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Benutzername: 
SusanK
Wohnort: 
Osnabrück

Bewertungen

Insgesamt 239 Bewertungen
Bewertung vom 16.02.2021
Eisenkind - Psychothriller (eBook, ePUB)
Boehler, Arne M.

Eisenkind - Psychothriller (eBook, ePUB)


sehr gut

Vor vielen Jahren löste sich die sehr erfolgreiche satanische Rockband "Eisenkind" auf, die Mitglieder sind zerstritten. Doch einem zwielichten Milliardär gelingt es mit zweifelhaften Mitteln, alle für ein einziges Konzert in Schweden zu versammeln. In der Vorbereitung geschieht ein Mord, der die ermittelnde Kommissarin sehr unschön an ihren einzigen ungeklärten Fall erinnert: Der offenbar rituelle Mord an einer jungen Frau, der Auftakt einer Reihe von Serienmorden war, die an allen Auftrittsorten der Band stattfanden ....

Der Autor Arne M. Boehler, selbst mit einem spannenden Lebenslauf ausgestattet, weiß, von was er schreibt, und das springt dem Leser geradezu entgegen: Die Arbeit hinter dem Musikbusiness ist fein erzählt und bietet einen Blick hinter die Kulissen. Aber vor allem legt Boehler einen überaus spannenden Thriller um die bestialischen Morde vor, die - möglicherweise im Umfeld der Rockband "Eisenkind" - stehen, und das Buch fesselt von der ersten Seite bis zum letzten großen Show-Down; wiederholte Wendungen bieten eine rasante Fahrt, in der der Leser immer aufs Neue überrascht wird. Doch am Schluss werden alle offenen Fäden zu einem Abschluss verwoben.
Und genau hier ist mir das Ende dann fast etwas zu viel des Guten, in dem es für meinen Geschmack etwas zu viele Zufälle gibt - doch das bleibt eine Kritik auf hohem Niveau.

Besonders gut gefallen haben mir die ständigen Gegensätze: Die kraftvolle Rockmusik im Gegensatz zur Schlager-liebenden Kommissarin (die Helene Fischer als Handy-Klingelton hat), die Umgangssprache der Männer bis hin zu Goethe-Zitaten und der immer wieder durchscheinende Sarkasmus (die Psychologin des satanischen Texteschreibers namens Dr. Hell). Ansprechend spielt der Autor mit den Klischees um das Rockerleben.

Die Figuren werden gut beschrieben und entstehen bildhaft vor dem geistigen Auge des Lesers - und decken in ihrer Verschienenartigkeit ein weites Spektrum ab. Schnell hat man Sympathien und Antipathien gefunden, doch nichts scheint zu sein, wie es zunächst aussieht.
Die Wechsel in der Erzählperspektive zwischen den Hauptfigur Thälmann, mit dem man ständig mitfiebert und leidet, seinen Gedanken und Handlungen einerseits und der Polizeiarbeit andererseits geben eine positive Spannung wider.

Blutige Details werden selbstverständlich angesprochen, doch der Autor weidet sich nicht an ihnen, sondern bleibt am Fortschritt der Handlung.

Noch ein Wort zum gelungenen Titelbild: Natürlich spielen auch Nägel eine gewichtige Rolle!

Ich war gefesselt und konnte das Buch kaum aus der Hand legen.

Meine Meinung:
Ein sehr guter Thriller, der Lust auf mehr von Arne M. Boehler macht!

Bewertung vom 09.02.2021
Von Huren, Bettlern und Glunterschratzen
Sommerfeldt, Albrecht

Von Huren, Bettlern und Glunterschratzen


ausgezeichnet

Der Veteran Johann Gabelschlag ist nach einem bewegten Leben wieder in seine Heimatstadt Hamburg zurückgekehrt und verdient seinen Lebensunterhalt als Geldeintreiber für den jüdischen Geldverleiher Jakob Nagelstein. Seine Geschäfte verlaufen zufriedenstellend und er pflegt gute Kontakte zu den Strichkatzen und Bettlern, den Habenichtsen und Hungerleidern seines Viertels St. Jakob - abseits der reichen Pfeffersäcke bei den "Ehrlosen". Als die junge ortsfremde Hure Klara, mit der er sich eine Zukunft zu zweit vorstellen könnte, spurlos verschwindet, beginnt er sich umzuhören - und stößt auf immer mehr Verschwundene, die von niemandem vermisst werden. Und als dann sein Leben in Gefahr gerät, wird seine Suche zu etwas Persönlichem, von dem er nicht lassen kann ....

Albrecht Sommerfeldt ist mit seiner Geschichte um die Suche nach Vermissten aus einem ärmlichen Viertel, abseits des Glanzes der blühenden Stadt, ein überaus authentischer und packender Historischer Kriminalroman gelungen - dem der etwas sperrige, aber höchst ungewöhnliche Titel auf eine ganz besondere Weise gerecht wird.

Wer also trotz des Äußeren zu diesem Buch greift, den erwartet ein mitreißeder Kriminalfall, der den Leser, nachdem er sich erst einmal eingelesen hat in den besonderen Erzählstil mit vielen unbekannten Ausdrücken, auf eine spannende Reise mitnimmt bis zu einem fulminanten Showdown und überraschenden Ende - das den Leser aber in jeder Hinsicht zufrieden zurücklässt. Dabei macht der Autor nicht den Fehler, eine "moderne" Ermittlung zu schildern, sondern passt das "Umhören" der Hauptfigur und seine einfachen Mittel voll und ganz an seine Zeit an.

Der Erzählstil ist flüssig und bildhaft und nimmt den Leser mit in diese fremde und oftmals verstörende Welt; die zahlreich verwendeten Begriffe aus dem Rotwelschen, der Deutschen Gaunersprache, werden im Anhang übersetzt.

Oftmals hatte ich schon fast den Eindruck des Gestanks der ungewaschenen Körper, der ausgeschütteten Nachttöpfe oder der beim Gerben verwendeten ätzenden Flüssigkeiten in der Nase.

Die Figuren sind absolut authentisch, und insbesondere der im Mittelpunkt stehende Johann Gabelschlag ist mehrdimensional angelegt: unter der harten Schale des scheinbar brutalen Geldeintreibers befindet sich ein weicher Kern, der ein Herz für die Schwachen hat. Gerade die Menschen am Rande der Gesellschaft werden nicht verklärt, sondern mit der vollen Härte dargestellt und der Autor weiß mit der Wertlosigkeit eines Menschenlebens zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu schockieren. Obwohl ich durchaus gerne Thriller lese, hatte ich nach der schonungslosen Darstellung einer Schändung und Abschlachtung durchaus schlaflose Nächte.... Doch Sommerfeldt weidet sich nicht an der Unbarmherzigkeit der Taten, sondern gerade ihre Selbstverständlichkeit verursacht Gänsehaut und weckt Verständnis für viele Handlungen.

Der Schauplatz der Handlung liegt in der aufblühenden Hansestadt Hamburg; die dunklen Twieten, die Fleete und viele bekannte Orte lassen sich unschwer von mehr oder weniger Ortskundigen wiedererkennen - und geben einen besonderen Bonus für Hamburg-Liebhaber.

Ein besonderes Augenmerk legt der Autor auf
+ das Rotwelsche
+ die damals existierenden Randgruppen und Außenseiter
+ die Dreckapotheke und Leichenmedizin, die im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit als Heilmittel eingesetzt wurde.
All diese Themen sind gut recherchiert und im Anhang noch einmal gut zusammengefasst und erklärt, so dass ich einiges dazu lernen konnte.

Erwähnenswert ist auch das Thema "Religion", denn auch die Stellung und Rolle der Juden als ungeliebte Außenseiter sowie - sehr interessant - die Protestantische Kirche mit ihrer Weltanschauung wird besprochen und kommt nicht wirklich gut weg dabei.

Für mich ist "Von Huren, Bettlern und Glunterschratzen" ein herausragender HIstorischer Roman, der nicht nur spannend und unterhaltsam ist, sondern einen ungeschönten Blick wirft auf die beginnende Neuzeit, ohne Romantisie

Bewertung vom 31.01.2021
Scheunenkinder / Fräulein Gold Bd.2
Stern, Anne

Scheunenkinder / Fräulein Gold Bd.2


sehr gut

Nachdem die frei schaffende Hebamme Hulda Gold zu einer jüdischen Schwangeren ins Berliner Scheunenviertel gerufen wurde, verschwindet das Neugeborene nach einer schwierigen Geburt von der Bildfläche. Doch Hulda wäre nicht die tatkräftige Frau, die jedem Rätsel hinterherspürt, wenn sie die Mauer aus Schweigen so hinnehmen würde. Ihre hartnäckigen Ermittlungen führen sie über viele Geheimnisse auf die Spur von Kinderhändlern und schließlich ist sie selbst in höchste Gefahr ...

Die waschechte Berlinerin Anne Stern hat mit "Scheunenkinder" ihren zweiten Roman um die tatkräftige Hebamme Hilda Gold vorgelegt, der sich auch problemlos ohne Vorkenntnis des ersten Bandes lesen lässt.

In ihrem Werk führt sie uns zurück in das farbenfrohe Berlin der aufregenden 20er Jahre und erschafft ein eindringliches Sittengemälde dieser wilden, aber auch schwierigen Zeit. Auf anschauliche Weise gelingt es Anne Stern, die Deutsche Geschichte - und hier gerade auch den sich verstärkenden Judenhass, die Zwiespältigkeit der Polizei, aber auch die wirtschaftlichen Probleme und die Verknappung der Lebensmittel - ihren Lesern zu veranschaulichen.

Die Figuren sind dabei absolut authentisch, durchaus mehrdimensional und wachsen dem Leser mit all ihren Ecken und Kanten ans Herz. Mir gefällt sehr, wie nachvollziehbar die Handlungen sind, selbst oder auch gerade vor den Umständen einer so anderen Zeit, in der wir uns befinden. Gerne habe ich mitgefühlt und -gelitten und hatte ständig ein buntes Kopfkino beim Lesen.

Absolut stimmig für mich ist, dass die moderne und emanzipierte Hulda Gold dabei auch keine klassische Liebesgeschichte erlebt, sondern auch ihre Beziehungen zu den Männern nicht gerade einfach, sondern eben auch von den Problemen der Zeit geprägt sind.

Eine wichtige Rolle spielt auch das Setting, und es lässt sich erspüren, wie sehr Anne Stern die Metropole "Berlin" liebt und hier gut recherchiert hat, so dass man sich mittendrin fühlt in dieser brodelnden Stadt.

In einer Mischung aus historischem Roman und Krimi kommt die Spannung nicht zu kurz und die Autorin legt einige Fährten, bis am Ende alles zu einem großen Showdown kommt und schließlich alle losen Fäden zu einem befriedigenden Ende führen. Für mich war jedoch der Geschichtsaspekt noch faszinierender und ich habe die gesamte Atmosphäre komplett aufgesogen.

Ich freue mich bereits auf den nächsten Band, um Hulda Gold wieder auf ihren Wegen in den goldigen Zwanzigern begleiten zu dürfen.

Bewertung vom 19.01.2021
Zugvögel
McConaghy, Charlotte

Zugvögel


sehr gut

Wir befinden uns in einer Welt in der Zukunft, in der das Artensterben weit vorangeschritten ist. Die Ornithologin Franny hat ein paar Küstenseeschwalben mit Sendern ausgestattet, um ihnen auf ihrem vermutlich letzten Vogelzug zu begleiten. Dazu heuert sie auf einem der letzten existierenden Fischerboote an und findet sich inmitten einer exzentrischen Crew wieder, der Gewalt des Meeres ausgeliefert, nur mit den Vögeln als Kompass, und gerät schließlich selbst in Lebensgefahr.

Der Debütroman "Zugvögel" von Charlotte McConaghy ist eine DYstopie, die mich auf besondere Weise berührt hat. Zugegeben: Anfangs wurde ich nicht mit dem Buch warm, konnte keinerlei Zugang zu der merkwürdigen Franny finden und hielt mich nur anhand des wundervollen Schreibstils bei der Stange. Doch mit Fortschreiten der Geschichte wurde ich immer tiefer hineingesogen in die Welt und vor allem die Gefühle der Ornithologin.

Erst nach und nach wird die Erzählsituation deutlich und die Handlung springt zwischen verschiedenen Zeiten hin und her, so dass der Leser hier gefordert ist.

Obgleich von Beginn an klar ist, dass etwas Schlimmes mit Franny passieren wird ("Wenn ich in der Antarktis angekommen bin und meine Wanderung beendet ist, dann werde ich sterben"), ohne dass dem Leser die Hintergründe dazu klar sind, besteht nur sehr wenig Spannung; die Erzählung fließt leise vor sich hin. Dabei gibt es allerdings schon immer wieder Aufregungen und einzelne Zeitabschnitte werden geschickt miteinander verwoben - bis hin zu einer völlig überraschenden Wendung am Ende.

Wirklich besonders ist in diesem Debütroman der Schreibstil. Trotz meiner anfänglichen Distanz gelang es McConaghy, mich tief zu berühren und viele Sätze habe ich allein wegen ihrer Schönheit und Ausdrucksstärke mehrfach gelesen! Die Poesie der Sprache wird dabei jedoch niemals kitschig oder gleitet ins Melodramatische ab, was für mich ganz große Erzählkunst ist.

Die Figuren sind ausnahmslos ungewöhnliche, wenn nicht gar exzentrische Persönlichkeiten, die allesamt Sonderlinge, die nicht in die Welt passen. Dabei sind sie genau gezeichnet und scheinen mit einer besonderen Liebe der Autorin versehen zu sein und werden so auch immer liebenswerter.
Insbesondere die Hauptfigur ist extrem schwierig und kompliziert in ihrem Dasein, das von zahlreichen Verlusten und Ängsten getragen ist, dabei jedoch immer sehr authentisch und mehrdimensional. Lange Zeit hatte ich Probleme mit ihr, da sie mir absolut unsympathisch war und ihre Mission mir unverständlich.

Die Dystopie entwickelt sich dann immer mehr zu einer besonderen Liebesgeschichte, die sich ebenfalls vom Gewöhnlichen abhebt und einen neuen Weg geht. Und hier beginnt auch langsam das Verständnis für Franny und ihre Eigenarten, die auf anrührende Weise ans Herz gehen.

Doch auch das Artensterben, die Zerstörung der Natur durch die Menschen und die Umweltprobleme und der Klimawandel werden mehr wie deutlich, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger dargestellt zu werden, was sie ungleich einprägsamer macht.

Ich bin froh, dass ich das Buch nicht zur Seite gelegt habe und vergebe für die berührende, poetische Geschichte der Zugvögel und der Ornithologin Franny vier Sterne. Ein absolut lesenswertes Buch, das den Leser allerdings herausfordert.

Bewertung vom 19.01.2021
Jakobs Weg
Trauboth, Jörg. H.

Jakobs Weg


ausgezeichnet

Jörg H. Trauboth, international tätiger Krisenmanager und ehemaliger Generalstabsoffizier der Luftwaffe, Notfallseelsorger und gefragter Experte, hat mit "Jakobs Weg" seinen vierten Roman auf den Weg gebracht, in dem er sich dem Thema der "sexualisierten Gewalt an Kindern" beschäftigt. Die in der Presse immer wieder nur kurz auftauchenden Schlagzeilen über Pädophile und die Tatsache, dass die herrschende Corona-Pandemie mit häuslicher Isolation zu vermehrtem Missbrauch führt, machen es wichtig, sich mit diesen Problemen genauer auseinanderzusetzen.
Trauboth hat, um das Thema "lesbarer" zu machen und so einer breiteren Masse zuzuführen, als Genre hier nicht das Sachbuch, sondern den Krimi gewählt. Dabei vermag er es geschickt, zahlreiche Fakten und wichtige Informationen in den Text einzuarbeiten und dem Leser so auf leichte Art eine Menge an Fachwissen zu vermitteln. Gleichzeitig gelingt es ihm, die Grausamkeit der sexualisierten Gewalt oftmals nur so anzureißen, dass die Perversitäten nicht ausgeschlachtet werden, sondern sich Handlungen oftmals nur im Kopf des Lesers abspielen, der hier nicht zum Voyeur wird und das Grauen nicht bis ins kleinste Detail nachlesen muss. Doch auch so lief es mir bei der Lektüre immer wieder kalt den Rücken hinunter und der "Mord an der Seele" der Kinder macht mich sprachlos. Deutlich wird, wie aus Opfern später selbst Täter werden, welches Geschäft hinter dem Grauen steht und mit welchen großen Problemen die Polizei bei der Aufklärung der Verbrechen zu kämpfen hat.

Am Ende wendet sich Trauboth noch in einer persönlichen Angelegenheit an die Leser und erläutert seine Motivation als Autor für dieses Buch, mit dem er das Thema des Missbrauchs aus der Tabuecke herausholen will sowie Menschen aufrütteln und animieren, genau hinzuschauen - was ihm interessanterweise schon mit dem Cover gelingt, das, neben dem Titel, den gelben Pfeil des Jakobsweges auf einer rauen Baumrinde zeigt. Überaus gelungen! Ergänzend gibt es am Ende auch noch konkrete Informationen für Erste Hilfe und Anlaufstellen, was das Buch absolut abrundet.
Trauboth hat ausnehmend gut recherchiert und sich in das Thema nicht nur sachlich, sondern auch mitfühlend eingearbeitet und nimmt den Leser mit.

Trotz der vielen Sachinformationen ist der Krimi spannend von Anfang bis Ende und ein wahrer Page-Turner, den ich nicht aus der Hand legen wollte. Viele Fragen ergaben sich und beschäftigten mich lange mitzurätseln nach Tätern und Motiven und mitzufiebern mit dem Gelingen der Operation bis zu einer überraschenden Wendung am Schluss.
Ich bin sehr glücklich, dass dieser Krimi zu einem ruhigen und doch einigermaßen glücklichen Ende findet, so dass ich mit Hoffnung in die Zukunft blicken kann und mich keine Albträume plagen.

Wieder einmal mehr hat sich der Autor intensiv mit seinen Figuren auseinandergesetzt und erweckt diese vor den Augen des Lesers zum Leben. Ihr Handeln ist authentisch, sie sind mehrdimensional und ihr Schicksal bewegt in jeder Richtung - und das auch, wenn man sie nicht unbedingt mögen muss.

Last not least ist auch das Setting von besonderer Bedeutung und ergibt ein drittes Genre, das genannt werden muss neben Krimi und Sachbuch: Der Reiseführer. Durch die intensive Beschäftigung mit den Etappen des Camino Francés (sehr schön dazu auch die Grafik am Anfang des Buches) habe sogar ich Lust bekommen, auf dem Jakosweg zu pilgern und viele Eindrücke zu erwandern.

Für mich ergibt sich hieraus eine klare 5-Sterne-Bewertung, denn dieses Buch ist absolut herausragend und ich kann die Lektüre einfach nur klar empfehlen: Bitte unbedingt lesen und Konsequenzen ziehen!!!
Allerdings möchte ich eine Triggerwarnung aussprechen für Missbrauchsopfer, selbstverletzendes Verhalten, suizidale Gedanken u.a.

Bewertung vom 10.01.2021
Ein Lied in der Nacht (eBook, ePUB)
Zellner, Ingrid; Dorra, Simone

Ein Lied in der Nacht (eBook, ePUB)


sehr gut

Ex-Agent Vikram Sandeep führt mit seiner Frau Sameera, Traumatherapeutin, das Waisenhaus Dar-as-Salam im politisch instabilen Kashmir. Als einer ihrer Schützlinge in einem Zeitungsartikel über eine hochrangige Persönlichkeit einen seiner Peiniger entdeckt, beschließen Vikram und Sandeep, gemeinsam mit ihrem Freund Raja Sharma, einem Kinderschänderring das Handwerk zu legen. Dabei geraten sie nicht nur in höchste Gefahr, sondern durch das Auftauchen eines Mannes aus Vikrams Vergangenheit scheint auch die tiefe Freundschaft zwischen den FAmilien zu zerbrechen ....

"EIn Lied in der Nacht" ist bereits der fünfte Band der KASHMIR-SAGA um das Waisenhaus Dar-as-Salam und die befreundeten Familien von Vikram und Sameera und Raja und Sita, in denen die beiden tollen Autorinnen Simone Dorra und Ingrid Zellner nicht nur eine tief emotionale Familiensaga ersonnen haben, sondern auch das ferne Kashmir mit seinen großen Problemen den Lesern näherbringen. Gerade die politische Instabilität, die Ablösungsbestrebungen von Indien und die daraus resultierenden Probleme verdienen ein Hingucken der westlichen Welt!
Natürlich lässt sich dieser Band auch lesen, ohne die vorhergehenden Bücher zu kennen; durch das Personenverzeichnis und die vielen Rückblenden und Gespräche ist das Geschehen absolut nachvollziehbar. Schöner ist natürlich der Einblick in das große Ganze, die ganzen Entwicklungen und Verflechtungen - und die bildgewaltige Saga verdient auch das Lesen der kompletten Reihe.

Langsam und ruhig beginnen die beiden Autorinnen diesen Roman, als das Schicksal von völlig unerwarteter Seite zuschlägt. Die scheinbare exotische Idylle, die der Leser begierig aufsaugt, schlägt schnell ins Gegenteil um und nichts bleibt, wie es ist. Besonders erscheint in diesem Band auch, dass die eingeschworenen Familien diesmal nicht nur gegen die bösen Mächte außerhalb kämpfen, sondern auch ihre Freundschaft, der sichere Boden der Saga, in Gefahr gerät. Dabei werden die Leser konfrontiert mit der Frage nach Schuld und Sühne und müssen sich hier auch mit ihren eigenen Einstellungen auseinandersetzen.

Und Simone Dorra und Ingrid Zellner können auch "Krimi" - wenn die Ermittlungen zur Zerschlagung des Kinderschänderrings in atemberaubender Spannung den Leser voran treiben!

Obwohl es sich um eine Familien-Saga handelt, steht für mich doch immer das Land Kashmir im Mittelpunkt - dieses fremde Land zwischen exotischer Schönheit und innerer Zerrissenheit, zwischen Moderne und Tradition, zwischen Menschlichkeit und unvorstellbarer Brutalität. DAbei haben die Autorinnen nicht nur sehr gut recherchiert, sondern lassen ihre eigene Liebe zu diesem Land in jeden Satz einfließen.

Zum Glück gibt es ein ausführliches Glossar am Ende des Buches, so dass die fremden Begriffe genau erklärt werden. Dennoch hatte ich auch immer wieder Lust, weiter zu recherchieren und mehr zu erfahren, so dass ich viel lernen konnte.

Das Thema "Kindesmissbrauch" ist für sich genommen sehr schwer zu verkraften, doch ersparen uns Dorra/Zellner oft die wirklich schmutzigen Details, so dass es aushaltbar bleibt, darüber zu lesen. Unfassbar, wie rückständig die Gesetzeslage dazu in Indien und Kashmir ist!

Die Figuren sind mit sehr viel Liebe authentisch und mehrdimensional gezeichnet und ich konnte mit allen mitfiebern und mitfühlen; alle scheinen mir lebensecht zu begegnen und in Gesprächen erscheinen sie wie gute Bekannte oder gar Freunde, und das erlittene Leid fühlt sich fast an wie eigener Schmerz. Sehr schön, wie sie sich auch mit den Büchern weiterentwickeln und immer wieder neue Facetten kenntlich werden.

Und nur deshalb verzeihe ich dem Autorinnenpaar den fiesen Cliffhanger, der mich schon wieder sehnsüchtig auf den 6. Band warten lässt!

Bildgewaltig, emotional, ergreifend, spannend, nachdenklich, lehrreich - natürlich muss ich da eine Leseempfehlung aussprechen!

Bewertung vom 04.01.2021
Permanent Error
Land, Karl-Heinz;Schulze Bölling, Leonie

Permanent Error


sehr gut

Der stets neugierige Wirtschaftsjournalist Michael Baker soll von einem Freund und Informanten brisante Informationen erhalten, doch dieser wurde ermordet und Baker gerät selbst unter Mordverdacht. Durch seine Recherchen beschäftigt er sich mit dem Diesel-Skandal bei VW, der Regenwald-Mafia, Monsanto und Korruption und wird tief hineingezogen in den Sumpf der Konzerne und Politiker, bis er schließlich den grundlegenden Irrtum in unserem System erkennt.

Karl-Heinz Land und Leonie Schulze Bölling beschäftigen sich in ihrem genreübergreifenden "Inspirationskrimi" mit den Problemen unserer Zeit. Keinem Leser werden die - hier sehr gut recherchierten und ausgezeichnet nachvollziehbar aufgezeichneten - Skandale gänzlich unbekannt sein. Und auch, wenn nicht immer eindeutig ist, was Realität ist oder war oder was Fiktion - der Leser kommt auf höchst unterhaltsame und spannende Art mit dem Diesel-Skandal, der Monsanto-Problematik und der südamerikanischen Regenwald-Mafia in Kontakt. Doch die Autoren belassen es nicht einfach bei der Problematik, sondern sie wecken Verständnis für die "normalen" Menschen, die kriminell agieren und zeigen sogar Lösungsansätze des "permanten Irrtums" auf.

Die Figur Michael Baker steht dabei im Zentrum des Entdeckens und Aufklärens und nimmt den Leser mit auf ein großes Abenteuer. Er wie auch die weiteren Figuren sind dabei authentisch und nachvollziehbar gezeichnet und ich konnte gut mitfiebern.

Trotz der vielen Sach-Aspekte verlor die zugrunde liegende Krimihandlung nicht an Spannung; der an den Missständen unserer Zeit interessierte Leser wird tief hineingesogen in die spannende Aufarbeitung der Themen.
Warum Elektroautos keinesfalls zukunftstauglich sind, wieso trotzdem in diese Art der Mobilität investiert wird und wer davon profitiert, bzw. welche Alternativen sinnvoll sind, ist dabei nur ein Beispiel für die wichtige Aufklärung, die Karl-Heinz Land mit seinem Werk betreibt.

Sprachlich begann das Buch für mich leider etwas unrund, sodass ich die Lektüre anfangs fast abgebrochen hätte, was wirklich ein großer Verlust gewesen wäre - doch deshalb kann ich leider "nur" vier Sterne vergeben, obwohl ich diesen Krimi für unbedingt lesenswert halte und ihn allen geneigten Lesern dringend weiterempfehlen möchte!

Bewertung vom 04.01.2021
Paracelsus - Auf der Suche nach der unsterblichen Seele
Schmid, Eva-Isabel

Paracelsus - Auf der Suche nach der unsterblichen Seele


sehr gut

Theophrastus Bombast von Hohenheim, von seinen Freunden scherzhaft "Paracelsus" genannt, lebt und studiert an der ältesten Universität der Schweiz, in Basel Medizin. Allerdings macht er sich über die meisten Vorstellungen der Ärzte im 16. Jahrhundert lustig; vor allem sieht er einen ganzheitlichen Ansatz in der Medizin und ist darum auf der Suche nach der menschlichen Seele, um so den Kranken besser helfen zu können. Während seine Forschungen an Toten zunächst von der Wissenschaft und der Kirche gefödert werden, ändert sich - nicht nur für Paracelsus - alles, als ein neuer machtbesessener und äußerst brutaler Bischof das Sagen in der mittelalterlichen Stadt hat. Denn während dieser bereits das Aufschneiden von Leichen als Blasphemie betrachtet, wendet sich der Arzt tatsächlich dem Okkultismus zu, um sein höheres Ziel zu erreichen und wird so schließlich verfolgt und muss fliehen. Und auch seine Freunde gelangen ins Visier des Bischofs....

"Paracelsus - Auf der Suche nach der menschlichen Seele" ist der Auftakt einer historischen Reihe um den wohl berühmtesten Arzt Europas, Alchemist und Naturphilosoph Paracelsus.

Eva-Isabel Schmid hat sehr gut recherchiert und bringt dem Leser auf höchst unterhaltsame Weise das historische Leben des 16. Jahrhunderts nahe. Verbriefte Fakten ergänzt sie dabei durch Fiktion, so dass ein buntes Bild der Protagonisten und des Lebens im Spätmittelalter entsteht. Besonders spannend fand ich dabei die - doch zumeist sehr gruseligen - Ansichten der frühen Medizin, doch Schmid schreibt über so viel mehr. Wer einen Roman ausschließlich über den großen Arzt erwartet, wird hier wohl enttäuscht werden, da die MEdizin doch nur einen recht kleinen Teil des Buches einnimmt. Spannend zeigt die Autorin das Stadtleben Basels und die Macht des Bischofs und seiner zu Widerstand mutierenden Handlungen auf.

Die Figuren sind authentisch und bilderreich geschildert; schnell bilden sich beim Leser Sympathien und Antipathien aus - und, welch Überraschung - Paracelsus ist keinesfalls der umjubelte Heilsbringer, sondern stößt mit seinen Ecken und Kanten und seiner besessenen Suche nach der menschlichen Seele auf zahlreiche Widerstände.

Während die faszinierenden Schilderungen mich sehr fesselten und eine große Spannungskurve das Buch umspannte, fanden sich ein paar kleinere Längen, die jedoch dem Lesevergnügen keinen Abbruch taten.

Das Setting liegt überwiegend auf Basel und ich habe mich in dieser - noch immer - beeindruckenden Stadt schnell wiedergefunden und konnte die Wege der Handlung gut nachvollziehen.

Mir hat die Lektüre dieses gewaltigen historischen Romans sehr viel Freude bereitet und ich habe dabei auch noch einiges lernen können!
Daher bewerte ich das Buch mit einem "sehr gut" und ****.
Eine klare Empfehlung für alle Freunde der Historischen Romane.

Bewertung vom 15.11.2020
Eiskalte Provence / Commissaire Leclerc Bd.6
Lagrange, Pierre

Eiskalte Provence / Commissaire Leclerc Bd.6


ausgezeichnet

Es geht auf Weihnachten zu und Albin Leclerc muss mit Erschrecken festellen, dass seine Lebensgefährtin Véronique ein großes Familienfest plant, was ihm gehörig gegen den Strich geht, Zudem hat sein Hausarzt eine Zyste an seiner Niere entdeckt, und so hat Leclerc quasi schon den Tod vor Augen...
Als eine Frauenleiche in einer "Borie", einer Steinhütte gefunden wird, stürzt sich der pensionierte Ermittler als Berater der Polizei in Ermittlungen, die ihn zu einer obskuren Sekte, die ´sich offenbar nicht nur um ihr eigenes Seelenheil kümmert....

Mit "Eiskalte Provence" legt Pierre Lagrange (ein bekannter Deutscher Autor, der hier unter seinem Pseudonym versteckt ist) nun schon den sechsten Fall seines kauzigen, doch höchst liebenswerten Ermittlers Albin Leclerc vor. Leclerc ist inzwischen pensioniert, was ihn jedoch nicht davon abhält, seinen Kollegen weiter unterstützend bis nervend zur Seite zu stehen. Dabei entwickelt der Autor auch die Geschichte um seine Figuren um Leclerc immer weiter fort, so dass der Leser auch in diesem Buch wieder auf vertraute und geliebte Personen stößt. Es lässt sich auch für Neuleser problemlos erst jetzt in die Reihe einsteigen, allerdings stehen einige Elemente dann ein wenig im leeren Raum, was sich aber problemlos verschmerzen lässt.

Eine besondere QUalität sind bei Pierre Lagrange die liebevoll ausgearbeiteten Protagonisten; insbesondere die Kernfigur Leclerc ist ein höchst interessanter, mehrdimensionaler Ermittler, der seinen Lesern inzwischen ans Herz gewachsen ist. Dabei ist es natürlich klar, dass neben dem eigentlichen Krimi auch immer private Geschichten von Bedeutung sind. Diesmal ist es vor allem die Auseinandersetzung mit einer vielleicht tödlichen Krankheit und der Umgang damit, vor allem aber der Kult um Weihnachten. Auf humorvolle Weise wird geschildert, wie sich Leclerc den Anforderungen seiner Partnerin, sie bei der Vorbereitung eines fulminanten Weihnachtsfestes zu unterstützen, widersetzt und zwingt so den Leser auch zum Nachdenken über dieses Fest. Selten habe ich so viel schmunzeln bis lauthals lachen müssen in einem Krimi!

Und natürlich findet sich auch eine ordentliche Portion Provence-Atmosphäre in diesem Krimi, der Fernweh weckt und schöne Gedanken an Südfrankreich aufkommen lässt. Allerdings spielt der Krimi nicht während der touristischen heißen Sommermonate, sondern im kalten und recht verlassenen Winter, was in meinen Augen eine angenehme Abwechslung zum normalen Trott darstellt.

Doch auch das Wichtigste, der Krimi, kommt nicht zu kurz. Von Beginn an besteht Spannung mit der Schilderung des Mordes über eine recht frühe Präsentation des Täters, der jedoch überraschender Weise gar nicht die Lösung des Falls ist, bis hin zum großen Showdown am Ende des Buches, das cineastische Züge hat. Während anfangs der Schwerpunkt noch mehr im Privaten liegt, nimmt die Ermittlungstätigkeit und die Spannung eine immer größere Rolle ein.

Spannend ist für mich das Thema der "Banater", der Menschen, die massenhaft aus Rumänien nach Frankreich eingewandert sind- wieder etwas gelernt! - und berührend und nachdenklich machend die religiösen Fanatiker, hier in einer kleinen unscheinbaren Sekte, die so eine große Gefahr ausüben können.

Mir hat dieser eher ungewöhnliche Krimi sehr viel Spaß gemacht und ich empfehle ihn sehr gerne weiter. Allerdings werden Hardcore-Krimi-Leser vielleicht ein wenig Schwierigkeiten mit den Nebenschauplätzen haben, wenngleich der sympathische Leclerc auch nicht in den Einheitsbrei der rauchenden, trinkenden und a-sozialen klassischen Ermittler passt.
Ich freue mich jedenfalls schon auf den siebten Fall von Commissaire Leclerc in der Provence!