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MarcoL
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Füssen

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Insgesamt 203 Bewertungen
Bewertung vom 07.02.2021
DAVE - Österreichischer Buchpreis 2021
Edelbauer, Raphaela

DAVE - Österreichischer Buchpreis 2021


ausgezeichnet

Dave von Raphaela Edelbauer aus dem Klett-Cotta Verlag

„Wenn Erinnern ein Wiedererleben des Vergangenen ist, wie können wir dann die Realität vom Gedächtnis unterscheiden? Nur in dem wir wieder das Gedächtnis konsultieren – ein Paradoxon“
Dieses kleine Zitat auf Seite 418 ist für mich ein Schlüssel zum ganzen wunderbaren Buch.

Die Erde so wie wir sie kennen existiert nicht mehr. Die Oberfläche des Planeten ist unbewohnbar, die große Katastrophe eingetreten. Die Menschen leben in gewaltigen Klötzen aus Beton, die Stockwerke eingeteilt in die gesellschaftlichen Klassen von bettelarm und billig ausgebeutet bis zur Upper-Class. Zumindest in dem Punkt hat sich nicht viel verändert.
Im Herz eines solchen Betonwürfels schlummert Dave, wird seit Jahren, wenn nicht Generationen mit Daten gefüttert. Es soll ihm eine KI, eine künstliche Intelligenz, ja ein künstliches Bewusstsein einprogrammiert werden damit er eine Lösung für all die Probleme der Menschheit findet.
Syz ist Programmierer, hochbegabt und intelligent, schreibt seit Jahren sogenannte Scripts – Alltagsroutinen an denen der Computer lernen soll. Er bemühte sich oft um eine Beförderung und wird immer abgelehnt, erst als er schon nicht mehr daran glauben mag kommt die ersehnte Chance. Er darf Dave mit seinen Erinnerungen füttern und kommt so sehr nahe in das Allerheiligste des Cubes. Die Zeit der Fertigstellung rückt näher, der Release kommt in greifbare Nähe.
Doch Syz kommen Bedenken, leichte Zweifel – wird Dave wie er, oder umgekehrt? Wird der Computer menschförmig, oder die Gesellschaft computerförmig? Wie überzeugend ist letztendlich eine KI, oder wie dumm und leicht zu täuschen ist die Gesellschaft?
Die Autorin spielt hier in dieser Dystopie mit Gedanken, Erinnerungen, an das was war oder was sein könnte. Während des Erzählens kommen Fetzen, Bruchstücke scheinbar aus anderen Leben, Welten der Protagonisten daher. Es baut sich hin und wieder eine faszinierende Surrealität auf und entlockt dem Leser in all dem Gewirr von Fachausdrücken und sehr kurzen Abschweifungen in die Privatsphäre von Syz und seinen Freunden wüstenhafte Bilder, leere Gedankenbilder die sich in einen holographischen Wirbel rund um die Hauptgeschichte zu drehen beginnen.
Was ist der Mensch? Was bedeutet es Mensch zu sein? Wo steuern wir letztendlich das Schiff „Erde“ tatsächlich hin?; denn die Wand steht schon da und wartet auf den unausweichlichen Aufprall, dessen Heftigkeit wir noch ein wenig zu beeinflussen vermögen.
Und letztendlich – um an das eingangs erwähnte Zitat zurück zu kommen – die Welt der Gedanken ist derart komplex, wird es jemals tatsächlich möglich sein einer Maschine ein Bewusstsein, und somit eine Seele einzuhauchen? Und wenn ja, wer kontrolliert dann die Maschine – oder wird es umgekehrt sein?
Fazit: Der Einstieg in den Roman war ein wenig holprig, viele Fachausdrücke legen sich anfangs in den Weg, aber die Geschichte entwickelt einen gewaltigen Sog. Die Sprachführung ist sachlich, geradlinig und dennoch erheitert einen so manche österreichische Wortkreation. Es ist Sciene-Fiction, eine Dystopie, ein wunderbarer (philosophischer) Roman über den Wert der Menschen und darüber was es ausmacht Mensch zu sein mit all den Fehlern die diese Spezies hat und tagtäglich macht. All diese Scripts und Flashs die während der Lektüre dem Leser die Ganglien und Synapsen verknoten und malträtiern entwirren sich schließlich zu einer Art DejaVu, surreale Bilder und Szenen bleiben übrig, eingepresst in das Gedächtnis mit dem Hilferuf der Erinnerung an eine graue Zukunft!
Ich bin mir sicher dass der Roman nicht jedermann begeistern wird, es ist keine ganz einfache , dafür aber fordernde Lektüre, deswegen gebe ich aus den obengenannten Überlegungen eine mehr als klare Leseempfehlung aus und behaupte: Großartige, sehr geniale Literatur und verneige mich vor dem Genie der Autorin.

Bewertung vom 15.06.2020
Das Grab der Jungfrau
Lahr, Stefan von der

Das Grab der Jungfrau


ausgezeichnet

William Oakbridge, Altertumsforscher aus Berkeley, kommt in Besitz eines sehr alten Papyrus. Wenn sich seine Vermutungen als wahr herausstellen sollten dann könnte das Schriftstück die Welt wie wir sie kennen auf den Kopf stellen. Um Klarheit zu erlangen benötigt er allerdings einen weiteren Text der sich in den Archiven des Vatikans befindet. Dorthin zu gelangen ist allerdings schwieriger als vermutet, er braucht Verbündete wie zum Beispiel Monsignor Montebello, seines Zeichens Mitarbeiter der Bibliothek. Auch der ehemalige Leiter der vatikanischen Institution Kardinal Ambrosi muss stückweise eingeweiht werden, ein Umstand der Oakbridge weniger gefällt. Schließlich sollte alles im Geheimen ablaufen, aber gewisse unglückliche Umstände rufen neben der römischen Polizei auch das organisierte Verbrechen auf den Plan, obwohl kaum einer den wahren Inhalt des Textes kennt. Doch Neid und vor allem die Aussicht auf viel Macht bringen den ein oder anderen finsteren Gesellen ins Spiel – Kampf und Wettlauf beginnen. Mehr wird nicht verraten.
Die Story ist geschickt aufgebaut, spannend verfasst, der Leser fast immer am Puls des Geschehens mit viel Wissen, aber die letzte Lücke des Puzzles offenbart sich natürlich erst gegen Schluss. So wird der Roman – Krimi oder Thriller mag hier jeder für sich selbst entscheiden – zu einem nägelkauenden Pageturner. Satz und Plot finde ich sehr gut, das Weglassen von überflüssigen Details und klare Konzentration auf die Handlung machen das Buch zu einem 1A Lesevergnügen. Nebenbei muss noch erwähnt werden dass die historischen und religiösen Hintergründe bestens recherchiert und die Erläuterungen im Anhang sehr hilfreich sind.

Bewertung vom 04.04.2018
Señor Gonzalez und der Garten des Lebens
Mikosch, Claus

Señor Gonzalez und der Garten des Lebens


ausgezeichnet

Eine wundervolle Hommage an das Leben mit der Natur und nicht gegen die Natur.

Ein geordnetes Leben, so wie es die Gesellschaft von einem erwartet, brav, bieder, anständig. Und doch lässt einen die Gesellschaft fallen, wegrationalisiert. Es beginnt für Niklas die Zeit seiner Arbeitslosigkeit und er flieht aus der industriellen Kälte Deutschlands in die Wärme Südspaniens. Er findet nicht nur die Wärme der Sonne, sondern auch die wärmende Freundschaft von einigen wenigen Menschen.
Das alles ist der Rahmen um die eigentliche Geschichte des Buches – es ist eine Art Reiseführer. Dabei geht es nicht um die Schönheiten Andalusiens, sondern um all die Baustellen und Probleme unseres Planeten. In Dialogen und Gesprächen, meist im Garten und während der Gartenarbeit mit Senor Gonzales, erlebt der Leser einen Streifzug durch die anstehenden Probleme der Menschheit. Fast schon zuviel Krisen wie die Kriegswirren im Nahen Osten, Ressourcenknappheit, Globalisierung, Umweltverschmutzung, Massentierhaltung, Plastikmüll, Wirtschaftsflüchtlinge, etc. werden angesprochen. In einer klaren Sprache, nicht übertrieben, oftmals nur am Rande erwähnt scheinen dem Autor all diese Themen richtig gehend unter den Fingernägeln zu brennen. Es werden viele Wahrheiten und Weisheiten ausgesprochen; und dieses ganze Sammelsurium an ungelösten Problemen sprengt fast den Rahmen des Buches. Denn so kommt meines Erachtens die wahre Botschaft nur eingezwängt durch: Entschleunigung des Alltags, Achtung vor sich selbst, der Natur, seinen Fähigkeiten, Glücklichsein, auch wenn es mal gegen den sogenannten Mainstream geht. Der Garten als Sinnbild für das eigene Leben – denn nur wer seinen eigenen Garten liebt und hegt wird letztendlich belohnt werden. So arbeiten Niklas und Gonzales zusammen im Garten nach dem Motto „Alleine schafft es keiner“, nur gemeinsam mit Achtung und Respekt kann ein erfülltes und glückliches Leben gedeihen. Und auch nur so lassen sich all die vielen Problemzonen auf dem Planeten eindämmen.

Der Mensch braucht die Natur, aber die Natur braucht den Menschen nicht.

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und kann es Jedem uneingeschränkt weiterempfehlen mit dem Ratschlag auch zwischen den Zeilen zu lesen.