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odile

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Insgesamt 76 Bewertungen
Bewertung vom 04.05.2025
Lautlose Feinde / Leander Lost Bd.7 (eBook, ePUB)
Ribeiro, Gil

Lautlose Feinde / Leander Lost Bd.7 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein neuer Fall für Senhor Léxico

Spätsommer in Fuseta. Während Soraia und Leander ihre Hochzeit vorbereiten, wird in Bico Alto die kleine Maria Bento entführt und ihr Großvater André ermordet. Losts Team ermittelt. Dieses Mal wird wegen einer internen Untersuchung nicht Graciana die Leitung übernehmen, sondern Miguel Duarte. Da dichter Nebel über der Algarve die Hochzeitsreise des frisch gebackenen Ehepaars um eine Woche verzögert, kann das Team auch auf Lost zählen. Zunächst wird der Fall als eine Kindesentführung behandelt, die aus dem Ruder gelaufen ist und den beschützenden Großvater das Leben gekostet hat. Doch einige Ungereimtheiten, die vor allem Leander auffallen, passen nicht in dieses Bild. Nach und nach zeigt sich, dass das Verbrechen einen ganz anderen Hintergrund hat. Die kleine Maria wird gerettet, doch der Fall fordert weitere Todesopfer.

„Lost in Fuseta – Lautlose Feinde“ ist der siebte Band der Buchreihe um den Ermittler Leander Lost des Schriftstellers und Drehbuchautors Gil Ribeiro alias Holger Karsten Schmidt.

Dieses Mal entführt uns der Autor in die Welt der Agenten und Nachrichtendienste. Ich halte es für eine coole Idee, eine hochbrisante Geheimdienstoperation in Faro stattfinden zu lassen. Zunächst ist der Fall verwirrend und fordert dem Leser Konzentration ab. Da die Vorgänge aus verschiedenen Perspektiven geschildert werden und die Ermittlung auf diverse Unstimmigkeiten stößt, kommt allmählich Struktur in den Fall. Der Leser bekommt eine Idee, worum es eigentlich geht.

Lost ist in Portugal endgültig angekommen. Die Hochzeit und die schwere Zeit, die folgt und allen Beteiligten sehr viel abverlangt, lassen seine neue Familie und ihn noch enger zusammenwachsen. Leander hat sich weiter entwickelt. Er kann Carlos zum ersten Mal „hereinlegen“ und später einen Vorschlag zur effektiveren Zeugenbefragung machen, der geschickt eine Lüge umgeht, aber nicht weit davon entfernt ist. Auch sich selber überrascht er, mit seinem tränennassen Gesicht, das er als unlogisch empfindet. Die anderen Protagonisten bleiben weiterhin überzeugend. Die liebevolle, empathische Soraia, die gewissenhafte Graciana, die Kollateralschäden hasst, der lebensfrohe Carlos, sogar der unsägliche Duarte, der sich ein kleines bisschen Kollegialität abringt.

Der Autor schreibt gewohnt locker, humorvoll und bildhaft. Er fängt die Landschaft der Algarve und die Atmosphäre, das Lebensgefühl dort, hervorragend ein. Vom Fado der Ana Moura bis hin zur abendlichen Bica oder leckeren Pastel de Nata zum Dessert. Spätestens nach dem nächsten Band muss ich unbedingt eine Reise dorthin unternehmen.

Auch Leander Losts siebter Fall hat mich gewohnt gut unterhalten. Der Ausflug in die Welt der Geheimdienste hat die Täterjagd um eine Komponente erweitert. Nicht nur, weil ich eine perfide Tötungsart kennenlernen durfte, die kaum Spuren hinterlässt. Zunächst war der Fall etwas verwirrend, aber mit der Zeit habe ich mich gut hineingefunden. Wie immer war es beeindruckend, vor allem Leander und Isadora bei ihrer Arbeit zu beobachten. Wie mithilfe eines Rühreis und einer Schar Ameisen der genaue Todeszeitpunkt Andrés berechnet wird, das hat schon was.

Ob die Mordfälle auch ohne einen Asperger-Autisten mit fotografischem Gedächtnis und lexikalischem Wissen gelöst worden wären?

Immer wieder erneut, fasziniert mich das unterschiedliche Verständnis von Sprache. Ob Leander sich erinnert, wie er als kleiner Junge mit seinem Velo davon radelte, als er von seiner Lehrerin aufgefordert wurde fortzufahren (mit dem Text) oder wenn er mit Zara folgenden Dialog führt: „Adriana ist nicht profan, sie ist mega.“
»Sie ist eine griechische Vorsilbe?«
Zara verdrehte die Augen überdeutlich, damit Leander Gelegenheit hatte, die Mimik zu dechiffrieren: »Mega ist ein Synonym für großartig.«
»Sieh einer an.«

Ich glaube, seit ich diese Buchreihe lese, achte ich mehr darauf, welche Worte ich benutze bzw. ob ich mich präzise ausdrücke.

Gil Ribeiro hat mich erneut hervorragend unterhalten. Alle meine Fragen wurden beantwortet, auch warum gegen Graciana eine interne Untersuchung läuft und ausgerechnet Miguel Duarte mit der Teamleitung betraut wird.

Ich freue mich schon auf den nächsten Fall aus Fuseta und überlege, mir die Wartezeit mit Leanders Bibel „Das Kompendium der sinnlosen Sätze“ von Dan B. Tucker zu verkürzen.

Von mir gibt es die volle Punktzahl und eine Empfehlung an jeden Krimifan. Für den vollen Lesegenuss sollte mit Band 1 begonnen werden.

Bewertung vom 01.05.2025
Lenas Freundin
Burkhardt, Martin S.

Lenas Freundin


ausgezeichnet

Mörderische Trauer

Der Unfalltod ihrer kleinen Tochter Maria lässt die Eltern Lena und Robert schier verzweifeln. Während sich der Vater in seiner Arbeit vergräbt, kapselt sich die Mutter daheim ab und findet nur Trost in wüsten Rachefantasien gegenüber dem flüchtigen Autofahrer. Niemand kann sie aus ihrer selbst gewählten Isolation herausholen. Robert hofft auf die Hilfe von Lenas bester Freundin Theresa und schlägt seiner Frau vor, diese zu besuchen. Nach ihrer Rückkehr scheint es Lena etwas besser zu gehen. Robert ist erleichtert als er hört, dass Theresa bald zu Besuch kommen wird, um ihrer schwangeren Freundin weiter beizustehen. Doch deren Ankunft zieht Folgen nach sich, die Roberts schlimmste Befürchtungen übertreffen.

Nach „Das Echo der Zukunft“ und „Seelentausch“ ist „Lenas Freundin“ bereits mein drittes Buch von Martin S. Burkhardt.

Schon das düstere Cover lässt mich eine gruselige Geschichte erahnen, was auch mit meinen gemischten Gefühlen bezüglich Puppen zu tun hat.

Martin S. Burkhardt schreibt gewohnt gut und bildhaft. Es gelingt ihm ausgezeichnet, die Trauer und den Kummer der Eltern nachvollziehbar zu beschreiben. Fast ohnmächtig vor Schmerz ziehen sich die Eheleute, jeweils in sich selbst zurück und das Gespräch zwischen beiden verstummt nahezu. Spannung baut sich schnell auf und die Atmosphäre verdunkelt sich zusehends. Bald wird klar, dass hier jemand seine ganz eigene perfide Agenda verfolgt. Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen.

Martin S. Burkhardts Charakterzeichnung ist gut gelungen. Die trauernden Eltern, der treue Freund, die rasende Furie, der einfühlsame Arzt, der fordernde Chef. Sie alle überzeugen.

Psychothriller lese ich nur sporadisch, doch „Lenas Freundin“ hat mich gut unterhalten. Den Plot fand ich spannend und wurde nicht enttäuscht. Seelische Abgründe tun sich auf. Manche Szenen riefen Gänsehaut bei mir hervor. Allmählich bekam ich eine Idee, was hinter den Geschehnissen steckt, dadurch wurde mein Lesevergnügen aber nur wenig getrübt. Letztlich wird die Geschichte nach einem rasanten Showdown zufriedenstellend aufgelöst. Mit einem Schluss, der Raum für Gedankenspiele lässt.

Das Wiedertreffen mit dem „Running Gag“ hat mir Spaß gemacht. Ich weiß allerdings nicht, wie viele Bücher es noch brauchen wird, bis ich das System, nach dem die Ketchup- bzw. Mayo-Zuteilung erfolgt, durchschauen werde.

Mir hat das Buch gut gefallen und ich wurde bestens unterhalten. „Lenas Freundin“ kann ich allen Fans von Psychothrillern empfehlen.

Bewertung vom 22.04.2025
Mord auf der Herreninsel (eBook, ePUB)
Richardson, Maurice

Mord auf der Herreninsel (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Der Mörder und der König

Auf der Insel des Märchenkönigs Ludwig II. von Bayern wurde einer der Landschaftsgärtner ermordet. Kaya Benaty und Christoph Steinert von der Münchner Mordkommission erhalten den Fall zugewiesen. Obwohl die Identität des Opfers schnell feststeht, kommen die Ermittlungen nur schleppend voran, was nicht nur an der mangelnden Zusammenarbeit der Kommissare Benaty und Steinert liegt. Als der Mörder erneut zuschlägt, gerät die Polizei zunehmend unter Druck. Und der Täter plant schon sein nächstes Verbrechen …

„Mord auf der Herreninsel“ ist ein Regionalkrimi von Maurice Richardson. Das ansprechende Cover zeigt die Schlossanlage Herrenchiemsee. 1873 hat König Ludwig II. die Insel von Holzspekulanten gekauft, um hier sein Traumschloss zu erbauen. Gleichzeitig wurde so die bereits geplante Abholzung verhindert.

Neben dem spannenden Plot hat mich vor allem dieser besondere Schauplatz fasziniert. König Ludwigs Insel wird zum Tatort einer Mordserie, wie sie die Region noch nicht gesehen hat. Neben Herrenchiemsee erweist sich ein Gedicht aus der königlichen Feder als bedeutsam für den Mörder.

Der Autor schreibt flüssig und bildhaft. Ich kenne die Gegend und fand die Beschreibungen sehr zutreffend. Auch die Atmosphäre ist gut eingefangen. Der Spannungsbogen baut sich schnell auf und hält bis zum Schluss. Die Geschehnisse werden abwechselnd aus der Perspektive Kaya Benatys und aus der Sicht des Mörders geschildert. Es ist reizvoll, die Gedankengänge der gegensätzlichen Protagonisten zu lesen.

Mit Kaya Benaty hat der Krimi eine vielschichtige Ermittlerin. Auch sie hat Verbindungen zum Tatort, da sie in Prien aufgewachsen ist. Nach traumatischen Ereignissen hat sie die Gegend vor fast zwanzig Jahren fluchtartig verlassen. Ihre Rückkehr spült lange verdrängte Erinnerungen in ihr hoch. Gleichzeitig muss sie ihre erste Mordermittlung meistern, da sie gerade erst in die Mordkommission versetzt wurde. Erschwerend kommt hinzu, dass ihre neue Abteilung vorwiegend mit Machos besetzt ist, die frauenfeindliche und homophobe Sprüche lieben, allen voran Kollege Steinert. Kaya ist klug, verfügt über gute Instinkte und ist offen für neue Lösungsansätze. Auch die anderen Charaktere überzeugen, allen voran der Täter, in dessen Fokus die Kommissarin bald gerät.

Der Regionalkrimi hat mich gut unterhalten. Die Spannung hält bis zum Ende an, dank einiger Verwicklungen. Trotz des perfiden, cleveren Täters und der schwierigen Ermittlungsarbeit wird der Fall komplett aufgelöst. Kayas Entwicklung hat mich überzeugt. Ihr Entschluss, sich endlich ihrer Vergangenheit zu stellen und alte Ressentiments zu überwinden, war richtig und nachvollziehbar. Das Ende der Geschichte lässt mich auf ein Wiedersehen mit der sympathischen Kommissarin spekulieren.

Als einziges Manko empfinde ich das etwas nachlässige Korrektorat.

Ich vergebe 4,5 von 5 Sterne und eine Leseempfehlung an alle Fans von Regionalkrimis.

Bewertung vom 18.04.2025
Madame Bonheur und ein Mord zwischen Weinreben (eBook, ePUB)
Favreau, Lilou

Madame Bonheur und ein Mord zwischen Weinreben (eBook, ePUB)


sehr gut

Madame Bonheur ermittelt wieder

Margarete Knöpfle alias Madame Bonheur und Privatdetektiv Xavier Degrange reisen auf das Weingut seiner Mutter südöstlich von Avignon. Kein Verbrechen führt sie dorthin, vielmehr sind sie zu dem mehrtägigen Fest eingeladen, das alljährlich die Weinlese abschließt. Maggie hofft, Xavier dort näherzukommen, da sie sich in ihn verliebt hat. Ihr Wunsch scheint in Erfüllung zu gehen, doch als sich die beiden endlich zum ersten Mal küssen wollen, unterbricht sie ein gellender Schrei. Coco, eine der Erntehelferinnen, wurde brutal erstochen.

„Madame Bonheur und ein Mord zwischen Weinreben“ ist bereits der dritte Band der provenzalischen Wohlfühlkrimi-Reihe von Lilou Favreau mit der Wahrsagerin Maggie und dem Privatdetektiv Xavier als Ermittlerduo. Das hübsche Cover mit der charakteristischen schwarzen Katze hat mein Interesse geweckt und mich nach Südfrankreich entführt. Die Bände sind gut unabhängig voneinander lesbar.

Dieses Mal verlaufen die Ermittlungen anders als gewohnt, denn bei ihrem dritten gemeinsamen Fall ist Xavier persönlich involviert. Wie sich herausstellt, muss der Mörder aus seinem engsten Familien- und Freundeskreis kommen. Dadurch wirkt er sehr zögernd, während sich Maggie unbeirrt auf Tätersuche begibt. Doch die Ermittlungen erweisen sich als kniffelig und auch die Polizei tappt im Dunkeln. Um den Täter doch noch zu stellen, bevor sich die Feiergesellschaft in alle Winde zerstreut, stellen die Privatdetektive eine gewagte Falle auf.

Mit ihrer guten Beobachtungsgabe, Intuition und Menschenkenntnis hat sich Maggie zu einer fähigen Detektivin gemausert. Einst ist die Schwäbin der Liebe wegen nach Südfrankreich ausgewandert. Diese Beziehung ist lange vorbei, aber sie ist in Südfrankreich geblieben und verdient sich mittlerweile ihren Lebensunterhalt als Wahrsagerin und Kartenlegerin. Zwar sieht sie diese Dienstleistung eher als Show an, aber dank positivem Feedback ist ihr Selbstbewusstsein inzwischen gestiegen. Xavier ist Privatdetektiv und hat sich einst auf Empfehlung einer Freundin bei Maggie Hilfe gesucht und gefunden. Er glaubt an ihre Fähigkeiten. Beide sind sehr sympathisch und ergänzen sich gut. Auch die übrigen Charaktere sind glaubwürdig angelegt.

Die Autorin schreibt flüssig und locker. Die kurzen Kapitel unterstützen den Lesefluss. Lilou Favreau versteht es hervorragend, Landschaft und Ambiente mit starken Bildern zu beschreiben. Sie fängt das französische Savoir-vivre sehr gut ein. Erfreulicherweise kommt dabei auch die einheimische Küche nicht zu kurz.

Ich wurde von diesem Wohlfühlkrimi gut unterhalten. Der Plot hat mich angesprochen und der Fall wurde restlos aufgeklärt. Maggie, Schwäbin wie ich, war mir von Beginn an sympathisch. Mir gefällt, dass hier eine Person ermittelt, die einer unkonventionellen Tätigkeit nachgeht, dem Legen von Tarotkarten und Wahrsagen. Auch bei ihren Ermittlungen greift Maggie zu unorthodoxen Methoden und schreckt auch nicht davor zurück, bspw. an Türen zu lauschen. Das Erzähltempo ist gemächlich und stellenweise lässt die Spannung etwas nach. Wie bei einem Cosy Crime üblich, kommt Gewalt nur sehr dosiert zum Einsatz.

Ich vergebe vier von fünf Sternen und eine Leseempfehlung für alle Südfrankreich- und Cosy Crime-Fans.

Bewertung vom 17.04.2025
Der Schädel von Sant'Abbondio / Moira Rusconi ermittelt Bd.4
Vassena, Mascha

Der Schädel von Sant'Abbondio / Moira Rusconi ermittelt Bd.4


ausgezeichnet

Mörderisches Tessin

Moira ist glücklich. Ihre große Liebe Luca hat sich endgültig von seiner gewalttätigen Ehefrau getrennt, Papa Ambrogio erholt sich gut von seinem leichten Schlaganfall und Tochter Luna findet Geschmack am Leben im Tessin. Alles bestens. Zusammen helfen sie bei der Weinlese, einem bedeutenden Ereignis in Sant’Abbondio. Bis Wolfsspitz Liam unterhalb des Weinbergs einen menschlichen Schädel ausbuddelt. Schnell wird die Identität des Toten festgestellt: Domenico Tosi, der 1970 unter nie geklärten Umständen verschwand, ein Jugendfreund Ambrogios. Damit wäre der tragische Fall eigentlich erledigt. Denn in der Schweiz verjährt Mord nach dreißig Jahren. Kein Fall für die Polizei. Doch plötzlich kommen Gerüchte auf, Ambrogio sei der Täter und einige Dörfler wenden sich von ihm ab. Moira sieht sich gezwungen, selbst zu ermitteln, um ihren Vater zu entlasten. Nach so langer Zeit erweisen sich die Recherchen als schwierig und viele boykottieren Moiras Initiative. Damit ist Schluss als ein zweiter Mord geschieht. Denn jetzt ermittelt die Polizei …

„Der Schädel von Sant’Abbondio“ ist bereits der vierte Band der Tessinkrimireihe von Mascha Vassena. Die Bände können unabhängig voneinander gelesen werden. Für mich war es der Einstieg in die Reihe und ich habe mich problemlos zurechtgefunden.

Der Plot hat mich sofort getriggert. Kann ein Verbrechen, in dem vorher nie ermittelt wurde, nach so langer Zeit noch aufgeklärt werden? Im vorliegenden Fall wurde angenommen, dass der junge Domenico nach Amerika ausgewandert ist. Die Polizei hat damals nicht ermittelt und jetzt wird sie erneut nicht tätig. Wie den Hauptcharakter Moira hat es mich sehr erstaunt, dass in der Schweiz Mord nach dreißig Jahren verjährt. Mittlerweile besteht die Möglichkeit, dass sich dies ändert, da im März 2025 der Ständerat einer entsprechenden Vorlage zugestimmt hat. Jetzt muss der Nationalrat entscheiden.

Ich habe schnell in die Geschichte hineingefunden. Mascha Vassena schreibt flott und bildhaft. Es wundert mich nicht, dass das Tessin Touristen in Scharen anzieht. Land und Leute werden so anschaulich beschrieben, dass sich der Reisekoffer fast von selbst packt. Essen und Trinken kommen erfreulicherweise auch nicht zu kurz. Mir hat gut gefallen, dass die Autorin auch die Kehrseiten des abgeschiedenen Lebens nicht verschweigt.

Moira war mir sofort sympathisch. Sie ist klug, aufgeschlossen, loyal, verständnisvoll. Trotz ihrer Verlustängste setzt sie ihren Freund nicht unter Druck, sondern vertraut ihm. Als Ermittlerin beweist sie gute Instinkte und Empathie, die sie häufig zum Erfolg führen. Ihr Partner, der Rechtsmediziner Luca, liebt Moira, steckt aber im emotionalen Dilemma wegen seines kleinen Sohnes Alessio, den dessen Mutter als Druckmittel gegen ihn einsetzt. Auch die anderen Protagonisten finde ich überzeugend, wobei ich eine Schwäche für den pfiffigen Ambrogio entwickelt habe.

Der Tessinkrimi hat mir gut gefallen. Er lädt zum Miträtseln ein und wird glaubwürdig aufgelöst. Das eher gemächliche Erzähltempo und die zurückhaltende Dosis an Gewalt passen hervorragend zu einem Cosy Crime. Mir fehlte im Mittelteil ein klein wenig die Spannung, aber ich wurde doch so gut unterhalten, dass ich mir auch die anderen Bände der Reihe zulegen werde.

Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen und eine Leseempfehlung an alle Fans von Cosy Crime mit Lokalkolorit.

Bewertung vom 14.04.2025
Die Skaland-Saga, Band 1 - A Fate Inked in Blood (eBook, ePUB)
Jensen, Danielle L.

Die Skaland-Saga, Band 1 - A Fate Inked in Blood (eBook, ePUB)


sehr gut

Wikinger Saga mit einem Schuss Fantasy

Freya hasst ihren gewalttätigen Mann Vragi, mit dem sie eine Zwangsehe führen muss, weil es ihrer Familie nutzt. Seit über einem Jahr erträgt sie ihn und seine Launen. Dabei träumt sie davon, eine Kriegerin zu sein. Nach einem weiteren Streit mit Vragi, der Freya wieder einmal demütigt und bedroht, lernt sie einen geheimnisvollen Fremden kennen, dessen Anziehung sie sich nur schwer entziehen kann. Kurze Zeit später kehrt dieser mit Jarl Snorri und Vragi zurück. Snorri fordert den Fremden, seinen Sohn und Erben Bjorn dazu auf, mit Freya einen Kampf auf Leben und Tod zu führen ...

Danielle L. Jensen entführt uns mit dem ersten Teil ihrer Skaland-Saga in die sagenumwobene Welt der Wikinger. Ihre Geschichte erzählt von den Gotteskindern, das sind Menschen, die bei der Geburt einen Tropfen göttlicher Macht geschenkt bekommen. Dazu gehören Freya und Bjorn, aber auch Vragi. Andere, wie Fürst Snorri, wollen sich diese Kräfte zunutze machen. Aus diesem spannenden Stoff webt die Autorin ein fesselndes Epos.

Freya ist die Schildmaid, ein Kind der Göttin Hlind. Das macht sie zur Königsmacherin, die ihre Heimat Skaland einen wird. Die Seherin Saga, Bjorns Mutter, hat dies vor zwanzig Jahren prophezeit, bevor sie ermordet wurde. Nachdem Freya als Schildmaid identifiziert ist, macht jeder Jarl in Skaland Jagd auf sie, um König zu werden. Snorri zwingt sie in die nächste Zwangsehe, indem er Freyas Familie bedroht.

Danielle L. Jensen schreibt flüssig und bildhaft. Die Welt von Skaland ist voll Schmutz, Elend, Gewalt und Willkür, was die Autorin in gelegentlich derber Sprache schildert, ebenso wie Freyas sexuelle Fantasien. Leicht vorhersehbar entwickelt sich zwischen Bjorn und ihr eine enorme Anziehung, während sie mit Snorri nur eine Scheinehe führt. Der Jarl zwingt sie mit Runenschwüren und der schwelenden Bedrohung ihrer Familie zu bedingungslosem Gehorsam.

Freya wird uns als starke Frau präsentiert, doch zumindest im ersten Band wird sie dieser Rolle nur streckenweise gerecht. Zwar entledigt sie sich mit einem Kraftakt ihres widerwärtigen ersten Ehemanns, doch nur, um in der nächsten Zwangsehe zu landen. Von Selbstbestimmung kann keine Rede sein. Ihre Familie, von der Freya schrecklich behandelt und ausgenutzt wird, dient ständig als Druckmittel gegen sie. Snorri und seine Hauptfrau Ylva schikanieren sie. Jede neue Willkür wird zur „Prüfung der Götter“ erklärt. Freya hat Schwierigkeiten, ihre Macht zu kontrollieren, sodass einer ihrer Wutausbrüche zu vielen Toten führt. Sie droht im Selbstmitleid zu versinken und ihre unerfüllbare Liebe schwächt sie zusätzlich. Bjorn, ist eine der wenigen, der Freya wie einen gleichberechtigten Menschen behandelt und nicht als rechtlose Sklavin. Darüber hinaus werden wiederholt sein gutes Aussehen und seine überzeugenden körperlichen Attribute erwähnt. Er ist ebenfalls ein Gotteskind und ein starker Kämpfer. Seine Wortgeplänkel mit Freya lockern die vorwiegend düstere Atmosphäre immer wieder auf. Trotzdem ist er schwer durchschaubar. Die anderen Charaktere bleiben noch etwas flach.

Der Klappentext hat meine Aufmerksamkeit geweckt und der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht. Doch im Mittelteil kam es zu Längen und nicht nachvollziehbaren Handlungen. Während die Romanze zwischen Bjorn und Freya sich glaubwürdig entwickelt, warf Freyas sonstige Haltung Fragen auf. Alle ihre Parasiten, ob die unmögliche Familie, die sogar eine Killerin wie Skade abstößt, oder Snorri und Ylva, schubsen sie herum und behandeln sie ganz selbstverständlich wie Dreck ohne den geringsten Hauch von Dankbarkeit. Trotzdem denkt sie nicht an Flucht, sondern wird immer schwächer. Ich frage mich, ob die Ereignisse im letzten Teil daran etwas ändern und die starke Freya neu erstehen lassen.

Trotz Schwächen bzw., nicht ausgeschöpftem Potenzial, bin schon gespannt auf Band zwei.

Bewertung vom 13.04.2025
Das Schweigen der Kanarienvögel (eBook, ePUB)
Walther, Ingrid

Das Schweigen der Kanarienvögel (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Das Rotkehlchen soll leben

Amalia Fink, emeritierte Professorin der Zoologie mit Fachgebiet Ornithologie, plant ein Sachbuch über die Vogelwelt Teneriffas zu schreiben. Dazu gönnt sie sich zusammen mit ihrer besten Freundin Lydia, der Philosophin, eine erholsame Auszeit auf der Insel. Bei einem Ausflug in das Küstenstädtchen Puerto Santiago treffen sie eine ehemalige Studentin Amalias, die inzwischen Gesang studiert. Was macht Katie während des Semesters hier? Das Rotkehlchen, wie die Professorin sie insgeheim nennt, denn sie gibt allen ihren Bekannten Vogelnamen, erzählt, dass sie sich unsterblich in einen, leider verheirateten, Tinerfeño verliebt hat und ihm auf die Insel gefolgt ist. Die drei Frauen verabreden sich für den nächsten Tag, aber die Studentin erscheint nicht. Nach 24 Stunden hat sich die sonst zuverlässige Katie noch immer nicht gemeldet und die besorgte Amalia geht zur Polizei.

Dieses Mal hat die Autorin Ingrid Walther die Provence gegen Teneriffa getauscht. Ich war sehr gespannt auf ihren ersten Kanarenkrimi.

Obwohl der zuständige Kommissar Martínez einen guten Eindruck hinterlässt, beschließen die beiden Salzburgerinnen das Rotkehlchen selbst zu suchen. Schnell identifizieren sie Katies mysteriösen Liebhaber als Héctor Guarnido, einen zwielichtigen Unternehmer. Als sie bei ihrer Suche zuerst auf den rätselhaften Todessturz eines deutschen Touristen stoßen und dann die Leiche der bekannten Abgeordneten Margarita Sánchez Jiménez finden, kommt Bewegung in den Fall. Zunächst wird ihr Chauffeur Jesús bedroht, dann gerät auch Amalia in Gefahr.

Ingrid Walther schreibt gewohnt locker und bildhaft. Sie beschreibt die unbekannteren Seiten und die raue Natur Teneriffas so anschaulich, dass sofort Reiselust aufkommt. Von der bedrohten Lorbeertaube bspw. hatte ich vorher noch nie gehört. Ich hoffe sehr, dass sie jedem skrupellosen „Feinschmecker“ oder Jäger im Hals steckenbleibt.

Der Kriminalfall entwickelt sich rasch, sodass sich bald Spannung aufbaut, die bis zum Schluss anhält. Da zwischendurch aus der Perspektive Katies, statt aus der Sicht Amalias erzählt wird, behält der Leser stets den Überblick über die Geschehnisse.

Die Charaktere sind glaubwürdig, allen voran die sympathische Vogelkundlern Amalia, taff, klug, attraktiv und fürsorglich. Ihre liebenswerte Marotte finde ich amüsant. Mir leuchtet ein, dass sie sich Vogelnamen einfach besser merken kann. Ihr Beruf, der genaues Beobachten ihrer gefiederten Studienobjekte verlangt, hat ihren Blick für Details geschärft. Amalias beste Freundin Lydia besticht mit ihrer Lebensweisheit, sie ist bodenständig, humorvoll, klug und tiefgründig. Auch die übrigen Protagonisten konnten mich überzeugen.

Ingrid Walthers Kanarenkrimi lädt zum Miträtseln ein. Mir gefällt, dass der Lesende stets alle Fakten erhält, die auch den Hobbydetektivinnen bekannt sind. Im letzten Viertel des Buchs erhält Amalia einen wichtigen Hinweis, der uns beide auf die richtige Spur gebracht hat. Der Fall wird aufgelöst und hat mich bestens unterhalten. Im Lauf ihrer Ermittlung bahnt sich für Amalia nebenbei eine vielversprechende Romanze an, die sich gut in die Geschichte einfügt.

Ein kurzes Glossar der verwendeten fremdsprachlichen Ausdrücke am Buchende rundet den Krimi ab.

Da mir die Geschichte gut gefallen hat und ich gespannt bin, wie es mit Amalia und Maurizio weiter geht, hoffe ich auf eine baldige Fortsetzung der neuen Krimi-Reihe. Vielleicht gelingt es Ingrid Walther am Ende sogar, eine Vogelbeobachterin aus mir zu machen. Darauf einen Barraquito!

Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen und eine Leseempfehlung an alle Krimifans.

Bewertung vom 10.04.2025
Hans Zimmer

Hans Zimmer


ausgezeichnet

Das Phänomen Hans Zimmer

Hans Zimmer wird 1957 in Frankfurt/Main geboren. Seine turbulente Schulzeit, angeblich „flog“ er von einer Vielzahl dieser Einrichtungen, schließt er im englischen Dorking ab. Seit frühester Kindheit fasziniert ihn die Musik, doch sein einziger Klavierlehrer (das kommt uns bekannt vor) soll bereits nach einer Woche Unterricht geflohen sein. Jetzt also in England gelandet, zieht er nach London und startet dort seine Karriere.
Dr. Andreas Mäckler, Biograf und Schriftsteller, hat sich das große Ziel gesetzt, die umfassende Werksbiografie eines der größten lebenden Hollywood-Komponisten, Hans Zimmer, zu verfassen. In neun Kapiteln erzählt er uns vom Leben und Schaffen des großen Musikers.
Nach einer kurzen Einführung in die Kindheit und Jugend Zimmers sind wir also bei seinem Karrierestart im London der 1970er Jahre dabei. Er experimentiert mit Synthesizern, leidet an Geldmangel und auch mal unter einer Rattenplage. Doch er knüpft auch erste wertvolle Kontakte und widmet sich zunächst der Popmusik und der Werbebranche. Wir begleiten Hans Zimmer nach Hollywood, wo er mit Talent, Durchhaltevermögen und Beharrlichkeit den Durchbruch schafft ...
Für die vorliegende Werksbiografie wertete der Autor eine Vielzahl an Rezensionen, Medienberichten, Artikeln und Interviews aus. Er verwendet Anmerkungen und Erinnerungen von Mitarbeitern und Weggefährten Zimmers (z. b. Henning Lohner, S. 175, Christopher Nolan, S. 262), um ein umfassendes Nachschlagewerk erstellen zu können. Dazu diskutiert er Rezensionen, hinterfragt die Intentionen der Kritiker, die stets auch subjektiv sind, je nach Geschmack und Schwerpunkt des Einzelnen. Gefallen hat mir, dass er, um diesen Eindruck zu verdeutlichen, zwei Kritiken zum selben Soundtrack einander gegenüberstellt (z. B. S. 192). Ein weiteres Plus des Buches ist, dass auch kritische Stimmen und negative Rezensionen enthalten sind.
Die menschliche Seite des vielfachen Preisträgers kommt auch nicht zu kurz. Leider hat Hans Zimmer dem Autor kein Interview gegeben, deshalb hat dieser Interviews und Zitate verwendet, um den Komponisten zu Wort kommen zu lassen. „Das Wichtigste für einen Musiker ist, hören zu lernen - nicht, spielen zu lernen! Die Inspiration kommt von den Anderen."(S. 77) oder  "Mit Kritiken ist es so eine Sache. Wenn ich für Filme wie „Besser geht’s nicht“ intimere Musik schreibe und sparsam mit dem Orchester arbeite, werfen sie mir vor, ich kriege den „großen Zimmer-Sound“ nicht mehr hin. Gehe ich’s bombastisch an, schreiben sie „Typisch Zimmer - immer dasselbe“ (S. 136). Am Buchende entdeckte ich, dass ich eine gemeinsame Vorliebe mit Hans Zimmer teile. Er ist ebenfalls ein großer Fan des britischen Komikers Tommy Cooper (S. 411)
Durch dieses Buch lernte ich ein für mich neues Phänomen kennen. Obwohl flüssig geschrieben, konnte ich, erschlagen von der Fülle an Information, Wissen und Material stets nur wenige Seiten auf einmal lesen. Dann musste sich der neue Input erst einmal setzen. Ich habe viel mehr als erwartet über den Werdegang Hans Zimmers, seine Entwicklung, sein Schaffen und sein Werk erfahren. Ebenso über das Entstehen, die Bedeutung und die Geschichte der Filmmusik. Über das Komponieren und den Weg zur Spitze (Stichwort Mentorenprinzip). Der Autor hat die herausfordernde Aufgabe, die er sich gestellt hat, bravourös gemeistert. Herausgekommen ist ein umfassendes Standardwerk für alle Fans von Hans Zimmer, aber auch für jeden, der sich für die Filmmusik Hollywoods und deren Geschichte interessiert.
Mir hat lediglich ein Personen- bzw. Stichwortverzeichnis gefehlt, das mir das Navigieren in dieser umfangreichen Werksbiografie erleichtert hätte. Das ein oder andere Foto würde den komprimierten Text auflockern.
Von mir 4,5 von 5 Sterne und eine Leseempfehlung für den genannten Leserkreis.

Bewertung vom 08.04.2025
Die Yacht
Goodwin, Sarah

Die Yacht


sehr gut

Tödliche Silvesterparty

Hannah ist zur alljährlichen Silvesterparty ihrer reichen Freundin Libby eingeladen. Statt auf einer Burg in Schottland, findet das Luxus-Event dieses Mal auf der eigenen Yacht an der italienischen Riviera statt. Da Hannah sich einen Flug nicht leisten kann, nimmt sie eine 12-stündige Fahrt sowie eine Übernachtung im Auto auf sich, um mit ihrer Freundin zu feiern. Dort angekommen, erweist sich die Location als sehr exklusiv, die Stimmung eher unterkühlt. Alkohol und Drogen werden reichlich konsumiert. Olly und Leon, die Männer von Libby und Maggie, einer weiteren betuchten Schulfreundin, behandeln Hannah äußerst herablassend. Einer bietet ihr sogar Geld für Sex. Als einziger Lichtblick erscheint Harry, ein weiterer Freund aus Studienzeiten, der erst seit kurzem als Künstler seinen Durchbruch feiern konnte. Hannah beschließt, die Yacht am nächsten Morgen zu verlassen. Sie hat es endgültig satt, sich als Sozialprojekt behandeln zu lassen, trotz aller Reminiszenzen an früher. Diesen vernünftigen Entschluss kann sie jedoch nicht umsetzen, da die Yacht am nächsten Morgen führerlos auf dem Meer treibt. Wie sich bald herausstellen wird, ohne Proviant, ohne Rettungsboote, ohne Funk, ohne Sprit. Der Kampf ums Überleben kann beginnen.

„Die Yacht“ ist der neue Thriller von Sarah Goodwin. Ich habe schon ihren Roman „Das Resort“ gelesen.

Sarah Goodwin schreibt flüssig und bildhaft. Ihr Plot ist vielversprechend und die Geschichte beginnt spannend. Eine Yacht, die führerlos und ohne Ressourcen im Meer treibt. Die verwöhnten Reichen entpuppen sich als völlig hilflos in der Krise und kompensieren ihre Ängste mit Alkohol und Aggressionen. Das führt zu Streit und Tätlichkeiten. Einige schmutzige Geheimnisse werden gelüftet und die Lage wird immer unerträglicher. Nur Harry und Hannah behalten die Nerven. Als Libby spurlos verschwindet, droht die Situation zu eskalieren. Dann entschließt sich Harry zu einer Kamikaze-Rettungsaktion und lässt Hannah mit den asozialen Reichen zurück. Durch die häufigen Wiederholungen, die Protagonisten streiten und dann beleidigen sie wieder Hannah, verliert die Geschichte an Fahrt und die Spannung lässt nach.

Außer der sympathischen, gelegentlich viel zu gutherzigen, Hannah und dem undurchsichtigen Harry bleiben die Charaktere eindimensional, Leon und Olly sogar austauschbar.

Mein Fazit fällt durchwachsen aus. Sarah Goodwins Schreibstil gefällt mir, sie kann sehr gut Spannung aufbauen und der Plot hat mich überzeugt. Doch die Ausführung weist Mängel auf.

Da die Geschichte aus Hannahs Sicht erzählt wird, erfahren wir, was in ihr vorgeht, was sie bewegt, warum sie an der Kindheitsfreundschaft mit Libby und Maggie festhält, obwohl sie fühlt, dass die beiden mittlerweile auf sie herabsehen. Auf ihrem einsamen Felsen im Meer mit sich selbst konfrontiert, erkennt Hannah, was in ihrem Leben falsch gelaufen ist. Sich von Gefühlen für andere abzuschirmen, um den Schmerz zu vermeiden, den ihre Mutter durchleben musste. Ihre Kunst aufzugeben, weil sie ihr nicht genug einbrachte und ihre Ideen gestohlen wurden. Das hat mir gut gefallen.

Umso mehr stört, dass die übrigen Charaktere zum größten Teil so flach bleiben. Die Auflösung erfolgt auch nicht vollständig, z. B. Libbys Verschwinden, der Blutfleck an der Wand. Dazu kommen Logikfehler: Die Route der Yacht wird nachgezeichnet, u.a. hat sie die Straße von Gibraltar durchfahren. Diese ist eine der meistbefahrenen Wasserstraßen der Welt, die täglich von ca. 300 Handelsschiffen durchfahren wird. Trotzdem keine Sichtung? Harry wurde von einem Fischtrawler gerettet, aber die Yacht taucht nicht auf deren Radar auf?

Ich vergebe knappe 4 Sterne. Wem „Das Resort“ und „Stranded - Die Insel“ gefallen hat, wird auch von „Die Yacht“ gut unterhalten.

Bewertung vom 07.04.2025
Commissario Gaetano und der lügende Fisch / Commissario Gaetano Bd.1
Nola, Fabio

Commissario Gaetano und der lügende Fisch / Commissario Gaetano Bd.1


sehr gut

Neapel sehen und sterben

Dieses Sprichwort überlieferte der Dichter Johann Wolfgang von Goethe bereits bei seiner „Italienischen Reise“ 1786. Für Dottore Ianus Capuano wird es zur Realität.
Am 19. September, dem höchsten Feiertag Neapels, kommt ein gestresster Mann in die Questura, um einen geplanten Anschlag auf seine Person zu melden. Obwohl an diesem Tag die Hölle los ist und er die Ängste des unsympathischen Dr. Capuano nicht nachvollziehen kann, sagt Commissario Salvatore Gaetano widerwillig seine Hilfe zu. Noch ist ihm nicht bewusst, dass er vor den schwierigsten Ermittlungen seiner Karriere steht.
„Commissario Gaetano und der lügende Fisch“ ist der erste Band, der in Neapel spielenden Krimi-Reihe von Fabio Nola. Der Autor, ein deutscher Historiker, hat einige Jahre in der Stadt gelebt. Der ungewöhnliche Titel hat sofort mein Interesse geweckt und mir eine spannende Ermittlung in Neapel beschert.
Am 19. September jeden Jahres feiern die Neapolitaner ihren Stadtpatron San Gennaro. Im Dom von Neapel warten die Gläubigen auf das „Blutwunder“, das nach altem Volksglauben eine glückliche Zukunft für die Stadt verspricht. Für Ianus Capuano nimmt der Festtag kein gutes Ende. Er wird von der Streife, die Gaetano ihm versprochen hatte, tot in seiner Wohnung aufgefunden. Enthauptet – wie sein Namensvetter San Gennaro.
Die Geschichte hat mich schnell gefesselt. Während der Festa di San Gennaro wird ein anderer Januarius geköpft. Dieser Plot passt gut zu einer Stadt, in der schnell die Emotionen hochkochen und die Einwohner häufig abergläubisch sind. Wir lernen einige von ihnen kennen, allen voran den Commissario, der früher ein Winzer war und jetzt bei der Polizei arbeitet. Salvatore Gaetano kommt aus schwierigen familiären Verhältnissen, die ihn noch heute verfolgen. Über sein Ermittlungsgeschick bin ich mir noch nicht im Klaren, einerseits wird nur durch seine Sturheit der wahre Täter entlarvt, andererseits übersieht er wichtige Details oder lässt sich von einem attraktiven Äußeren ablenken. Seine Nichte Carla ist für mich eher schwierig. Ich kann ihre Ängste um den Vater verstehen, aber mit ihrem aufbrausenden Temperament, das in überzogenen Anschuldigungen und sogar Tätlichkeiten gipfelt, wenig anfangen. Gaetanos Team bleibt noch etwas blass, aber das finde ich bei einem Auftaktband nachvollziehbar. Insgesamt ist bei der Charakterzeichnung noch Luft nach oben.
Fabio Nola versteht es, Neapel mit all seinen Facetten zu beschreiben. Ich habe den Verkehrslärm gehört, die stechende Sonne auf meinen Armen gespürt, mal Meeresluft, mal Espresso gerochen und mich im bunten Gewühl der Neapolitaner und Touristen aus aller Welt vorwärts gekämpft. Ob es aber in der ganzen Stadt wirklich überall so dreckig ist, wie mehrfach beschrieben?
Missfallen hat mir das Verhör eines kleinwüchsigen Verdächtigen. Zwar wird erklärt, warum in Neapel Vorurteile gegenüber diesem Handikap entstanden sind, das entschuldigt den Umgangston der Polizisten aber nicht. Auch das Verhalten gegenüber Frauen ist dringend verbesserungsfähig. Zwei Beispiele: Eine Kollegin wird aus Faulheit oder Ignoranz konstant nicht mit ihrem richtigen Namen angesprochen. Es wird die Ansicht geäußert, nur sexuelle Übergriffe, die auch zur Anzeige kommen, fänden statt.
Zum Lektorat werde ich nichts weiter schreiben, da darauf hingewiesen wird, dass es noch nicht abgeschlossen sei. Das stimmt.
Insgesamt hat mich der Krimi gut unterhalten, der Plot ist spannend und Neapel ein attraktiver Schauplatz. Der Autor schreibt flüssig und bildhaft. Seine Kenntnisse der Stadt, ihrer Geschichte und Einwohner sind jederzeit spürbar. Der Fall wird letztendlich nach einigen Wendungen gelöst.
Faszinierend finde ich das Napulitano, die eigene Sprache Neapels, die mittlerweile offiziell anerkannt ist. Ein kleines Glossar am Ende des Buches erklärt die im Krimi verwendeten Ausdrücke.
Ich vergebe 4 Sterne und eine Leseempfehlung an Fans leicht skurriler Krimis.