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Ellinorliest

Bewertungen

Insgesamt 30 Bewertungen
Bewertung vom 22.05.2025
Die Summe unserer Teile
Lopez, Paola

Die Summe unserer Teile


gut

Drei Frauen, drei Generationen, drei Länder: Großmutter, Mutter und Tochter sind alle in naturwissenschaftlichen oder mathematischen Fächern bzw. Berufen tätig und auf der Flucht vor etwas, in der Regel vor der jeweiligen Mutter. Chronologisch beginnt alles in Polen, von dort flieht die Großmutter in den Libanon. Vom Libanon geht ihre Tochter zum Studium nach Deutschland und bleibt dort. Deren Tochter Lucy wiederum macht sich auf der Suche nach ihren Wurzeln auf den Weg nach Polen, wo sich der Kreis schließt. Lucy spricht seit drei Jahren nicht mehr mit ihrer Mutter, diese wiederum noch länger nicht mehr mit ihrer. Großmutter und Mutter haben außerdem jeweils ihre Muttersprache (Polnisch bzw Arabisch) nicht an die Tochter weitergegeben. Viele Parallelen und Kreise also.
Das alles gefiel mir sehr gut, war gut zu lesen und auch sprachlich ordentlich gemacht. Dennoch fehlte mir etwas und das waren Zusammenhänge und Erklärungen. Letztlich habe ich immer noch nicht verstanden, warum die drei Frauen nicht mehr miteinander sprechen, besonders bei Lucy und ihrer Mutter ist mir dies völlig unklar. Auch fand ich die Begründung, weshalb die Großmutter so anders wurde zwar verständlich, doch völlig aus der Luft gegriffen. In ihrer Geschichte hatte zuvor nichts darauf hingedeutet. Das Buch hätte an manchen Stellen einfach ausgebaut, ganze Teile hinzugefügt werden müssen. Dann wäre es mit Sicherheit gut geworden, so ist es leider nur mittelmäßig.

Bewertung vom 20.05.2025
Das Summen unter der Haut (eBook, ePUB)
Lohse, Stephan

Das Summen unter der Haut (eBook, ePUB)


sehr gut

Es gibt bestimmte Genres, für die ich eine besondere Schwäche habe. Coming of Age Sommerbücher sind definitiv eines davon. Man könnte eigentlich meinen, dass zu diesem Thema bereits alles gesagt ist. Aber so viele unterschiedliche Menschen es gibt, so viele unterschiedliche Geschichten gibt es auch.
Das Summen unter der Haut unterscheidet sich vielleicht dadurch von den meisten anderen dieser Art, dass die Protagonisten ein wenig jünger sind als in anderen Büchern. Julle ist erst vierzehn, steckt mitten in der Pubertät. Er hat schon früh bemerkt, dass er schwul ist, und er ist in seinen neuen Mitschüler Axel verliebt. Gleichzeitig ist er aber noch sehr kindlich; er versucht mit Axel das Geheimnis einer abgebrannten Hütte zu entschlüsseln oder spielt mit Rüdiger mit Katapulten. Gerade diese Mischung fand ich sehr gelungen.
Schön fand ich auch, dass die Geschichte in den Siebzigern spielt. Viele Dinge waren damals doch noch sehr anders, gleichzeitig hat sich manches gar nicht verändert.
Die Geschichte ist wie aus dem Leben gegriffen, ohne Kitsch, ohne künstliches Happy End. Es werden keine Probleme zusätzlich heraufbeschworen, es wird einfach so erzählt, wie es ist. Dabei wird das Buch auch sehr einfühlsam erzählt. Besonders das Gespräch mit dem Vater am Ende fand ich erstaunlich.
Für mich ist Das Summen unter der Haut ein sehr schönes, zeitloses Sommerbuch.

Bewertung vom 13.05.2025
Bis die Sonne scheint
Schünemann, Christian

Bis die Sonne scheint


sehr gut

Geldsorgen sind etwas, das viele Familien betrifft. Die meisten leiden ziemlich darunter, ziehen sich häufig aus der Gesellschaft zurück und wissen sich manchmal keinen Ausweg mehr. Dann gibt es wiederum Familien, die trotz aller Nöte immer wieder eine Lösung finden und sich nicht unterkriegen lassen. Um eine solche Familie geht es in Bis die Sonne scheint.
Sie lebt in einem selbstgebauten Haus, das teilweise bereits auseinanderfällt. Die Eltern hatten bereits unzählige Jobs und Geschäftsideen, die alle aus den unterschiedlichsten Gründen daneben gingen. Nun scheint jedoch tatsächlich das Ende der Fahnenstange erreicht. Besonders für Daniel, der kurz vor seiner Konfirmation steht und gerne am Frankreichaustausch teilnehmen möchte, ist die Situation schlimm. Seine Eltern scheinen das Geschehen fast zu verdrängen, bitten den Sohn schließlich sogar selbst um Geld.
Die Geschichte hat etwas tragikomisches, liest sich aber dennoch sehr leicht. Zwischendurch wird immer auch ein wenig die Familiengeschichte erzählt, die auch ein Stück deutscher Geschichte ist, angefangen um 1900 bis ins Jahr 1983. Mir waren es für die etwa 250 Seiten zwar ein bisschen zu viele verschiedene Personen (vier Geschwister, die jeweiligen Großeltern und etliche mehr). Letztlich störte ich mich aber nicht weiter dran.
Bis die Sonne scheint ist trotz allem eine schöne Geschichte, die mich vor allem am Ende recht berührt hat. Mir gefiel die positive Einstellung der Familie sehr.

Bewertung vom 05.05.2025
Dunkle Momente
Hoven, Elisa

Dunkle Momente


ausgezeichnet

Dunkle Momente hatte ich ursprünglich gar nicht auf dem Schirm. Erst durch mehrere äußerst positive Besprechungen fiel es mir auf. Beim Lesen der Beschreibung musste ich als erstes an Ferdinand von Schirach denken. Auch dort gibt es eine Zusammenstellung von Fällen aus der anwaltlichen Praxis.
Elisa Hoven erzählt von der Anwältin Eva Herbergen. Zu Beginn des Buches ist sie dabei, ihre Anwaltszulassung zurückzugeben. In diesem Zusammenhang blickt sie auf die interessantesten Fälle ihrer Karriere zurück. Diese sind unterschiedlichster Natur: Ein Rentner, der in angeblicher Notwehr einen Einbrecher erschießt. Ein ehemaliger Kindersoldat. Ein nie entdeckter Mord. Allen diesen Fällen ist gemein, dass die Lage zunächst völlig klar ist. Doch die Opfer sind häufig nicht so unschuldig wie es scheint, die Täter dagegen meist weniger schuldig als erwartet. Alles ist sehr geschickt aufgebaut und äußerst spannend erzählt. Wie bei Zusammenstellungen von kurzen Erzählungen etc. häufig der Fall, gab es auch hier Geschichten, die ich weniger gut oder zu unwahrscheinlich fand (der zweite Fall und vor allem der fünfte Fall, zu dem die meisten das reale Vorbild kennen dürften). Demgegenüber stehen Fälle, die unglaublich gut beschrieben sind (vor allem der achte Fall) oder extrem zu Nachdenken anregten und auch wütend machten (der vierte und der siebte Fall).
Zu Beginn des Buches fand ich die Rahmenhandlung etwas störend. Wie sie zum Abschluss gebracht wurde, besonders im Zusammenspiel mit dem letzten Fall, war jedoch wieder gelungen. Auch wenn das Buch so spannend war, dass ich einmal fast meine S-Bahn-Station verpasst hätte, blieb bei mir vor allem zu Beginn immer ein wenig der Gedanke, dass die Fälle teilweise ein wenig lehrbuchartig seien. Das ist nicht böse gemeint, es resultiert hauptsächlich daher, dass die Autorin Juraprofessorin ist. Es sind Fälle, die zum Nachdenken und Hinterfragen anregen sollen. Nicht alles ist immer nur schwarz oder weiß, in der Regel gibt es mehrere Seiten. Genau dies darzustellen ist Elisa Hoven hervorragend gelungen.

Bewertung vom 27.04.2025
Wenn wir lächeln
Unterlehberg, Mascha

Wenn wir lächeln


sehr gut

Ich gebe zu, dass mich Wenn wir lächeln zuerst überhaupt nicht angesprochen hat. Auch bei der Lesung mit der Autorin wurde ich nicht warm mit dem Buch. Inzwischen habe ich verstanden: Es ist ein Text, in den man sich einlesen muss. Dann wird er richtig gut und geht auch viel tiefer, ist deutlich vielschichtiger als erwartet.
Die teilweise unzuverlässige Erzählerin macht das Lesen nicht immer leicht. Die Geschichte wird an manchen Stellen antichronologisch erzählt, andere Teile sind bloß Gedankenspiele. Alles erschließt sich erst nach einer gewissen Zeit.
Jara und Anto sind zwei Teenagerinnen, die gerne ein Stück zu weit gehen, besonders Anto. Bei ihr ist eine gewisse Wohlstandsverwahrlosung erkennbar. Das wird besonders dann interessant, als Jara später aufs Gymnasium wechselt und dort mit wohlhabenderen Kindern in Kontakt kommt.
Ein Satz hat sich mir besonders eingeprägt:
„Bewegst du dich immer so wenig? (…) Hat sich fast so angefühlt, als hätte ich dich vergewaltigt.“
Bei mir bleibt nach Beenden der Lektüre jedoch die Frage: Was sollte das Ende? Und vor allem: Worauf will die Geschichte hinaus? Es ist klar, dass es um sexuelle Gewalt gegenüber Frauen geht, in ganz verschiedenen Formen. Doch für mich bleibt dabei zu vieles außen vor, weil es nur angedeutet oder nicht weiterverfolgt wird. Auch ist Anto eine Figur, aus der ich nicht recht schlau werde.

Bewertung vom 25.04.2025
Die Garnett Girls (eBook, ePUB)
Moore, Georgina

Die Garnett Girls (eBook, ePUB)


gut

Kann man ein Buch gleichzeitig mögen und es nicht mögen? Die Garnett Girls schafft jedenfalls genau das. Die Geschichte von drei recht unterschiedlichen Schwestern und ihrer Mutter hat einiges an Höhen und Tiefen parat. Da gibt es Momente, in denen es wirklich Freude macht, das Buch zu lesen. Da passen die Beschreibungen, die Geschichte ist nachvollziehbar und auch das Drama hat das richtige Maß. Und dann gibt es wieder die Stellen, an denen ich mir dachte, was soll das jetzt? Da wird viel zu dick aufgetragen, die Story ist nicht stimmig. Was mich am meisten störte: die drei Schwestern werden als unglaublich starke junge Frauen beschrieben. Gleichzeitig ist eine von ihnen aber nicht in der Lage, ihrem Freund mitzuteilen, dass sie ihn eigentlich gar nicht heiraten möchte. Die andere wird von ihrem Mann komplett unterdrückt, schlecht gemacht, ständig kontrolliert. Auch sie schafft es nicht, mit irgendjemand darüber zu reden. Das ist für mich alles nicht stimmig.
Gleichzeitig hat mich beim Lesen vor allem eine Tatsache sehr gestört: Der Vater der Schwestern ist Alkoholiker. In vielen Familien führt dies dazu, dass mit Alkohol sehr vorsichtig umgegangen wird. Nicht so hier: alle vier Garnett Girls saufen selber die ganze Zeit. Egal wo sie sind, es wird immer Alkohol getrunken, am Strand haben sie eine Weinflasche dabei, beim Abendessen fließt der Alkohol in Strömen, danach geht es munter weiter. Ich finde das äußerst bedenklich.
Ich bin sicher, dass viele Leser*innen das anders sehen werden, für mich persönlich war die Lektüre allerdings nur mittelmäßig.

Bewertung vom 12.04.2025
Das Leben fing im Sommer an
Kramer, Christoph

Das Leben fing im Sommer an


sehr gut

Den Sommer 2006 habe ich in besonderer Erinnerung: Ich war damals schon etwas älter als Chris Kramer (sowohl der fiktionale als auch der reale), nämlich Anfang 20. Es war der Sommer, in dem ich meinen jetzigen Mann kennenlernte. Bei einigen unserer Dates schauten wir uns damals die Spiele der deutschen Nationalmannschaft an. Bei mir wurden also beim Lesen des Buches einige Erinnerungen wach.
Auch Chris Kramer sucht in Das Leben fing im Sommer an nach der Liebe. Chris‘ großer Traum ist es Fußballprofi zu werden, denn in diesem Sport ist er richtig gut. Ansonsten ist er eher unscheinbar und schon gar nicht cool. Daher kann er sein Glück kaum fassen, als sich plötzlich Debbie, das schönste Mädchen der Schule und Chris‘ großer Schwarm für ihn zu interessieren beginnt. Doch nicht nur das erste Verliebtsein spielt eine wichtige in diesem Roman. Es geht vor allem auch um Freundschaft und um gemeinsame Abenteuer, die einen solchen Sommer unvergesslich machen.
Ich war erstaunt, wie gut sich das Buch lesen ließ. Ich muss es zugeben, ich hatte gewisse Vorbehalte, wenn ein Fußballer ein Buch schreibt. Ich konnte mich sehr gut in die Personen hineinversetzen und die ganze Atmosphäre kam gut rüber. Lediglich der Roadtrip im zweiten Teil und die folgenden Ereignisse waren mir teilweise ein wenig zu weit hergeholt.
Spannend war natürlich immer der Gedanke, wieviel wahres tatsächlich in der Geschichte steckt. Denn die Eckdaten stimmen sämtlich mit der Biografie von Chris Kramer überein, auch der Name seiner Frau ist derselbe. Hierüber hüllte er sich aber auch in Interviews in Schweigen. Ich schätze, dass es sich bei der Geschichte um eine Mischung aus Wahrem und ein paar Ereignissen, die Chris Kramer sich so für einen perfekten Sommer gewünscht und ausgemalt hat, handelt.
Eine schöne, kurzweilige Sommerlektüre, die bereits viele Leser*innen gefunden hat und bestimmt auch den ein oder anderen Mann, der sonst eher selten zu einem Buch greift, zum Lesen bringen wird.

Bewertung vom 10.04.2025
Pearly Everlasting
Armstrong, Tammy

Pearly Everlasting


gut

Die Beschreibung von Pearly Everlasting sprach mich sofort an. Es geht um den Bären Bruno, der mit dem Mädchen Pearly zusammen wie ein Bruder aufwächst. Bruno kam als Welpe zur Familie und bleibt auch später Teil dieser. Die Geschichte spielt in den 1920er und 30er Jahren in einem Holzfällercamp irgendwo in den Wäldern von New Brunswick/Kanada. Die Sitten sind dort sehr rau und die Bedingungen werden noch schlechter, als ein neuer Vorarbeiter die Leitung übernimmt. Eines Tages wird dieser tot aufgefunden und der Verdacht fällt schnell auf Bruno. Er wird gefangen und weggebracht. Verzweifelt macht sich Pearly auf die Suche nach ihrem Bärenbruder.
Bei dem Setting und natürlich auch bei dem Bären musste ich sofort an John Irving denken, einen meiner Lieblingsautoren. Die Erwartungen waren also entsprechend hoch. Ich kam allerdings nur sehr schwer in die Geschichte hinein. Eigentlich hatte ich erwartet, dass ich durch sie hindurchfliege, wie das bei Diogenesbüchern bei mir in der Regel so ist. Die Elemente wären auch alle vorhanden gewesen. Es gab skurrile Personen und Situationen (z.B. ein Auto, bei dem nur der Rückwärtsgang funktioniert). Irgendwie funktionierte das aber alles nicht für mich. Ich vermute, dass dies am erzählerischen lag. Ich konnte keine wirkliche Bindung zu Pearly aufbauen. Auch ihre als so besonders bezeichnete Beziehung zu Bruno kam bei mir (abgesehen von den äußeren Umständen natürlich) nicht so rüber. Im Buch gibt es auch eine Stelle, bei der während eines extrem harten Winters Pearlys Mutter und Schwester sterben. Solche Szenen nehmen mich normalerweise sehr mit. Ich hätte die Stelle jedoch beinahe überlesen und fühlte rein gar nichts.

Bewertung vom 26.03.2025
Tuberkulose
Green, John

Tuberkulose


gut

Was haben Kafka, die Brontë-Schwestern, Schiller, George Orwell und Ringo Starr gemeinsam? Sie alle waren an Tuberkulose erkrankt und die meisten von ihnen starben auch daran. Wenn ihr von dieser Krankheit - vor allem unter dem Namen Schwindsucht - hört, denkt ihr vermutlich an längst vergangene Zeiten. Doch dem ist nicht so, Tuberkulose ist noch lange nicht ausgerottet und wird es wahrscheinlich auch nie sein. Sie ist heutzutage allerdings heilbar - zumindest wenn man am richtigen Ort ist. Besonders in den armen und ärmsten Ländern der Welt ist dies jedoch häufig nicht der Fall. Jährlich sterben an dieser Krankheit noch an die 1,3 Millionen Menschen - damit ist sie die tödlichste Infektionskrankheit weltweit (nur Corona machte ihr den Rang kurzzeitig streitig).

Als John Green 2019 nach Sierra Leone reist, begegnet er dem 16-jährigen Henry, der seit Jahren an Tb leidet. Daraufhin beschäftigt er sich zunehmend mit dieser Krankheit. In seinem Buch schildert er ihre Geschichte, wie sie zunächst romantisiert wurde, als Krankheit der weißen Oberschicht und von genialen Dichtern. Erst durch die Entdeckung des Bakteriums M.tubercolosis durch Robert Koch änderte sich dies. Nun wurde sie zu einer Krankheit der Armen und ging mit einer Stigmatisierung einher.

John Green schreibt sehr gut lesbar. Für meinen Geschmack ist das Buch aber häufig zu simpel gehalten. Ich verstehe natürlich, dass er eine sehr breite Leserschaft erreichen möchte. Aber auch dieser hätte er weitere Informationen geben können. Für mich spricht er viele relevante Themen nicht an. Mir stellt sich die Frage nach der Herkunft der Krankheit, nach Verbreitungswegen (immerhin tragen über 30% aller Menschen das Virus in sich), nach der Vererbbarkeit (wenn du Mutter Tb-Erreger in sich trägt, werden sie an den Fötus weitergegeben?), nach Hirn- und Knochentuberkulose (Quasimodo, der Glöckner von Notre Dame, hat seinen Buckel durch letztere). Stattdessen wird zu sehr Henrys Geschichte in den Vordergrund gestellt. Natürlich ist diese schrecklich, steht mir aber zu sehr im Fokus. Auch John Greens eigene Krankheitsgeschichte (kein Tb, sondern eine Angststörung) hat meiner Ansicht nach nichts in der Geschichte verloren.

John Greens Ziel ist es, auf diese Krankheit hinzuweisen. Als Bestsellerautor wird er sicher auch ein breites Publikum erreichen. Ich frage mich jedoch, warum er dies nicht mit etwas anderem verbindet. Er könnte etwa einen Spendenaufruf starten oder (am besten zusätzlich) einen Teil seiner Einnahmen an eine entsprechende Organisation spenden. Vielleicht tut er dies auch, ich konnte jedoch nichts dazu finden. Das ist schade, denn es ist eine verschenkte Chance.

Bewertung vom 14.03.2025
Hier draußen
Behm, Martina

Hier draußen


sehr gut

Stadt oder Land? Wo würdet ihr lieber leben? Mir persönlich sind der Stadtrand oder die Vororte am liebsten: man ist nah an der Natur, genießt aber auch die Vorzüge wie Einkaufsmöglichkeiten oder kurze Wege zu Schule, Ärzten etc. Gleichzeitig kennt man die Leute, genießt aber dennoch eine gewisse Anonymität.
In Hier draußen haben Lara und Ingo den Schritt gewagt und sind aus der Hamburger Reihenhaussiedlung auf einen Resthof irgendwo in Schleswig-Holstein gezogen. Sie wollten mehr Platz, vor allem für die Kinder. Lara arbeitet vom Home Office aus, Ingo pendelt. Eigentlich wollten sie auch einen Coworking-Space eröffnen, doch bis jetzt wurde nichts daraus. Ganz so idyllisch wie sich die beiden das Landleben vorgestellt haben, läuft es allerdings nicht. Ingo ist von der vielen Fahrerei stark gestresst, Lara fühlt sich oft einsam und findet nicht so recht Anschluss im Dorf. Dann fährt Ingo eines Tages auf dem Heimweg eine Hirschkuh an, die nun erschossen werden muss. Der herbeigerufene Jäger Uwe macht dies aber nur gemeinsam mit Uwe. Denn wer eine Weiße erschießt, so weiß es der örtliche Aberglaube, ist selbst innerhalb eines Jahres dran.
Hier draußen zeigt sehr gekonnt die unterschiedlichen Aspekte des Landlebens auf. Der enge Zusammenhalt der Einheimischen, wobei allerdings auch jeder und vor allem jede seine oder ihr Aufgabe zu erfüllen hat und auch am jeweiligen Platz zu bleiben hat. Da ist zum Beispiel Tove, die schon seit Jahren unter ihrem Mann leidet, aber bei ihm bleibt, weil man das halt so macht. Maggie hat ins Dorf hineingeheiratet, ist dort sehr glücklich. Sie ist diejenige, die sich am stärksten um die Organisation von Festen und dergleichen kümmert, um nur ja dazuzugehören und akzeptiert zu werden. Jutta lebt mit Armin in einer alten Schmiede. Die beiden sind der Rest einer freigeistigen WG und mittlerweile fester Bestandteil des Dorfes, auch wenn sie manchmal noch etwas skeptisch beäugt werden.
Die Geschichten all dieser Personen beschreibt Martina Behm in ihrem Debüt. Sie macht dies erzählerisch sehr schön, immer mit wechselnden Perspektiven, teilweise mit Rückblicken. Dabei schafft sie es, die einzelnen Personen sehr lebensnah und vielseitig darzustellen. Besonders die Frauen stehen im Vordergrund, mit ihrer ganzen täglichen Belastung durch die Carearbeit. Aber auch die Männer sind durch die unterschiedlichsten Dinge belastet. Ein sehr gut zu lesender Roman, der lediglich in der Mitte etwas knapper gehalten werden könnte.