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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Heiki Rud
Wohnort: 
Regensburg

Bewertungen

Insgesamt 107 Bewertungen
Bewertung vom 22.06.2025
Lauter kleine Lügen
Kemp, Kate

Lauter kleine Lügen


gut

In Lauter kleine Lügen entfaltet Kate Kemp ein fesselndes Porträt einer australischen Vorortsiedlung, in der die Idylle nur oberflächlich besteht. Erzählt wird vieles aus der Sicht der zwölfjährigen Tammy, deren unvoreingenommener Blick auf ihre Nachbarn überraschend klar, manchmal aber auch herrlich naiv ist. Ihre kindliche Neugier bringt sie dazu, einen Mord in ihrer Straße auf eigene Faust aufzuklären – ein Unterfangen, das gleichzeitig charmant, spannend und tief bewegend ist.

Was mich besonders angesprochen hat, war die feine Beobachtungsgabe, mit der Kemp das kleinstädtische Zusammenleben seziert. Es geht weniger um das Verbrechen an sich als um die Dynamik zwischen den Bewohnern – wie Misstrauen, alte Verletzungen und Vorurteile das Miteinander vergiften. Die Gespräche auf dem Gehweg, das Tuscheln über Hecken hinweg, die stille Überwachung aus dem Fenster – all das wirkt beunruhigend authentisch.

Die Figur der Tammy ist dabei ein großartiger erzählerischer Kniff. Ihre Sicht ist durch und durch ehrlich, aber auch begrenzt – was dazu führt, dass ihre Schlussfolgerungen oft ins Leere laufen. Gerade darin liegt aber der Reiz: Immer wieder wird der Blick geweitet, und die tatsächlichen Zusammenhänge offenbaren sich – meist weniger dramatisch, aber umso tragischer oder absurder.

Ein großer Pluspunkt ist auch das Zeitkolorit. Kemp lässt die späten 70er Jahre in Australien in vielen Details wieder lebendig werden – sei es in der Sprache, in den gesellschaftlichen Spannungen oder in der Gestaltung der häuslichen Rollenbilder. Dass Themen wie Rassismus, Homophobie und familiäre Vernachlässigung eine Rolle spielen, wirkt nie aufgesetzt, sondern ergibt sich ganz organisch aus der Handlung.

Ein Wermutstropfen bleibt jedoch: Im Mittelteil verliert die Geschichte spürbar an Tempo. Die Vielzahl der Figuren und Nebenhandlungen droht das eigentliche Geschehen zu überlagern. Einige Kapitel wirken beinahe wie eigenständige Episoden, was den roten Faden ein wenig ausfransen lässt.

Trotzdem gelingt Kemp ein bemerkenswerter Debütroman, der mehr als nur eine klassische Krimigeschichte erzählt. Lauter kleine Lügen ist eine kluge, feinfühlige Studie über das soziale Gefüge einer Gemeinschaft – und darüber, wie schnell Misstrauen wachsen kann, wenn jeder glaubt, den anderen durchschaut zu haben.

Bewertung vom 16.06.2025
Himmlischer Frieden
Wen, Lai

Himmlischer Frieden


sehr gut

Manchmal trifft man auf ein Buch, das still beginnt – fast unbemerkt – und einen dann über viele Seiten hinweg nicht mehr loslässt. Himmlischer Frieden von Lai Wen ist genau so ein Werk. Es hat mich überrascht, bewegt und lange beschäftigt.

Im Mittelpunkt steht Lai, eine junge Frau, die in einem einfachen Pekinger Viertel aufwächst. Doch das eigentlich Politische des Romans schiebt sich erst nach und nach in den Vordergrund. Anfangs sind es die familiären Strukturen, die mich besonders berührt haben: die Wärme der Großmutter, das Schweigen des Vaters, die Unruhe des kleinen Bruders – Figuren, die nicht nur skizziert, sondern tief gezeichnet sind. Die Großmutter hat mich besonders beeindruckt: keine Heldin im klassischen Sinn, aber jemand, der standhaft bleibt, wo andere sich wegducken.

Lai beobachtet, liest, denkt viel – zunächst eher im Stillen. Doch gerade aus dieser Zurückhaltung entwickelt sich eine kraftvolle Entwicklung. An der Universität trifft sie auf neue Denkansätze, alte Freunde und politische Ideen, die ihr Weltbild erschüttern. Die Erzählung bleibt dabei stets persönlich, nie pathetisch, und genau das macht sie so glaubwürdig. Die Autorin vermeidet einfache Botschaften – vielmehr tastet sie sich sprachlich präzise und mit spürbarer Aufrichtigkeit an komplexe Fragen heran.

Dass es am Ende um die Proteste 1989 geht, ist nicht der alleinige Kern der Geschichte – vielmehr bildet dieses Ereignis den Kulminationspunkt eines inneren Weges. Für mich war es gerade die lange Vorbereitung darauf, das behutsame Herantasten an politische Verantwortung, das Himmlischer Frieden zu einem besonderen Roman macht.

Ja, das Buch ist umfangreich. Ja, es hätte an manchen Stellen gestrafft werden können. Aber ich bin froh, dass es das nicht wurde. Denn die Details, die Zwischentöne, die kleinen Szenen – sie alle tragen dazu bei, dass dieser Roman wirkt wie ein gelebtes Leben.

Fazit:
Ein bemerkenswerter, tiefgründiger Roman über Erwachsenwerden unter politischem Druck, über Mut und Erinnerung – und darüber, wie persönliche Geschichten Geschichte schreiben. Ein stilles, kraftvolles Buch.

Bewertung vom 29.05.2025
Mein Name ist Estela
Trabucco Zerán, Alia

Mein Name ist Estela


sehr gut

Als ich Mein Name ist Estela von Alia Trabucco Zerán begann, wusste ich schnell, dass dies keine gewöhnliche Erzählung werden würde. Estela, die Ich-Erzählerin, spricht aus einer Zelle zu einem unsichtbaren Publikum – zu uns. Ihre Stimme ist leise, roh und eindringlich, aber voller Kraft. Ich saß da, las und spürte, wie sie durch jede Zeile hindurch versuchte, gehört zu werden.

Ihre Geschichte ist keine Heldinnengeschichte im klassischen Sinn. Estela verlässt ihr ländliches Zuhause, um in der Stadt zu arbeiten – nicht aus Abenteuerlust, sondern aus Not. Sie wird Hausangestellte in einem Ort, der von kalter Kontrolle, und einem fast sterilen Desinteresse an ihrer Menschlichkeit geprägt ist. Alles in ihr wird bewertet: ihr Körper, ihr Auftreten, ihr Schweigen. Und doch ist es sie, die die meiste Fürsorge aufbringt – vor allem für das Kind.

Wie subtil Machtverhältnisse wirken, wenn man nicht einmal als Subjekt wahrgenommen wird. Ihre Sprache, so zurückhaltend sie anfangs scheint, wird zu einer Art Widerstand, zu einem letzten Akt des Sprechens, als sie schon längst verurteilt wurde – vielleicht juristisch, ganz sicher aber sozial.

Am Ende blieb ich zurück mit Wut und Mitgefühl. Estela ist erfunden, ja. Aber sie steht für viele, die nicht gehört werden.

Fazit:
Ein kompromissloses, kraftvolles Buch über Klassenverhältnisse, Schweigen, Schuld – und die Möglichkeit, trotz allem nicht zu verstummen.

Bewertung vom 15.05.2025
Beeren pflücken
Peters, Amanda

Beeren pflücken


ausgezeichnet

Amanda Peters Beeren Pflücken ist ein zutiefst berührender Debütroman, der mich von der ersten Seite an nicht mehr losgelassen hat. Im Zentrum steht das plötzliche Verschwinden der kleinen Ruthie, das nicht nur ihre Familie erschüttert, sondern über Jahrzehnte hinweg nachwirkt – besonders bei ihrem Bruder Joe und einer Frau namens Norma, die Jahrzehnte später beginnt, ihre eigene Herkunft zu hinterfragen.

Erzählt wird die Geschichte aus zwei wechselnden Perspektiven: Joe, der als Kind seine Schwester zuletzt gesehen hat und seitdem von Schuld und Trauer verfolgt wird, und Norma, die in einer wohlhabenden Familie aufwächst, aber früh spürt, dass ihre Vergangenheit nicht der entspricht, was man ihr erzählt. Beide Lebenswege sind geprägt von Unsicherheit, Verlust und einer tiefen Sehnsucht nach Zugehörigkeit.

Was mich besonders beeindruckt hat, ist die feinfühlige Darstellung indigener Lebensrealitäten – ohne Klischees, dafür mit viel Tiefe und Respekt. Peters gelingt es, nicht nur individuelle Schicksale zu erzählen, sondern auch gesellschaftliche Missstände wie Rassismus, kulturelle Entwurzelung und das Wegsehen der Behörden gegenüber marginalisierten Gruppen aufzuzeigen. Das Buch behandelt dabei schwierige Themen wie Kindesentzug, Alkoholismus und Krankheit mit einer erstaunlichen Balance aus Zurückhaltung und emotionaler Wucht.

Der Roman lebt weniger von spannungsgeladenen Wendungen als von der inneren Entwicklung seiner Figuren. Trotz der dunklen Themen bleibt immer ein Hauch von Hoffnung spürbar. Peters’ Sprache ist klar, poetisch und voller Empathie – jede Zeile wirkt durchdacht, jede Emotion authentisch.

Beeren Pflücken ist nicht nur ein Familienroman, sondern auch eine leise, kraftvolle Auseinandersetzung mit der Frage, was es bedeutet, verloren zu gehen – und sich selbst vielleicht doch noch zu finden. Ein Buch, das bleibt.

Bewertung vom 04.05.2025
Brüll, kleiner Löwe - Rugis, petit lion
Blum, Ingo

Brüll, kleiner Löwe - Rugis, petit lion


ausgezeichnet

In “Brüll, kleiner Löwe – Rugis, petit Lion” erleben wir die berührende Geschichte eines kleinen Löwen, der mit seiner lauten, unmelodischen Stimme hadert. Während andere Tiere mit ihren wohlklingenden Tönen glänzen, fühlt sich der kleine Löwe fehl am Platz – bis ein einschneidendes Ereignis ihm zeigt, dass auch seine Stimme gebraucht wird.

Die Geschichte entfaltet sich liebevoll und kindgerecht und wird durch die farbenfrohen Illustrationen von Liubka Prus wunderbar ergänzt.

Was das Buch besonders macht, ist sein zweisprachiger Aufbau. Jede Seite zeigt den Text sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch, wodurch es ideal für Familien ist, die Mehrsprachigkeit fördern möchten. Das Sprachenlernen geschieht hier nicht über Vokabellisten, sondern eingebettet in eine warmherzige Erzählung, die Werte wie Selbstakzeptanz, Mut und Freundschaft vermittelt.

Ein schönes Extra ist das mitgelieferte Lied, das über einen QR-Code abrufbar ist – ein echtes Highlight für Kinder, das die Geschichte auf musikalische Weise abrundet.

Ein rundum gelungenes Buch, das zeigt, wie wertvoll es ist, an sich selbst zu glauben.

Bewertung vom 27.04.2025
Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen
Ogawa, Ito

Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen


sehr gut

Mit Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen hat Ito Ogawa einen Roman geschaffen, der nicht mit lautem Drama oder überraschenden Wendungen punktet, sondern mit leiser Tiefe und poetischer Beobachtungsgabe. Als Leser begleitet man Hatoko, eine junge Frau, die nach dem Tod ihrer Großmutter deren Laden übernimmt – ein Ort, der mehr ist als nur ein Geschäft für Papier und Tinte. Hier beginnt für sie ein neues Kapitel, in dem sie nicht nur Briefe für andere Menschen schreibt, sondern auch langsam sich selbst neu kennenlernt.

Der Roman lebt von der stillen Kraft des Alltags. Es geht nicht um das große Spektakel, sondern um die kleinen, oft übersehenen Details: das Geräusch eines Pinsels auf Papier, die Auswahl der passenden Briefmarke, die Art, wie ein Kunde zögert, bevor er seine Geschichte erzählt. Hatoko hört zu, fühlt mit und verwandelt Gedanken in Worte, die berühren. Ihre Arbeit als professionelle Briefschreiberin mag in unserer digitalen Welt ungewöhnlich wirken, doch sie wird hier mit so viel Würde und Hingabe beschrieben, dass man sich fragt, warum wir überhaupt damit aufgehört haben, unsere Gefühle auf Papier zu bannen.

Das Buch ist in vier Kapitel gegliedert – Frühling, Sommer, Herbst und Winter – und genau wie die Natur folgt auch Hatokos Entwicklung einem unaufgeregten, aber stetigen Wandel. Besonders schön ist, dass wir durch ihre Begegnungen mit sehr unterschiedlichen Menschen auch viele Facetten menschlicher Emotionen erleben – Trauer, Hoffnung, Wut, Liebe. Und obwohl sie für andere schreibt, spiegelt sich in jedem Auftrag auch ein Stück ihrer eigenen Geschichte wider.

Die Sprache ist zart und bildreich, manchmal fast meditativer Natur, was wunderbar zur Atmosphäre passt. Wer einen schnellen Plot oder spannende Konflikte erwartet, wird hier vermutlich nicht fündig.

Ein Buch wie eine Tasse Tee: schlicht, warm, und lange nachklingend. Ideal für alle, die Literatur mögen, die zwischen den Zeilen lebt.

Bewertung vom 25.04.2025
We free the Stars / Die Reiche von Arawiya Bd.2
Faizal, Hafsah

We free the Stars / Die Reiche von Arawiya Bd.2


sehr gut

We Free the Stars bietet einen würdigen Abschluss der Sands of Arawiya-Reihe. Die Autorin Hafsah Faizal überzeugt erneut mit einer bildhaften Sprache und einer faszinierenden Welt, die stark von arabischer Kultur geprägt ist. Zwar wirkt die Handlung stellenweise etwas langatmig, und die Charakterentwicklung wiederholt sich teilweise, doch insgesamt bleibt die Geschichte spannend und atmosphärisch.

Die Dynamik zwischen den Figuren, insbesondere zwischen Nasir und Zafira, wurde glaubwürdig weiterentwickelt. Auch das Tempo der Erzählung empfand ich als besser ausbalanciert als im ersten Band, obwohl die Länge des Buches nach wie vor spürbar ist.

Insgesamt ein empfehlenswerter Abschluss für alle, die den ersten Teil mochten. Wer Geduld für einen langsamen Erzählstil mitbringt, wird hier eine solide Fantasygeschichte mit einer besonderen kulturellen Note finden.

Bewertung vom 17.04.2025
Before I Let Go (eBook, ePUB)
Ryan, Kennedy

Before I Let Go (eBook, ePUB)


sehr gut

Ich wusste, dass Before I Let Go von Kennedy Ryan intensiv sein würde, aber ich war nicht darauf vorbereitet, wie tief diese Geschichte wirklich geht. Was wie eine zweite Chance für eine zerbrochene Ehe beginnt, entfaltet sich zu einer vielschichtigen Reise durch Trauer, mentale Gesundheit, Elternschaft und Selbstfindung. Yasmen und Josiah sind kein typisches Liebespaar, das sich neu entdeckt – sie sind zwei Menschen, die bereits alles miteinander geteilt und fast alles verloren haben. Und genau das macht ihre Geschichte so echt, so greifbar.

Yasmens Schmerz hat mich erschüttert. Ihre Trauer, ihr Versuch, in einem Alltag zu funktionieren, der sich vollkommen verändert hat, hat mich oft sprachlos gemacht. Sie kämpft nicht nur für sich, sondern auch darum, als Mutter präsent zu bleiben – obwohl sie selbst kaum noch weiß, wer sie ist. Diese Art der Verletzlichkeit und gleichzeitig inneren Stärke habe ich selten so eindringlich erlebt.

Auch Josiah war keine einfache Figur. Zu Beginn war ich frustriert über seine Verschlossenheit, aber im Verlauf habe ich verstanden, wie tief seine Wunden sitzen. Beide Figuren haben ihre eigenen Wege des Überlebens gefunden – und beide mussten erst wieder lernen, sich zu öffnen, zu kommunizieren und einander wirklich zu sehen. Die Therapiesitzungen waren ehrlich, unbequem und voller Erkenntnisse – nicht nur für die Charaktere, sondern auch für mich als Leserin.

Was man allerdings wissen sollte: Das Buch enthält eine ganze Reihe sehr expliziter Szenen. Für mich persönlich war es manchmal etwas zu viel, und ich kann mir gut vorstellen, dass das nicht jedem gefällt. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – spiegelt es die große körperliche und emotionale Verbindung zwischen den Figuren wider, wenn auch mit mehr Intensität, als ich erwartet hätte.

Dieses Buch ist keine klassische Romanze, sondern eher ein Spiegel dafür, wie Liebe nach Verlust, Schmerz und Entfremdung neu entstehen kann – nicht trotz, sondern gerade wegen all der Narben. Kennedy Ryan schreibt mit solcher Empathie, dass ich am Ende das Gefühl hatte, nicht nur eine Geschichte gelesen, sondern sie gelebt zu haben.

Bewertung vom 09.04.2025
HEN NA E - Seltsame Bilder
Uketsu

HEN NA E - Seltsame Bilder


sehr gut

Wer glaubt, Krimis schon in all ihren Formen gelesen zu haben, wird bei Uketsus Hen Na E- Seltsame Bilder eines Besseren belehrt. Dieses Buch wirft nicht nur mit einer außergewöhnlichen Erzählstruktur, sondern auch mit visuellen Reizen um sich, die weit mehr sind als bloße Spielerei. Ich habe mich beim Lesen nicht nur als Leserin, sondern regelrecht als Ermittlerin gefühlt – als hätte ich eine Fallakte in der Hand, komplett mit Beweisfotos und obskuren Skizzen.

Die Handlung ist auf den ersten Blick fragmentarisch, episodisch – fast so, als läse man mehrere Kurzgeschichten. Doch das täuscht. Die Puzzleteile greifen nach und nach ineinander, bis sich ein komplexes Bild offenbart. Einen klassischen Ermittler sucht man hier vergeblich. Die Herausforderung besteht darin, aus scheinbar zusammenhanglosen Momenten eine Bedeutung zu extrahieren.

Besonders spannend ist die Rolle der Bilder: Zeichnungen, Diagramme, sogar Infografiken, die Hinweise enthalten oder neue Fragen aufwerfen. Die Idee, psychologische Diagnostik über Kinderzeichnungen zu erzählen, verleiht dem Ganzen eine unheimliche Tiefe. Es erinnerte mich an forensische Fallanalysen – allerdings mit einer surrealen, fast poetischen Note.

Dabei gelingt es Uketsu, Spannung aufzubauen, ohne sich an gängige Erzählmuster zu klammern. Die abrupten Übergänge zwischen Kapiteln wirken zunächst irritierend, dann zunehmend wie filmische Schnitttechniken, die die fragmentierte Realität der Figuren widerspiegeln. Das Spiel mit Perspektive und Interpretation ist durchgehend präsent – subtil, aber wirkungsvoll.

Ein kleiner Wermutstropfen: Die Sprache wirkt mitunter schlicht, beinahe spröde. Es fehlt stellenweise an Tiefe in den Dialogen und Beschreibungen – was jedoch auch an der Übersetzung liegen könnte.

Fazit: Ein visuell und erzählerisch innovativer Krimi, der mehr fordert als erzählt – aber genau darin seine Stärke entfaltet.

Bewertung vom 04.04.2025
Die Magnolienkatzen
Morishita, Noriko

Die Magnolienkatzen


gut

Als ich „Die Magnolienkatzen“ gelesen habe, fühlte ich mich von Anfang an tief berührt. Schon die Szene, in der Noriko und ihre Mutter auf Mimì und die neugeborenen Kätzchen treffen, hat bei mir Erinnerungen geweckt – an jenes erste Mal, als ich unseren streunenden Kater Schmusi begegnete und sich mein Alltag für immer veränderte, als er immer Familienmitglied wurde.

Was mich besonders beeindruckt hat, ist die Wandlung der Protagonistin. Anfangs ist sie skeptisch, fast überfordert – und plötzlich entdeckt sie durch die Tiere eine neue Seite an sich selbst. Ihre stille, innige Annäherung an die Kätzchen und die tägliche Fürsorge haben mir gezeigt, wie sehr Tiere unser Inneres spiegeln können.

Die Geschichte ist keine Abfolge dramatischer Ereignisse, sondern ein ruhiger, wohltuender Fluss aus Momenten: kleine Gesten, Beobachtungen, neue Routinen.

Besonders in dunkleren Lebensphasen, so wie Noriko sie erlebt, sind es oft gerade diese unscheinbaren Begegnungen, die etwas in uns verändern. Zwischen Zweifeln, Einsamkeit und der Suche nach dem eigenen Platz in der Welt wachsen plötzlich Verbindungen, leise, aber stark.

Das Buch fühlte sich an wie eine warme Tasse Tee an einem grauen Tag. Kein großes Spektakel, sondern eine Einladung zum Verweilen. Ich würde es jedem empfehlen, der Katzen liebt.