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Bewertungen
Insgesamt 27 Bewertungen| Bewertung vom 05.07.2025 | ||
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Anna oder: Was von einem Leben bleibt Was bleibt von einem Leben? Ein paar Fotos. Wahrscheinlich. Ein Familienstammbuch. Vielleicht. Ein paar Briefe oder Dokumente. Kann sein. Ein paar Erbstücke. Wenn man Glück hat. Henning Sussebach sagt, jeder Mensch stirbt zweimal. Das erste Mal physisch. Das zweite Sterben vollzieht sich langsamer, es ist dann vollendet, wenn sich niemand mehr an diesen Menschen erinnert. Also wahrscheinlich, wenn niemand mehr am Leben ist, der ihn noch persönlich gekannt hat. Henning Sussebachs Buch „Anna oder: Was von einem Leben bleibt“ ist der Versuch, seine Urgroßmutter Anna vor diesem Vergessen-Werden zu bewahren. Um ihre Geschichte niederzuschreiben hat er zusammengetragen, was zu finden ihm möglich war. Ein paar Fotos, ein paar Dokumente. Anhand der bekannten Daten und Stationen ihres Lebens hat er nachgeforscht und mit mühevoller Recherche viele Details herausgefunden. Eine zeitraubende Tätigkeit, bei der er viel Hilfe benötigt und erhalten hat. Trotzdem sind Lücken geblieben. Was und wie hat Anna gedacht? Wie war sie eingestellt? Als Lehrerin soll sie eine große Handschrift gehabt haben, eine Formulierung, die ein Synonym ist: zu ihrer Zeit war die Prügelstrafe an der Tagesordnung, und laut Überlieferung hat sie davon gerne und oft Gebrauch gemacht. War sie also eine harte Frau? Oder hat sie sich lediglich zeitgemäß verhalten? Annas Leben war nicht unbedingt typisch für ihre Zeit. 1866 ist sie geboren. Schon sehr früh, als 12-jährige, hat sie das elterliche Haus verlassen, um eine Schullaufbahn einzuschlagen, die es ihr ermöglichte, Lehrerin zu werden. Das muss nicht unbedingt ihr Wunsch gewesen sein. Doch ihr Vater war gestorben, und ihre Mutter wollte für alle Kinder das Bestmögliche arrangieren. Zum Heiraten war Anna zu jung, also musste sie für sich selbst sorgen können. Viele Möglichkeiten hatten Frauen dazu damals nicht. Ob Anna wohl Heimweh hatte? Solche Fragen sind es, die die beste Recherche nicht beantworten kann. Aus der Gesamtheit der Daten und Belege setzt der Autor ein Bild zusammen. So könnte es gewesen sein, Annas Leben. Vielleicht. |
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| Bewertung vom 10.06.2025 | ||
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Die Verlockung des Autoritären „Kein politischer Sieg ist für die Ewigkeit, keine Definition der Nation ist von Dauer, und keine Elite, sei es eine aus Populisten, aus Liberalen oder aus Aristokraten, herrscht für immer.“ (Seite 187) |
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| Bewertung vom 29.05.2025 | ||
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In Irland gab es bis 1996 keine Ehescheidung. Erst dann wurde sie durch ein Referendum mit einer äußerst knappen Mehrheit von noch nicht einmal einem Prozent (!), so die Anmerkung des Autors, eingeführt. |
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| Bewertung vom 29.05.2025 | ||
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„Leuchtende Jahre“ hat mich sehr begeistert. Collage-artig montiert, aber in chronologischer Reihenfolge erzählt es im Plauderton von sieben bedeutenden Frauen der Künstlerszene der Weimarer Republik. Die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts hatten für kurze Zeit das Potenzial, Frauen ein Stück voran zu bringen. Allerdings liefert das Buch keine soziologische Analyse, denn alle sieben Frauen, die hier herausstellt werden, waren genau das: auf unterschiedliche Weise privilegiert, dem Durchschnitt der Mehrheit entsprachen sie definitiv nicht. |
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| Bewertung vom 30.04.2025 | ||
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Das Geheimnis von Pinewood Crest Ein dramatischer Familienroman in zwei Zeitebenen Mason Hicks ist überfordert von seinem Leben und verlässt seine Frau ohne Erklärung. Während einer mehrtägigen Fahrt in den Norden von Michigan reflektiert er sein Dasein. Wie schon sein Vater vor ihm leidet er an Depressionen und mangelndem Selbstwertgefühl. Das komplizierte Verhältnis zu seinen Eltern macht es nicht einfacher für ihn. Wie gut, dass seine Frau ihn nicht so schnell aufgibt ... |
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| Bewertung vom 03.04.2025 | ||
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1994 kam Dmitrij Kapitelman als 8-jähriger als jüdischer Kontingent-Flüchtling aus der Ukraine nach Deutschland. Die Familie ließ sich in Leipzig nieder, wo sie einen russischen Spezialitätenladen eröffnete, ein „Magasin“, und knappe 30 Jahre führte. Der Autor hat ein inniges Verhältnis zu seinen Eltern. Doch mit dem russischen Überfall auf die Ukraine wird die Beziehung zu seiner Mutter einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt, denn diese steht stramm an der Seite Putins. Sie sieht sich den ganzen Tag Propagandasendungen im russischen Fernsehen an, deren Statements sie gebetsmühlenartig wiederholt und sich auf keine Argumentation einlässt. Sie überwirft sich mit sämtlichen ukrainischen Freunden, und auch zwischen Mutter und Sohn führt diese Haltung zu starken Spannungen, einem „lebenstiefen Riss“ (S. 106). Sein Vater geht da nicht mit. „Ein KGBschnik hat nur eine bestimmte Art, die Welt zu sehen. Nur eine Art, zu denken. Der ist immer noch im Kalten Krieg und kann richtig gefährlich werden, wenn man ihn lässt.“ (S. 21) Seine Worte über Putin, als dieser Präsident wurde. Als letzten Argumentationsversuch besteigt Dmitrij den Flixbus Berlin-Kyjiw und tritt eine Reise in die Ukraine an, weil er hofft, seine Mutter mit einem Augenzeugenbericht erreichen zu können. |
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| Bewertung vom 02.03.2025 | ||
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Sophie Luise, 14, möchte eine Freundin mit in den Toskana-Urlaub nehmen. Aber Aayana ist nicht irgendeine Freundin, sie ist ein Flüchtling aus Somalia. Und Sophie Luise ist auch nicht irgendein Teenager, sondern die Tochter von Elisa Strobel-Martinek, einer hochrangigen Politikerin Österreichs. Doch Aayanas Eltern erlauben die Reise nicht. Das kann die Politikerin nicht auf sich sitzen lassen. Sie bemüht verschiedene Stellen, und nach deren sanftem Druck darf Aayana mitfahren. |
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| Bewertung vom 12.01.2025 | ||
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Ich tat die Augen auf und sah das Helle Wunderbare, mich nachdenklich stimmende Lesestunden haben mir Mascha Kalékos Gedichte und Prosatexte beschert, die in diesem Band so wohldurchdacht von Daniel Kehlmann zusammengestellt wurden. Herausgekommen ist ein wahrer Goldschatz unter den Büchern, Gedichte von wunderbar eingängiger Satzmelodie, deren Worte wie Perlen auf einer Schnur aufgereiht sind. Gedichte, die wehmütige Geschichten erzählen, Bilder erzeugen und mit so wenigen Worten ganze Romane entblättern. Gefühle und Gedanken werden glasklar auf den Punkt gebracht und geben viel von Mascha Kalékos Leben preis. Mich haben sie zu der Frage gebracht, an was man sich später wohl von mir erinnern wird. 2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich. |
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| Bewertung vom 29.12.2024 | ||
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In diesem kurzen Roman geht es um das armenischstämmige Ehepaar Gena und Mila Simonyan und ihre beiden erwachsenen Kinder, eine Familie, in der jeder seiner Wege geht. Die vier leben im 16. Stock eines Wohnhauses sowjetischer Ära. Sie sind allerdings mittlerweile mehr eine Wohngemeinschaft als eine Familie. Zema ist Polizistin und trägt viel Wut in sich. Lazare liefert mit einem Mofa Pizza aus, träumt aber davon, Rapper zu werden. Gena war hochdekorierter Polizist und ist völlig desillusioniert, was sich in absoluter Untätigkeit spiegelt. Mila, die als Frisörin für das Einkommen der Familie sorgt, hat sich anderweitig verliebt und ist auf dem Weg, ihn zu verlassen. Die Handlung ist, inklusive Rückschauen, eingebettet in den 9. April 2017 und wird multiperspektivisch erzählt. |
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| Bewertung vom 21.12.2024 | ||
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Die allermeisten Rezensionen, die ich über dieses Buch gelesen habe, berichten von einem Nach-Wende-Roman, von einer Geschichte, in der es um die Befindlichkeiten der Menschen in den neuen Bundesländern in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung geht, um die Schwierigkeiten, sich mit den geänderten Lebensbedingungen zu arrangieren. Ja, darum geht es auch. Ich habe dieses Buch allerdings in erster Linie als die Geschichte einer dysfunktionalen Familie gelesen, als eine Geschichte von massivem psychischen und physischen Kindesmissbrauch. |
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