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easymarkt3
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Insgesamt 875 Bewertungen
Bewertung vom 11.06.2024
Prophet Song
Lynch, Paul

Prophet Song


ausgezeichnet

Ein sehr wichtiges Lied des Propheten
Im Mittelpunkt steht eine anfangs sechsköpfige Familie in Leinster, Irland, mit Eilish Stack als in Vollzeit arbeitender Biologin und Mutter von vier Kindern, die sich auch um den dementen Vater in eigenem Haushalt kümmert. Die politische Katastrophe beginnt mit dem Verschwinden des Familienvaters Larry, einem aktiven Gewerkschafter der TUI, nach einem Kontakt mit der erstmalig aufgestellten Geheimpolizei. Durch Notverordnungen werden Verfassungsrechte wie Streiks und Demonstrationen radikal außer Kraft gesetzt, werden Befürworter der neuen Regierung und der Partei an wichtige Positionen gesetzt zwecks Machterweiterung. Bei ihren Bemühungen zum Schutz ihrer Familie zieht sich die Schlinge um deren Dasein dramatisch schnell zu unter dem tragischen Verlust weiterer Familienmitglieder. Aus Eilishs Sicht erkennt man den rapiden Verlust ihrer Freiheit und die Zerstörung ihres bisherigen Lebens. Wie dramatisch schnell sich bisherige Lebensverhältnisse ändern könnten, wird emotional in Schreibstil und Wortwahl gut beschrieben.
Der Prophet singt nicht vom Ende der Welt, sondern das Ende der Welt ist immer ein lokales Ereignis, es kommt in dein Land und besucht deine Stadt und klopft an die Tür deines Hauses und wird für andere nur eine ferne Warnung, ein kurzer Bericht in den Nachrichten………
Wie kostbar unsere Demokratie ist, die es zu beschützen gilt, kommt als klare Botschaft eindrucksvoll rüber.

Bewertung vom 08.06.2024
Kleine Monster
Lind, Jessica

Kleine Monster


sehr gut

Erinnerungen an eine mit tragischem Verlust beladene Kindheit
Im Zentrum steht Pia, die ein Kindheitstrauma bewältigt, hervorgerufen durch das Geheimnis rund um den tragischen Tod ihrer kleinen Schwester Linda und ihrer Adoptivschwester Romi. Jetzt als Mutter des siebenjährige Luca verfällt sie in eigene Kindheitserinnerungen, scheinbar hervorgerufen durch einen prekären schulischen Vorfall mit Luca, der sie mit charakterlichen Abgründen aus ihrem Elternhaus konfrontiert. Unterschiedliche Verluste durch Lindas Tod und Romis Auszug, der Schmerz für Pia ist nicht der gleiche, immer noch zu schwer zu ertragen. Denn der Satz Wir drei sind eins. spendet hier keinen Trost mehr, erst später erneut für ihre kleine Familie mit Jakob, Luca und Pia. Im Tiefgang geht es um Trauer, Ungewissheit und Schuld, gekoppelt an ein Schweigen und einer bedrückenden Stille im Elternahaus nach Lindas Tod. Reflektionen besonders über das geänderte Verhalten der Mutter seit diesem Todesfall stechen hervor mit Erinnerungen an Grimm’s Märchenerzählungen. In drei Teilen geht es auch um kindliche Lügerei und Problemverursachung wie bei dem Adoptivkind Romi. Die Boshaftigkeit von Kindern und das Austesten von Grenzen im Miteinander spielt hier eine tragende Rolle laut Buchtitel. Auch was detailliert an diesem Todestag von Linda passiert ist, muss die Hauptfigur Pia wissen zwecks klarer Verarbeitung der immanent vorhandenen Schuldgefühle und Vorwürfe in dieser Familie. Die Bewältigung dieses Dramas gelingt schließlich, wobei der fesselnde Schreibstil und die einfühlsame Wortwahl gefallen. Auch die Nebenfiguren werden realistisch dargestellt in österreichischem Ambiente.

Bewertung vom 06.06.2024
Weißglut
Quast, Tobias

Weißglut


weniger gut

Ein seltsamer Krimi
Dieser seltsame Krimi spielt mitten im finnischen Seengebiet, am Päijänne in der Nähe des kleinen Ortes Sysmä: Eher ein Fall voller Gerüchte und bekannter finnischer Sprichwörter, kein interessanter Mordfall mit Toivo Aalto als ermittelndem Kommissar. Das Setting zum Midsommer gefällt, doch die einzelnen Charaktere sind sehr gewöhnungsbedürftig, eher zu unrealistisch konzipiert: Ebenso wie die Protagonistin Sarah Fuchs aus München mit High-Heels und Gucci-Rucksack in der Natur unterwegs oder Onni Järvinen, einem Doktoranden aus Helsinki am Institut für finnische Mythologie und Religionslehre mit Asperger-Syndrom wirkt letztlich auch der Kommissar zu unrealistisch und wenig überzeugend. Die Spannungskurve wird auch nicht durch weitere Figuren wie Ilvi oder Jaro gestraffter, da einfach konstruktive Ermittlungsansätze vermisst bleiben in den Handlungssträngen um Sarah, Onni und dem Mörder. Die ganze Geschichte voller Missverständnisse, Gerüchte und Verdächtigungen wirkt anfangs komisch, schweift aber ab ins Absurde und Unglaubwürdige. Mehr Hintergrundinformationen zur vermissten Statue, zur sogenannten Öberg-Theorie und zum Kalevala, dem finnische Nationalepos wären interessant gewesen.

Bewertung vom 04.06.2024
Seinetwegen
Del Buono, Zora

Seinetwegen


gut

Kein rundes, harmonisches Leseerlebnis.
Im Mittelpunkt steht hier die späte Suche nach 60 Jahren um Informationen rund um den tödlichen Autozusammenstoß des Vaters. Diese mühsame Recherche nach dem damaligen, 1963 verurteilten Fahrer führt ins ländliche Ambiente rund um St. Gallen, Uznach, Kaltbrunn. Bruchstückhaft erfährt man nicht nur mehr über den damals jungen Unfallverursacher E. T., sondern auch die Familiengeschichte der Autorin wird angerissen in einigen Rückblicken. Aufgelockert eingeflochten sind Familienfotos, Kaffeehausgespräche, Informationen zu verschiedenen Unfallstatistiken und ähnlichem, Gedanken zum Weiterleben mit Schuldgefühlen. Angerissen werden auch Exkurse zu Hexenverfolgung, Homosexualität etc., die eher zu sehr von dem unglücklichen Tod des Vaters ablenken, der für die nun 60-jährige Tochter und Autorin wohl immer noch ein Unbekannter ist. Emotional besteht nur ein gutes Verhältnis zur jetzt dementen Mutter, der dieses Buch auch gewidmet ist. Wie der Täter E. T. nun in seinem Leben mit dieser Schuld gelebt hat, wird leider zu kurz rein informativ anhand von Kontakten mit Dritten erwähnt. Zu sprunghaft ist die Aneinanderreihung von Gedanken und Informationen, um einen durchgängigen roten Faden spannen zu können.

Bewertung vom 02.06.2024
Der 1. Patient / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.4
Schwiecker, Florian;Tsokos, Michael

Der 1. Patient / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.4


ausgezeichnet

Ein besonderes Tötungsdelikt, in das KI verwickelt ist – sehr realistisch präsentiert.
Das Cover mit roten Akzenten assoziiert man gut mit Blut. Das viele Weiss in Hintergrund und Kopfbedeckung der agierenden Person erinnert passend an klinisch hygienisches Krankenhausklima. Das technische Equipment lässt auch an ein verdächtiges KI-System glauben. Das sinnvoll kreierte Cover - sowohl farblich als auch gegenständlich - könnte sehr auf einen ebenso kreativen Kriminhalt schließen.
Das gemeinsame Abenteuer in diesem scheinbaren Arzthaftungsfall so nah an der Realität, zusammen mit Strafverteidiger Rocco Eberhardt und Rechtsmediziner Doktor Justus Jarmer, ist voller Insiderwissen aus multiplen Bereichen. Mit ihren ganz unterschiedlichen Charakteren sorgen beide Figuren über ihren beruflichen Bereich hinaus für gelungene, spannende Szenen bei der Ermittlungsarbeit in Berlin. Im Zentrum steht künstliche Intelligenz vor allem mit ihren großen Vorteilen im Gesundheitswesen, dass eine gute Versorgung der immer älter werdenden Bevölkerung kaum noch bewerkstelligen kann. Thematisiert werden ebenso die Macht der Medien sowie die Wichtigkeit von verbesserten Forschungsprojekten im KI-Bereich. Bis zum spannenden Showdown geht es um ein intelligent verschleiertes Tötungsdelikt, bei dem der 1. Patient nach dem empfohlenen Behandlungsplan von KI verstirbt.

Bewertung vom 31.05.2024
Aufbruch in eine neue Welt / Savannah Bd.1 (eBook, ePUB)
Wilke, Malou

Aufbruch in eine neue Welt / Savannah Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein junges Leben voller Abenteuer – interessant aufbereitet.
Im Zentrum dieses historischen Romans steht Nellie Bernstein, die ab 1732 als unverheiratete, vergewaltigte schwangere Frau aus Preußen über Wedensen, Rotterdam und Dover zusammen mit weiteren Deutschen, Salzburgern und verschuldeten Engländern schließlich in Savannah die neue Kolonie Georgia aufbauen unter dem britischen General James Edward Oglethorpe. In vier Teilen geht es zunächst in Savannah um den mühsamen Aufbau der Kolonie auf dem Gebiet eines friedlichen Indianerstamms mit deren König Tomochichi. Diese Siedlungsgeschichte und auch weiterer Siedlungen wie Ebenezer erzählt von Krankheiten wie Durchfall, Malaria und Skorbut. Nur die Hälfte der Auswanderer überlebt die ersten drei Jahre. Erst einige Jahre später kann die erste ausreichende Ernte eingefahren werden. Auf Baumwoll- und Maulbeerplantagen werden auch schwarze Sklaven bei großem Arbeitskräftemangel eingesetzt, was zu moralischen Konflikten innerhalb der Gemeinschaft führt. Die veränderten Lebensumstände in dieser Wildnis sind einfühlsam in vielen Details eingefangen. Die Einheimischen und ebenso die Auswanderer aus diesem bunten Mix der hier friedlich versammelten Kulturen und Glaubensrichtungen gefallen charakterlich, zeigen verständliche menschliche Schwächen in all diesem Gottvertrauen und der großen Hoffnung auf ein sichereres Leben fern der Heimat. Der Folgeband lässt auf weitere geschichtliche Facetten im Kampf gegen die in Florida siedelnden Spanier hoffen. Das Cover versprüht das sommerliche Ambiente von einladender, üppiger Natur rund um den Savannah-River.

Bewertung vom 29.05.2024
Man sieht sich
Karnick, Julia

Man sieht sich


sehr gut

Freundschaft oder doch endlich Liebe
Vom Sommer 1988 bis März 2023 erzählt dieser Roman von Friederike und Robert, angefangen mit der Schulzeit in der Oberstufe, über ihre verschiedenen, sehr realistisch beschriebenen Lebensumstände, gefolgt von tiefgehenden Erfahrungen nach der Abi-Zeit und während des Studiums. Robert, immer noch in stiller, glühender Verliebtheit in Frie gefangen, erlebt mit Herrn Self und seinen Casinobesuchen während seiner Zivi-Zeit und mit seiner Band während des Musikstudiums in Hamburg eine befreiende Phase weg von seiner immerzu kranken Mutter und der Telefonseelsorge. Dagegen gestaltet sich das Erwachsenwerden von Friederike zunächst als Au-Pair in Australien und dann als Jurastudentin zumindest finanziell bedeutend leichter. Immer schwingen bei gelegentlichen Treffen der Beiden ehrliche, nachdenkliche Gespräche nicht nur über Sex mit, sondern auch über schlechte Erfahrungen von Hausfrauenehen, über den Alltag allein erziehender, berufstätiger Mütter. Enttäuschungen und Sehnsüchte in einer Paarbeziehung werden einfühlsam thematisiert wie auch der Sex und körperliche Alterserscheinungen jenseits der fünfzig. Neben der bunten Palette an detailliert beschriebenen Charakteren gefällt der angenehme Schreibstil, der ein sympathisches Ambiente mit abschließenden Urlaubseindrücken aus Südtirol heraufzaubert. Insgesamt eine interessante Zeitreise.

Bewertung vom 27.05.2024
Am Himmel die Flüsse
Shafak, Elif

Am Himmel die Flüsse


sehr gut

Eine interessante Zeitreise
Vergangenheit und Gegenwart treffen hier zusammen in einem in mehrfacher Hinsicht interessanten Roman, der nicht nur über menschliche Schicksale erzählt, sondern diese kreativ verknüpft mit aktuellen und jahrhundertealten religiösen und politischen Konflikten. Auf drei Zeitebenen agieren drei Hauptfiguren, die mithilfe der drei Atome von Wasser, nämlich H-O-H, die Welt des Königreichs Assyrien in mehrfacher Hinsicht lebendig werden lassen. Narin, Zaleekhah, Arthur sind 2018 nach Fertigstellung der Talsperre am Tigris mit ihren Schicksalen vereint. Assurbanipal als Herrscher über das wohlhabendste Imperium der gesamten Welt spielt mit seiner riesigen Bibliothek in Ninive, der Hauptstadt Mesopotamiens, eine gewichtige Rolle. Das dort befindliche Gilgamesch-Epos fesselt Arthur, der 1840 am Ufer der Themse geboren wird. Neben seinem beachtlichen Lebensweg gesellt sich 2018 Zaleekhah, Hydrologin, dazu, auf einem Hausboot auf der Themse lebend. Und schließlich geht es 2014 um Narins eigener Vertreibung aus Hasankeyf am Tigris wegen eines Dammbauprojektes der türkischen Regierung. Das Leben der Eziden, einer Minderheit im osmanischen Reich, kein »Volk der Schrift«, deren Sitten und alten Künste werden lebendig beschrieben. Historische Figuren und tatsächliche Geschehnisse wie z.B. Dr. John Snow und seiner Entdeckung in Bezug auf Cholera oder das Flusspferd Obaysch, das ein osmanischer Pascha den Engländern schenkte, sind eingeflochten. Thematisiert wird auch die Frage, ob ausländische Museen wie das Britische Museum und reiche Privatleute überhaupt Besitz an dem kulturellen Erbe wie hier den Kunstschätzen aus Ninive anmelden können. Ein interessanter Roman über Ninive und seine kulturellen Überreste, angedockt an die lange Reise eines Regentropfens.

Bewertung vom 24.05.2024
Wallanders erster Fall / Kurt Wallander Bd.1
Mankell, Henning

Wallanders erster Fall / Kurt Wallander Bd.1


gut

Dieses Buch enthält fünf Kurzgeschichten, 1999 in Schweden erschienen, 2002 in deutscher Ausgabe. Dass mittlerweile die Ermittlungsarbeit der Kriminalpolizei durch das Internet, Mobilfunk, DNA-Abgleiche etc. bedeutend anders gestaltet ist, fällt sofort auf. Der erste Fall spielt in Malmö um 1969, die letzte Kurzgeschichte spielt in Ystad um 1989. Neben den familiären Umständen mit seinem malenden Vater, Ehefrau und Tochter geht es um sehr knifflige Mordaufklärungen, bei denen sich Wallander immer wieder leichtsinnig in Gefahr begibt. Die einzelnen Aufklärungsergebnisse sind gut nachvollziehbar, der Schreibstil ist dabei nüchtern, sachlich, ein wenig spannungsarm. Kurt Wallander kommt mit seinen Schwächen und Unsicherheiten in Bezug auf seine Mitmenschen sehr menschlich und sympathisch rüber. Dieser Rückblick in ein Schweden lang vergangener Zeit ist auch jetzt noch interessant.

Bewertung vom 22.05.2024
Die Sache mit Rachel
O'Donoghue, Caroline

Die Sache mit Rachel


sehr gut

Mehr als nur Homosexualität in Irland
Das Cover mit breitem Rahmen und Buchtitel in Pink spricht sicher jüngere Leserschaft an. Zu Beginn des Romans beschreibt Rachel als Redakteurin bei der Hibernian Post, einer Zeitung für Iren in Großbritannien, die Toy Show , eine spezielle Ausgabe der irischen Chatshow The Late Late Show. Die Toy Show schweigt jährlich auf RT One Ende November oder Anfang Dezember, um mit der Weihnachtseinkaufssaison zusammenzufallen, und zeigt die beliebten Spielzeuge des Jahres, wie sie vom Gastgeber präsentiert und von verschiedenen Kindern auf der Bühne zusammen mit Auftritten von prominenten Gästen demonstriert werden. Als schwangere Journalistin schreibt sie Artikel über die Abtreibungsdebatte in Irland, interviewt Aktivisten, Menschen von Marie Stopes International für Familienplanung, Menschen, die ihre Töchter und Frauen durch Komplikationen bei der Entbindung verloren hatten. Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und gleichgeschlechtliche Ehe war in Nordirland als einem der letzten Länder in Europa verboten, während in Großbritannien Schwangerschaftsabbrüche seit 1967 und die Ehe gleichgeschlechtlicher Partner seit 2014 legal sind. Auch die Finanzkrise in Irland spielt im Roman eine wichtige Rolle mit 16 Banken und Immobiliengesellschaften auf der Suche nach staatlichen Kapitalspritzen. Neben diesen historischen Fakten geht es um komplexe Beziehungen, enge Freundschaften, Wirren in der ersten Liebe mit interessanten Twists. Der Schreibstil lässt die Entwicklung zwischen den verschiedenen Charakteren subtil erblühen, was auch für spannende Rückblicke im Irischsein generell und im Irischsein im Ausland zulässt. Die Szenerie spielt im katholischen, irischen Cork um 2010 mit seiner homosexuellen Kulturszene und in London und New York ab 2011. Ein interessanter geschichtlicher Rückblick ummantelt von emotionalen und finanziellen Konflikten.