Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Renas Wortwelt

Bewertungen

Insgesamt 172 Bewertungen
Bewertung vom 12.03.2025
Von hier aus weiter
Pásztor, Susann

Von hier aus weiter


ausgezeichnet

Von dieser sehr begabten Autorin stammt auch der Roman "Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster", den ich zwar nicht gelesen, dafür aber als Verfilmung mit der wunderbaren Iris Berben gesehen habe. Und der nun erschienene neue Roman steht dem vorigen in überhaupt nichts nach.
Voller Einfühlungsvermögen, emotional ohne rührselig zu werden, erzählt die Autorin von Marlene. Ihr Mann ist tot, nach dreißig Jahren Ehe. Er war sehr krank gewesen, war selbst Arzt, konnte seinen Zustand daher einschätzen und hatte beschlossen, sich das Leben zu nehmen. Nun ist Marlene plötzlich allein, nachdem ihr Mann ihre ganze Ehe hindurch alles regelte, alles bestimmte.
Und kaum ist die Beerdigung vorbei, scheinen seine drei längst erwachsenen Söhne aus der ersten Ehe diese Funktion weiter betreiben zu wollen, wenn auch unter dem Deckmantel der Fürsorge. Doch Marlene hat ganz andere Pläne. Nach vielen Tagen und Wochen des Dahindämmerns, des Sich Gehenlassens, in denen sie einfach nur dahin treibt, das Essen vergisst, das Einkaufen und vieles mehr, braucht sie allerdings einen Klempner für die Dusche.
Der junge Mann, der dann vor ihrer Tür steht, war früher ein Schüler von ihr, der ehemaligen Grundschullehrerin. Da Jack gerade ziemlich ohne Bleibe dasteht, schlüpft er kurzerhand bei ihr unter, kümmert sich ein wenig um sie, kocht und räumt auf. Als er sich dabei einmal verletzt, lernt er Marlenes Hausärztin Ida kennen – und verliebt sich in sie.
Währenddessen hadert Marlene mit allem, wäre gerne selbst mit ihrem Mann zusammen gestorben. Da erreicht sie eine Nachricht, die sie nach Wien zu einer alten Freundin führen soll. Kurz entschlossen begleiten Ida und Jack Marlene auf dieser Fahrt. Auf der es zu merkwürdigen Begegnungen kommt und Marlene einige Wandlungen und Erfahrungen durchläuft.
Diese Geschichte ist so voller Warmherzigkeit, voller Verständnis, dass man sich eingehüllt fühlt wie in eine flauschige Decke. Dabei wird es nie kitschig, nie rührselig oder schwülstig. Wie es Susann Pásztor gelingt, Marlenes Gefühle – wir lesen den Roman durchgängig und konsequent aus ihrer Perspektive – darzustellen, ihre Wut, ihre Trauer, auch ihre Einsamkeit und Verlorenheit, das ist geradezu genial und beeindruckend. Nie wird die Erzählweise überdramatisiert, nie wird etwas zu dick aufgetragen. Immer bleiben die Figuren lebensecht, lebendig. Man meint, neben ihnen zu sitzen und ihren bei den Gesprächen zu lauschen.
Dabei sind auch die Dialoge stets authentisch, lebensnah, mal ernst, mal voller leisem Humor. Herrlich zum Beispiel das Gespräch zwischen Marlene und den drei Stiefsöhnen, bei dem alle irgendwie aneinander vorbeireden und dennoch alles um ein Thema kreist. Auch Marlene nimmt sich selbst nicht zu ernst. Allein schon der Einstieg in diesen Roman, wenn Marlene sich unter der Tür einer Toilettenkabine hindurchwindet, sorgt für die entsprechende Stimmung, die den gesamten Roman prägt.
Dazu kommen absolut wunderbare Figuren, mit klarem Profil, auch sie alle gelungen gezeichnet, ohne zu viel unwichtige Nebeninformationen, nur das, was für die Handlung und die Entwicklung von Belang ist, wird erwähnt. Auch die Nebenfiguren, die nur kurz auftreten, sind sympathisch, lebensecht, man kann sich in alle und alle Situationen sehr gut einfühlen.
Manches bleibt unerklärt, fast mystisch, übernatürlich. Man muss nicht alles erklären. Dazu gibt es manche unheimlich gute Twists, viele Überraschungen, dabei immer plausible Reaktionen, nichts wirkt unnatürlich. Auch die zarte Liebesgeschichte ist mit wunderbar feinen Worten erzählt. Ich habe diesen Roman in einem Rutsch gelesen, konnte ihn nicht aus der Hand legen.
Das interessante an diesen Geschichten ist, dass es meist neue Bekanntschaften sind, mit denen die Trauernden aus der Talsohle herauskommen. Hier in diesem Roman stimmt das zwar nur bedingt, da Ida mit Marlene bereits bekannt war, aber wohl nicht so eine enge Freundin.
Ein ganz wunderbarer Roman, herzerwärmend, Mut und Zuversicht schenkend.
Susann Pásztor - Von hier aus weiter
Kiepenheuer & Witsch, Februar 2025
Gebundene Ausgabe, 253 Seiten, 24,00 €

Bewertung vom 10.03.2025
Sonst stirbt sie!
Boehler, Arne M.

Sonst stirbt sie!


ausgezeichnet

Wenn es in einem Krimi um Kindesentführung geht, dann entsteht schon allein aus diesem Fakt erhebliche Spannung, weil, nicht nur, aber besonders all diejenigen, die selbst Kinder haben, sich um das Opfer sorgen und mit den Eltern fühlen. Wenn es dazu dem Autor gelingt, die Figuren facettenreich zu gestalten und auch die Ermittler mit Profil und interessantem Hintergrund zu versehen, sind alle Zutaten vorhanden.
So auch in diesem Roman, den ich zwar nicht Thriller nennen möchte, der mich aber doch von der ersten bis zur letzten Seite fesseln konnte. Auch wenn die Auflösung ein wenig wie aus dem Hut gezaubert wirkt, mancher Faden lose hängen bleibt und einiges mühsam konstruiert wirkt.
Worum geht es: Philipp, einige Jahre jünger als seine Frau Lena, bemerkt eines Morgens, dass ihr Kind, die einjährige Emma, nicht in ihrem Bett liegt. Lena, von Beruf Lehrerin, ist gerade mit Freundinnen auf einer Kurzreise, aber ohnehin kümmert sich Philip, ein Musiker, um Kind und Haushalt.
Die hinzugerufene Polizei in Person der Kommissarin Svenja Paulus neigt recht schnell dazu, die Eltern oder wenigstens ein Elternteil in Verdacht zu haben. Als dann auch noch Details aus Philips Kindheit und Informationen über seine psychischen Störungen auftauchen, ist Svenja überzeugt, in ihm den Täter zu haben.
Doch auch Lena verhält sich verdächtig, entzieht sich der Beobachtung der Polizei, bekommt kryptische Drohungen. Derweil steigt die Sorge um das Kind, von dem allerdings die Ermittlerin schon fast glaubt, dass es nicht mehr lebt.
Sie selbst hat mit einer alten Beziehung zu kämpfen, ein Mann aus ihrer Vergangenheit ist wieder aufgetaucht und scheint sie zu bedrohen.
Erzählt wird das Ganze wechselweise aus den Perspektiven von Lena, Philipp und Svenja Paulsen. Dazwischen geschoben, was ich grundsätzlich gar nicht mag, auch Szenen aus der Sicht des Täters/der Täterin. Diese allerdings sind leider so ungeschickt, dass man schon beim ersten Mal, als eine solche Szene erscheint, das Geschlecht erfährt, was für die Spannung sehr kontraproduktiv ist.
Dafür gelingen dem Autor teils sehr geschickte und vor allem absolut in die Irre führende Cliffhanger, zumal gegen Ende. Hingegen sind manche Hinweise, manche Verdachtsmomente ein wenig arg dick aufgetragen, wird das Geheimnisvolle, insbesondere wenn es um Lenas Leben geht, etwas zu deutlich gezeichnet.
Das Ende kommt dann sehr plötzlich und steckt noch einmal voller Dramatik und Tempo. Manches bleibt jedoch unerklärt, manches wirkt nicht ganz schlüssig, anderes ein wenig an den Haaren herbeigezogen. Dennoch macht der Krimi Spaß, liefert gute und solide Unterhaltung.
Und am Ende bleibt mindestens ein loser Faden hängen, der vermuten lässt, dass es noch einen Folgeband mit Svenja Paulsen geben dürfte.
Arne M. Boehler - Sonst stirbt sie
gmeiner, Februar 2025
Taschenbuch, 311 Seiten, 14,00 €

Bewertung vom 07.03.2025
Die erste halbe Stunde im Paradies
Adomeit, Janine

Die erste halbe Stunde im Paradies


ausgezeichnet

Wer schon länger meine Rezensionen liest, weiß, dass ich monoperspektivisch erzählte Romane bevorzuge. Somit hatte das neue Buch der wirklich sehr begabten Janine Adomeit – ihr vorheriger Roman "Vom Versuch, einen silbernen Aal zu fangen" hatte mich bereits begeistert - schon vorab gute Chancen, denn es erzählt die Geschichte von Anne und ihrem älteren Bruder Kai durchgängig und konsequent nur aus Sicht der jungen Frau.
Beziehungsweise des Kindes Anne, denn der Roman spielt auf zwei Zeitebenen. Im Heute ist Anne Anfang Dreißig, Pharmaberaterin und gerade auf einer Firmenveranstaltung, wo sie einen für ihre Karriere wichtigen Vortrag halten soll. Die andere Zeitebene zeigt Anne als Kind im Grundschulalter. Hier erleben wir mit, wie sie und ihr einige Jahre älterer Bruder Kai immer mehr die Versorgung und Pflege ihrer Mutter übernehmen müssen.
Denn die Mutter erkrankt schwer, woran, wird nur beschrieben, nicht mit Namen benannt. Mit der Zeit kann sie immer weniger selbst verrichten, die Kinder müssen sie irgendwann sogar waschen und anziehen. Ihr Körper verfällt, sie kann kaum noch gehen, nicht fest zugreifen, auch das Stehen fällt ihr immer schwerer, nur noch ihre Musik bleibt ihr, zumindest auf CD, ihr, der Sängerin und Musikerin, die damit einst Säle füllte und gut verdiente. Doch die Mutter will keine Hilfe von außerhalb, aus Angst, dass man ihr Anne wegnimmt, die Vormundschaft entzieht, weil sie nicht mehr allein für das Kind sorgen kann.
Die Väter von Kai und Anne, es gibt derer zwei, sind bei den Kindern nicht beliebt und somit auch keine Lösung. So kommt es, wie man es erwarten muss, irgendwann ist vor allem Anne mit all dem überfordert, immerhin ist sie zu diesem Zeitpunkt gerade mal 10 oder 11 Jahre alt. Die Situation eskaliert schließlich, was zu einer viele Jahre andauernden Entfremdung zwischen Anne und Kai führt, die als Kinder fast symbiotisch aneinander hingen.
Erst jetzt, als Anne sich auf den wichtigen Vortrag vorbereiten muss, meldet sich Kai, will von ihr aus einer Entzugsklinik abgeholt und zu seiner neuen Unterkunft gebracht werden. Fast gegen ihren eigenen Willen fährt Anne tatsächlich los, doch auf der Rückfahrt stecken sie in einer sehr großen Schafherde fest und kommen so erstmal eine geraume Zeit nicht weiter. Während dieses Zwangsaufenthalts kommen die alten Wunden zum Vorschein, wird manches erklärt, anderes bleibt unerzählt, unverstanden.
All das, beide Zeitebenen, schildert Janine Adomeit mit einen unglaublich feinen Gespür für verletzte Gefühle, für Vorwürfe gegen den andern und vor allem die gegen sich selbst. Es gelingt ihr die empathische Darstellung der Zerrissenheit Annes sowohl während der Kindheit, als sie zuerst stolz ist, so viel für die Mutter tun zu können und am Ende aber sehr wütend auf die Mutter, die sich oft ihrer Hilfe widersetzt. Diese inneren und äußeren Konflikte, die Wut und Enttäuschung über den vermeintlichen Verrat Kais und vor allem den daraus resultierenden Verlust des geliebten Bruders, das beschreibt die Autorin ohne Rührseligkeit, ohne Kitsch und ganz ohne auf Klischees zurückzugreifen. Sie schafft es, dass man durch den Roman, vor allem die Szenen aus der Kindheit Annes, jagt, hin und her gerissen zwischen Mitleid mit dem Mädchen, Mitgefühl und einem gewissen Verständnis für die kranke Mutter und einem ebenso vorhandenen Verstehen des Verhaltens des gerade volljährig gewordenen Sohns.
Ein Roman, der nachdenklich macht, der berührt ohne zu dramatisieren. Ein Roman um eine eigentlich glückliche, weil voller Liebe steckende Familie, die dann aber doch an den Verhältnissen, an der Erkrankung der Mutter zerbricht. Unbedingt lesenswert.
Janine Adomeit - Die erste halbe Stunde im Paradies
Arche, Februar 2025
Gebundene Ausgabe, 271 Seiten, 23,00 €

Bewertung vom 05.03.2025
Crime im Heim
Tannert, Ida

Crime im Heim


sehr gut

Nicht der erste und sicher nicht der letzte Kriminalroman, der in einem Seniorenheim spielt. Auch dieser setzt auf Humor, auf liebevoll-ironisch gezeichnete Figuren mit mehr oder weniger skurrilen Marotten sowie auf verschlungene Pfade zur Auflösung.
Ida Tannert, die unter ihrem Namen Tessa Korber bereits mehrere erfolgreiche und lesenswerte Romane veröffentlicht hat, lässt eine Gruppe von Senioren ein Theaterstück planen. Es soll Hamlet aufgeführt werden und Impresario Friedhelm legt sein ganzes Herzblut in dieses Spiel. Doch dann wird der Mops Ophelia tot aufgefunden und wenig später sogar noch eine weitere Leiche.
Die Theatergruppe, allen voran die ehemalige Yogalehrerin Katia, heimlich Angebetete von Friedhelm, möchte den Todesfall aufklären. Denn in Verdacht gerät zuerst eine von ihnen, schließlich ein weiterer aus ihrer Gruppe, der, erst verschwunden, dann wieder auftaucht und über dessen geheimnisvolle Vergangenheit einiges bekannt wird. Eine Tasche voller Geld spielt bei dem ganzen Geschehen dann auch noch eine wichtige Rolle.
So wirklich stringent und logisch entwickelt sich die Handlung nicht, nicht alles ist wirklich plausibel, manche (falschen ) Spuren zu breit und die Auflösung schließlich ein wenig arg mühsam konstruiert. Dennoch macht der Roman Spaß, denn die Figuren sind wirklich gelungen. Da gibt es den Anarchisten, den Zahnarzt, die Psychiaterin, die Gräfin, den Vogelkundler und einige mehr. Jeder und jede hat besondere Marotten, manche benötigen Rollator oder Rollstuhl, andere hören oder sehen nicht mehr gut und alle haben ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Geheimnisse.
Doch auch hier liegt ein Manko des Romans, denn die Figuren werden mal mit ihrem Namen, öfter aber mit ihren ehemaligen Berufen benannt. Die Zuordnung von Name zu Beruf bleibt bis zum Ende verwirrend, da hilft auch nicht das gezeichnete Figurentableau in der Innenklappe des Covers, welches nur die Namen aufführt. Das lenkt manchmal etwas von der Handlung ab, da man nicht weiß, ob von einer oder zwei verschiedenen Personen gesprochen wird.
Trotz dieses kleinen Kritikpunktes hoffe ich, dass man all diesen Figuren einmal in einer Fortsetzung wieder begegnet, vielleicht dann klarer identifizierbar.
Ida Tannert - Crime im Heim
DuMont, Februar 2025
Klappenbroschur, 269 Seiten, 17,00 €

Bewertung vom 03.03.2025
Die Farben der Revolution. Éléonore und Robespierre (eBook, ePUB)
Limbeck, Jeanette

Die Farben der Revolution. Éléonore und Robespierre (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Selbst wenn mich gerade diese Epoche und dieses Land rund um die Ereignisse der Französischen Revolution nicht ohnehin schon immer sehr interessiert und beschäftigt hätten, hätte dieser absolut gelungene Roman mich trotzdem in seinen Bann ziehen müssen.
Denn die sehr fähige Autorin, deren Vorgängerbuch "Die Fliegerinnen" mir bereits ausnehmend gut gefiel, schafft es, in ihrem Roman über die Liebe zwischen einer der prägendsten Gestalten dieser Zeit, Maximilien Robespierre, und seiner Verlobten, Eléonore Duplay, alles zu vereinen, was ein gutes Buch ausmacht.
Da sind zum einen die historischen Hintergründe, die allein für sich schon eine fesselnde Geschichte darstellen, die trotz umfangreicher Analysen bis heute noch Fragen offen lassen und die vor allem eine der weitreichendsten Umwälzungen in der europäischen Historie bedeuteten. Und da sind zum anderen die handelnden Menschen, die in dieser unruhigen Zeit agierenden Politiker, die Künstler, Maler, Schriftsteller, die verschiedenen Klassen, Adelige, Bürger, Handwerker und die Männer und Frauen. Jede Gruppe für sich und alle zusammen treten in diesem fesselnden Roman auf, jede einzelne Figur hat ihre Rolle in diesem Drama.
Vor allem aber natürlich Eléonore, die uns ihre Geschichte in Ich-Form konsequent aus ihrer eigenen Perspektive schildert. Und diese Perspektive ist das Wichtige, das Entscheidende in diesem Geschichte einer mutigen, einer ungewöhnlichen Frau. Denn Eléonore kämpft nicht nur für die Republik, für die Abschaffung der Monarchie und des Adels, für gleiche Rechte für alle Bürger. Ganz besonders und mit hohem persönlichem Einsatz kämpft sie für die Rechte der Frauen. Denn Frauen hatten kein Wahlrecht und das war in der neuen Verfassung, die nun entstehen sollte, auch nicht vorgesehen. Frauen hatten Heim und Kinder zu versorgen, Verstand wurde ihnen abgesprochen. Kämpften sie, beharrten sie auf ihrem Mitspracherecht, wurden sie verunglimpft, verhaftet, verurteilt.
Frauenrechte, die Gleichberechtigung der Frauen scheinen das vornehmliche Thema der wirklich sehr begabten Autorin zu sein, denn auch schon in "Die Fliegerinnen" hat sie das thematisiert, in der Schilderung der Ungleichbehandlung der russischen Kampfpilotinnen im zweiten Weltkrieg im Vergleich mit ihren männlichen Kollegen. Auch dort hat Jeanette Limbeck geschickt und gelungen die historischen Ereignisse mit mehreren Frauenschicksalen verknüpft und so erlebbar gemacht.
Die Handlung in ihrem neuen Roman erstreckt sich über vier Jahre und berichtet die Ereignisse der Jahre 1791 bis 1795. Die Republik sollte entstehen, doch die Handelnden waren sich uneins über den Weg dorthin. Es gab viele Auseinandersetzungen, kriegerische an den Grenzen und in den Provinzen, wie wortreiche im Parlament. Viele verschiedene, gegensätzliche Interessen prallten aufeinander und inmitten dieses Chaos, in welchem ein falsches Wort zur falschen Zeit, eine aus der Luft gegriffene Verdächtigung schnell zu Verhaftung, Verurteilung und Hinrichtung führen konnte, steht Robespierre. Er wohnt im Hause Duplay und begegnet so Eléonore. Beide sind schnell gleichermaßen voneinander beeindruckt und angezogen, doch er, der sie aufrichtig liebt, zweifelt an einer gemeinsamen Zukunft.
Eléonore, die trotz ihrer Liebe auch immer wieder heftig mit ihm über Politik, Frauenrechte und über seine Pläne streitet, ist Malerin mit Leib und Seele, auch wenn sie sich Zeit und Mittel für ihre Passion mühsam erkämpfen muss. Sie erschafft Porträts von Robespierre, Gemälde der Revolution im damals üblichen antiken Stil. Doch auch auf diesem Gebiet haben Frauen viel weniger Chancen und Möglichkeiten als Männer, was ihr immer wieder schmerzhaft klar wird.
Der Roman zieht von der ersten Seite in die Geschichte hinein, man folgt atemlos den Geschehnissen. Doch oft war ich verwirrt, zu viele Akteure treten auf, all die Politiker, Journalisten, Künstler, die um Robespierre herumschwirren, die mal mit Vor-, mal mit Nachnamen genannt werden, so dass ich immer wieder mal den Überblick verlor. Da half durchaus das Glossar am Ende des Buches, wo sich auch eine Liste der auftretenden Personen findet. Allerdings wäre es noch besser gewesen, diese alphabetisch aufzuführen, des leichteren Auffindens wegen, statt in der Reihenfolge ihres Auftretens.
Den Einstieg in den Roman bildet eine Szene in der heutigen Zeit, in der eine "sie" - vermutlich meint die Autorin hier sich selbst - ein Gemälde von Eléonore Duplay entdeckt, solcherart auf die Protagonistin aufmerksam wurde und so wohl die Idee zum Roman entstand. Auch dass dies am Ende wieder aufgegriffen wird, ist okay. Nur zwischendrin das einmal wieder einzufügen, macht in meinen Augen herzlich wenig Sinn, es irritiert sehr und reißt aus der eigentlichen Handlung raus.
Ein absolut empfehlenswerter Roman, greift er doch nicht nur historisch interessante Zeiten auf, sondern lässt eine faszinierende Frauenfigur aus der Vergessenheit heraustreten und erzählen.

Bewertung vom 24.02.2025
Das Dinner - Alle am Tisch sind gute Freunde. Oder? (eBook, ePUB)
Rudolf, Emily

Das Dinner - Alle am Tisch sind gute Freunde. Oder? (eBook, ePUB)


weniger gut

Im Ansatz eine gute Plot-Idee: Eine Gruppe von Freund:innen findet sich zu einem Krimi-Dinner zusammen, welches sich als die von allen vor Jahren miterlebte Geschichte des Verschwindens einer jungen Frau aus ihrem Kreis herausstellt. Doch dem Roman fehlt es an Spannung, an Twists und an fesselnden Charakteren. Auch der Schreibstil ist wenig herausfordernd, eher simpel.
Fünf Menschen versammeln sich in einem – natürlich – einsam gelegenen Restaurant in der Eifel. Das Restaurant wird geführt von einem aus ihrer Gruppe, Jonathan, der sie zu einem Krimidinner geladen hat, wie sie es früher öfter veranstaltet haben. Damals waren sie noch sechs: Jonathan, seine Schwester Hanna, seine heutige Verlobte Lotta, Tristan, Hannas Ex und Kiano, Jonathans damaliger bester Freund. Es fehlt seit ihrem letzten Zusammensein in einem Zeltlager Maria, damals die beste Freundin Hannas.
Maria verschwand spurlos, nie wurde ein Lebenszeichen von ihr gefunden, aber auch keine Leiche. So weiß niemand, was mit ihr geschah, was zu vielen Theorien, Vermutungen und Verdächtigungen innerhalb der Freundesgruppe führt. Nach diesem Vorfall damals haben sie sich mehr oder weniger aus den Augen verloren, nun hat Jonathan sie wieder zusammengeführt.
In dem Krimispiel übernimmt jeder der Fünf eine Rolle, bekommt einen Rollennamen und eine Rollencharakterisierung. Während sie spielen, wird immer klarer, dass die angeblich erfundene Kriminalgeschichte, die diesem Spiel zugrunde liegen soll, ziemlich genau erzählt, was damals geschah bis zu Marias Verschwinden. Auch wenn Orte, Namen und Zeiten verändert wurden, erkennen sie wieder, was sie damals taten und sagten.
All das ist unglaublich verwirrend erzählt. Zum einen wechseln ständig die Erzählperspektiven, jede Figur bekommt einen eigenen Erzählstrang. Diese sind alle in Ich-Form geschrieben, was zu noch mehr Verwirrung beiträgt, denn wenn man innerhalb einer Szene eine Lesepause einlegt und dann weiterliest, weiß man nie, wer gerade erzählt.
Die aus jeweils unterschiedlichen Erzählperspektiven geschilderten Szenen sind extrem kurz, so dass man ständig aus einem Handlungsstrang herausgerissen und in einen anderen hineingestürzt wird. Dazu kommt, dass alle Figuren nun zwei Namen tragen, den eigenen und den Rollennamen aus dem Krimispiel und darüber hinaus gibt es schließlich noch jeweils ebenfalls eingeschobene Szenen, die die damaligen Ereignisse schildern, diese wiederum in Ich-Form und aus wechselnden Perspektiven.
So verliert man irgendwann völlig den Faden, die Spannung, die doch das Wichtigste bei einem Kriminalroman sein sollte, bleibt komplett auf der Strecke. Keine der Figuren ist sympathisch, ihre Emotionen sind plump und klischeehaft beschrieben, oft zu dick aufgetragen und wenig nachvollziehbar. Fast alle Figuren wirken hölzern, wie Schauspielschüler, die ihre Rolle nicht wirklich beherrschen. Und schließlich ist die gesamte Story unnötig in die Länge gezogen, um sie zu erzählen, hätte es keiner fast 600 Seiten bedurft.
Insgesamt konnte mich dieser Roman gar nicht abholen, nicht unterhalten und nicht überzeugen. Lediglich die Ausgangsidee hat ein gewisses Potenzial, was aber leider gänzlich verschenkt wird.
Emily Rudolf - Das Dinner
Scherz, Januar 2025
E-Book, 4,99 €

Bewertung vom 19.02.2025
Halbe Leben
Gregor, Susanne

Halbe Leben


sehr gut

Klaras Mutter Irene hatte einen Schlaganfall und braucht Betreuung. Paulína kommt ins Haus, wird Teil der Familie, wird immer mehr vereinnahmt. Dafür lässt sie ihre eigene Familie, ihre Söhne, in der Slowakei zurück.
Immer für zwei Wochen kommt Paulína zu Klara und Jakob und ihrer Tochter Ada, um sich um Irene zu kümmern. Wenn sie dann für zwei Wochen zurückfährt in ihre Heimat, zu ihren Kindern, kommt Radek. Doch mit ihm werden Klara und Jakob nicht warm. Paulína hingegen übernimmt immer mehr Aufgaben, putzt, räumt auf, muss sich irgendwann um den neuen Hund kümmern.
Sie widersetzt sich nicht, obwohl sie zweifelt, obwohl sie hadert. Nicht nur mit den wachsenden Aufgaben, dem Gefühl des Ausgenutzwerdens, sondern mit der Tatsache, dass sie immer wieder ihre beiden Söhne bei der Schwiegermutter zurücklassen muss. Die Jungs kommen damit nicht gut zurecht, gewöhnen sich nach und nach daran, was aber zu einer wachsenden Entfremdung zwischen ihnen und ihrer Mutter führt.
So sitzt Paulína, deren Mann sich von ihr getrennt hat und die Jungs ab und zu abholt, stets zwischen den Stühlen. Dabei kann sie sich nie wirklich wohlfühlen im Haus von Klara, fühlt sich dort nicht zuhause. Sie beobachtet die Familie, wundert sich über den Umgang von Klara mit ihrer Tochter.
Klara ist eine Karrierefrau, will Teilhaberin in ihrer Firma werden, arbeitet viel, macht ständig Überstunden. Jakob ist Fotograf, kann sich seine Zeit selbst einteilen, übernimmt aber wenig Verantwortung, auch er drängt immer mehr Paulína auf.
Langsam erst entwickelt sich diese Geschichte, langsam nähert man sich den Figuren, insbesondere den beiden Frauen Klara und Paulína an. Aber auch um Irene geht es, die zwischen guten Phasen immer mehr verwirrt wird, in Erinnerungen versinkt und diese oft nicht mehr von dem aktuellen Geschehen unterscheiden kann.
So verweben sich die Leben, die Geschichten dreier Frauen, die so unterschiedlich sind, die fast nichts gemein haben. Das Ganze beginnt mit Klaras Tod, sie stürzt bei einer Wanderung ab. Nur Paulína war dabei. Was wirklich geschah, erfährt man nicht. War es ein Unfall oder doch ein herbeigeführtes Unglück?
Ein recht tiefgründiger Roman, ohne Dramatik, ohne Tempo, in langsamer Erzählweise, mit wechselnden Erzählperspektiven. Mal folgt man Klara, mal Paulína, mal Irene und mal sogar Riso, Paulínas Ältestem. Sympathisch wird einem bei der Lektüre keine der Figuren wirklich, selbst Paulína, für die man viel Verständnis aufbringt, die man wegen ihrer scheinbar ausweglosen Situation bedauert, bleibt auf Distanz zur Leserin.
Daher ist der Roman keine leichte, keine seichte Lektüre, er regt zum Nachdenken an, zum Hinterfragen von Situationen, die dies von Müttern abverlangen, zum Hinterfragen von Lebensplänen.
Eine Formalie hat mich bei der Lektüre sehr gestört und das sind die fehlenden Anführungszeichen. Warum müssen neuerdings so viele Bücher ohne diese sehr wichtigen und sehr hilfreichen Satzzeichen erscheinen? Nennt mich altmodisch, aber ein Roman liest sich schlicht einfacher und flüssiger mit Anführungszeichen. Zu erkennen, wann eine Figur spricht oder wann sie lediglich denkt, ist durchaus wichtig für das Verständnis der Handlung. Also bitte, liebe Verlage, nicht so wichtige Satzzeichen weglassen. Auch wenn es vielleicht grade so modern ist.
Susanne Gregor - Halbe Leben
Zsolnay, Januar 2025
Gebundene Ausgabe, 189 Seiten, 23,00 €

Bewertung vom 17.02.2025
Der Tod, der am Dienstag kommt / Das Mörderarchiv Bd.2
Perrin, Kristen

Der Tod, der am Dienstag kommt / Das Mörderarchiv Bd.2


sehr gut

Gleich vorab: Wer den wirklich gelungenen ersten Band um das Archiv von Tante Frances nicht gelesen hat, wird es schwer haben mit dem Nachfolgeband. Vieles wird vorausgesetzt, insbesondere die familiären Zusammenhänge und sonstigen Beziehungen zwischen den Figuren, so dass man sich – selbst mit Kenntnis des Vorgängerbands – immer wieder kaum zurechtfindet.
Davon abgesehen ist der neue Roman der Bestsellerautorin aus England ein sehr verwickelter Krimi, in dem es sowohl um einen aktuellen wie auch um einen viele Jahrzehnte zurückliegenden Mordfall geht. Und selbstverständlich ist Ich-Erzählerin Annie, die von oben erwähnter Tante Frances das Vermögen sowie Haus und weitläufigen Grundbesitz geerbt hat, wieder mittendrin in den Verwicklungen.
Aktuelles Mordopfer ist Peony Lane, die eigentlich ganz anders heißt und außerdem Wahrsagerin ist. Kurz vor ihrem Tod hat sie Annie noch eine mysteriöse Botschaft mitgeteilt, die sich auf einen vor vielen Jahren geschehenen Unfall bezog. Dabei soll es sich um Mord gehandelt haben. Dann wird Peony aber in Annies Haus ermordet aufgefunden und so gerät Annie auch selbst unter Verdacht. Wie praktisch, dass sie sich so gut mit dem ermittelnden Kommissar versteht, der ihr selbstverständlich ihre Unschuld glaubt.
Es stellt sich heraus, dass wiederum die nötigen Hinweise für den früheren wie auch den aktuellen Mord in dem Archiv von Tante Frances befinden. Sie hatte nicht nur akribisch Tagebuch geführt, das Annie nun unbedingt lesen will, sondern auch über alle Bewohner des Ortes alle verfügbaren Informationen gesammelt.
Während Annie, unterstützt von ihrer Freundin Jenny, ihre Nachforschungen vorantreibt, kann man in zwischengeschobenen Kapiteln in Frances' Tagebuch aus den 60er Jahren lesen, was sich damals zutrug, was zu den dramatischen Ereignissen führte und warum seinerzeit niemand in den Todesfällen ermittelte.
All das ist hinreichend spannend, wenn man beim Lesen auch, durch viele unnötige Wendungen, falsche Fährten, zusätzliche Verwicklungen und merkwürdiges Verhalten der Verdächtigen, ziemlich verwirrt ist und es dadurch fast nicht möglich ist, selbst die Lösung zu finden. Diese ist dann am Ende recht überraschend und auch nur durch noch mehr eher dubiose Windungen erklärlich.
Insgesamt ein unterhaltsamer Roman voller sympathischer Figuren, mit leisem Humor, ein bisschen Ironie, viel typisch englischem Kleinstadtflair. Doch es stellt sich die Frage, ob es nun noch weiterer Fortsetzungen bedarf, ob die Geschichte um das Archiv der Tante nicht nun auserzählt ist. Die Protagonistin Annie möchte ich aber durchaus gerne einmal wiedertreffen.
Kristen Perrin - Das Mörderarchiv: Der Tod, der am Dienstag kommt
aus dem Englischen von Susann Rehlein
Rowohlt, Januar 2025
Taschenbuch, 351 Seiten, 18,00 €

Bewertung vom 14.02.2025
Winternacht - Der Schnee begräbt alles. Nur die Lügen nicht
Bolton, Sharon

Winternacht - Der Schnee begräbt alles. Nur die Lügen nicht


ausgezeichnet

Auch wenn ich diesen wirklich spannenden Roman nicht unbedingt einen Thriller nennen würde – dazu fehlt es ein wenig an Suspense – so ist er doch ebenso genial konstruiert wie der Roman "Beste Freunde", den ich von dieser Autorin gelesen und sehr genossen habe.
Diesmal stehen im Mittelpunkt vor allem Frauen. Da ist Olive, zweite Ehefrau des Abgeordneten Michael Anderson. Da ist Gwen, Mutter der verstorbenen ersten Frau Michaels Eloise und da sind die halbwüchsigen Töchter, alle drei lehnen die neue Frau vehement und folgenreich ab.
Aber da ist auch die Fremde, die sich eines Tages an den Tisch im Hotelrestaurant setzt, den Olive für sich belegt hat. Sie verwickelt Olive in ein Gespräch, schließlich landen die beiden zusammen im Bett. Doch am folgenden Morgen wird Olive von dieser fremden Frau, die ihren Namen nicht nennt, entführt, mit Gewalt und ohne Mitgefühl.
Michael meldet seine Frau schließlich als vermisst und die Polizei beginnt, wenn auch zuerst eher zaghaft, zu ermitteln. Federführend soll hier eine noch junge Beamtin sein, Lexy Thomas. Aufgrund der winterlichen Wetterbedingungen – es ist eiskalt und heftiger Schneefall legt fast den gesamten Verkehr lahm – braucht sie die Hilfe des besten Autofahrers der Polizei, des Verkehrspolizisten Garry Mizon.
Garry ist ein ungemein sympathischer junger Mann, ein wenig scheu und auch ein bisschen unglücklich in seinem Beruf, den er nur der Familientradition wegen gewählt hat. Er ist bisher durch alle Prüfungen gefallen, weshalb er "nur" Verkehrspolizist ist. Doch zusammen mit Lexy und dank seines ungemein gut ausgeprägten Spürsinns, seiner Kombinationsgabe und seines elefantösen Gedächtnisses kann er die vielen Fäden des Verbrechens entwirren.
Das geschieht über einige Tage, in denen weiterhin von Olive jede Spur fehlt. Der Roman ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil geht es um Olives Verschwinden und die Frage, was mit ihr geschieht. Dieser Teil endet mit einem ganz besonders gemeinen Cliffhanger, bevor es im zweiten Teil um den Tod von Eloise Anderson geht, der ersten Frau von Michael.
Hier wechseln dann die Szenen, in denen die aktuellen Ereignisse aus Sicht von Garry geschildert werden, mit Rückblicken auf die letzten Lebenstage von Eloise im Krankenhaus, wo Olive ihre betreuende Krankenschwester war. Es geht um die Frage, ob Eloise einen normalen, durch ihren Krebs bedingten Tod starb, oder ob jemand nachgeholfen hat.
Im dritten Teil schließlich geht es um eine weitere Frau und was sie mit der ganzen Geschichte zu tun hat. Hier möchte ich nichts mehr weiter davon zusammenfassen, um nicht zu spoilern und die Spannung zu zerstören.
Gerade die Spannung prägt diesen Roman, den man verschlingt, weil man immer neue Details erfährt, andere sich als Irrweg herausstellen, wieder andere Dinge ganz anders waren als gedacht. Es gibt ständig wechselnde Verdächtige, ständig andere Richtungen, in welche die Ermittlungen laufen. Diese wiederum werden erschwert dadurch, dass Garry eigentlich gar nicht ermitteln darf und ohnehin im Kollegenkreis eher unterschätzt und meist verhöhnt wird.
Schließlich läuft natürlich alles auf einen Showdown hinaus, der die Spannung nochmal auf einen Höhepunkt treibt. Auch wenn man manches ahnt, was die Protagonistinnen erst fast zu spät bemerken. Hier beim Showdown gibt es dann ein paar Dinge, die nicht ganz plausibel sind, wie die Frage, woher zwei schwerverletzte Frauen die Kraft für das nehmen, was sie hier tun und leisten. Aber das wird nebensächlich dank des ansonsten wirklich gut konstruierten, perfekt verschlungenen und voller geschickt dosierter Dramatik steckenden Plots.
Ein paar Wermutstropfen bekommt das Ganze durch die leider zu häufigen Fehler und Druckfehler, die zum Ende des Buchs immer mehr zunehmen. So gibt es immer mal wieder falsche Sprechernennungen in den Dialogen oder es fehlen ganze Wörter.
Trotzdem bleibt dieser Roman ein Highlight an Spannung. Und auch die Emotionen kommen keineswegs zu kurz. Uneingeschränkte Leseempfehlung.
Sharon Bolton – Winternacht
aus dem Englischen von Marie-Luise Bezzenberger
Goldmann, Januar 2025
Taschenbuch, 480 Seiten, 13,00 €

Bewertung vom 07.02.2025
Mord im Böhmischen Prater
Maly, Beate

Mord im Böhmischen Prater


sehr gut

Wenn man erst im neunten Band in eine Krimireihe einsteigt, muss man die Protagonisten erstmal kennenlernen. Das fällt hier nicht schwer, sind doch Ernestine Kirsch und Anton Böck ungemein sympathische Figuren.
Die Beate Maly mit bekanntem Geschick und spitzen Stift zeichnet. Es gelingt ihr der Spagat zwischen der Vermeidung von Wiederholungen für bisherige treue Leserinnen und ausreichend Erklärung für neue. Auch vermeidet sie einigermaßen gekonnt die Gefahr von zu viel Privatleben der beiden, selbst wenn man immer wieder dabei zuschauen muss, wie Anton Mehlspeis um Mehlspeis verspeist.
Dabei hätte er genug zu tun. Seine Freundin Ernestine, pensionierte Lateinlehrerin, fühlt sich berufen, in einem Mordfall zu recherchieren. Beider Hund Minna fand nämlich im Böhmischen Prater – sozusagen der Prater für die einfachen Leute – einen Menschenknochen. Es stellt sich heraus, dass die Tote ermordet wurde. Und nicht nur das, kurz darauf geschieht ein weiterer Mord sowie mehrere Mordversuche.
Schnell wird klar, um wen es sich bei der Leiche handelt und auch der Tat Verdächtige finden sich zügig. Doch Ernestine wittert, dass mehr dahintersteckt, vermisst bei allen das Motiv für eine solche Tat. Sie lässt sich auch nicht wirklich von Antons Schwiegersohn Erich, der in diesem Mordfällen der offiziell ermittelnde Kommissar ist, davon abhalten, immer wieder zum Böhmischen Prater zu fahren. Und auch zu einer Fabrikantenfamilie, die offenkundig in die Vorfälle verwickelt ist.
Erich hat derweil nicht nur diesen Fall zu lösen, sondern auch erhebliche Probleme mit seinen Untergebenen im Kommissariat, die ihn, den Juden, nicht akzeptieren und stattdessen verhöhnen. Wir befinden uns im Wien des Jahres 1925.
Auch durch diesen Dreh schafft die Autorin wunderbar plastisches Zeitkolorit, neben einem ohnehin perfekt gelungenen Lokalkolorit. Dazu tragen vor allem die Dialoge bei, die fast durchgängig im passenden Dialekt gehalten sind. Hier wäre allerdings für uns "Piefkes" ein Glossar der verwendeten Begriffe hilfreich gewesen, die wir doch wenig mit Ausdrücken wie "Hutschenschleuderer" oder "Langosch" anzufangen wissen.
Dass man ziemlich früh ahnt, wer hinter den Morden steckt, tut dem Lesevergnügen wenig Abbruch, dennoch hätte man die Hinweise vielleicht etwas weniger auffällig streuen können.
Insgesamt ein anheimelnder, gemütlicher historischer Krimi, bei dessen Lektüre man wegen der vielen Mehlspeisen, die Anton entweder selbst zubereitet oder verspeist, gefühlt selbst an Gewicht zulegt.
Beate Maly - Mord im Böhmischen Prater
emons, November 2024
Taschenbuch, 254 Seiten, 15,00 €