum ein. Die Geschichte liest sich vor allem zu Beginn zäh und spielt sich kaum in der Welt des Theaters ab. Lange kann keine Verbindung zur Hauptfigur aufgebaut werden, die aus privilegierten Verhältnissen stammt und mit ihrer sehr selbstbewussten Art keine Sympathien weckt. Erst nach über 300 Seiten, der unglücklichen Ehe mit Alphonso Lanier und dem Beginn der Geschäftsbeziehung mit Shakespeare, spürt man die Leidenschaft, die Emilia in ihre Texte steckt und erkennt die Parallelen zu bekannten Shakespeare-Stücken.
Emilia entwickelt sich weiter und im weiteren Verlauf der Handlung erkennt man eine Frau mit messerscharfen Verstand, die ihren Kopf und ihren Körper zu ihrem Vorteil einzusetzen weiß und mutig Grenzen überschreitet.

Die Abschnitte in der Gegenwart können weit weniger fesseln. Die Handlung tritt auf der Stelle, ist fade und zeigt eine unnahbare Hauptfigur, deren Befürchtungen nur oberflächlich dargestellt werden und deren Handeln nicht unbedingt nachvollziehbar ist. Die Liebesgeschichte ist unnötig und kitschig und konterkariert geradezu die Aussage des Romans, für sich einzustehen und seine Stimme zu erheben. Es folgt eine Aneinanderreihung von Missverständnissen, ein willkürlicher Zeitsprung ins Jahr 2027 und ein sehr abruptes Ende. Damit erscheint dieser Erzählstrang so lieblos und unausgegoren, dass auf ihn getrost hätte verzichtet werden können.

In beiden Zeitabschnitten sind die großen Träume der beiden Frauen zurückhaltend dargelegt. Die Botschaft des Romans ist klar, aber die Ausführung dazu ist schwach. Emilia und Melina möchten Gerechtigkeit, dass ihre Stimme gehört wird und nehmen dafür in Kauf, dass der Erfolg für ihre Arbeit von anderen eingefahren wird. Es fehlt an Verzweiflung über die Ungerechtigkeit und einem entschlossenen Einsatz für ihre Werke und die Würdigung derselbigen. Während eine Frau im 17. Jahrhundert tatsächlich wenig Chancen für Gehör hatte, hätte Melina viel stärker für sich und ihr Talent eintreten müssen.

Die auf knapp 600 Seiten erzählte Geschichte ist langatmig und mit vielen Nebensächlichkeiten - insbesondere expliziten Sexszenen - gefüllt, die vom eigentlichen Kern ablenken. Spannend ist hingegen die Unterstellung, dass William Shakespeare zumindest nicht alle seine Stücke selbst geschrieben hat. Die Argumente dafür fließen sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart in die Geschichte ein und sind plausibel und überzeugend dargelegt, was durch das ausführliche Nachwort der Autorin noch verstärkt wird.

Der Roman ist ambitioniert und zeugt von sehr viel Recherchearbeit, die Geschichte um die englische Dichterin Emilia Bassano und ihre fiktive Nachfahrin Melina Green ist jedoch langweilig und schwerfällig und hätte insbesondere in Bezug auf die Vergangenheit gekürzt werden können, um der Gegenwart mit einem stärkeren Fokus auf das Ansinnen der Hauptfigur mehr Tiefe verleihen zu können.

Bewertung vom 02.06.2025
Dieser Sommer wird anders (eBook, ePUB)
Fortune, Carley

Dieser Sommer wird anders (eBook, ePUB)


gut

Neun Tage vor ihrer Hochzeit flüchtet Bridget zurück in ihre Heimat, die Insel Prince Edward Island und wünscht sich ihre besten Freundin Lucy an ihre Seite. Diese ist Inhaberin eines Blumengeschäfts in Toronto, das sie von ihrer Tante übernommen hat. Sie ist derzeit mit den Vorbereitungen für Bridgets Hochzeit befasst und versteht nicht, was so kurz vorher in ihre sonst so zuverlässige Freundin gefahren ist.
Lucy folgt ihr treu ergeben auf die Insel, auf der sie, seit sie Bridget vor sieben Jahren kennengelernt hat, schon viel Zeit verbracht hat. Dort ist sie vor fünf Jahren auch Bridgets jüngerem Bruder Felix begegnet und hat eine Nacht mit ihm verbracht, es ihrer Freundin jedoch verschwiegen. Auch in den folgenden Jahren ist sie immer wieder auf Felix getroffen und konnte ihre Anziehung nicht unterbinden. Doch dieser Sommer soll anders werden. Lucy möchte einfach nur ihrer Freundin beistehen und die Finger von Felix lassen, um sich an die Regeln zu halten, die Bridget aufgestellt hat.

Der Roman beginnt in der Gegenwart neun Tage vor Bridgets Hochzeit und führt Lucy wieder zurück nach Prince Edward Island. Die Vergangenheit beginnt fünf Jahre zuvor und handelt von Lucys jährlichen Aufenthalten auf PEI, während denen sie immer wieder Zeit mit Bridgets Bruder Felix verbringt. Bridget hat sie die heimlichen Treffen verschwiegen, denn diese hatte u.a. Die Regel aufgestellt, dass sich Lucy nicht in Felix verlieben darf. Die Gründe für die verbotene Liebe bleiben mehr als vage.

Während gerätselt wird, warum Bridget kurz vor ihrer Hochzeit von ihrem zukünftigen Ehemann flüchtet, rückt der Fokus auf die Bettgeschichte von Lucy und Felix, die sich jährlich wiederholt. Es dauert lange, bis man ein Gefühl dafür bekommt, dass Lucy und Felix tatsächlich mehr Interesse an einander haben, als heimlichen Sex im Haus von Bridgets und Felix' Eltern.

Die Geschichte ist zwei Drittel redundant und eintönig. Die Geheimnisse, die die Charaktere vor einander haben, passen nicht zu dem innigen Verhältnis, das stetig betont wird. Bridget und Lucy können sich über ihre Ängste und Träume nicht austauschen und die willkürlich aufgestellte Regel wird am Ende zur Farce. Auch Bridgets Geheimniskrämerei erhält nur Gewicht, durch die Dauer bis sie endlich Tacheles spricht. Was sie verbirgt, mag belastend sein, ihr Handeln ist dennoch nicht schlüssig und dient nur dazu, künstlich Spannung zu erzeugen.

Das letzte Drittel, wenn alles geklärt ist, ist dann nur noch langweilig. Überhaupt hätte der Roman ordentlich gekürzt werden können, ohne auf wesentliche Inhalte verzichten zu müssen. Die wiederholten Liebesbeteuerungen sind nervtötend und übertrieben - ähnlich wie das Zuviel an wettbewerbsartigem Sex bis zur Schmerzgrenze.
Der Geschichte fehlt es an Ideen und Substanz - darüber kann auch das eigentlich schöne Insel-Setting und die Liebe zu den Blumen nicht hinweg helfen.

Im Vergleich zu den anderen beiden Romanen von Carley Fortune ist dieser eine herbe Enttäuschung. Die Geschichte ist fadenscheinig, Probleme wirken aufgesetzt und lösen sich dann auch in Rauch auf. Trotz Gefühlsduselei weckt der Roman keine Emotionen. Wer jedoch Freude an eindeutigen Bettszenen hat, wird mit genug Spice belohnt.

Bewertung vom 28.05.2025
Perfect Crime - Wenn niemand dir glaubt
Douglas, Claire

Perfect Crime - Wenn niemand dir glaubt


ausgezeichnet

Emilia Ward ist erfolgreiche Thrillerautorin und lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in einem Vorort von London. Sie hat gerade ihr letztes Buch beendet, was gleichzeitig das Ende ihrer beliebten Reihe um DI Miranda Moody sein soll, als sie sich einer Anzahl von Schikanen ausgesetzt sieht. Ein Stalker bedroht sie und ihre Familie auf subtile Art und verwendet dabei Teile der Handlungen ihrer Romane. Als Emilia dabei mit Teilen ihres neuen Buches konfrontiert wird, das noch gar nicht erschienen ist, bekommt sie es mit der Angst zu tun. Sie kann niemandem aus ihrem Umfeld mehr trauen, der ein Vorabexemplar erhalten hat und gibt sich selbst die Schuld an den Vorkommnissen, denn auch sie hat gelogen.

"Perfect Crime - Wenn niemand dir glaubt" wird überwiegend aus der Perspektive Emilias erzählt. Daneben gibt Kapitel aus der Sicht der Kommissarin, die im Fall des "Gottesanbeterinnen-Mörders" ermittelt und aus der Sicht von Daisy, deren Mutter ermordet wurde und die auf eigene Faust ermittelt, denn der Täter konnte nie gefasst werden.

Der Thriller ist raffiniert aufgebaut, denn nach einem grauenhaften Ereignis scheint sich die Realität mit dem Inhalt von Emilias neuem Roman zu vermischen. Plötzlich ist nicht mehr nur unklar, wer Emilia bedroht, sondern auch, was Wirklichkeit und was Fiktion ist.

Nach einem gemächlichen Einstieg entwickelt sich die Geschichte nicht nur durch die Schikanen zunehmend spannender. Die Geschichte ist packend, mysteriös und wendungsreich, indem wechselseitig Figuren in den Mittelpunkt rücken und sich verdächtig verhalten. Während es der Polizei anfangs schwer fällt, die richtigen Schlüsse zu ziehen und die Verbindung zwischen Emilia und dem Fall eines Serienmörders zu erkennen, scheint Emilia auf sich allein gestellt, einen Mörder zu entlarven, der aus ihrem eigenen Umfeld stammen muss.

Das Gefühl einer andauernden Gefahr für Emilia und ihre Familie ist durchgehend vorhanden, was für Spannung sorgt. Dass sich der Thriller weitgehend unblutig entwickelt, tut dem keinen Abbruch. "Perfect Crime" ist ein raffiniertes Verwirrspiel, das keinen Nervenkitzel auslöst, aber gut unterhält und sich am Ende schlüssig auflöst.

Bewertung vom 26.05.2025
Die Akte Schneeweiß
Fuchs, Felicitas

Die Akte Schneeweiß


ausgezeichnet

Im Jahr 1963 ist Katja 14 Jahre alt und träumt davon, Ärztin zu werden. Ihre Eltern sind konservativ und halten nichts von den beruflichen Ambitionen ihrer ältesten Tochter. Ihrem Großvater Dom, der sie in allem unterstützt, steht sie nah, doch er verbirgt ein Geheimnis und ist plötzlich verschwunden. In der Familie darf sein Name nicht mehr erwähnt werden und Katja versteht nicht, warum. Erst Jahre später, als Katja tatsächlich Medizin studiert, begreift sie, was er getan hat und findet mehr über die Geschichte ihrer Familie heraus, was bis in die Zeit des Nationalsozialismus zurückführt.
Mathilde arbeitet 1936 noch in einem jüdischen Haushalt, als ihre Herrschaften fliehen und ihr eine Anstellung als Arzthelferin bei einem Gynäkologen vermitteln. Geschickt übernimmt sie schon bald die Aufgaben und verliebt sich dabei in Dr. Bönisch, der den Nationalsozialisten nicht wohlgesonnen ist. Nach einem tragischen Ereignis ist Mathilde jedoch gezwungen für die Gestapo zu arbeiten, um ihre Familie zu schützen, was sie jedoch immer schwerer mit ihrem Gewissen vereinbaren kann.

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen und wird aus mehreren Perspektiven erzählt, wobei in der Vergangenheit von 1936 bis 1949 Mathilde Schneeweiß und in der Gegenwart von 1963 bis 1978 Katja Schilling im Vordergrund stehen.
Beide sind ambitionierte, starke Frauen, die für ihre Überzeugungen einstehen und sich nicht so schnell unterkriegen lassen.

Die Geschichte führt in dunkle Zeiten der deutschen Historie zurück und auch wenn der Krieg und das Leid der Menschen nicht in blutigen Details geschildert wird, ist die Geschichte eindrücklich und bewegend.
Sehr anschaulich werden das Zeitgeschehen und die gesellschaftlichen Konventionen beschrieben und man taucht unmittelbar in die Lebenswirklichkeit der Protagonisten ein.

Beide Zeitebenen sind inhaltlich und in der Person von Opa Dom eng miteinander verbunden. Der Roman handelt von Widerstand und Zivilcourage, von medizinischer Versorgung und Frauenrechten. Die Geschichte ist dabei abwechslungsreich und unterhaltsam, denn trotz des Wiederauflebens der dunklen Kapitel der deutschen Geschichte gibt es auch viele heitere und beschwingte Szenen, wenn sich die jungen Frauen klammheimlich auflehnen oder Liebe und Fürsorge erfahren. Zudem werden im Verlauf der vier Jahrzehnte laufend neue Spannungsmomente gesetzt. Es wird nur zu deutlich, wie viel Unrecht geschehen ist, aber auch, dass es Menschen gab, die sich selbstlos und unter Einsatz ihres Lebens für andere eingesetzt haben.

Spannend, dramatisch und bewegend schildert auch dieser historische Roman nicht zu vergessende Aspekte der deutschen Geschichte, legt einen Schwerpunkt auf die Rechte der Frauen und ihre körperliche Selbstbestimmung und verknüpft diese mit einer fiktiven Familiengeschichte, in der es das Verschwinden des Großvaters zu ergründen gilt.

Bewertung vom 25.05.2025
Atmosphere
Reid, Taylor Jenkins

Atmosphere


ausgezeichnet

Joan Goodwin blickte schon immer voller Erstaunen und Ehrgeiz zu den Sternen. Als Professorin für Astrophysik ist sie zufrieden mit ihrem Leben und kümmert sich liebevoll um ihre kleine Nichte Frances, der sie die Weite des Universums nahebringt. Als die NASA Ende der 1970er-Jahre die Türen für weibliche Kandidatinnen öffnet, ergreift Joan die Chance und beginnt die fordernde Ausbildung, um eine der ersten Astronautinnen der Geschichte zu werden. Im Johnson Space Center in Houston kommt sie mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten von Soldaten, Piloten und WissenschaftlerInnen zusammen. Sie findet dort nicht nur unerwartete Freundschaften, sondern auch zum ersten Mal die romantische Liebe, die ihr bisher völlig fremd war. Joan ist überwältigt und glücklich, auch wenn sie ihre Liebe geheim halten muss, bis es im Dezember 1984 bei einer Mission des Space Shuttles zu einem verheerenden Unglück kommt.

Der Roman wird aus der Perspektive von Joan erzählt und handelt von dem Wunsch, nach den Sternen zu greifen, der symbolhaft, aber auch tatsächlich wahr wird.
Die Geschichte beginnt mit dem harten Training, das Joan und ihre MitstreiterInnen durchlaufen und wie sich daraus Freundschaften und fest Bindungen entwickeln. Joan ist dabei trotz ihrer Begabung und ihres Fachwissens zunächst eine unsichere junge Frau, die sich ihrer selbst und ihres Potenzials nicht bewusst ist. Durch die Ausbildung und die Erfolge, die sie gerade als Frau in einer männerdominierten Domäne verbucht, beginnt sie heller zu strahlen und findet mit der Luftfahrtingenieurin Vanessa einen starken Halt, die sie zudem anspornt, ihre Flügel auszubreiten und selbstbewusst zu demonstrieren, was in ihr steckt.

Angesiedelt in den 1980er-Jahren handelt der Roman einerseits vom technischen Fortschritt in der Raumfahrt und den wissenschaftlichen Ambitionen, die die Figuren haben, aber auch von der persönlichen Weiterentwicklung der Charaktere und ihren komplizierten Emotionen. Dabei werden auch philosophische Fragen zur Weite des Weltalls, zur Existenz Gottes und dem Sinn des Lebens gestellt.
Mit dem unregelmäßigen Wechsel zwischen Vergangenheit, die die Entwicklung Joans zeigt und im Vordergrund der Handlung steht, und der Gegenwart, in der es während der Mission STS-LR9 zu einer Katastrophe kommt, wird Spannung und Dramatik erzeugt. Auch Joans Familie und ihre heimliche Liebe führen zu Problemen, denen sich Joan stellen muss, aber auch zu vielen Momenten, in denen Joan ihr Glück kaum fassen kann.

Die Geschichte ist emotionsgeladen und führt das Leben als AstronautIn lebendig, aber nur oberflächlich vor Augen. Mit Bezug auf die Entwicklungen in der Weltraumforschung handelt der Roman im Wesentlichen von der Weiterentwicklung einer ambitionierten und liebenswerten Frau, die sich selbst neu kennenlernt und entdeckt, dass es neben der Liebe zu den Sternen auch noch eine irdische, romantische Liebe für sie gibt. Schwere Entscheidungen müssen getroffen werden, die trotz einem Wunsch nach Selbstverwirklichung und Verfolgung seiner Träume, spüren lassen, was im Leben wirklich zählt.
Es ist eine packende Mischung realer historischer Hintergründe mit einer fiktiven, persönlichen Entdeckungsreise und einer großen, zartfühlenden Liebesgeschichte.

Passend zur Zeit und Frauen in technischen Berufen, werden feministische Töne laut, die nicht gewollt wirken und auch nicht penetrant platziert werden.
"Atmosphere" ist eine mitreißende, gefühlvolle Geschichte mit einem ganz außergewöhnlichen Setting, die die Stärke der Frauen in den Mittelpunkt rückt und zeigt, dass man alles erreichen kann, wenn man an sich glaubt und zielstrebig kämpft.